Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

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-M* 88ster Jahrgang. 
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Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegebcii. 
Aboimciitcil. 
Mo. 78. 
Dienstag, den 2. April 
1895. 
Msrgeu Depeschen. 
Fricdrichsrnh, 1. April. Heute Mittag 
trafen der Flügeladjutant des Kaisers, 
Major Moltke und Gras Vitzthum, der 
Abgesandte des Königs von Sachsen hier 
nn. Beide überbrachten Glückwunschschrei 
ben ihrer Souveräne. Alle deutschen 
Fürsten, die Kaiserin Friedrich und Prinz, 
segent Albrecht, der König von Italien 
sandten Gratulation-schreiben. — Auf Be 
şĢ des Kaisers sind die Kapellen des 31 
Usid 76. Infanterie > Regiments, des 4 
Garde-Regiments zu Fuß, des 9. Pionier 
Bataillons und 23. Feldartillerie-Regr 
ments hier eingetroffen und concertiren 
von 12—2 Uhr im Schloßhof. — Der 
Ausmarsch der Studenten bot bei dem 
hellen Frühlingswetter ein farbenprächtiges 
Bild. Mit dem Coburger Marsch nahten 
die Colonnen, die Schläger gezogen. Kurz 
vor 1 Uhr erschienen alle Familienmit- 
glieder, die Deputationen, die Universitäts 
professoren, die Abordnungen der Regimen- 
îer auf dem Schloßaltan. Sodann erschien 
der Fürst zum Empfange der Professoren- 
deputation. Der Rektor der Berliner Uni 
versität, Pros. Pfleiderer, hielt eine An- 
spräche, worin er das hohe Verdienst Bis- 
Marcks um die Förderung der nationalen 
Interessen betonte. Der Redner schloß mit 
dem Hinweis, daß es Pflicht und Aufgabe 
er Universitäten sei, den idealen Gedanken 
der Nalionaleinheit rein und unentwegt 
lm Herzen der deutschen Jugend zu er- 
Herauf folgte der Huldignngszuq 
der Studentenschaft, woran sich 4000 Stu- 
dirende betherligten welche 30 Hochschulen 
vertraten. Beim Erscheinen des Fürsten 
wurde dieser mit dreimaligem Hurrah be 
grüßt. Ein Mitglied des Ausschusses der 
-Studentenschaft verlas die Adresse und 
übergab das Ehrengeschenk der Studenten 
mit einer Ansprache, worin die akademische 
Jugend Deutschlands größtem Sohne un 
vuslöschliche Dankbarkeit und glühende 
Verehrung ausspricht und tiefempfundene 
Glückwünsche ausdrückt. Der Fürst, der 
ues gerührt war, ^ sprach den herzlichsten 
^lnk aus für die ihm erlviesene große 
Ehrung und forderte in seiner Rede die 
Studenten auf, an der Einheit des Reiches 
Mitzuhalten. Dann überreichte er dem 
Vertreter seines Corps „Hannovera" die 
°"en Corpsdokumente, die noch in seinem 
«e,itz waren. Hierauf erscholl aus 4000 
Kehlen das Lied: „Horch, Sturmesflügel 
lauschen" nach der Melodie des Körner'schen 
Schwertlicdes. Unter endlosem Jubel und 
stürmischen Hochrufen zog sich der Fürst 
zurück. Die Studenten traten in 5 Extra 
zügen die Rückfahrt nach Hamburg an. — 
Der Fürst sah bei den Empfängen frisch 
und heiter aus. Pros. Schwenninger blieb 
fortwährend in seiner Nähe. 
