Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

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WO. 64. 
Sonnabend, den 16 Wörz 
1865. 
MorgenDepeschen. 
Berlin, 16. März. Die Tabak 
steuer-Commission des Reichstags 
lehnte 8 4 der Vorlage, der bestimmt, daß 
die Tabakfabrikatsteuer einzuführen sei, mit 
17 gegen 11 Stimmen ab. Dafür 
stimmten die Conscrvativen, die National- 
liberalen, mit Ausnahme des Abgeordneten 
Wassermann, und die bayrischen Mitglieder 
des Centrums, Reindl und Lerno. 
Berlin, 15. März. Der Reichskanzler 
Fürst Hohelohe giebt morgen Abend ein 
größeres Diner, zu welchem außer den 
Staatsministern sämmtliche an den gegen- 
Ivärtigen Berathungen des Staatsraths 
iheilnehmende Herren geladen sind. Der 
Kaiser hat sein Erscheinen zugesagt. 
Berlin, 15. März. In der „Wirth- 
schaftlichen Vereinigung des Reichstages" 
wurde heute der Antrag Meyer-Danzig 
auf Absendung einer Petition an den 
Staatsrath und Einbringung eines An- 
träges im Reichstage, die Konoertirung 
sämmtlicher Reichs- und Staatspapiere 
->uf Drei Prozent herbeizuführen, mit großer 
Mehrheit abgelehnt. 
ļ Berlin, 16. März. Die Zahl der 
Unterschriften unter dem Antrag Kanitz 
stat sich um 6 vermindert. Der jetzt im 
Reichstag zur Veriheilung gelangte Antrag 
Säht nicht 103 sondern 97 Unterschriften. 
Sechs Polen haben ihre Unterschrift zurück- 
gezogen. 
Berlin, 15. Marz. Heute früh hat der 
Besenbinder Schcfster, in der Pallisaden 
Maße 4 wohnhast, anscheinend nach einem 
Wortwechsel leine in gesegneten Umständen 
befindliche Frau mit einem Beil erschlagen. 
Die Leiche weist eine klaffende Wunde' an 
der einen Schläfe auf. Der Mörder, der 
die That angeblich in einem Anfall von 
Geistesstörung begangen haben soll, hat 
sich durch Erhängen selbst getödtet. 
Schwelm, 15. März. In der heutigen 
Stadtverortneten-Versarnnilung wurde be 
schlossen, eine elektrische Bahn von hier 
bach Barmen zu bauen. 
Braunschweig, 15. März. Der Minister 
ertheilte der hiesigen Straßenbahngesellschaft 
sie Conzession zum Bau einer elektrischen 
Straßenbahn von Braunschweig bis Wolfen 
büttel. 
Amsterdam, 15. März. Die Jesuiten 
Iverden in nächster Zeit hier eine katholische 
Universität errichten nach dem Muster der 
Universiläten in Loewen und Freiburg. 
Wien. 15. März. Der Sensal der 
Effektenbörse, Josef Scherzen, wurde seitens 
der hiesigen Börsenkammer vom Amte sus- 
pendirt und gegen ihn Disziplinarunter 
suchung eingeleitet, weil er beschuldigt wird, 
die von ihm entrirten Kostgeschäfte nicht 
der Vorschrift gemäß in dem Tagesjournal 
gebucht zu haben. 
Rom, 16. März. Der Mailänder De- 
putirte Cornandini, der seit mehreren 
Wochen verschwunden ist, soll mit einer 
Tänzerin durchgegangen sein. 
Nochmals Ms ZltWlßkM. 
Keine Hand rührt sich. Keine Handels- 
kanimer tritt zusammen, kein Kaufmann, 
kein Hausbesitzer, kein sonstiger Interessent 
nimmt Notiz an dem neuen Stempelsteuer 
gesetz, welches eines der einschneidensten 
Conirollsysteme in seinem Schooße trägt, 
welches, in Kraft getreten, weit größere 
Schereien aller Art mit sich bringt, als 
je ein Gesetz bislang am grünen Tische 
ausgeheckt worden ist. Es ist, als ob eine 
allgemeine Lähmung über die Geister ge 
kommen wäre. 
