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abgespielt. Ein Dieb hatte sich in einer
der bevölkertsten Straßen in den oberen
Stockwerken eines offenstehenden Hauses
nach Kleidern umgesehen und eine gute
Last solcher im Winter nützlicher Effekten
auf die Schulter gepackt. Auf der Treppe
vom Hausmeister nach Wohin und Woher
gefragt, gab er sich für einen Fleckenrei-
niger aus und bekam auch sofort den Auf
trag, ein wenig zu warten. Der Haus
meister brachte denn auch nach wenigen
Minuten dem Harrenden einen Ueberzieher,
um ihn ebenfalls in Kur zu nehmen.
Gerne übernahm der gefällige Mann dieses
Geschäft und trug das Stück nebst dem
andern Raube triumphirend und gute Nacht
wünschend die Treppe hinab und zum
Hause hinaus.
Inland.
— Der „Reichsanz." meldet amtlich,
daß der Vortragende Rath in der Reichs
kanzlei, wirkt. Geheimrath Goering mi
ter Verleihung des Kronenordens I. El.
seinem Antrag gemäß in den Ruhestand
versetzt und der Vortragende Rath im
Ministerium für Landwirthschaft, Domänen
und Forsten, Geh. Oberregierungsrath Frhr.
v. Wilamowitz zum wirkl. Geh. Ober-
Regierungsrath und vortragenden Rath in
der Reichskanzlei ernannt worden ist.
— Mittwoch-Abend findet in der italieni
schen Botschaft zu Ehren der Vermählung
der Tochter Crispi's ein großes Fest
essen statt. Die italienische Colonie über
sandte der Braut ein kostbares Brillanten-
Geschenk; auch vom Fürsten Bisniarck und
dessen Sohn, Grafen Herbert, wurden der
Braut prachtvolle Geschenke übermittelt.
— Wir hatten geglaubt, so schreibt die
„Köln. Volkszeitung", die neue Berliner
Korrespondanz aus dem Ministerium des
Innern werde das ganze Osfiziösenthum
ersetzen und ein einziges offiziöses Organ
der Regierung werden. Das war ein Irr-
thuni. Es hat sich herausgestellt, daß wir
in der „Berl. Korresp." lediglich ein offi
ziöses Organ mehr haben. Dabei ist sie
noch nicht einmal das hervorragendste;
eher kann man sagen, sie finde von allen
ihren Geschwistern die geringste Beachtung
in der Presse. Viel besser mit Nachrichten
versehen sind die „Berliner Politi
schen Nack rich ten", die mit dem
Finanzminister Dr. Miguel in Verbindung
stehen und deren fleißigster Mitarbeiter der
Oberregierungsrath Frhr. v. Zedlitz, der
Führender Freikonservativen im preußischen
Abgeordnetenhause ist. Ja die „Berl. Pol.
Nachr." haben in letzter Zeit sogar einen
neuen Auffchwung aenommcn und sich aus
der Unbeachtetheit, in die sie zeitweilig ge
rathen war, herausgearbeitet. Auch im
„Hamburgischen Correspondent",
macht sich noch immer die alte offiziöse
Feder bemerkbar, wenngleich in den letzten
Wochen etwas weniger. Offiziös für aus
wärtige Angelegenheiten scheint die „Post"
wieder geworden zu sein, wie das neuer
dings mehrfach zu bemerken war. Räthsel-
haft ist die augenblickliche Stellung der
„Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung". Die bekannten Notizen mit
dem durchschossenen Druck sind ganz ver
schwunden. So viel an ihm liegt, sucht
das Blatt den Schein des Osfiziösenthums
noch zu wahren. Denn sobald feststeht,
daß in der „Nordd. Allg. Ztg." nur die
Privatmeinung ihrer Redakteure zum Aus
druck kommt, fallen sämmtliche Abonnenten
ab; denn sie ist eines der langweiligsten
der in deutscher Sprache erscheinenden
Blätter. Warum hat Herr v. Köller das
ganze Osfiziösenthum nicht in seiner „Berl.
Korresp." konzentrirt? Hat er Widerstand
bei seinen Kollegen gefunden, oder will
man das offiziöse Halbdunkel mit all fei
ncn Wirrnissen, wobei schließlich die Re
gierungspolitik den meisten Schaden hat,
erhalten? Dann hätte man die „Reor
ganisation" doch auch nicht so feierlich an
künden sollen.