Friedrichsruh, 2. April. Der Inhalt 
der Rede des Fürsten Bismarck bei Empfang 
der Professoren stimmte im Wesentlichen 
mit dem der an die Studenten gehaltenen 
Ansprache überein; sie enthielt die Mahnung, 
sich in die bestehenden Verhältnisse zu finden 
und nicht in reale Dinge den Maßstab 
traumhafter Ideale zu legen. Der Fürst 
weinte weiter, theoretisch habe er doch 
vielleicht Unrecht gehabt, seine Gegner 
Reichsfeinde zu nennen, aber praktisch sei 
er im Rechte gewesen, den Reichsfeind sei 
stder, der durch Erweckung unmöglicher 
Ideale die Entwickelung möglicher, nützlicher 
Dinge verhindere. Er freue sich, daß er 
noch von seinen Gegnern so heftig ange- 
griffen werde, denn das beweise ihm, daß 
er noch kein todter Mann sei. Nach der 
Ovation der Studenten wurden die Char- 
giriert bewirthet; dann zog die Mehrzahl 
unter Gesang ab, während je ein Ver- 
treter jeder Hochschule zum Frühstück in's 
Schloß gebeten wurde. Der Fürst war 
während des Frühstücks nicht anwesend. 
Graf Wilhelm machte die Honneurs. Die 
Gräfin Rantzau überreichte den Studenten 
Blumen. Fürst Bismarck hatte sich nieder- 
gelegt, um Abends beim Fackelzug frisch 
zu sein. — Das Wetter blieb andauernd 
schön. 
^ Berlin, . 2. April. Die Freisinnige 
Bolkrpartei hielt gestern ihren Parteitag 
für die Provinz Brandenburg, die Alt- 
mark und Mecklenburg-Strelitz ab, der von 
et!va 150 Personen, (Delegirten aller 
stimmig beschlossen habe, daß der Abg. 
und 1. Vicepräsident Schmidt der Einladung 
nicht Folge zu leisten habe. 
München, 2. April. Wie wir ans 
sicherer Quelle erfahren, hat der Ministerial 
rath v. Landmann das Cultusportefeuille 
angenommen. Die offizielle Ernennung ist 
noch nicht erfolgt. 
_ Christiania, 2. April. In dem heutigen 
Staats rathe stellte die Regierung dem 
König anheim, baldigst die von ihr einge 
reichten Abschiedsgesuche zu bewilligen. 
Der König berief heute den Amtsmann 
Michelet, wie verlautet, um ihn zu beauf 
tragen, die Bildung eines Geschäftsmi- 
nisteriums zu versuchen. 
Wahlkreise) besucht war. Nach Erledigung 
der Geschäfte, verbreitete sich Herr Eugen 
Richter über die politischen Tagesfragen. 
Auf die Bismarckehrung eingehend, erklärte 
Redner, er habe im Seniorenkonvent den 
Vorschlag gemacht, daß jede Partei ihre 
Erklärung für den Antrag Levetzow vor 
her feststelle und den Seniorenkonvent unter 
breite, damit in gemeinsamer Berathung 
jede Schärfe, die irgend jemand 
verletzen könne, ausgemerzt werde. 
Die sog. nationalen Parteien lehnten es 
aber ab, darauf einzugehen. Redner theilte 
weiter mit, daß, nachdem die Einladung 
mi das Präsidium, an dem Prniikmahl im 
Schlosse theilzunehmen, ergangen, die 
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fraction zusammengetreten sei und 
Teutscher Reichstag. 
73. Sitzung. 
_ m . Berlin, 30. März. 
-Ser Relchsschuldenkonnnission wird für die 
Rechnungskontrolle der Staatspnviere und der 
Staatsfchuldentilgungskasse sowie der Verwaltung 
des Reichsmvalidenfonds für die Rechnung dieses 
und des Reichstagsgebäudefonds Entlastuna er 
theilt. ^ 
Der von den Abg. Möller-Dortmund und Dr. 
Hitze eingebrachte Gesetzentwurs aus Abänderung 
des Gesetzes über die Einheitszeit wird in dritter 
Lesung angenommen. 
Das Haus setzt dann die Berathung des An 
trages Kanitz fort. 
