Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

Kvscheint täglich. ® 
t 74 Pf. 
lrckskitts 
. per 
74. 
>on 
rstag 
Bezugspreis: 
vierteljährlich 2 Ji.—, frei ins Haus geliefert 
2 Jt, 15 Ķ 
für Auswärtige, durch die Post bezogen 
2 Ji 25 è) ■ 
«Kl. Pvstprovision rc., jedoch ohne Bestellgeld. 
Znsertions-reiS: pro Petttzelle 15 -Z. 
Ztelleftes und gelelriilles Klalt lm Kreise Rendsburg. 
Anzeigen fiir die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
-N* 88ster Jahrgang. sM- 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Als Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landwirth" sowie das 
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegeben. 
3200 Abonnenten. 
ung. 
er beute. 
Haus- und 
ht Stellung 
lusmädchen. 
. Wochenbl. 
anns-Sohn, 
er Stellung 
ausknecht. 
lmsdorf 
mit guten 
lofshotel. 
m 
irstraße. 
rd Wurst- 
inen 
l-ockbek. 
mit guten 
ll. 
lofshotel. 
er Ostern 
eonfirmirt 
Us Knechts 
sleußkuhle. 
r ein 
rrönfeld. 
Ng 
. Kropp. 
idchcn. 
riesNr.11. 
vn Schulen 
Aufnahme 
;§ 550 «tö 
Näheres 
M0. 54. 
Dienstag, den 5. März 
1895. 
- gebaut 
gesucht, 
die Erp. 
ung von 4 
kl. an die 
».altes. 
hnung von 
:r Altstadt, 
ion. an die 
ä erbeten. 
en, Küche rc. 
atze 21. 
küche, Keller 
Neuthor, 
ausser. 
Leute 
rskuhle 259. 
Leute, 
tratzc 9. 
!eute 
straße 74. 
tlpril 
Leute. 
Ist: aste 4 
en. 
nstraffe 4- 
Löhnung, 
mhle 199. 
Morrze» Depeschen. 
Berlin, 4. März. Nach dem „Reichs 
<m;." legt der Königliche Hof für den 
verstorbenen Großfürsten Alexis Michaile 
witsch von Rußland auf acht Tage 
Trauer an. 
Berlin, 4. März. Die „Nordd. Allg 
Ztg." bezeichnet die Meldung einiger Pro. 
vinzialblätter, wonach der Kaiser in seiner 
Unterredung nach der Rückkehr aus Wien 
mit dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe 
die Mittheilungen, die er in Wien von 
der weitgehenden in der Bevölkerung über 
die Abänderungsvorschläge des Centrums 
in der Umsturzkommission herrschenden 
Aufregung erhalten hat, besprochen habe, 
als jedenfalls auf Erfindung beruhend. 
Desgleichen unrichtig sei die Mittheilung, 
daß eine Regierungskundgebung bezüglich 
ihrer Stellung zu dem Treiben der Dunkel. 
Männer unmittelbar bevorstehe. Der An. 
trag Rintelen sei ein persönlicher Vorschlag 
eines einzelnen Abgeordneten, nicht ein 
Antrag des Centrums; er habe nach dem 
eigenen Urtheil der Centrumspresse keine 
Aussicht auf nennenswerthe Unterstützung, 
Mie sich denn auch die konservativen Mit- 
glieder der Kommission gegen ihn ausge 
sprochen haben, und an seine Aeceptirung 
durch die verbündeten Regierungen nicht 
8» denken sei. 
Lübeck, 4. März. Vom Hamburger 
Nachtschnellzug entgleisten kurz vor 
der Einfahrt in den hiesigen Bahnhof drei 
Drogen. Einer derselben fiel um. 4 0 
Insassen erlitten zum Theil sehr 
schwere Verletzungen. Ein Passa 
gier wurde tödttich verwundet. 
Posen 4 März. Bei einer Uebung 
der sechsten Kompagnie des 4. Infanterie- 
regiments ging beim Gewehrentladen eine 
Platzpatrone los und verletzte den Gefreiten 
Dopjchell schwer. Derselbe ist im Garnison- 
lazareth bereits gestorben. 