Der Entwurf kennt doppelte Kontroll- 
Vorschriften, eine spezielle, welche sich auf 
den Werth des stempelpflichtigen Gegen 
standes bezieht (§ 7), und eine allgemeine 
— auf die Beobachtung der Stempelvor- 
schriflen überhaupt (tz 30). Was die Letztere 
anlangt, so sind sämmtliche Privat 
personen verpflichtet, sich aus Er 
füllung der Stcmpelvorschriften auszuweisen, 
sobald Thatsachen vorliegen, die eine Stem 
pelverletzung vermuthen lassen; weigert sich 
t'er Betrefferde, so entscheidet über die 
eventuelle Durchführung oder Beschlag 
nähme das Gericht. Zwar ist es richtig, 
daß diese Vorschrift sich an die entsprechende 
des alten Stempelgesetzes vom 7. März 
1822 (s 34 Abs. 3) anschließt, sie ist je 
doch recht bedenklich. Der Begriff der 
„Thatsache" hat sich in unserem straf- 
prozessualischen Verfahren derart verflüch 
tigt, daß er schon nicht mehr als geeignetes 
Kriterium für den Erlaß so einschneiden 
der Entscheidungen erachtet werden kann. 
Vage Behauptungen, Denunzia 
tionen, die berühmten „Vorstrafen", 
die Hohe des Objekts, die bloße Weigerung 
zur Offenlegung gegenüber der Stempel- 
behörde, werden als „Thatsachen" erscheinen, 
die den Privatmann der Defiaudation 
„dringend verdächtig" erscheinen lassen 
Noch viel weiter jedoch geht die bisher in 
den Verhandlungen wenig beachtete 
Bestimmung des § 7. Während bis 
her die Werthermittelung eines stempel- 
pflichtigen Gegenstandes bei Differenzen 
zwischen Behörde und Privatmann nur im 
Wege gerichtlicher Taxe erfolgen durfte, 
hat nunmehr die Stempelbehörde als solche 
das Recht, sich die einschlägigen Ur 
kunden vorlegen zu lassen, Deklara 
tionen bei Ordnungsstrafe zu er 
zwingen, und falls ihr Alles das nicht 
genügt, durch persönliche Einsichtnahme 
oder mit Hilfe von Sachverständigen die 
Grundlagen für die Werthberechnung fest 
zustellen. Hier ist nicht einmal von „That 
sachen" die Rede, hier tritt keine Vermitte 
lung des Gerichtes ein, nach freiem Er 
messen kann die Stempelbehörde 
in die Privaträume und Geschäfte 
kommen und Bücher undUrkunden 
einsehen. Ja, noch schlimmer ist es, 
wenn sie es für nöthig erachtet — was 
wiederum in ihrem freien Ermessen steht 
— Sachverständige zuziehen. Diese 
Sachverständigen werden gerade bei der 
Werthermittelung nur aus den Kreisen 
der Konkurrenten entnommen werden 
können! 
Hält man die beiden Paragraphen zu 
sammen, so ergiebt sich ein Kontrollsystem, 
w e l ch e s i m h ö ch ft e n Grade ge 
fährlich und für den anständi- 
genBürger st an denkwürdigen!) 
i st. Sobald ein Kaufmann zur Oeffnnng 
seiner Bücher verpflichtet wird, ist die 
Furcht vor Indiskretionen begründet, die, 
bei aller Pflichttreue der Beamten und 
zugezogenen Sachverständigen, durch einen 
Blick begangen werden können. Die Landes 
gesetzgebung sollte ntchi vergessen, daß 
ähnliche Vorschriften — aber nur gegen 
über Privatbankiers — im vorigen Jahre 
von Reichswegen bei Erlaß des Börsen 
steuergesctzes geplant waren. Sie scheiterten 
an einem durch das ganze Reich gehenden 
Sturme der Entrüstung. Betritt nunmehr 
das Landesrecht denselben Weg, so wird 
es dahin kommen, daß der ehrliebende 
Handel sich aus einem fionbe 
zurückzieht, in welchemernicht 
nur a u s Schritt und Tritt 
Steuern zahlen, sondern in 
lästigerWeisesichkontrolli ren 
l a s s e n m u ß , ja möglicherweise einem 
nicht ehrliebenden Konkurrenten seine 
bisher wvhlgehüteten tiefsten 
Geschäftsgeheimnisse preisgeben 
muß. 