Abg. Graf v. Gal en (Centr.) fast unverständ 
lich) : Gegenüber der Aufregung, die der Antrag 
Kanitz in weite Kreise der ländlichen Bevölkerung 
hineingetragen hat, glaube ich richtig zu handeln, 
wenn ich ihn prinzipiell behandle. Das Centrum hat 
stets ein warmes.Herz für die Landwirthschaft 
gehabt; deren Nothlage ist nicht allein in oeui 
ausländischen Wettbewerb begründet, der Grund 
liegt viel tiefer. Zwei Weltanschauungeil kämpfen 
mit einander: die soziale und christliche und die 
materialistische, das liberale Prinzip des laisser 
al er. Gestern hat der Reichskanzler den Antrag 
für linannehmbar erklärt, vorzugsweise wegen 
, einer Consequenzcn. Die Antragsteller bestreiten 
zwar, daß der Antrag einen soiialistifchen Kern 
hat; sie wollen nachher Halt gebieten. Das wird 
ihnen aber nicht gelingen. Trotzdem wir das 
Prinzip des Antrages ablehnen und es nie und 
»immer annehmen können, sind wir doch, weil 
wir der Landivirthschaft nach Möglichkeit zu Hülfe 
kommen wollen, zu einer nochmaligen Prüfung 
des Antrages ber>it, um zu untersuchen, ob er 
nicht in irgend einer Weise zu sructificiren ist. 
Deshalb beantragen wir die Verweisung des An 
trages an eine Commission von 28 Mitgliedern. 
(Beifall im Centrum.) 
Abg. Dr. Barth (frets. Ver.): Der Antrag 
inuß vor Allem auf seine agitatorische Zugkraft 
hin beurtheilt werden. Diese wird turch die'Com 
missionsberathung nur gestärkt werden. Der An 
trag wird sicher immer wieder kommen: Le roi 
le reverra. Wird der Antrag an eine Commiffon 
verwiesen, so wird man argumentiren: Obivohl 
der Staats rath und die Regierung den Antrag 
Hails Oesterreich. 
ein-1zurückgewiesen haben, hat der Reichstag sich doch 
dein berechtigren Prinzip nicht entziehen können 
und hat ihn an eine Commission verweisen müssen. 
(Sehr richtig!) Die Antragsteller bestreiten, daß 
der Antrag zu einer Brotvertheuerung führen 
würde; das ist aber doch der Zweck des An 
trages. Entkleidet man ihn von allein Beiwerk 
und stellt man seine Tendenz nackt und bloß hin, 
so crgiebt sich doch klar, daß er bezweckt, Mindest 
preise, und zwar sehr hohe, festzusetzen. Das 
Ziel erreicht man viel besser durch Auferlegung 
einer Kopfsteuer, deren Ertrag auf die einzelnen 
Landwirthe vertheilt wird. Zu welchen Conse- 
auenzcn muß das führen? Auch andere Berufs- 
kreise werden sich melden, und die Förderung der 
Festsetzung von Mindestlöhnen wird sich nicht ab 
weisen lasten. Daher hat der Reichskanzler gestern 
ganz richtig ausgeführt, daß 76 pCt. der tand- 
wirtlstchaftlichen Bevölkerung keinen Nutzen von 
der Erhöhung der Getreidepreise haben würden. 
Es handelt sich hier überhaupt nicht um die Land 
wirthschaft; Sie verwechseln Landwirthschaft mit 
Landwirthen und diese mit Grundbesitzern. Der 
Präsident des landwirthschaftlichen Centralvereins 
in Schlesien, Gras Pückler-Burghaus, hat es 
offen im Hcrrenhause ausgesprochen: die Land- 
wirthschaft als solche leidet nicht, wenn Grund 
und Boden billig sind, nur die Landwirthe leiden. 
Die Hunderte von Millionen, die der Antrag 
aufbringen will, sollen nicht für die Landwirth- 
chaft nutzbar gemacht werden, sondern nur für 
eine beschränkte Anzahl von Grundbesitzern. Ganz 
abgesehen von den Mitteln, die Graf Kanitz er 
greifen will, muß man das Prinzip, Mindestpreise 
lestzusetzen, volkswirthschaftlich und sozialpolitisch 
verwerfen und das ist für mich der Grund, wes 
halb ich den Antrag ablehne. (Beifall links.) 
Abg. Gras Lim bürg-St ir um (cous.) Da 
ran--, daß daS Centrum den Antrag an eine 
Commission verweisen will, schließe ich, daß die 
Partei des Grafen Galen doch nichi in ihrer 
Gesammtheit ant dessen ablehnendem Stand- 
punkt steht. (Heiterkeit und Beifall rechts.) 
