Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

mSM; K i ÜI MMMMVMW m ÛW ' . 
abgespielt. Ein Dieb hatte sich in einer 
der bevölkertsten Straßen in den oberen 
Stockwerken eines offenstehenden Hauses 
nach Kleidern umgesehen und eine gute 
Last solcher im Winter nützlicher Effekten 
auf die Schulter gepackt. Auf der Treppe 
vom Hausmeister nach Wohin und Woher 
gefragt, gab er sich für einen Fleckenrei- 
niger aus und bekam auch sofort den Auf 
trag, ein wenig zu warten. Der Haus 
meister brachte denn auch nach wenigen 
Minuten dem Harrenden einen Ueberzieher, 
um ihn ebenfalls in Kur zu nehmen. 
Gerne übernahm der gefällige Mann dieses 
Geschäft und trug das Stück nebst dem 
andern Raube triumphirend und gute Nacht 
wünschend die Treppe hinab und zum 
Hause hinaus. 
Inland. 
— Der „Reichsanz." meldet amtlich, 
daß der Vortragende Rath in der Reichs 
kanzlei, wirkt. Geheimrath Goering mi 
ter Verleihung des Kronenordens I. El. 
seinem Antrag gemäß in den Ruhestand 
versetzt und der Vortragende Rath im 
Ministerium für Landwirthschaft, Domänen 
und Forsten, Geh. Oberregierungsrath Frhr. 
v. Wilamowitz zum wirkl. Geh. Ober- 
Regierungsrath und vortragenden Rath in 
der Reichskanzlei ernannt worden ist. 
— Mittwoch-Abend findet in der italieni 
schen Botschaft zu Ehren der Vermählung 
der Tochter Crispi's ein großes Fest 
essen statt. Die italienische Colonie über 
sandte der Braut ein kostbares Brillanten- 
Geschenk; auch vom Fürsten Bisniarck und 
dessen Sohn, Grafen Herbert, wurden der 
Braut prachtvolle Geschenke übermittelt. 
— Wir hatten geglaubt, so schreibt die 
„Köln. Volkszeitung", die neue Berliner 
Korrespondanz aus dem Ministerium des 
Innern werde das ganze Osfiziösenthum 
ersetzen und ein einziges offiziöses Organ 
der Regierung werden. Das war ein Irr- 
thuni. Es hat sich herausgestellt, daß wir 
in der „Berl. Korresp." lediglich ein offi 
ziöses Organ mehr haben. Dabei ist sie 
noch nicht einmal das hervorragendste; 
eher kann man sagen, sie finde von allen 
ihren Geschwistern die geringste Beachtung 
in der Presse. Viel besser mit Nachrichten 
versehen sind die „Berliner Politi 
schen Nack rich ten", die mit dem 
Finanzminister Dr. Miguel in Verbindung 
stehen und deren fleißigster Mitarbeiter der 
Oberregierungsrath Frhr. v. Zedlitz, der 
Führender Freikonservativen im preußischen 
Abgeordnetenhause ist. Ja die „Berl. Pol. 
Nachr." haben in letzter Zeit sogar einen 
neuen Auffchwung aenommcn und sich aus 
der Unbeachtetheit, in die sie zeitweilig ge 
rathen war, herausgearbeitet. Auch im 
„Hamburgischen Correspondent", 
macht sich noch immer die alte offiziöse 
Feder bemerkbar, wenngleich in den letzten 
Wochen etwas weniger. Offiziös für aus 
wärtige Angelegenheiten scheint die „Post" 
wieder geworden zu sein, wie das neuer 
dings mehrfach zu bemerken war. Räthsel- 
haft ist die augenblickliche Stellung der 
„Norddeutschen Allgemeinen 
Zeitung". Die bekannten Notizen mit 
dem durchschossenen Druck sind ganz ver 
schwunden. So viel an ihm liegt, sucht 
das Blatt den Schein des Osfiziösenthums 
noch zu wahren. Denn sobald feststeht, 
daß in der „Nordd. Allg. Ztg." nur die 
Privatmeinung ihrer Redakteure zum Aus 
druck kommt, fallen sämmtliche Abonnenten 
ab; denn sie ist eines der langweiligsten 
der in deutscher Sprache erscheinenden 
Blätter. Warum hat Herr v. Köller das 
ganze Osfiziösenthum nicht in seiner „Berl. 