ANslŞd. 
Außereuropäische Gebiete. 
Jokohama, 15. März. Am Morgen 
des 11. d. Mts. stieß das 11. japanische 
Regiment in der Nähe von Kiuteut 
sch eng aus eine 1000 Mann starke chine 
sische Abtheilung, welche sich darauf zurück- 
zog. Später wurden die Japaner von 
einer aus Chinesen und Koreanern bestehen 
den Streitmacht angegriffen, die nach 
kurzem Gefechte zurückgeworfen wurde. 
Endlich erfolgte noch ein dritter Angriff, 
nach welchem die japanische Nachhut durch 
eine starke Abtheilung Chinesen in einem 
hartnäckigen und lange währenden Kampfe 
verwickelt wurde. 
England. 
London, 13. März. Die Besorgnisse 
um den spanischen Kreuzer „Reina Regente" 
sind beträchtlich gewachsen, da in der Nähe 
von Tariffa Schiffstrümmer mit dem Na 
men des Schiffes aufgefunden wurden. 
Man befürchtet, daß das Schiff während 
des heftigen Sturmes am Sonntag unter- 
g e g a ii g e n sei. Es befanden sich 420 Mann 
an Bord. 
474 Personen sind in der letzten Woche 
in London an der Influenza gestorben. 
Der „Klub der Dreizehner" 
hielt am Mittwoch in London sein 
I a h r e s f e st m a h l ab. Der Verein 
hat es sich zur Aufgabe gestellt, den alten 
Aberglauben gegen die Zahl Dreizehn aus 
zurotten und lächerlich zu machen. Zer 
brochene Spiegel, verschüttetes Salz ic. 
verkündeten jedem den Zweck des Klubs. 
Dreizehn Trinksprüche wurden ausgebracht, 
dreizehn Lieder gesungen und an jedem 
Tische saßen dreizehn Festtyeilneymer? cOv's 
helfen wird?) 
Belgien. 
Der Königin von Belgien, die eine 
große Pferdeliebhaberin ist, ist ein Unfall 
zugestoßen. Sie fütterte kürzlich eines 
ihrer Lieblingspferde mit Süßigkeiten, als 
plötzlich das Pferd die Königin in die 
Hand biß. Man nahm die Sache zuerst 
nicht ernst aus, aber bald zeigte sich, daß 
der Biß sehr tief und die Wunde schwer 
zu heilen ist. Die Königin kann die 
Aerzte fürchten, daß die Hand nicht mehr 
ihre frühere Gelenkigkeit wieder erlangen 
wird. 
Petersburg, 13. März. Die soeben ein 
getroffene „Wiedomosti Moskowskija" ent 
halten einen Artikel, der insofern berner- 
kenswerth ist, als er bei Besprechung der 
bevorstehenden Eröffnungsfeier des Nord- 
ostseekanals und der Theilnahme Frank 
reichs an dieser Feier zu verstehen gibt, 
daß Frankreich Unrecht habe, fortwährend 
von Rache und Revanche zu träumen. In 
den Jahren 1870/71 seien alte deutsch 
französische Rechnungen aus napolesnischer 
Zeit endgültig beglichen worden. Das 
Blatt scheint durch diesen Artikel seinen 
Standpunkt gänzlich geändert zu haben. 
Orfierreich-Ungarn. 
Lemberg, 16. März. Die hiesige Criiiii- 
nalpolizei verhaftete den" längst gesuchten 
Mädchenhändler Sternberg und 
dessen Complicen und beschlagnahmte die 
Correspondenz, die ergab, daß Sternberg 
Verbindungen bis Konstantinopel, Smyrna, 
Bombay und Argentinien hatte. Weitere 
Verhaftungen stehen bevor. 