— Die Berliner Gefängnisse sind
schon wieder einmal überfüllt und die
Uebersührungen von Gefangenen aus Berlin
in die Gerichtsgefängnisse der Provinz
haben von Neuem begonnen. Ein größerer
Transport ist vorgestern unter Geleit von
fünf Schutzleuten nach dem Friedeberger
Gefängniß, einen der größten der Provinz
abqegangen.
Ein neues Familiendram a hat sich
am Sonnabend Abend in Berlin abgespielt:
Der nahezu 41 Jahre alte Bankbuchhalter
Gustav Kreidig hat seine 34 Jahre alte
Gattin mit deren Einverständniß getödlet
und dann Hand an sich selbst gelegt. Das
kinderlose Ehepaar, das seit etwa 13 Jahren
verheirathet ist, hat ohne Sorgen und
glücklich gelebt und hatte seit mehreren
Jahren die im zweiten Stock belegene
Wohnung inne. Kreidig war seit etwa
20 Jahren Buchhalter in dem Bleich-
röderschen Bankgeschäft und hat in der
erster Zeit seiner Ehe, dem bestehenden
Verbot zuwider, auf eigene Hand Speku
lations-Geschäfte an der Börse betrieben,
wie er seinen Angehörigen mitgetheilt hat,
ist dieser Umstand kürzlich in dem Bank-
i.,tr ebenso Bedürfniß, wie die Arbeit mir
unerträglich ist."
(Schluß folgt.)
geschäft bekannt geworden und hat dahin
geführt, daß Kreidig plötzlich zum Januar
aus seiner Stellung entlassen wurde. Sei
es nun, daß die Sorge um die Zukunft,
sei es, daß Scham und Aerger über die
Entlassung auf das Ehepaar eingewirkt
haben; soviel steht fest, daß Mann und
Frau gemeinsam zu sterben beschlossen.
— Vordem Zuzug mit tell oser Per-
sonen nach Berlin erläßt jetzt auch der
Regierungspräsident zu Potsdam eine
Warnung, indem er auf die bekannte Ver
öffentlichung des Berliner Magistrats hin
weist und darauf aufmerksam macht, daß
nach dem geltenden Gesetz diejenigen Per
sonen, welche in der Hoffnung Berlin auf
suchen, dort Arbeit zu finden, und dann
nicht im Stande sind, sich eine eigene
Wohnung oder ein Unterkommen zu ver-
schaffen, ihre Ausweisung zu gewärtigen
haben.
Eine neue Art Straßenpflaster
ist in Berlin probeweise eingeführt worden
und hat bereits in der Spandauer- und
Kaiser Wilhelmstraße Verwendung gefun
den. Es ist ein Asphaltpflaster mit
schmiedeeisernen Rippenkörpern. Zu den
hervorragenden Eigenschaften des neuen
Pflasters soll in erster Linie die Leichtig
keit gehören, mit der die einzelnen Rippen
körper bei erforderlichen Reparaturen und
sonstigen Veränderungen aufgenommen und
wieder eingesetzt werden können. Haltbar
keit, Herstellung einer vollständig ebenen
Fläche, Einfachheit in der Reinigung der
artig gepflasterten Straßen und der billige
Preis des Fabrikats werden als weitere
Vorzüge des neuen Pflasters bezeichnet.
Eine aufregende Scene ereignete
sich bei der am Donnerstag Abend in
Berlin stattgestabten Vorstellung im „Cir
kus Schumann" von „Texas Jack's
American Prairie Life Show". Der Auf
forderung zufolge um die ausgesetzte Prä
mie, eines der wilden Pferde zu reiten,
hatte sich der Bereiter O. Sasse bereit er
klärt. Das Pferd wurde von Texas Jack
gesattelt und an der Longe gehalten. Dem
Reiter wurden 5 Minuten Zeit zum Be
steigen des Pferdes gegeben und es gelang
ihm trotz dieser langen Zeit nicht einmal,
das Pferd am Zügel zu fassen. Nachdem
das Pferd durch diesen vergeblichen Ver
such besonders gereizt worden war, wollte
Texas Jack dasselbe besteigen; er wurde
aber bei seinen Versuchen mehrere Male
die Manege entlang geschleift, vom Pferde
in die Höhe gerissen, wobei er einen Schlag
auf die Nase erhielt, wodurch das Nasen
bein zertrümmert wurde. Trotz dieser be
deutenden Verletzung bestieg er von neuem
das Pferd und es gelang ihm, in den
Sattel zu kommen, er hatte aber dabei das
Mißgeschick, aus dem Sattel geschleudert
zu werden und im Steigbügel hängen zu
bleiben. Ihm wurde gleich Hülfe zu Theil,
die ihn aus seiner gefährlichen Lage be
freite.