Korresp." konzentrirt? Hat er Widerstand 
bei seinen Kollegen gefunden, oder will 
man das offiziöse Halbdunkel mit all fei 
ncn Wirrnissen, wobei schließlich die Re 
gierungspolitik den meisten Schaden hat, 
erhalten? Dann hätte man die „Reor 
ganisation" doch auch nicht so feierlich an 
künden sollen. 
— Die Berliner Gefängnisse sind 
schon wieder einmal überfüllt und die 
Uebersührungen von Gefangenen aus Berlin 
in die Gerichtsgefängnisse der Provinz 
haben von Neuem begonnen. Ein größerer 
Transport ist vorgestern unter Geleit von 
fünf Schutzleuten nach dem Friedeberger 
Gefängniß, einen der größten der Provinz 
abqegangen. 
Ein neues Familiendram a hat sich 
am Sonnabend Abend in Berlin abgespielt: 
Der nahezu 41 Jahre alte Bankbuchhalter 
Gustav Kreidig hat seine 34 Jahre alte 
Gattin mit deren Einverständniß getödlet 
und dann Hand an sich selbst gelegt. Das 
kinderlose Ehepaar, das seit etwa 13 Jahren 
verheirathet ist, hat ohne Sorgen und 
glücklich gelebt und hatte seit mehreren 
Jahren die im zweiten Stock belegene 
Wohnung inne. Kreidig war seit etwa 
20 Jahren Buchhalter in dem Bleich- 
röderschen Bankgeschäft und hat in der 
erster Zeit seiner Ehe, dem bestehenden 
Verbot zuwider, auf eigene Hand Speku 
lations-Geschäfte an der Börse betrieben, 
wie er seinen Angehörigen mitgetheilt hat, 
ist dieser Umstand kürzlich in dem Bank- 
i.,tr ebenso Bedürfniß, wie die Arbeit mir 
unerträglich ist." 
(Schluß folgt.) 
geschäft bekannt geworden und hat dahin 
geführt, daß Kreidig plötzlich zum Januar 
aus seiner Stellung entlassen wurde. Sei 
es nun, daß die Sorge um die Zukunft, 
sei es, daß Scham und Aerger über die 
Entlassung auf das Ehepaar eingewirkt 
haben; soviel steht fest, daß Mann und 
Frau gemeinsam zu sterben beschlossen. 
— Vordem Zuzug mit tell oser Per- 
sonen nach Berlin erläßt jetzt auch der 
Regierungspräsident zu Potsdam eine 
Warnung, indem er auf die bekannte Ver 
öffentlichung des Berliner Magistrats hin 
weist und darauf aufmerksam macht, daß 
nach dem geltenden Gesetz diejenigen Per 
sonen, welche in der Hoffnung Berlin auf 
suchen, dort Arbeit zu finden, und dann 
nicht im Stande sind, sich eine eigene 
Wohnung oder ein Unterkommen zu ver- 
schaffen, ihre Ausweisung zu gewärtigen 
haben. 
Eine neue Art Straßenpflaster 
ist in Berlin probeweise eingeführt worden 
und hat bereits in der Spandauer- und 
Kaiser Wilhelmstraße Verwendung gefun 
den. Es ist ein Asphaltpflaster mit 
schmiedeeisernen Rippenkörpern. Zu den 
hervorragenden Eigenschaften des neuen 
Pflasters soll in erster Linie die Leichtig 
keit gehören, mit der die einzelnen Rippen 
körper bei erforderlichen Reparaturen und 
sonstigen Veränderungen aufgenommen und 
wieder eingesetzt werden können. Haltbar 
keit, Herstellung einer vollständig ebenen 
Fläche, Einfachheit in der Reinigung der 
artig gepflasterten Straßen und der billige 
Preis des Fabrikats werden als weitere 
Vorzüge des neuen Pflasters bezeichnet. 