In Koriikuburg wird seit fünf Tagen 
ein Aufsehen erregender Prozeß gegen den 
Kleinhäuslerssohn Wondratschek geführt, 
der beschuldigt wurde, in Kalladorf am 
Morgen des Christfestes angesichts des 
Weihnachtsbaumes die Magd Woburka 
und das achtjährige Kind Katharina 
Pamperl abgeschlachtet zu haben, 
um plündern zu können. Als der Staats 
anwalt heute sein Plaidoyer beendigt hatte, 
ereignete sich eine sensationelle Wendung. 
Wondraschek erhob sich und gestand, er 
habe nur stehlen wollen, aber der Friseur- 
sohn Mathes, der in der Verhandlung 
als Zeuge vereidigt worden ist, habe das 
Kind und die Magd erstochen. Der Pro 
zeß wurde vertagt und die Verhaftung des 
Mathes telegraphisch verfügt. 
MlKWV. 
Berlin, 15. März. Prinz Joachim, 
jüngster Sohn des Kaisers, ist schwer er 
krankt. Vorgestern stellten sich bei ihm 
die ersten Krankheitserscheinungen ein. Im 
Laufe des Abends verschlimmerte sich der 
Zustand erheblich und der Generalarzt Dr. 
Zunker wurde ins Schloß berufen, wo er 
die Nacht verblieb. Im Lause des gestri 
gen Tages trat eine '--eitere Verschlimme 
rung ein, so daß jcy.vere Befürchtungen 
gehegt werden. Dem Vernehmen nach 
leidet der Prinz an Blinddarmentzündung 
und hat hohes Fieber. Gegen Mitternacht 
wurde mitgetheilt, daß das Befinden un 
verändert sei. Eine spätere Meldung be 
sagt: Im Befinden des Prinzen Joachim 
ist seit gestern Abend 11 Uhr eine kleine 
ä) Ohne Liebe. 
Novelle von Lothar B r e n k e n d o r f f. 
Mit einigen verbindlichen Wnrtcn hatte 
Herr von Hohenbruck dem Hauslehrer die 
Hand gereicht, und nun führte er ihn zunächst 
[einer Tochter zu, um ihn der jungen Danie 
tu den hergebrachten gesellschaftlichen Formen 
darzustellen. Die Verbeugung, welche Dr. 
Andstrand dabei mit Kopf und Schultern 
inachte, war kaum eine Verbeugung zu nennen, 
aber cs fand sich trotzdem Keiner von allen 
Anwesenden zu jenem mitleidig überlegenen 
schein veranlaßt, das sonst wohl die Un 
geschicklichkeit eines in vornehmen Umgangs- 
wrnien wenig geübten Menschen hervorzurufen 
pflegt. Scheinbar ganz flüchtig nur waren 
Mile unruhigen Augen über Gilda's liebliches 
Antlitz und ihre schöne Gestalt dahingestreift. 
Ņun, während das junges Mädchen zu ihn, 
sprach, hafteten sie beharrlich auf den cui- 
wrmigen Mustern des matt glänzenden Parquet- 
[HßbodenS. 
„Ich habe mich bei Ihnen zu bedanken, 
Herr Doktor," sagte sie, und der sanfte 
Wohllaut ihrer Stimme war ein wenig vcr- 
lihleiert von der Befangenheit, die angesichts 
eê sonderbaren Menschen plötzlich über sie 
bekommen war. „Das herrliche Feuerwerk 
M[i° uns Allen eine große lleberraschung, und 
haben mir eine ganz besondere Freude 
aiiiit bereitet." 