— Den erstaunlich hohen Lohn von 80Pfg.
täglich bot eine Lichtdruckfabrik einer Dame,
die mit der Leitung der zeichnerischen Ar
beiten betraut werden sollte. Eine Kunst-
und Malschule, an die sich die Fabrik nach
Mittheilung der Frau Dr. Schubert-
Feder um Ueberweisung einer weiblichen
Arbeitskraft für diese splendide Bezahlung
wandte, zog es vor, darauf nichts zu er-
widern. Wer aber mag es wissen, ob die
Fabrik nicht doch noch Damen genug sür
dieses Honorar gefunden hat?
Aus einer gstpreußischen Stadt, etwa
von dem Range von Insterburg erzählt
die „Bresl. Ztg." folgende urdrollige Ge
schichte I Ein dortiges Blatt hatte von
einer Rede eines hohen Herrn berichtet
und im Lause der Besprechung auf die
„damalige Rede" verwiesen Da will es
das Unglück, daß der Setzer das zweite
„a" ausläßt, so daß von der „damligen"
Rede gesprochen wird, und nun ist das
Verbrechen fertig. „Dämlich" bedeutet
nämlich im ostpreußischen Dialekt so viel
wie dumm". Der Staatsanwalt zitirte
den Redakteur, der nachwies, daß nur ein
unangenehmer Druckfehler vorliege. Trotz
dem soll der Staatsanwalt deswegen an
den Oberstaatsanwalt und dieser Pflicht-
gemäß an den Justizminister berichtet haben.
Der habe sich dann allerdings in dem
Sinne ausgesprochen, daß er das ganze
Verfahren sür recht überflüssig erachte.
Ob inzwischen die Einstellung des Ver
fahrens erfolgt ist, ist nicht bekannt Eine
Verurtheilung wird aber sicher nicht er
folgen, es sei denn, daß es gelänge, statt
des harmlosen Zeitungsschreibers den
tückischen Druckfehlerteufel in Person auf
die Anklagebank zu bringen. Eines Kom
mentars bedarf das Geschichtchen nicht.
Alt-Beruu, 3. Jan. Eine rohe anti
semitische Ausschreitung wurde ge
legentlich einer jüdischen Hochzeitsfeier
in unserem Städtchen in Scene gesetzt. Im
Saale der Wittwe Frey hatten sich die
Hochzeitsgäste um das Brautpaar versain-
melt und begaben sich von da aus zur
Trauung nach der hiesigen Synagoge. Als
von dem Rabbiner aus Pleß der Trauungs
akt vollzogen werden sollte, drang, wie der
„Oberschl. Anz." berichtet, ein Pöbelhaufen
gewaltsam in die Synagoge, erbrach die
Thür zum Frauenchor, warf daselbst die
Pulte um und schlug mit Stöcken auf die
Bänke, so daß der Trauungsakt in roher
Weise gestört wurde. Auf dem Rückwege
von der Synagoge nach dem Hochzeits
hause wurden die Hochzeitsgäste mit Koth
und Steinen beworfen.