Eine aufregende Scene ereignete 
sich bei der am Donnerstag Abend in 
Berlin stattgestabten Vorstellung im „Cir 
kus Schumann" von „Texas Jack's 
American Prairie Life Show". Der Auf 
forderung zufolge um die ausgesetzte Prä 
mie, eines der wilden Pferde zu reiten, 
hatte sich der Bereiter O. Sasse bereit er 
klärt. Das Pferd wurde von Texas Jack 
gesattelt und an der Longe gehalten. Dem 
Reiter wurden 5 Minuten Zeit zum Be 
steigen des Pferdes gegeben und es gelang 
ihm trotz dieser langen Zeit nicht einmal, 
das Pferd am Zügel zu fassen. Nachdem 
das Pferd durch diesen vergeblichen Ver 
such besonders gereizt worden war, wollte 
Texas Jack dasselbe besteigen; er wurde 
aber bei seinen Versuchen mehrere Male 
die Manege entlang geschleift, vom Pferde 
in die Höhe gerissen, wobei er einen Schlag 
auf die Nase erhielt, wodurch das Nasen 
bein zertrümmert wurde. Trotz dieser be 
deutenden Verletzung bestieg er von neuem 
das Pferd und es gelang ihm, in den 
Sattel zu kommen, er hatte aber dabei das 
Mißgeschick, aus dem Sattel geschleudert 
zu werden und im Steigbügel hängen zu 
bleiben. Ihm wurde gleich Hülfe zu Theil, 
die ihn aus seiner gefährlichen Lage be 
freite. 
— Den erstaunlich hohen Lohn von 80Pfg. 
täglich bot eine Lichtdruckfabrik einer Dame, 
die mit der Leitung der zeichnerischen Ar 
beiten betraut werden sollte. Eine Kunst- 
und Malschule, an die sich die Fabrik nach 
Mittheilung der Frau Dr. Schubert- 
Feder um Ueberweisung einer weiblichen 
Arbeitskraft für diese splendide Bezahlung 
wandte, zog es vor, darauf nichts zu er- 
widern. Wer aber mag es wissen, ob die 
Fabrik nicht doch noch Damen genug sür 
dieses Honorar gefunden hat? 
Aus einer gstpreußischen Stadt, etwa 
von dem Range von Insterburg erzählt 
die „Bresl. Ztg." folgende urdrollige Ge 
schichte I Ein dortiges Blatt hatte von 
einer Rede eines hohen Herrn berichtet 
und im Lause der Besprechung auf die 
„damalige Rede" verwiesen Da will es 
das Unglück, daß der Setzer das zweite 
„a" ausläßt, so daß von der „damligen" 
Rede gesprochen wird, und nun ist das 
Verbrechen fertig. „Dämlich" bedeutet 
nämlich im ostpreußischen Dialekt so viel 
wie dumm". Der Staatsanwalt zitirte 
den Redakteur, der nachwies, daß nur ein 
unangenehmer Druckfehler vorliege. Trotz 
dem soll der Staatsanwalt deswegen an 
den Oberstaatsanwalt und dieser Pflicht- 
gemäß an den Justizminister berichtet haben. 
Der habe sich dann allerdings in dem 
Sinne ausgesprochen, daß er das ganze 
Verfahren sür recht überflüssig erachte. 
Ob inzwischen die Einstellung des Ver 
fahrens erfolgt ist, ist nicht bekannt Eine 
Verurtheilung wird aber sicher nicht er 
folgen, es sei denn, daß es gelänge, statt 
des harmlosen Zeitungsschreibers den 
tückischen Druckfehlerteufel in Person auf 
die Anklagebank zu bringen. Eines Kom 
mentars bedarf das Geschichtchen nicht. 