Mit welchem Hohne wurde im vorigen Jahre 
der Antrag aufgenommen! Jetzt behandelt 
man ihn sehr ernst. Abg. Dr. Barth sprach 
von einer Kopfsteuer, die der Antrag der Be 
völkerung auferlege. Wie kommt denn aber der 
Abg. Barth dazu, für Canäle und Wasserstraßen 
zu stimmen, die doch auch nur bestimmien 
Jnleressenkreisen zu gute kommen (Zustimmung) 
und keine Reine garanliren? Auf diesem 
Princip beruht aber' das ganze Staatswesen. 
Ganz irrig ist es, zu behaupten, daß der Antrag 
nicht der gcsamnilen Landwirthschasl zu guie 
komme. Woher entstände denn sonst die Zu 
stinlmung aller kleinen Besitzer zu dem Antrage 
ohne wesentliche Agitation? Es ist von ganz 
wesentlichem Interesse für den Staat, daß die 
jetzigen Grundbesitzer auf der Scholle erhallen 
werden, denn sie sind die Hauptstützen von 
Staat und Monarchie. Der Rcgiciung erwidere 
ich, daß die Ausführung des Antrages zwar 
viele Schwierigkcilen bereiten wird, aber nach 
unüberwindliche. Unsere Statistik ist eine un 
sichere Basis und auf ihre Ziffern kann man 
keine Argumentationen bauen. Deutschland 
wird, wie wir meinen, nie in der Lage sein, 
das Getreide, das cs braucht, selbst zu produciren. 
Daß der Antrag einen socialistischen Charakter 
bat, bestreite ich. Aber etwas von socialistischen 
Gedanken steckt doch in dem Staate überhaupt 
und ebenso könnte man alle Eingaiigszölle 
socialistisch nennen. Der Staatssekretär dcķ 
Aeußcreii will uns in Widerspruch setzen mis 
unseren Aeußerungen bei Berathung des öster 
reichischen Handelsvertrages Damals behaupteten 
wir, daß wir zu große Concessionen zu unserem 
Nachtheile gemacht hätten; nun, die Nachtheile 
sind dach sicher eingetreten Daß die Einleitung 
von Verhandlungen der Würde des deutschen 
Reiches nicht cnlspiechcn sollte, kann ich nicht 
zugeben und was das Schwanken der deutschen 
Politik betrifft, so scheint mir unsere Politik seit 
5 Jahren nicht stabil zu sein. (Beifall rechts.) - 
Jedenfalls muß cttvas geschehen, um der Ucder- 
schivemmung mit fremdem Getreide cnigegenzu- 
kreien. Der Antrag wird jetzt crvst genommen: 
darin hat sich die Haltung des Hauses gegen 
das vorige Jahr geänderr. Kommt nicht Hülfe 
für die Landwirthschasl im Sinne des Antrages 
Kanitz, so werden große Gefahren für Staat 
und Monarchie hcraiifbeschworen. (Lebhafter 
Beifall rechts.) 
Staatssekretär Frhr. von Marsch all; Ob 
sich in den Gesinnungen des Hauses dem Antrag 
Kanitz gegenüber ein Umschivung vollzogen hat, 
weiß ich nicht. Bon den verbündeten Regierungen 
kann ich versichern, daß wir von Anfang an den 
Antrag überaus ernst genommen haben, iveil wir 
wußten, daß er in weiten Kreisen Hoffnungen 
erwecken würde, von denen es überaus zweifel 
haft sein würde, ob sie erfüllbar seien. Daß 
namentlich ich den Antrag von jeher ernst ge 
nommen habe, beweist, daß ich bereits bei der 
Berathung des Handelsvertrages mit Rumänien 
darauf hingewiesen habe, daß sich allmählich der 
Gedanke entwickeln lönnte, es sei die Aufgabe 
des Staates, für die Getreide einen Minimal- 
preis festzusetzen. An dieser Stelle meiner Rede 
steht die Bemerkung „lebhafterWiderspruch rechts"; 
ich schränkte mich dahin ein, daß ich nicht an 
nehme, cs könnte hier im Hause Jemand diesen 
Gedanken fassen, wohl aber draußen im Lande. 