Gleiwitz, 3. Jan. Als am letzten Syl
vester Nachmittags gegen 5 Uhr die hiesige
katholische Pfarrkirche mit An
dächtigen so dicht gefüllt war, daß Viele
nicht mehr Zutritt fanden und außen an
den Kirchthüren warteten, ertönte kurz vor
dem Beginn des Gottesdienstes am rechten
Seitenschiffe der Kirche der laute Ruf:
Feuer, Feuer!" Die Wirkung war eine
furchtbare Panik, welche die Kirchen
besucher ergriff, und es entstand ein
lebensgefährliches Gedränge nach den
Kirchenthüren zu. Einige Personen wur
den ohnmächtig und viele trugen Beulen
nnd Quetschwunden davon. An den Kir
chenthüren hatten sich entschlossene und
kräftige Männer aufgestellt, welche aus der
andrängenden festgefügten Menschenmauer
immer zwei bis drei Personen mit festem
Griff herauszogen und es wohl dadurch
überhaupt ermöglichten, daß die Leute ins
Freie gelangen konnten und schweres Un
heil vermieden wurde. Ein Feuer war in
der Kirche nicht zu entdecken. Als der
Organist die Orgel ertönen ließ, kehrte die
Besonnenheit bei den in der Kirche Zurück
gebliebenen wieder. Es ist fast als ein
Wunder zu bezeichnen, daß kein schwererer
Unfall oder keine Tödtung dabei vorge-
gekommen ist. Zunächst nahm man wohl
an, daß ein Bubenstück vorliegt, und der
Pfarrer Buchali forderte auch noch am
selben Abend von der Kanzel herab auf,
eventuell den Schuldigen zu nennen. In
dessen ist es, wie angenommen wird, nicht
ausgeschlossen, daß ein unglücklicher Zufall
die Panik veranlaßt hat. Nach der einen
Annahme soll die hoch aufflackernde Licht-
flamme einer Oellampe die Feuerrufe ver
anlaßt haben Andererseits wird erzählt
daß eine in der Nähe des Presbyteriums
im Gedränge eingezwängte Frau unwohl
geworden sei und beim Umsinken der
brennenden Kerze einer hinter ihr stehenden
Person so nahe gekommen sei, daß ihre
Kleider etwas angesengt worden seien; dies
habe einem ängstlichen Gemüthe zu dem
unbedachten Feuerrufe Veranlassung ge
geben.
Offenbach, 3. Jan Einen groben Fall
unlauteren Wettbewerbes be
richtet die „Offenb Abendztg.": Die Fir.ua
Klöß und Raiß beschäftigte einen Arbeiter,
der dem Werkführer der Konkurrenz-Firma
zum Nachtheil seiner Arbeitgeber eine ge
rade ausgearbeitete Erfindung — eine
Neuerung in Abfüllapparaten — ver
rieth und selbst fertig zu stellen suchte,
damit diese die Erfindung noch vor ihrem
rechtmäßigen Eigenthümer zum Patent an
melden könne. Sobald die Firma K. u. R.
von diesem Gebahren Wind bekam, entließ
sie den Arbeiter und behielt auch den noch
nicht berechneten Lohn von 2 Tagen zu
rück. Der Arbeiter klagte vor dem Ge
werbegericht auf Entschädigung, ließ aber
auf Anrathen des Vorsitzenden seine An
sprüche fallen. — Der Vorfall beweist die
Nothwendigkeit eines Schutzes des Betriebs
und Geschäftsgeheimnisses; sollte aber die
konkurrirende Firma —- wenn der Vorfall
richtig dargestellt wurde, nicht schon jetzt
zu fassen sein?
Augsburg, 4. Jan. Aufsehen erregt hier
der Selbstmord einer jungen
Dame, die sich gestern Abend mit dem
Dienstrevolver ihres Bruders, eines Lieute
nants, erschoß. Unglückliche Liebe soll die
24jährige schöne Dame, die in hiesigen
Offizierskreisen eine Rolle spielte, in den
Tod getrieben haben.
In Bayern können die Landleute ihre
Steuern in Getreide bezahlen.
Auf Anregung des bayerischen Ministe-
riums des Innern hat das bayerische
Kriegsministerium sich bereit erklärt zu
einer Entrichtung der Staatssteuern (Boden
zinse) in Naturalien dadurch die Hand zu
bieten, daß die Proviantämter von den zu
einer Genossenschaft zu diesem Zweck ver
einigten Landwirthen einer Gemeinde Na
turalien abnehmen im Gesammtbetrage der
fälligen Bodenzinsen. Die Quittung über
die Ablieferung kann alsdann an Stelle
der Steuerbeträge dienen. Das Ministe
rium des Innern meint, daß hierdurch den
kleineren Landwirthen die Abführung der
fälligen Steuer erleichtert und die Bildung
von ländlichen Produktions- oder Verkaufs
genossenschaften gefördert wirb. Die Ab-
nähme der Naturalien (Roggen, Hafer,
Heu und Stroh) soll von dem Kriegsmi-
nisterium allmonatlich festgesetzt werden.