Alt-Beruu, 3. Jan. Eine rohe anti 
semitische Ausschreitung wurde ge 
legentlich einer jüdischen Hochzeitsfeier 
in unserem Städtchen in Scene gesetzt. Im 
Saale der Wittwe Frey hatten sich die 
Hochzeitsgäste um das Brautpaar versain- 
melt und begaben sich von da aus zur 
Trauung nach der hiesigen Synagoge. Als 
von dem Rabbiner aus Pleß der Trauungs 
akt vollzogen werden sollte, drang, wie der 
„Oberschl. Anz." berichtet, ein Pöbelhaufen 
gewaltsam in die Synagoge, erbrach die 
Thür zum Frauenchor, warf daselbst die 
Pulte um und schlug mit Stöcken auf die 
Bänke, so daß der Trauungsakt in roher 
Weise gestört wurde. Auf dem Rückwege 
von der Synagoge nach dem Hochzeits 
hause wurden die Hochzeitsgäste mit Koth 
und Steinen beworfen. 
Gleiwitz, 3. Jan. Als am letzten Syl 
vester Nachmittags gegen 5 Uhr die hiesige 
katholische Pfarrkirche mit An 
dächtigen so dicht gefüllt war, daß Viele 
nicht mehr Zutritt fanden und außen an 
den Kirchthüren warteten, ertönte kurz vor 
dem Beginn des Gottesdienstes am rechten 
Seitenschiffe der Kirche der laute Ruf: 
Feuer, Feuer!" Die Wirkung war eine 
furchtbare Panik, welche die Kirchen 
besucher ergriff, und es entstand ein 
lebensgefährliches Gedränge nach den 
Kirchenthüren zu. Einige Personen wur 
den ohnmächtig und viele trugen Beulen 
nnd Quetschwunden davon. An den Kir 
chenthüren hatten sich entschlossene und 
kräftige Männer aufgestellt, welche aus der 
andrängenden festgefügten Menschenmauer 
immer zwei bis drei Personen mit festem 
Griff herauszogen und es wohl dadurch 
überhaupt ermöglichten, daß die Leute ins 
Freie gelangen konnten und schweres Un 
heil vermieden wurde. Ein Feuer war in 
der Kirche nicht zu entdecken. Als der 
Organist die Orgel ertönen ließ, kehrte die 
Besonnenheit bei den in der Kirche Zurück 
gebliebenen wieder. Es ist fast als ein 
Wunder zu bezeichnen, daß kein schwererer 
Unfall oder keine Tödtung dabei vorge- 
gekommen ist. Zunächst nahm man wohl 
an, daß ein Bubenstück vorliegt, und der 
Pfarrer Buchali forderte auch noch am 
selben Abend von der Kanzel herab auf, 
eventuell den Schuldigen zu nennen. In 
dessen ist es, wie angenommen wird, nicht 
ausgeschlossen, daß ein unglücklicher Zufall 
die Panik veranlaßt hat. Nach der einen 
Annahme soll die hoch aufflackernde Licht- 
flamme einer Oellampe die Feuerrufe ver 
anlaßt haben Andererseits wird erzählt 
daß eine in der Nähe des Presbyteriums 
im Gedränge eingezwängte Frau unwohl 
geworden sei und beim Umsinken der 
brennenden Kerze einer hinter ihr stehenden 
Person so nahe gekommen sei, daß ihre 
Kleider etwas angesengt worden seien; dies 
habe einem ängstlichen Gemüthe zu dem 
unbedachten Feuerrufe Veranlassung ge 
geben. 