Triest, 4. März. Seit einigen Tagen 
ist hier abermals starker Schnesall einge 
treten. Triest ist von allen Verbindungen 
abgeschnitten. Gleiche Meldungen kommen 
aus Oberitalien. 
Petersburg, 4. März. Die Studeitten- 
demonstrationen dauern fort. Aus diesem 
Ģrunde wurden auch die Vorlesungen an 
der Petersburger Universität eingestellt. 
Eine größere Anzahl Studenten wurde 
ausgewiesen; weitere Ausweisungen sollen 
bevorstehen 
Paris, 4. März. Frankreich hat die 
Einladung Deuischlands zur Theilnahme 
an der Eröffnungsfeier des Nord-Ost 
s e e-C a n a l s angenommen und entsendet 
zwei Panzerschiffe und einen Aviso. 
Sie Üufpien lies Ştastsrnths. 
Nach einer Mittheilung der „Schles. 
Ztg." sind die Vorlagen, die der am 12 
d. Mts. zusammentretenden „engeren Ver. 
sammlung" des Staatsraths zur Berathung 
unterbreitet werden sollen, folgende: 
1. Maßnahmen zur Hebung der Preise 
landwirthschastlicher Produkte. 
1) Zur Hebung des Getreideprctscs. 
Die Nothlage der Landwirthschaft wird zumeist 
als eine Folge der immer steigenden Unrentabilft 
tät des Körnerbaues angesehen. Zur Hebung 
dieses Mitzstandes sind aus den Kreisen Derer, 
die sich mit dieser Nothstandsfrage beschäftigen, 
Vorschläge gemacht worden, die wesentlich auf 
dem Gedanken der Monopolisirung des Handels 
mit Getreide bezw. mit Brot beruhen. 
Folgende Vorschläge stehen jetzt im Vorder 
gründe der Erörterung: 
a. die Monopolisirung des Handels mit aus 
ländischem Getreid- in Verbindung mit einer 
Bestimniung der Preise für das eingeführte 
ausländische Getreide nach Maßgabe des 
Preisstandes im Jnlande innerhalb der 
letzten 40 Jahre; 
1>. die Monopolisirung des Handels mit aus 
ländischem und inländischem Getreide; 
c. die Contingentirung der Einfuhr von aus 
ländischem Getreide; 
4. die Besteuerung des zum Verbrauche ins 
Inland eingeführten ausländischen Getreides 
in Stasfelsorm; 
e die Einführung eines staatlichenBrotmonopols; 
1. der Ankauf von Getreide seitens des Staates 
und die Verarbeitung desselben zu Mehl in 
fiskalischen Mühlen. 
Es fragt sich: 
Sind diese Vorschläge geeignet, den er 
strebten Endzweck zu erreichen? 
Sind sie praktisch durchführbar? 
Referenten: 1) Landrath v. Kardorff zu Oels, 
2) Kammerherr v. Helldorss auf Bedra. 
2) Zur Hebung des Zucker- uns Spiritus- 
preises 
Welche Maßregeln sind zur Bekämpfung der 
gegenwärtigen Krisis in der Zuckerindustrie und 
zur ^Verbesserung der Lage des Branntwein- 
Brennerei-Gewerbes zu ergreifen? 
Referenten bezüglich der Zuckerindustrie: 1) 
Amtsrath von Zimmermann auf Benkendorf, 
2) Landes - Oekonomierath von Kaufmann zu 
Steuerwald; bezüglich des Branntwein-Brennerei- 
Gewerbes: 1) Gutsbesitzer Seydel auf Chelchen, 
2) Gras v. Zieten-Schwerin auf Wustrau. 
II. Maßnahmen auf dem Gebiete der 
Währungspolitik. 
Welche Folgerung sind aus dem Ergebniß der 
Berathungen der „Silbcrkommission" zu ziehen? 
_ Insbesondere: Sind zur Hebung und Be 
festigung des Silberpreises im gegenwärtigen Zeit 
punkte Maßregeln zu ergreifen? 