- mochte wohl ihre Absicht gewesen sein, 
ì?vi die Hand zu reichen, aber eine unerklär- 
*a>c Scheu, wie sie sie ähnlich noch nie einem 
, Wune gegenüber empfunden hatte, hielt sic 
Zurück. Und ihren freundlichen Worten 
° l 9te ein sekundenlanges, peinliches Schweigen, 
denn Doktor Lindstrand erwiderte nichts, 
sondern er machte nur, ohne sie anzusehen, 
abermals jene wunderliche, zuckende Bewegung 
mit dem Oberkörper, die eine Verbeugung 
andeuten sollte. Sein ganzes Benehmen 
schien auf eine fast unhöfliche Weise auszu 
drücken, wie wenig ihm an dieser Danksagung 
und an der Berührung mit der vornehmen 
Gesellschaft überhaupt gelegen war. Er ließ 
es zwar geschehen, daß ihn Herr von Hohen 
bruck der Gesammtheit seiner Gäste vorstellte 
aber auf die Einladung dazubleiben, antwortete 
er ohne Besinnen: 
„Ich bitte niich zu entschuldigen, aber ich 
muß unten im Park die Aufräumungsarbeiten 
überwachen. Einige von den Feuerwerkskörpern 
haben sich noch nicht entzündet, und die 
Leute, die cs nicht verstehen, mit solchen 
Dingen umzugehen, könnten leicht ein Unheil 
anrichten." 
Mit derselben ruhigen Bestimmtheit lehnte 
er dann sogar die Aufforderung des Haus 
herrn ab, ihm mit einem Glas Bowle Bescheid 
zu thun. 
„Ich trinke niemals Spirituosen," sagte 
er so einfach, als ob es sich dabei um etwas 
ganz Selbstverständliches handle, und cs war 
wohl natürlich, daß diese unumwundene 
Erklärung eine gewisse Sensation in der 
kleinen Gesellschaft machte. Eine ganze Flut 
von Fragen stürmte, sobald Doktor'Lindstrand 
den Gartensaal verlassen hatte, auf Herrn 
von Hohenbruck ein. 
„Wer ist dieser seltsame Mensch? — Wie 
sind Sie zu ihm gekommen? — Kann ein 
Mann mit solchen Manieren wirklich die 
geeignete Person sein, einen vierzehnjährigen 
Knaben zu erziehen?" 
„Ich begreife ihr Erstaunen vollkommen, 
meine Herrschaften," sagte der Gutsherr 
lächelnd, „und ich gestehe, daß es auch meine 
erste Empfindung beim Anblick des neuen 
Hauslehrers viel mehr die des Entsetzens, 
als die der Freude war. Ich hatte ihn auf 
die dringende Empfehlung eines mir befreundeten 
Berliner Professors engagirt, ohne ihn 
persönlich zu kennen. Mein Ersuchen um 
die Uebersendung einer Photographie war 
mit der lakonischen Erklärung beantwortet 
worden: „Ich besitze keine und werde mich 
niemals photographiren lassen. Da ich nicht 
in Ihr Haus komme, um mich zu verheirathen, 
genügt Ihnen vielleicht die Versicherung, daß 
ich weder bucklig bin, noch an einer entstellenden 
Krankheit leide." 
„Ausgezeichnet!" lachte Herr von Rachow. 
„Und auch diese Antwort hat dich nicht 
abgeschreckt, dem Hinterwäldler Deinen 
Sprößling anzuvertrauen?" 
„Die Empfehlung war eine so warme, 
daß ich mich über solche kleine Sonderbarkeiten 
hinwegsetzen zu müssen meinte. Und ich 
habe ja auch durchaus nicht zu bereuen, daß 
ich's gethan. Dem Doktor Lindstrand ist 
schon am ersten Tage seines Hierseins 
gelungen, was noch keiner seiner zahlreichen 
Vorgänger fertig gebracht hat. Er hat 
meinem unbändigen Kurt Respekt eingeflößt; 
der Junge gehorcht ihm auf einen Blick, und 
meine väterliche Autorität ist eine verschwindend 
geringfügige gegenüber derjenigen des Haus 
lehrers. Da auch die Fortschritte in den 
Wissenschaften nichts zu wünschen übrig 
lassen, kann ich mit meiner Wahl im Ganzen 
recht wohl zufrieden sein." 
Der graubärtige Gutsnachbar, dessen Auf 
richtigkeit weit umher gefürchtet war, schüttelte 
zweifelnd den Kopf. 