Offenbach, 3. Jan Einen groben Fall 
unlauteren Wettbewerbes be 
richtet die „Offenb Abendztg.": Die Fir.ua 
Klöß und Raiß beschäftigte einen Arbeiter, 
der dem Werkführer der Konkurrenz-Firma 
zum Nachtheil seiner Arbeitgeber eine ge 
rade ausgearbeitete Erfindung — eine 
Neuerung in Abfüllapparaten — ver 
rieth und selbst fertig zu stellen suchte, 
damit diese die Erfindung noch vor ihrem 
rechtmäßigen Eigenthümer zum Patent an 
melden könne. Sobald die Firma K. u. R. 
von diesem Gebahren Wind bekam, entließ 
sie den Arbeiter und behielt auch den noch 
nicht berechneten Lohn von 2 Tagen zu 
rück. Der Arbeiter klagte vor dem Ge 
werbegericht auf Entschädigung, ließ aber 
auf Anrathen des Vorsitzenden seine An 
sprüche fallen. — Der Vorfall beweist die 
Nothwendigkeit eines Schutzes des Betriebs 
und Geschäftsgeheimnisses; sollte aber die 
konkurrirende Firma —- wenn der Vorfall 
richtig dargestellt wurde, nicht schon jetzt 
zu fassen sein? 
Augsburg, 4. Jan. Aufsehen erregt hier 
der Selbstmord einer jungen 
Dame, die sich gestern Abend mit dem 
Dienstrevolver ihres Bruders, eines Lieute 
nants, erschoß. Unglückliche Liebe soll die 
24jährige schöne Dame, die in hiesigen 
Offizierskreisen eine Rolle spielte, in den 
Tod getrieben haben. 
In Bayern können die Landleute ihre 
Steuern in Getreide bezahlen. 
Auf Anregung des bayerischen Ministe- 
riums des Innern hat das bayerische 
Kriegsministerium sich bereit erklärt zu 
einer Entrichtung der Staatssteuern (Boden 
zinse) in Naturalien dadurch die Hand zu 
bieten, daß die Proviantämter von den zu 
einer Genossenschaft zu diesem Zweck ver 
einigten Landwirthen einer Gemeinde Na 
turalien abnehmen im Gesammtbetrage der 
fälligen Bodenzinsen. Die Quittung über 
die Ablieferung kann alsdann an Stelle 
der Steuerbeträge dienen. Das Ministe 
rium des Innern meint, daß hierdurch den 
kleineren Landwirthen die Abführung der 
fälligen Steuer erleichtert und die Bildung 
von ländlichen Produktions- oder Verkaufs 
genossenschaften gefördert wirb. Die Ab- 
nähme der Naturalien (Roggen, Hafer, 
Heu und Stroh) soll von dem Kriegsmi- 
nisterium allmonatlich festgesetzt werden. 
Die Verwaltungen treten mit den Ob- 
männern wegen Deckung ihres regelmäßigen 
Bedarfs in Verbindung. 
München, 4. Jan. Eine überaus stark 
von allen Parteien besuchte, vom demokra 
tischen Verein veranstaltete Volksver 
sammlung, in der Q u i d d e und 
Conrad das Referat übernommen hatten, 
gestaltete sich zu einer stürmischen, enthu 
siastischen Kundgebung gegen die Umsturz 
vorlage. 
Höchst a. M., 2. Jan. Großes Auf 
sehen erregte die plötzliche Verhaf 
tung des Kaufmanns und Rechtskonsulen 
ten Ernst Schmidt, des Restaurateurs 
Philipp Ziegler von hier und des 
Kaufmanns S ch u t h aus Soden. Wie 
der „Gen.-Anz. f. Frkft." mittheilt, han 
delt es sich um eine Anklage wegen Mein 
eids bezw. Verleitung hierzu, wegen Be 
amtenbestechung rc., so daß voraussichtlich 
noch weitere Personen in die Strafange- 
legenheit hineingezogen werden. Schmidt 
und Ziegler sind Beide wohlhabend, Ersterer 
besorgte für viele Personen Rechtsgeschäfte, 
ihm wurde aber durch den Kreisausschuß 
zu Höchst und am 12. December 1894 
durch den Bezirksausschuß in Wiesbaden 
wegen Unzuverlässigkeit in dieser Hinsicht 
das Gewerbe untersagt. In letzter Zeit 
sollen Schmidt und Ziegler vielfach zu 
sammen „gearbeitet" haben. Als Curiosmn 
ist noch zu erwähnen, daß Ziegler in einer 
früheren Strafsache — aus welcher er 
übrigens straffrei hervorging — einmal 
zum Jahresschluß aus der Untersuchungs 
haft entlassen wurde und 1887 ebenfalls 
ebenfalls am Silvesterabend zur Unter 
suchung nach Wiesbaden verbracht wurde. 