Wieder ist „lebhafter Widerspruch rechts" verzeich 
net. Es scheint mir also auf der rechten Seite 
des Hauses eine gewisse Wendung eingetreten 
zu sein. Meines Erachtens ist es unmöglich, 
wenn wir nicht die Würde und das Ansehen des 
Reichs schädigen wollen, Verhandlungen mit den 
Vertragsstaaten im Sinne des Antrages Kanitz 
einzuleiten. Unter schweren parlamentarischen 
Kämpfen und nach langen Verhandlungen haben 
wir die Verträge abgeschlossen. Wenn wir nun 
an die Mächte das Verlangen stellen, tabula rasa 
zu machen, würden wir das Vertrauen in die 
Continuität und die Zuverlässigkeit unserer Politik 
erschüttern. Wir würden auch weite Kreise des 
Erwerbslebens tief beunruhigen. (Beifall links, 
Widerspruch rechts). Einen wesentlichen Vortheil 
aus den Handelsverträgen würden nur aufgeben; 
ob wir aber Zufriedenheit in den landwirthschast- 
lichen Kreisen erwecken würden, ist zweifelhaft. 
Handelsverträge schließt man doch ab, um den 
Verkehr zwischen zwei Staaten zu erweitern. Der 
Antrag aber verfolgt den entgegengesetzten Zweck, 
er will den Verkehr erschweren. Betrachten wir 
die Dinge, wie sie liegen, so meine ich, würden 
ohne diese Verträge weile Kreise des Erwerbs 
lebens dringend verlangen, daß sie. abgeschlossen 
werden. Wären die Verträge nicht geschlossen, 
o würde unsere Ausfuhr großen Schaden erleiden 
und die Klagen über die Absperrungsmaßregeln 
der anderen Staaten würden nicht aufhören. Daß 
wir eine Stabilität in den Auslandszöllen er- 
Von Baron Schloßhof. 
(Nachdruck verboten.) 
(Die Wiener Hofburg.) 
„Haus O esterreich" nannte man einmal 
fL h url ‘LJ-”' Szepter der Dynastie 
Länder OestenUck w steI,cnben Staaten und 
S irinSf Cta’Vs“ 4 ’- «?«?»' 
(Sickertab,n, in Dm,sch,nü""f,; JJ' “ 
tab zeitweilig and) in anderen Ländern 
Kelche nian bcreils zum Orient zu zählen 
gewohnt ist und in denen Oesterreich auch 
heute wieder regiert: in Bosnien und der 
herzogcwiua. Die Dynastie ist geblieben 
j~ ie 'st das „Haus Oesterreich" wie es m 
sĻort und Schrift oft heißt, von dem wir 
Per erzählen wollen. Wir werden in raschen 
oügen zuerst die Wiener Hofburg zeichnen 
ind dann vom Kaiserpaare und dessen 
.ngstcnt Familienkreise berichten. 
.1 b'gE'chc Vater- oder Mutterhaus 
! s osterreichlschen Hofes ist die Wiener 
"Ņurg" kurzweg, sagt man in 
und 'ch glaube, daß der Kaiser und 
° Kaiserin sich dieses Namens gerade so 
ebenen w:e der Geringste «ns dem Volke, 
ein »"..von dem Palastc spz-ichP indem 
j„ Raffer resldirt. Diese Wiener Burg ist 
eigenthümliches Conglomerat von 
^äus rn' N"^?rche, kleinen und größeren 
lpvari şinchtgcbaudm Mil riesigen Sälen. 
^.taiMuents mit wohnlichen,schön geschmückten 
'elche n glanzvollen Empfangsrüumcn, 
Wnt« f Schätze des Occidents und des 
rdlosen b , erem '9 cn - Bureaux der Hofbehördcn. 