Die Verwaltungen treten mit den Ob-
männern wegen Deckung ihres regelmäßigen
Bedarfs in Verbindung.
München, 4. Jan. Eine überaus stark
von allen Parteien besuchte, vom demokra
tischen Verein veranstaltete Volksver
sammlung, in der Q u i d d e und
Conrad das Referat übernommen hatten,
gestaltete sich zu einer stürmischen, enthu
siastischen Kundgebung gegen die Umsturz
vorlage.
Höchst a. M., 2. Jan. Großes Auf
sehen erregte die plötzliche Verhaf
tung des Kaufmanns und Rechtskonsulen
ten Ernst Schmidt, des Restaurateurs
Philipp Ziegler von hier und des
Kaufmanns S ch u t h aus Soden. Wie
der „Gen.-Anz. f. Frkft." mittheilt, han
delt es sich um eine Anklage wegen Mein
eids bezw. Verleitung hierzu, wegen Be
amtenbestechung rc., so daß voraussichtlich
noch weitere Personen in die Strafange-
legenheit hineingezogen werden. Schmidt
und Ziegler sind Beide wohlhabend, Ersterer
besorgte für viele Personen Rechtsgeschäfte,
ihm wurde aber durch den Kreisausschuß
zu Höchst und am 12. December 1894
durch den Bezirksausschuß in Wiesbaden
wegen Unzuverlässigkeit in dieser Hinsicht
das Gewerbe untersagt. In letzter Zeit
sollen Schmidt und Ziegler vielfach zu
sammen „gearbeitet" haben. Als Curiosmn
ist noch zu erwähnen, daß Ziegler in einer
früheren Strafsache — aus welcher er
übrigens straffrei hervorging — einmal
zum Jahresschluß aus der Untersuchungs
haft entlassen wurde und 1887 ebenfalls
ebenfalls am Silvesterabend zur Unter
suchung nach Wiesbaden verbracht wurde.
Halberstadt, 4. Jan. Der Halberstädter
Verein für Zuckerindustrie, Sachsen
und Anhalt umfassend, beschloß eine Re
solution zu Gunsten der Einführung einer
Exportprämie in Höhe der französischen,
sowie der staatlichen Erhaltung des Ge
treidebaus, da dieser eine Lebensbedingung
für die Wiedergesundung der Landwirth
schaft und der Zuckerindustrie sei. Die
Halberstädter Handelskammer wurde er
sucht, schleunigst eine Denkschrift über die
Nothlage der Zuckerindustrie an den Bun
desrath und sämmtliche Reichstagsmitglieder
zu richten. Wir haben schon mehrfach er
klärt, daß die Nothlage der Zuckerindustrie
auf den überfüllten Markt zurückzuführen
ist und daß Niemand andere Gewerbe ent
schädigt, die gleichfalls gegen dasselbe Miß-
Verhältniß ankämpfen müssen.
Die Provinzial Verwaltung von
Westfalen hat, um der Ar beit s los ig
keit in den Wintermonaten zu
steuern, angeordnet, daß die 460 Wege
wärter, welche die kleinen Unterhaltungs-
arbeiten auf den Provinzialstraßen aus
führen, auch während drr Wintermonate
in Thätigkeit bleiben, und daß außerdem
gegen 500 Arbeiter mit dem Zerkleinern
und Ausmetern der für die Straßenunter
haltung im kommenden Jahre nothwendigen
Steine beschäftigt werden. Bei der An
lieferung der Unterhaltungssteine, die vor
wiegend während der Wintermonate er
folgen soll, finden auch die kleinen Bauern
durch Steinfuhren Arbeitsgelegenheit.
Außerdem sind den Gemeinden bereits für
den laufenden Monat die bewilligten Prä
mien und Beihilfen für den Gemeinde-
Wegebau flüssig geniacht, so daß auch diese
die Winterzeit iür den Wegebau ausnützen
können.
In Freiburg an der Unstrut wurde ein
Einbruch im Amtsgericht verübt.
7o,oü0 Mark Wertpapiere wurden ge-
stöhlen.
Ein großer Hofball wurde am 3. ds.
in Braunschweig von dem Prinzen und
der Frau Prinzessin Albrecht im herzog
lichen Residenzschlosse gegeben. Die Zahl
der Einladungen überschritt die Zahl 500.