Halberstadt, 4. Jan. Der Halberstädter 
Verein für Zuckerindustrie, Sachsen 
und Anhalt umfassend, beschloß eine Re 
solution zu Gunsten der Einführung einer 
Exportprämie in Höhe der französischen, 
sowie der staatlichen Erhaltung des Ge 
treidebaus, da dieser eine Lebensbedingung 
für die Wiedergesundung der Landwirth 
schaft und der Zuckerindustrie sei. Die 
Halberstädter Handelskammer wurde er 
sucht, schleunigst eine Denkschrift über die 
Nothlage der Zuckerindustrie an den Bun 
desrath und sämmtliche Reichstagsmitglieder 
zu richten. Wir haben schon mehrfach er 
klärt, daß die Nothlage der Zuckerindustrie 
auf den überfüllten Markt zurückzuführen 
ist und daß Niemand andere Gewerbe ent 
schädigt, die gleichfalls gegen dasselbe Miß- 
Verhältniß ankämpfen müssen. 
Die Provinzial Verwaltung von 
Westfalen hat, um der Ar beit s los ig 
keit in den Wintermonaten zu 
steuern, angeordnet, daß die 460 Wege 
wärter, welche die kleinen Unterhaltungs- 
arbeiten auf den Provinzialstraßen aus 
führen, auch während drr Wintermonate 
in Thätigkeit bleiben, und daß außerdem 
gegen 500 Arbeiter mit dem Zerkleinern 
und Ausmetern der für die Straßenunter 
haltung im kommenden Jahre nothwendigen 
Steine beschäftigt werden. Bei der An 
lieferung der Unterhaltungssteine, die vor 
wiegend während der Wintermonate er 
folgen soll, finden auch die kleinen Bauern 
durch Steinfuhren Arbeitsgelegenheit. 
Außerdem sind den Gemeinden bereits für 
den laufenden Monat die bewilligten Prä 
mien und Beihilfen für den Gemeinde- 
Wegebau flüssig geniacht, so daß auch diese 
die Winterzeit iür den Wegebau ausnützen 
können. 
In Freiburg an der Unstrut wurde ein 
Einbruch im Amtsgericht verübt. 
7o,oü0 Mark Wertpapiere wurden ge- 
stöhlen. 
Ein großer Hofball wurde am 3. ds. 
in Braunschweig von dem Prinzen und 
der Frau Prinzessin Albrecht im herzog 
lichen Residenzschlosse gegeben. Die Zahl 
der Einladungen überschritt die Zahl 500. 
Beehrt mit solchen ivaren die Mitglieder 
des herzoglichen Staatsministeriums, die 
höheren Beamten des Landes, die Pro- 
jefforen der technischen Hochschule, vie 
höheren inaktiven Offiziere, sowie die Of 
fizierkorps von nicht weniger denn 6 Re 
gimentern. 
Gcestemiinde, 7. Jan. Zwischen dem 
Capitän-Lieutenant v. Bursti, früher in 
Lehe, gegenwärtig in Wilhelmshaven in 
Garnison, und dem Coroetien-Capitän 
Mittler, dem Director der Marine-Tele- 
graphcnschule in Lehe, hat heute Morgen 
im Nückener Holz ein Pistvlenduell statt 
gefunden. Mittler wurde getödlet. 