Referenten : 1) Generalconsul Rüssel zu Berlin, 
Graf v. Mirbach auf Sorquitten. 
IH. Maßnahmen zur Verbilligung der 
landwirth sch östliche« Production und zur 
Erleichterung des Absatzes der Erzeug 
nisse 
Ist zur Verbilligung der landwirthschaftlichen 
Production und zur Beförderung des Absatzes 
landwirthschastlicher Erzeugnisse eine wirksame 
Herabsetzung der Eisenbahntarife auf weitere 
Entfernungen zu empfehlen? 
Sind von einer derartigen Regelung der Eisen 
bahntarife bestimmte Artikel der landwirthschaft- 
lichen Roh- und Hülfsstoffe und der landwirth 
schaftlichen Erzeugnisse auszuschließen? 
Liegt es im Jnterefle der Landwirthschaft, durch 
eine sachgemäße Regelung der staatlichen Schisf- 
fahrtsgebühren (Ersatz der Unterhallungskosten, 
Verzinsung und allmähliche Tilgung der Anlage 
kosten) auf _ eine angemessene Festsetzung der 
Frachten aus den Wasserstraßen, die vorzugs 
weise für die Einfuhr landwirthschastlicher Erzeug 
nisse des Auslandes dienen, hinzuwirken? 
Referenten: 1) Dr. Freiherr v. Schorlemeo 
Alst auf Alst, 2) Graf v. Kanitz auf Podangen. 
IV. Maßnahmen zur Seßhaftmachung 
der ländlichen Arbeiterbevölkcrnng, ins 
besondere in den östlichen Provinzen 
der Monarchie 
durch wirksame Unterstützung der Rentenguts 
bildung für kleine Stellen (Arbeiterstellen). 
Referenten: 1) Staatsminister Graf v. Zedlitz- 
Trütschler auf Nieder-Großen-Borau, 2) Präsident 
Dr. v. Wittenburg in Posen. 
V. Maßnahmen auf dem Gebiete der 
Creditoraanisaiion. 
Leistet der bisherige Zustand des Jmmobiliar- 
und Personalkreditwesens den berechtigten An 
forderungen der Landwirthschaft Genüge, oder 
welche Aenderungen sind anzustreben? 
Insbesondere: 
1. Ist das bestehende Verhältniß der beiden 
Creditformen ein angemessenes, oder empfiehlt 
es sich, den Jmmobiliarcredit zu Gunsten 
des Personalcredits einzuschränken, um auf 
diesem Wege zugleich auf eine spätere Ver 
minderung der Gesammtverschuldung des 
Grundbesitzes hinzuwirken? 
2. Ist durch Maßnahmen auf dem Gebiete des 
Crcditwesens eine Beseitigung der jetzt theil- 
weise vorhandenen Ueberschuldung zu er 
reichen ? 
3. Wird durch die bestehenden Grundcredit- 
Jnstitute dem Grundbesitze ein genügend 
weit ausgedehnter, unkündbarer, möglichst 
wohlfeiler und leicht zugänglicher Credit mit 
allmählicher Tilgungsoerpfpchtung gewähr 
leistet? 
Wird von den communalen Sparkassen 
nach ihrer gegenwärtigen Verfassung ein 
solcher Credit in ausreichendem Maße ge 
währt oder welche Aenderungen sind in 
dieser Beziehung anzustreben. 
4. Ist für eine etwa als nöthig erachtete Re 
form die Neubildung großer Creditorgani 
sationen, oder die Fortbildung der über 
kommenen landschaftlichen und kommunalen 
Creditinstitute ins Auge zu fassen? 
5. Ist speziell den Bedürfnissen des Meliorations- 
credits bereits ausreichend Rechnung ge 
tragen, oder sind auf diesem Gebiete' Aen 
derungen anzustreben, eventuell unter Ge 
währung eines gesetzlichen Vorrechts für 
Meliorationskreditc gegenüber den bereits 
eingetragenen Schulden? 
Referenten: 1) Freiherr v. Hoiningen gen. 