Beehrt mit solchen ivaren die Mitglieder
des herzoglichen Staatsministeriums, die
höheren Beamten des Landes, die Pro-
jefforen der technischen Hochschule, vie
höheren inaktiven Offiziere, sowie die Of
fizierkorps von nicht weniger denn 6 Re
gimentern.
Gcestemiinde, 7. Jan. Zwischen dem
Capitän-Lieutenant v. Bursti, früher in
Lehe, gegenwärtig in Wilhelmshaven in
Garnison, und dem Coroetien-Capitän
Mittler, dem Director der Marine-Tele-
graphcnschule in Lehe, hat heute Morgen
im Nückener Holz ein Pistvlenduell statt
gefunden. Mittler wurde getödlet.
Radbruch, 5. Jan. Der Ast-Schwin
del dauert nach wie vor fort. Zwischen
Weihnachten und Neujahr war der Ver
kehr hier weniger stark, weil man fälsch
lich annahm, Ast sei verreist. Viele hatten
deshalb ihre Fahrt vis auf den Tag nach
Neujahr verschoben, und die Folge davon
war, daß am Mittwoch ein Fremdenver
kehr herrschte, wie kaum je an einem 4mge
zuvor. Man schätzt die Zahl der an
oiesem Tage in Radbruch weilen-
ven auf über 1200. Es wurden etwa
900 Einlaßkarten verausgabt. Die beim
Oeffnen irgend einer Thür des Hauses
stets entstehenden Scenen des Drängens
und Rufens spotten jeder Beschreibung.
Trotz Schnee und Kälte war das Haus
spät Abends noch von einer großen Men
schenmenge umlagert; die Leute kommen
theils weit her. Man kann sich eines Ge
fühles des Mitleides kaum entwehren,
wenn man diese kränklichen Gestalten, diese
Frauen mit verhärmtem Gesicht im kalten
Wetter frierend stundenlang dort warteil
sieht; man muß aber doch fragen, haben
alle diese Leute nicht zuvor einen Arzt
consultirt und hat dieser ihre Leiden
nicht mildern oder beseitigen können? Bor
dem Tode hilft natürlich schließlich kein
Arzt, aber wie steht ^s mit dem „Studium"
unserer bierseligen Studenten?
Zu Neujahr ist in Hamburg die Er-
Höhung der Hundesteuer von 10 auf
20 Jl, und für größere Hunde auf 40
Mark (!) eingetreten. Infolgedessen hat
sich mancher Besitzer von seinem Liebling
getrennt, und wurden im Thierasvl des
Tierschlltzvereins nicht weniger als 245
Hunde im Monat Dezember getödtet.
Hamburg, 5. Januar. Der Antrag
Kanitz auf Verstaatlichung der Ge
treide-Einfuhr zum Zwecke der Fest
setzung von Minimalpreisen ist bekanntlich
noch nicht wieder an den Reichstag gelangt,
nachdem er in der vorigen Session am
14. April mit 159 gegen 46 Stimmen
abgelehnt worden ist. Seitdem hat er
aber fortgesetzt als Agitationsmaterial ge
dient, und gleich bei Zusammentritt des
Reichstages ist der umgeänderte Antrag in
der Form eines Gesetzentwurfs Gegenstand
wiederholter Berathungen in der „Wirth-
schaftlichen Bereinigung" gewesen. Ob
hier eine völlige Einigung erzielt worden
ist, entzieht sich unserer Kenntniß. Es
verdient aber bemerkt zu werden, daß in
den Preßorganen des „Bundes der Land
wirthe" die Propaganda für die Idee des
Herrn Grafen von Kanitz in den letzten
Tagen sehr energisch wieder auftritt. So
brachte gestern die „Deutsche Tagesztg."
einen Leitartikel, in dem sie unter Aus
zählung aller möglichen Maßnahmen, wie
Landwirthschaftskammern, Creditreform,
Heimstätten, Anerbenrecht, Kornlagerhäuser
u. s. w., dies ganze System der „kleinen
Mittel" als unwirksam oder von falschen
Voraussetzungen ausgehend verwirft und
zu dem Schluffe gelangt, daß nur der An
trag Kanitz die Landwirthschaft reiten können.