Radbruch, 5. Jan. Der Ast-Schwin 
del dauert nach wie vor fort. Zwischen 
Weihnachten und Neujahr war der Ver 
kehr hier weniger stark, weil man fälsch 
lich annahm, Ast sei verreist. Viele hatten 
deshalb ihre Fahrt vis auf den Tag nach 
Neujahr verschoben, und die Folge davon 
war, daß am Mittwoch ein Fremdenver 
kehr herrschte, wie kaum je an einem 4mge 
zuvor. Man schätzt die Zahl der an 
oiesem Tage in Radbruch weilen- 
ven auf über 1200. Es wurden etwa 
900 Einlaßkarten verausgabt. Die beim 
Oeffnen irgend einer Thür des Hauses 
stets entstehenden Scenen des Drängens 
und Rufens spotten jeder Beschreibung. 
Trotz Schnee und Kälte war das Haus 
spät Abends noch von einer großen Men 
schenmenge umlagert; die Leute kommen 
theils weit her. Man kann sich eines Ge 
fühles des Mitleides kaum entwehren, 
wenn man diese kränklichen Gestalten, diese 
Frauen mit verhärmtem Gesicht im kalten 
Wetter frierend stundenlang dort warteil 
sieht; man muß aber doch fragen, haben 
alle diese Leute nicht zuvor einen Arzt 
consultirt und hat dieser ihre Leiden 
nicht mildern oder beseitigen können? Bor 
dem Tode hilft natürlich schließlich kein 
Arzt, aber wie steht ^s mit dem „Studium" 
unserer bierseligen Studenten? 
Zu Neujahr ist in Hamburg die Er- 
Höhung der Hundesteuer von 10 auf 
20 Jl, und für größere Hunde auf 40 
Mark (!) eingetreten. Infolgedessen hat 
sich mancher Besitzer von seinem Liebling 
getrennt, und wurden im Thierasvl des 
Tierschlltzvereins nicht weniger als 245 
Hunde im Monat Dezember getödtet. 
Hamburg, 5. Januar. Der Antrag 
Kanitz auf Verstaatlichung der Ge 
treide-Einfuhr zum Zwecke der Fest 
setzung von Minimalpreisen ist bekanntlich 
noch nicht wieder an den Reichstag gelangt, 
nachdem er in der vorigen Session am 
14. April mit 159 gegen 46 Stimmen 
abgelehnt worden ist. Seitdem hat er 
aber fortgesetzt als Agitationsmaterial ge 
dient, und gleich bei Zusammentritt des 
Reichstages ist der umgeänderte Antrag in 
der Form eines Gesetzentwurfs Gegenstand 
wiederholter Berathungen in der „Wirth- 
schaftlichen Bereinigung" gewesen. Ob 
hier eine völlige Einigung erzielt worden 
ist, entzieht sich unserer Kenntniß. Es 
verdient aber bemerkt zu werden, daß in 
den Preßorganen des „Bundes der Land 
wirthe" die Propaganda für die Idee des 
Herrn Grafen von Kanitz in den letzten 
Tagen sehr energisch wieder auftritt. So 
brachte gestern die „Deutsche Tagesztg." 
einen Leitartikel, in dem sie unter Aus 
zählung aller möglichen Maßnahmen, wie 
Landwirthschaftskammern, Creditreform, 
Heimstätten, Anerbenrecht, Kornlagerhäuser 
u. s. w., dies ganze System der „kleinen 
Mittel" als unwirksam oder von falschen 
Voraussetzungen ausgehend verwirft und 
zu dem Schluffe gelangt, daß nur der An 
trag Kanitz die Landwirthschaft reiten können. 
Die heute erschienene Nummer der „Cor- 
respondenz des Bundes der Landwirthe" 
bringt als Beilage vier große Quartseiten 
„Materialien zu dem Gesetzentwürfe, betr. 
die Verstaatlichung der Getreide-Einfuhr", 
in denen man das statistische Rüstzeug der 
Motive sür den Gesetzentwurf Kanitz zu 
erblicken hat. Wir werden in der An 
nahme kaum fehlschlagen, daß die Publi 
kationen die Vorbereitungen für die bald 
zu erwartende Einbringung des Antrages 
bedeuten. Mit diesem Schritte werden die 
verbündeten Regierungen genöthigt werden, 
der Erklärung des Reichskanzlers vom 11. 