Huene auf Groß-Mahlendorf, 2) Landesdirektor 
Dr. Klein zu Düsseldorf. 
MEmw. 
Rumänien. 
Bukarest, 4. März. In dem Orte Jtz 
kany fand während der Nacht in einer 
Brennerei eine Keffelexplosion statt. Die 
Decke des Hauses barst und viele Arbeiter, 
welche in dem ersten Stockwerk schliefen, 
fielen in den siedenden Kessel, wo sie ge> 
tödet wurden. 
Rußland. 
Man schreibt der „Wiener Allgem. Ztg." 
aus Warschau: In einem hiesigen Klub 
erregte seit einiger Zeit ein Herr B. durch 
sein ungewöhnliches Glück im Karten 
spiel allgemeines Aufsehen. Alles war 
erstaunt und verwundert. Sollte er Diel' 
leicht seinem Glücke selbst ein bischen nach 
helfen, so ein ganz klein wenig corriger ] a 
fortune? Unmöglich! Wer denn Mann 
kannte, wies einen solchen Verdacht ent 
rüstet zurück. Das war ein vollendeter 
Gentleman, kein Zweifel. Durch seine 
liebenswürdigen Umgangsformen hatte er 
alle Herzen gewonnen; die Leute machten 
sich förmlich ein Vergnügen daraus, ihr 
Geld an ihn zu verlieren. Uebrigens war 
der Mann ein Sonderlirg. So schleppte 
er zum Beispiel überall eine Niesen- 
Z igarettendos e mit sich herum, die be- 
queum sechzig bis siebzig Zigaretten faßte. 
Auch beim Spiel trennte er sich von diesem 
Monstrum nicht. Da steckie er es vor sich 
auf den Tisch und offerirte von Zeit zu 
Zeit in ausgiebigster Weise den Mitspielen- 
den aus dem Inhalte der Dose. Und 
mittlerweile häuften sich vor ihm die 
glänzenden Goldfüchse und die knisternden 
Rubelscheine. Niemand ahnte, welche be 
deutende Rolle dieser großen Dose von 
dem liebenswürdigen Herrn zugewiesen war. 
Endlich aber klärte sich Alles aus, das 
riesige Glück im Spiel, sowie die Be- 
deutung und der Zweck der Zigarettendose. 
Die Sache verhält sich nämlich so: Wenn 
Herr B. beim Baccarat die Bank hietl, 
gab er die Karten in der Weise aus, daß 
er sie über der spiegelglatten und glänzen 
den Zigarettendose, die hier also die Stelle 
eines Spiegels vertrat, austheilte; auf der 
Dose erschien nun das Bild der Karte, 
und der ehrcnwerthe Herr B. wußte nun 
ganz genau, welche Karten seine Partner 
bekommen hatten. Dieses Kvnststückchen 
gelang ihm lange Zeit hindurch und Herr 
B. gewann große Summen. Eines Tages, 
als der liebenswürdige Mann gerade Bank 
hielt, sah ein neben ihn, sitzender Herr, 
wie über dem glatten Rücken der Dose 
das Herzaß hinwegtanzte und gleich darauf 
der Treffbub. Da ging den Herren erst 
ein Licht auf, und plötzlich fanden sie 
nichts Wunderbares mehr an dem fabel 
haften Glück des Herrn B. Was nun 
weiter geschah? Was in solchen Fällen in 
Klubs gewöhnlich zu geschehen pflegt. Die 
Dose war aber «ns dem Klub verschwunden. 
Herr B. hat sie wahrscheinlich mitgenom 
men; er braucht sie vielleicht noch. 
Frankreich. 
Paris, 2. März. Der Erzbischof von 
Paris verweigerte für den im Duell ^ge< 
tödteten Redakteur Percher das kirchliche 
Begräbniß. 
Schweiz. 