â si. Insten Gängen, über deren glatte 
S-teinc sich sehr beschwerlich gehen läßt 
breiten Prachtstiegen und schmalen Wendel 
treppen: von Bauten aus der gothischen 
Zeit, ans der Renaissance, ans der Barocke, 
neuen Zuthaten in der edlen Bauart Fischers 
von Erlach, noch im Bau begriffenen 
Palästen nach den Entwürfen Hascnauers 
und Sempers;, zwei Gärten rechts und links 
von dem Hauptplatze, den die älteren Burg- 
gebäude säumen, einem Thore, das isolirt 
auf diesem Platze steht, endlich Statuen der 
Kaiser Josef und Franz, der Feldherren 
Prinz Eugen und Erzherzog Karl, der 
großen Kaiserin Maria Theresia auf den 
Hauptpläbcn. Im Burg-Komplexe befinden 
sick) ferner imposante Reitschulen und 
Stallungen, kaiserliche und Staatsarchive, in 
denen Schätze von der neuen bis in die 
entfernteste Zeit ruhen, und die Kabinetls- 
Uiid Milltärkanzlei des Kaisers. Der älteste 
si. , l des Palastes ist eine Art kleiner 
HI m-eckc noch mit den Steinkugeln, über 
ber Zugbrücke rollten, 
5 şi' 3 dem kurzen Wallgraben-Stück 
Si" l k H n S ' Vd à Ulmen; an der 
Hauswand knapp daran, schlingt sich ein 
v'crhundertiahriger Ephen empor, in dessen 
tmmergrn.ise.ns°llmden, aber weiß überzogenen 
Blattern nne Legion von Sperlingen lustig 
und fröhlich, aber so laut und aufdringlich 
den nahenden Frühling bewillkommnend, einen 
Heidenspektakel beginnt, daß alle Welt, welche 
dic Burg passirt, stehen bleibt und den 
kannibalischen Orgien dieser aufdringlichsten 
aller Hausfreunde der besitzenden Menschheit 
zuhört. 
Das ist ja kein Hans, das ist eine kleine 
Stadt, diese Hofburg in Wien! Jawohl. 
Und cs ist sehr schwer, sich in derselben 
zurechtzufinden, wenn man als Fremder den 
Fuß hineinsctzt. Es bedarf hier eines 
Führers, und zu dem letzteren Dienste sind 
die Burg-Gendarmen gern bereit, welche 
majestätisch an den Haupteingängen paradiren 
und freundlich herablassend Fragenden Rath 
schläge ertheilen. Diese Burg-Gendarmen 
sind ausgediente Unteroffiziere, welche den 
Grad eines Feldwebels einnehmen und aus 
de» größten und verwendbarsten gedienten 
Männern gewählt werden. Sic sind keine 
Geniralstäblcr und ihre Karriere ist geschlossen 
Ist ihre Dienstzeit als Bewacher der Burg 
vorbei, dann werden sic Amtsdiener in den 
Ministerien und verschiedenen Aemtern, aber 
da diese Soldaten erprobte Männer sind, 
kam es manchmal vor, daß man sic sämmtlich 
zu Offizieren ernannte. Es hat sich dies in 
Zeiten der Noth, wie im Jahre 1818 
ereignet. Sic rückten sofort ins Feld und 
haben ihre Schuldigkeit gethan, hier und dort 
Lebhafte Bewegung erfüllt tagübcr und 
einen großen Theil der Nacht hindurch die 
Burg. Früher, es ist noch nicht lange her, 
war cs jedem Omnibus, ja jedem Lastwagen 
erlaubt, in die Wiener Hofburg hineinzufahren 
und die Platze derselben mehr oder minder 
schnell zu durcheilen, da die gerade Linie 
von deni Herzen der Stadt nach den Bor- 
'tädtcn hier durchgeht. In neuester Zeit erst 
ist einigermaßen Abhilfe getroffen worden 
in dem Hause des Kaisers, der Tag und 
Nacht öurch den Lärm der rasselnden Wagen 
gequält wurde. Man hat die Lastwagen und 
Omnibusse ausgeschieden, und nur noch die 
Equipagen, die „feschen" Fiaker und etwas 
armseligen Wiener Einspänner haben die 
Erlaubniß, den Hos zu durchqueren, aus den 
man aus den Fenstern der Wohnzimmer des 
Kaisers herabsieht. Menschenfreundlich war 
„Hans Oesterreich" immer, gegen Jederniann 
Es galt fast als Wiener Unrecht, von jenen 
Wegen Gebrauch zu machen, welche die 
Hofburg durchziehen. Aber mit der zunehmenden 
Bevölkerung wuchs auch das störende Geräusch 
und alle angewandten Methoden der 
Pflasterung oder sonstigen Bedeckung der 
Fahrstraße erwiesen sich nicht ausreichend, 
den Lärm zu dämpfen. So mußten denn 
dem sogenannten „schweren Fuhrwerk" andere 
Wege zugewiesen werden. Es ist noch genug 
des Lärms übrig geblieben. Von der 
Stunde, in der die Hähne des Rkorgens 
krähen, bis zur Zeit, wo der letzte, lange 
nach Mitternacht heimwandelnde und heiter 
ein Liedchen anstimmende Wiener seiner fernen 
Wohnung zuziehr. wird cs nicht lautlos in 
der Wiener Hofburg. Aus allen Thoren — 
cs giebt deren eine große an der Zahl — 
ahren Wagen hinaus oder in sic hinein 
Auf dem Jnnenplatzc halten bald hier, bald 
dort Gefährte. Lauge Zeilen von Fuß 
gängern ziehen dunkle Lienien über die mit 
breiten Steinen gepflasterten Hauptwcge. 