Die heute erschienene Nummer der „Cor-
respondenz des Bundes der Landwirthe"
bringt als Beilage vier große Quartseiten
„Materialien zu dem Gesetzentwürfe, betr.
die Verstaatlichung der Getreide-Einfuhr",
in denen man das statistische Rüstzeug der
Motive sür den Gesetzentwurf Kanitz zu
erblicken hat. Wir werden in der An
nahme kaum fehlschlagen, daß die Publi
kationen die Vorbereitungen für die bald
zu erwartende Einbringung des Antrages
bedeuten. Mit diesem Schritte werden die
verbündeten Regierungen genöthigt werden,
der Erklärung des Reichskanzlers vom 11.
December, daß sie ihre „Kräfte nicht in
der Lösung unerfüllbarer Probleme ver
brauchen wollen", die Anwendung auf einen
bestimmten Fall zu geben. Wie man sich
erinnert, haben Gras Caprivi und Freiherr
v. Marschall in der vorigen Session den
Antrag Kanitz als schlechthin unannehmbar
bezeichnet.
Hamburg, 8. Jan. Der Arbeiter Heinr.
With. Friedr. B o y e hat sich mehreren
Personen gegenüber erboten, Haare von
ihnen zum Schäfer Ast in Radbruch zu
bringen und ihnen dann die entsprechenden
Rathschläge und Heilmittel zu übermitteln.
Bon jeder Person, die ihm zu diesem
Zweck ihre Haare-eirchrindigte, hat-er. sich
sür seine Bemühungen und für oie Kosten
l2 Mark auszahlen lassen, sie aber dann
nicht weiter inkommodirt, sondern eiligst
mit seinem Raube das Weite gesucht.
Ärovmzreues.
Der Kaiser empfing heute Vormittag
eine Deputation aus Helgoland, die
aus den Herren Gemeindevorsteher Michels,
ben Gemeindevertretern Aeuckens, Rebell
und Thaten sowie dem Schatzmeister Rick-
mers bestand. Die Beschädigung, die die
Helgoländer Düne durch die Sturmsluthen
am 23. und 29. December v. I. erlitten
hat, bildete den Gegenstand des Vortrages
der Deputation. Obwohl —- und bas
möge hier ausdrücklich betont werden —-
das Bad Helgoland, also die Insel als
Badeort, keineswegs durch die jüngsten
Sturmsluthen Schaden genommen, sonüern
nur die Düne durch sie etwas verkleinert
worden ist, so glaubt die Vertretung der
Insel doch, diese Düne in der ursprüng
lichen Ausdehnung wreder herstellen zu
können, wenn die nöthigen Mittel hierzu,
die die Bewohner der Insel nicht aufzu
bringen vermögen, von maßgebender Stelle
bewilligt werden. In dieser Richtung die
Gnade des Kaisers anzurufen, war der
Zweck der Helgoländer Abordnung, die
äußerst gnädig empfangen würbe und die
Zusage erhielt, daß das Nöthige zum
Schutz der Insel und der Düne geschehen
werde. Die Deputation nahm Gelegenheit,
dem Kaiser zwei Photographien zu über
reichen, die die Ansicht der Düne im Jahr
1866 und jene der jetzigen Gestalt nach
den jüngsten Sturmsluthen darstellen. Der
Kaiser nahm diese Phorvgrapylen mit gro-
ßem Interesse in Augenschein und entließ
die Herren huldvollst unter dem Verspre
chen, daß diese Angelegenheit ganz beson-
dere Berücksichtigung finden solle. Bekannt-
lich hatte sich bereits der Minister der
öffentlichen Arbeiten, Thielen, »ach Helga-
land begeben, um die Beschädigungen der
dortigen Düne einer eingehenden Besichti-
gung zu unterwerfen.
Im Forstort Ochsenkoppcl bei Wandsbek
fand der gräflich Schimmeuuann'sche Jagd-
aufseher kürzlich ein lebendes Reh in einer
Schlinge. Bald gewährte er auch vier
Männer, die unberechtigt jagten. Als diese
den Jäger bemerkten, suchten sie ihr Heil
in der Flucht. Während drei einkamen,
wurde der vierte von dem Aufseher so
hartnäckig verfolgt, daß er schließlich, ob
gleich er, um schneller vorwärts zu kom
men, sein Gewehr bereits fortgeworfen
hatte, nach einem Sprung über einen Wall
erschöpft niedersank und hier vom Jagd
aufseher gesundcu würd.-.
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