Zürich, 4. März. Der Zürich see, 
welcher seit fünf Tagen in seiner ganzen 
Ausdehnung bis zum Ausflüsse der Limmat 
zugefroren ist, hat am letzten Sonntag 
eine ganze Reihe Opfer gefordert. Es 
war herrliches Wetter, warm schien die 
Sonne vom azurblauen Firmament, und 
in voller Schönheit grüßten die Spitzen 
der Alpen, greifbar nahe, herüber. Da 
war es kein Wunder, daß Tausende sich 
ans der spiegelglatten Fläche tummelten. 
Eine wahre Völkerwanderung ging nach 
dem oberen See, wo das Eis wenigstens 
zuverlässig tragfähig war. Aber auch das 
Züricher Seebecken erschien schwarz von 
Menschen, die mit wahrer Tollkühnheit 
hin und her eilten. Rothe Plakate hatten 
vor dem Betreten des Eises dringend ge- 
warnt, aber Niemand kümmerte sich darum, 
und die Polizei mußte sich bei der großen.^ 
Ausdehnung der Ufer darauf beschränken, 
Verunglückte nach Möglichkeit zu retten. 
Denn Unglücksfälle blieben natürlich nicht 
aus; mit Bestimmtheit beklagt man 5 
Todte, aber geradezu dutzendweise ge- 
riethen die Leute in das Wasser, aus dem 
sie nur mit Mühe herausgefischt werden 
konnten An einer Stelle brachen 6 Kna- 
den zusammen ein, an einer anderen eine 
ganze Familie, und die Rettungsmannschaf- 
ten hatten alle Hände voll zu thun, um 
die Unvorsichtigen vor dem nassen Tode 
zil bewahren. Jetzt bedeckt eine wohlthätige 
Schneedecke das Eis, sodaß Niemand mehr 
hinauszugehen wagt. 
U) Junge AEuger. 
Novelle von Gustav Höcker. 
Der Rentier schien sich zu besinnen, über 
ieine Stirn flogen dunkle Wolkenschatten, seine 
Nasenflügel bewegten sich. 
„Guter Freund," sagte er mit mühsam 
zurückgedrängtem Zorn, „vorgestern Abend 
laßen wir beide bei einem Glase Wein fidel 
beisammen, so weit ich mich besinne, nicht 
wahr t 
„Allerdings, Herr 
."Ņ, hä des Guten zn viel gethan, was 
Mir seit langen Jahren nicht pafsirt ist. Wer's 
n Spaß erlaubt hat. 
Mich absichtlich besoffen zu Machen weiß ich 
Mcht, genug ich war's. Ob das nun für so 
nnen alten Kerl, Me ich bin, eine Schande 
'st oder nicht, das geht Niemanden was an. 
Ich bezahle meinen Wein und habe Geld 
Aeniig, für drei Dutzend solcher Kerlchen, wie 
Şie sind, an eineni Abende auffahren zu 
affen, daß zuletzt 36 unter'm Tische liegen. 
Ein Ehrenmann kann dem andern wohl 
^"rwürfe machen, wenn er einmal über den 
sträng gehauen hat, aber schlechte Witze und 
mberne Anspielungen erlauben sich nur dumme 
Zungen! Wenn so ein dunimer Junge mir 
einem solchen Abende, wo ich meinen 
3'iunden Verstand in die Weinlese geschickt 
şibe, einen Floh in's Ohr setzt, und mir 
n"!ķ<- daß er sich verlobt habe und 
achstens Hochzeit halten werde, oder daß er 
von Ļoos gewonnen hätte, oder Kaiser 
erreich geworden wäre, oder von einer 
mag m bra ^° nb şşûckgekehrt sei, — so 
idiirAf şiâ> gratulircn, wenn ich seinen 
i chtcn Spaß nicht merke und den andern 
Tag, Dank meinem schwachen Gedächtnisse 
für solche Weinhausschnurren, keine Silbe 
mehr davon weiß. Wenn man aber die 
Unverschämtheit besitzt, hinterdrein, am lichten 
Tage noch auf Mondrciscn, Kaiserthrone, 
großes Loos oder Hochzeiten anzuspielen, so 
bin ich der Mann, der Jemandem den Rücken 
braun und blau und die Knochen im Leibe 
',u Mehl schlagen könnte, wenn mir dieser 
Jcniand nicht zu klein wäre." 