„Na, ich möchte dm Kerl nicht um mich 
haben, wenn er ein Ausbund aller Gelehr 
samkeit wäre. Es ist so was Verstecktes und 
Unheimliches in dem schlappen Burschen. 
Nimm Dich nur in Acht, Hohenbruck, daß 
er Dir nicht einen feigen Schleicher aus 
Deinem prächtigen Jungen macht." 
„Damit hat cs wohl keine Noth. Trotz 
seiner etwas nachlässigen Haltung ist Doktor 
Lindstrand der beste Turner, der tollkühnste 
Reiter und der sicherste Schütze, den ich kenne. 
Als er hier ankam, hatte er seiner eigenen 
Erklärung nach noch nie auf einem P-wde 
gesessen, und heute — es sind kaum vier 
Monate seitdem vergangen — könnte selbst 
ein schneidiger Kavallerie-Offizier etwas von 
ihm lernen. Zu einem Stubenhocker und 
Duckmäuser erzieht der meinen Kurt sicher.ich 
nicht." 
Man mußte nach dieser Erklärung wohl 
den Eindruck gewinnen, daß es Herrn von 
Hohenbruck peinlich sei, ungünstige Bemerkun 
gen über seinen Hauslehrer zu vernehmen, 
und das Gespräch wandte sich darum wieder 
anderen Dingen zu. Nicht lange nachher 
begannen die Gäste zum Ausbruch zu rüsten, 
und rasch nach einander rollten die Wagen, 
die sie heiniwärts führten, in die Sommer 
nacht hinaus. 
Gilda von Hohenbruck, die ihre Mutter 
schon vor vielen Jahren durch den Tod ver 
loren hatte, schmiegte sich zärtlich an den 
Vater, um ihm Gutmacht zu wünschen und 
ihm noch einmal für dm festlichen Empfang 
zu danken, durch den ihr der erste Abend im 
geliebten Ettcrnhause zu einem so beglückten 
und heiteren geworden war. 
„Wollte Gott, daß ich Dir jede Stunde 
Deines künftigen Lebens zu einer fröhlichen 
machen könnte, mein Kind," erwiderte der 
Gutsherr, den die holderblühte jungfräuliche 
Schönheit seiner einzigen Tochter mit sehr 
verzeihlichem Vaterstolz erfüllte. „Aber cs 
wollte mir beinahe scheinen, als seiest Du 
zuletzt nicht mehr so vergnügt gewesen wie 
vorhin während des Soupers." 
„Ich habe immerfort an diesen merkwür 
digen Doktor Lindstrand denken müssen," 
gestand das junge Mädchen unbefangen ein. 
„Weißt Du garinchts von seiner Vergangen 
heit, lieber Vater?" 
„Von seiner Vergangenheit? — Nein — 
so gut wie nichts. Der Professor schrieb 
mir, er sei von geringer Herkunft und habe 
sich seine Kenntnisse mit eiserner Beharrlichkeit 
unter den denkbar schwierigsten Umständen 
angeeignet. Da er sich im Uebrigen für die 
Ehrenhaftigkeit seines Charakters verbürgte, 
halte ich keine Veranlassung, weitere 
Erkundigungen einzuziehen. Und welches 
Interesse kann nun vollends für Dich das 
Vorleben des Doktors haben?" 
„Ich frage danach, weil ich glaube, daß 
der arme Mensch sehr unglücklich ist." 
„Unglücklich!" fragte Herr von Hohenbruck 
erstaunt. „Wie, in aller Welt, kommst Du 
auf eine solche Vermuthung?" 
Gilda blickte nachdenklich in den dunklen 
Park hinaus, und es verstrich eine kleine 
Weile, chc sie Antwort gab. 
„Ich weiß es selber nicht recht; aber ich 
fühlte das, als er hier vor mir stand, wie 
eine unumstößliche Gewißheit. Und es that 
mir so leid, daß er durch uns veranlaßt 
worden war, hier unter all den fremden 
Menschen zu erscheinen. Es war ihm ja 
vorn Gesicht zu leien, wie qualvoll es für 
ihn war."
	        
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