Diener eilten hier- und dorthin von einem 
Trakte zum andern. Bor der Hanptwache, 
welche sich gegenüber dem Denkmale des 
Kaisers Franz befindet, schreitet der Schnnr- 
sosten auf einem Brette stramm dahin und 
macht, am Ende desselben angelangt, hörbar 
kehrt! So will cs die neue Exerziermethode. 
Auch die bosnisch-herzegovinischm Bataillone, 
den roten Fez auf dem Haupte, welche seit 
Jahren einen Teil der Wiener Garnison 
bilden, beziehen wöchentlich ein- bis zweimal 
die Hauptwache der Burg. Weit draußen 
am Thore, das mir dem Wahlspruche: 
geziert ist und wo sich ebenfalls eine Abteilung 
der Wache befindet, ist eine Person aufgestellt, 
der das Herannahen des Wagens des Kaisers 
oder jener der Erzherzöge signalisirt. Knapp 
am innern Kern des Burg-Palastes befindet 
sich ein zweiter Posten. Dieser übergiebt die 
Meldung durch ein, von Manchem recht 
schwer zu erlernendes lautes „Gewehr heraus!" 
deni Kommandanten der Burgwache — cs 
ist manchmal recht ergötzlich, die Ungarn, 
MS 
fix j- '• ... . . , t . 7-n M v**‘* v *- mmumļwļui 
„Mrechttgkctt lst die Grundlage der Staaten"!hunderte von Männern und 
Polen und Bosnier die deutschen Worte 
rufen zu hören — und nun, unter Trommel- 
schall, fährt der Wagen des Kaisers, auf 
dessen Bocke der unbewegte Kutscher und der 
linke Jäger, den wallenden Federbusch auf 
dem Zweispitz, sitzen, in den Hof und lenkt 
rasch in das Thor ein, von dem aus die 
Treppcnflncht in die Geniächer des Kaisers 
ühn. 
Es ist, wenn der Trommelschlag erschallt, 
eine Hauptfrcudc der beschäftigungslosen jungen 
und oft auch der nicht minder neugierigen 
alteren Herren und Damen, zu laufen, so 
rasch man zu eilen im stände ist, und Spalier 
zu bilden, um einen Augenblick lang den 
Kaiser zu sehen. Die Leute erzählen "dann, 
zu Hause angelangt, wie gut der Kaiser ans 
ehe und wie freundlich er sie angelächelt habe. 
Der Kaiser grüßt, die Hand an den Hut 
oder die Mütze legend, Jeden, der sich auf 
einem Wege befindet. 
^Dcn Hanptspektakel aber giebt es zur 
Blittagszcit, wenn die Wiener berühmte 
„Burgmusik" aufzieht. Es ist dies zur 
Zeit der Wachcablösung der Fall. An der 
Spitze der halben Compagnie befindet sich die 
Musikkapelle des Regiments und vor und 
hinter der militärischen Kolonne marschiren 
Dainen von 
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