Der Rentier war kirschroth im Gesicht 
geworden. Er ballte seine Fäuste, gewann 
aber soviel über sich, daß er die letzteren nur 
dazu gebrauchte, seinen Hut von der Laden 
tafel zn nehmen und aufzusetzen. 
Die letzten Sätze hatte er mit so donnern 
der Stimme gesprochen, daß Druck erschrocken 
aus dem Comptoir getreten war. Der Ren 
tier klopfte diesen auf die Achsel, daß er, ob 
wohl es nur freundschaftlich gemeint war, fast 
zusammen gebrochen wäre, und sagte: 
„Leben Sie wohl, Herr Leidlich, oder Herr 
Druck, oder, was weiß ich, Herr Druck und 
Leidlich, wir bleiben Freunde; aber den hier 
^ v . ff'Pc auf Leidlich), den schicken Sie, wo- 
ŗņûP'âl.uoch heute in's Narrenhans!" 
Damit ging er seine Wege. 
Leidlich zitterte wie Espenlaub. Es dauerte 
lange^ ehe er sich einigermaßen erholte, um 
die Sprache wieder zu gewinnen. Auf Ein 
mal rief er : 
„Druck! Schlange! Verführer! schaffe mir 
meine Gelder wieder! schaffe mir sie wieder! 
Verflucht sei der Baumeister, der unsre engen 
Wände durchbrach: verflucht der Tischler, der 
diese Säulen aufführte! Der Teufel hole diese 
Giftpflanze —" . setzte er wüthend hinzu und 
wollte sich auf die Riesen-Nclke stürzen. Aber 
Druck hielt ihn auf, und Leidlich wandte sich 
um, riß den Türken aus dem Schaufenster 
heraus, gab ihm ein Dutzend Ohrfeigen, schüt 
telte ihn tüchtig beim Kragen und prügelte 
ihn wie einen Schulbuben, so lange, bis er 
seine eigene Hand nicht mehr fühlte. — 
Druck stand ernst und ruhig zur Seite, 
bis Leidlich sich ausgerast hatte und sich zu 
schämen anfing. 
„Für mich ist nun alles verloren," sagte 
Leidlich ruhiger , zu Druck, „liebe Du nun 
Mathilden nach Herzenslust, heirathe sie mor 
gen, heirathe sie meinetwegen auf der Stelle, 
mir soll's recht sein; ich kann nur dabei ge 
winnen!" 
7. 
Ein gordischer Knoten. 
Druck's Befürchtung, daß der Rentier mach 
dem heftigen Auftritte mit Leidlich seine Be 
suche einstellen möchte, bestätigte sich nicht. Am 
nächsten Morgen war schon der Alte zur ge 
wohnten Stunde wieder da. 
Leidlich ließ sich nicht sehen und der Ren 
tier fragte nach ihm. 
Mohrenhaupt war nicht der Mann, der 
sich eines solchen Zwischenfalles wegen von 
einer süßen Gewohnheit hätte abbringen lassen. 
Vor einer unfreundlichen Aufnahme fürchtete 
er sich nicht, weil er überhaupt nicht daran 
dachte, denn die glücklichen Verhältnisse, in 
denen er sich schon seit vielen Jahren bewegte, 
hatten ihm das beneidenswerthe Bewußtsein 
der Sicherheit im höchsten Grade verliehen. 
Dazu kam sein überhaupt schwer zugängliches 
Wesen, das ihn wie eine Hornhaut gegen 
viele unangenehme Berührungen von Außen 
s stützte. 
, Druck faßte sich ein Herz und schickte 
seinen Brief, den er nicht zerrissen, sondern 
als einen Secundawechsel aufbewahrt hatte, 
an Mathilde Mohrenhaupt ab. — 
Jeder Mensch kommt einmal in die Lage, 
in welcher er sich noch nie befunden hat nnd 
worin er sich trotzdem nicht um ein Haar 
anders benimmt, als tausende vor ihm sich 
in gleicher Lage benommen haben, ohne daß 
es ihm Jemand gesagt oder gelehrt hatte. 