December, daß sie ihre „Kräfte nicht in 
der Lösung unerfüllbarer Probleme ver 
brauchen wollen", die Anwendung auf einen 
bestimmten Fall zu geben. Wie man sich 
erinnert, haben Gras Caprivi und Freiherr 
v. Marschall in der vorigen Session den 
Antrag Kanitz als schlechthin unannehmbar 
bezeichnet. 
Hamburg, 8. Jan. Der Arbeiter Heinr. 
With. Friedr. B o y e hat sich mehreren 
Personen gegenüber erboten, Haare von 
ihnen zum Schäfer Ast in Radbruch zu 
bringen und ihnen dann die entsprechenden 
Rathschläge und Heilmittel zu übermitteln. 
Bon jeder Person, die ihm zu diesem 
Zweck ihre Haare-eirchrindigte, hat-er. sich 
sür seine Bemühungen und für oie Kosten 
l2 Mark auszahlen lassen, sie aber dann 
nicht weiter inkommodirt, sondern eiligst 
mit seinem Raube das Weite gesucht. 
Ärovmzreues. 
Der Kaiser empfing heute Vormittag 
eine Deputation aus Helgoland, die 
aus den Herren Gemeindevorsteher Michels, 
ben Gemeindevertretern Aeuckens, Rebell 
und Thaten sowie dem Schatzmeister Rick- 
mers bestand. Die Beschädigung, die die 
Helgoländer Düne durch die Sturmsluthen 
am 23. und 29. December v. I. erlitten 
hat, bildete den Gegenstand des Vortrages 
der Deputation. Obwohl —- und bas 
möge hier ausdrücklich betont werden —- 
das Bad Helgoland, also die Insel als 
Badeort, keineswegs durch die jüngsten 
Sturmsluthen Schaden genommen, sonüern 
nur die Düne durch sie etwas verkleinert 
worden ist, so glaubt die Vertretung der 
Insel doch, diese Düne in der ursprüng 
lichen Ausdehnung wreder herstellen zu 
können, wenn die nöthigen Mittel hierzu, 
die die Bewohner der Insel nicht aufzu 
bringen vermögen, von maßgebender Stelle 
bewilligt werden. In dieser Richtung die 
Gnade des Kaisers anzurufen, war der 
Zweck der Helgoländer Abordnung, die 
äußerst gnädig empfangen würbe und die 
Zusage erhielt, daß das Nöthige zum 
Schutz der Insel und der Düne geschehen 
werde. Die Deputation nahm Gelegenheit, 
dem Kaiser zwei Photographien zu über 
reichen, die die Ansicht der Düne im Jahr 
1866 und jene der jetzigen Gestalt nach 
den jüngsten Sturmsluthen darstellen. Der 
Kaiser nahm diese Phorvgrapylen mit gro- 
ßem Interesse in Augenschein und entließ 
die Herren huldvollst unter dem Verspre 
chen, daß diese Angelegenheit ganz beson- 
dere Berücksichtigung finden solle. Bekannt- 
lich hatte sich bereits der Minister der 
öffentlichen Arbeiten, Thielen, »ach Helga- 
land begeben, um die Beschädigungen der 
dortigen Düne einer eingehenden Besichti- 
gung zu unterwerfen. 
Im Forstort Ochsenkoppcl bei Wandsbek 
fand der gräflich Schimmeuuann'sche Jagd- 
aufseher kürzlich ein lebendes Reh in einer 
Schlinge. Bald gewährte er auch vier 
Männer, die unberechtigt jagten. Als diese 
den Jäger bemerkten, suchten sie ihr Heil 
in der Flucht. Während drei einkamen, 
wurde der vierte von dem Aufseher so 
hartnäckig verfolgt, daß er schließlich, ob 
gleich er, um schneller vorwärts zu kom 
men, sein Gewehr bereits fortgeworfen 
hatte, nach einem Sprung über einen Wall 
erschöpft niedersank und hier vom Jagd 
aufseher gesundcu würd.-. 
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