So Mathilde, als sie Druck's Brief em 
pfing. Sie erröthetc über und über, als sie 
ihn las; sie las ihn immer wieder von Neuem 
und verbarg ihn in ihrem Busen. Sie ver 
mied an diesem Tage ängstlich das Fenster 
und verbrachte hierauf eine schlaflose Nacht. 
Das einfachste, durchsichtigste Frauengemülh 
wird zu einem gordischen Knoten, sobald es 
sich der Liebe erschließt, und wer da glaubt, 
daß Mathilde am nächsten Tage nichts Eili 
geres zu thun hatte, als zur Feder greifen 
und den verliebten Nachbar durch Erhörung 
zu beglücken, — der kennt die Mädchen 
schlecht! Schon gestern, als sie den Brief 
zum ersten Male las, schwirrte ihr ein kleii es 
„Aber" durch die Sinne. Es war ein un 
klarer Widerspruch, über den sie sich selbst 
nicht Rechenschaft zu geben vermochte. An 
die Möglichkeit, daß ein Mann sie nur ihres 
irdischen Reichthums wegen zur Frau begehren 
könne, dachte sie nicht, denn sie war sich 
dieses Vorzugs, den sie schon in der Wiege 
besessen hatte, so wenig bewußt, als man 
das Gewicht des eignen Körpers fühlen kann. 
Der unklare Widerspruch trat zuerst in 
Gestalt eines leisen Vorwurfs auf, den sie 
sich selbst machte — darüber, daß ihr Be 
nehmen überhaupt Jemandem Veranlassung 
gegeben hatte, sich über die Straße hinweg 
in sie zu verlieben und sogar an ihre Gegen 
liebe glauben zu dürfen. 
Nach und nach wälzte sie diese Selbstan- 
ktage von sich ab, indem sie sich einredete, daß 
Druck allzu stürmisch zu Werke gegangen sei. 
Beide hatten ja erst wenige Worte zusammen 
gewechselt, sie hatte ihm nur ganz zarte An- 
deutungen gegeben und jetzt sollte sie ihm so 
ohne Weiteres schwarz ans weiß erklären: Ja! 
ja! ich bin Dein, nimm mich hin; sprich mit 
meinem Vater?! „Unmöglich!" rief sie laut 
und unter Lachen. Btitten in seinen nüchter 
nen Berufsgeschäften hatte Druck das Ver 
hältniß begonnen und weiter gesponnen. 
Vielleicht aus Langeweile, um müßige Augen 
blicke auszufüllen?! Ebensogut hätte er einen 
Roman zur Hand nehmen und darin lesen 
können! Ob er weiß, wie schwer ein Mädchen- 
bcrz zu erobern ist und welche Kämpfe darum 
bestanden werden müssen? „Unmöglich," wie 
derholte Mathilde am Schluß dieser Reflexionen, 
aber diesmal sprach sie es leise und träumerisch 
vor sich bin, ein unerklärliches weiches Gefühl 
beschlich sie und aus ihrem Auge brachen ein 
paar Thränen. Zuletzt stand sie auf einem 
wahren Scheiterhaufen voll brennender Wider 
sprüche. 
Noch ehe sie selbst recht wußte, was sie 
that, hatte sie der Haushälterin Auftrag ge 
geben, den Rosenstock vom Fenster zu entfer 
nen, Dann packte sie ihre Handarbeiten, mit 
denen sie sich zu beschäftigen pflegte, sowie 
ihre Bücher zusammen und räumte sie in ein 
Hinterzimmer, dessen Fenster in den Garten 
herabgingen; kurz, sie entfernte jede Spur 
ihres Daseins aus dem Zimmer, zu welchem 
Er hinaufblickte, dessen Brief sie noch immer 
in ihrem Busen sorgfältig verwahrt hielt. 
So oft sie ausging, hüllte sie ihr Antlitz 
in einen dichten Schleier, und wußte es, wenn 
sie^aus dem Hausflur trat, so geschickt zn
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.