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„strafte 4.
bst Zubehör.
nstr. 18.
Morgen Depeschen.
Berlin, 1. März. Der „Reichsanzeiger"
schreibt: Auf Allerhöchsten Befehl sind
wlgende Herren zur Theilnahme an den
Berathungen der engeren Versammlung
des Staatsraths am 12. März berufen:
Provinziallandschafts-DirectorAlbrecht, Geh.
Tommerzienrath Damme, Präsident des
landwirthschaftlichen Vereins der Rhein
Provinz von Bemberg, Rittergutsbesitzer
Beyme, Graf v. Dönhoff-Friedrichstein,
Landrath v. Dziembowski, Geh. Sommer
zienrath Frentzel, Klosterkammerpräsident
Herwig, Landtagsrath Graf zu Inn. und
Knyphausen, Graf v. Holstein-Waternevers-
torff, Graf v. Kanitz-Podangen, von Kar-
dorff, Landesökonomierath von Kaufmann,
Graf von Kleist-Schmcnzin, Landesdirector
der Rheinprovinz Dr. Klein, Graf ». Kwi-
lecki, Reichsbankpräsident Dr. Koch, Vice-
marschall der althesfifchen Ritterschaft von
der Malsburg, Wirkl. Geh. Rath v. Maltz
ahn-Gültz, Graf v. Mirbach und Kaufmann
Ponfick-Frankfurt a. Main, Sommerzien
rath Ritzhaupt aus Königsberg, General
consul Ruffel-Berlin, Gutsbesitzer Seydel,
Consul a. D. Stengel-Staßfurt, Ministerial-
director Sterneberg, Rittergutsbesitzer Wich-
Mann, Präsident der Ansiedlungscommission
von Wittenburg und der Amtsrath von
Zimmermann auf Benkendorf.
Berlin, 2. März. In der Reichstags.
Kommission für die Umsturzvorlage wurde
gestern die Berathung des § 180 (Angriffe
Segen Religion, Monarchie, Ehe, Familie
>>iud Eigenthum) fortgesetzt, zu welchem
die Anträge Rintelen (Angriffe gegen das
oder die Unsterblichkeit der
menschlichen Seele) und Graf Roon (An.
griffe gegen das Christenthum und die
Heiligkeit des Eides) vorliegen. Abg. Spahn
(Ctr.) ersucht in Uebereinstimmung mit dem
. Abgeordneten Bebel die Regierung um
Vorlage ihres Materials zu § 130. Geh.
Ņeg. Seidenspinner bemerkt, der Paragraph
sei aus einem längst empfundenen Bedürfniß
hervorgegangen. Es sei allgemein bekannt,
welch schlimme Angriffe die Presse oft auf
Monarchie, Religion, Ehe und Eigenthum
unternommen habe; cs sei daher ein dies
bezügliches Material kaum nothwendig.
Redner zitirt sodann hauptsächlich aus
anarchistifchen Zeitschriften und Flugblättern
Aeußerungen, welche dahin gehen, daß das
Pfaffenthum mit feinen Lehren die Welt
verdumme, der „Gottesschwindel" den
herrschenden Klassen nur dazu diene, das
Volk zu seiner besseren Ausbeutung in
Unwissenheit zu erhalten u. s. w. Abg.
Bebel (Soz.) führt aus, es müsse über
raschen, daß die Regierung ihre Vorlagen
mit Citaten aus Schriften zu begründen
versuche, die im Auslande erscheinen, deren
Redner völlig unbekannt seien und die in
Deutschland kaum gelesen werden,
solche Beweisführung müsse er entschieden
Protestiren. Unsere Literatur biete be
schimpfende Aeußerungen wider Religion,
Monarchie, Ehe u. s. w. in reichstem
Maße. Einem Sozialdemokraten liege es
fern, die Religion als Schwindel oder Er
findung zu bezeichnen; er beurtheile die-
selbe lediglich objektiv, als ein veränder
liches Produkt der historischen Entwickelung.
Conservative Blätter hätten in letzter Zeit
wiederholt Drohungen gegen die Monarchie
ausgestoßen. Solche Drohungen und Hin
weise auf das Schwinden der monarchischen
Gesinnung und dergleichen müßten doch
viel zerstörender wirken als eine gelegent-
liche beschimpfende Aeußerung. Staats-
Sekretär Nieberding hält es nicht für-
richtig, an Stelle des Wortes „Religion"
„Christenthum" zu setzen, wie dies der
Antrag von Roon bezwecke. Abg. Dr.
Enneccerus (nl.) führt aus, das Wort „Re
ligion" müsse durch „Gottesglaube" ersetzt
werden. Nur so würde dem Grundgedanken
der Vorlage entsprochen werden. Nachdem
Abg. Bebel (Soz.) nochmals das Wort
genommen, wird die Weiterberathung bis
auf Mittwoch, den 6. März, vertagt.
Schmalkalden, I.März. Das bisherige Re
sultat der Reichstagswahl Eschwege-Schmal-
kalden ist folgendes: Peters (nl.) 3167,
Stengel(frs. Volksp.) 3438, Jskraut (Antis.)
3742, Huhn (Soz.) 5497 Stimmen, somit
muß eine Stichwahl zwischen dem Sozia-
listen Huhn und dem Antisemiten Jskraut
'tattfinden.
Ostende, 27. Febr. Eine ausgelaufene
Bark strandete gestern bei Ostende. Man
und in derselben drei erfrorene Matrosen.
Am Strande bei Mariakerke wurden
zwei erfrorene Männer aufgefunden.
Hiroschima, 1. März. Nach einem amt
lichen Bericht des Marschalls O j a m a
vom 27. vorigen Monats wurden die
Chinesen am 24. Februar Vormittags in
der Nähe von Tawingschan geschlagen.
Nachmittags griffen 13,000 Chinesen Hait-
cheng an, sie wurden aber zurückgeworfen
und zogen sich in der Richtung nach Jineau
zurück. Die Japaner hatten 20 Todte und
250 Verwundete, die Chinesen 200 Todte.
Die Zahl der' Verwundeten auf chinesischer
Seite ist unbekannt.
New-Iork, 1. März. Gestern ist ein
Zug der Jnterocean Railway entgleist.
40 Passagiere wurden getödtet, viele ver
mundet.
Aus der Commission des
Umsturzgesetzes.
In der Reichstagskommission für die „Um-
sturzvorlage" wurde gestern die Berathung
des ß 130 eingetreten, welcher nach dem bestehen
den Gesetze wie folgt lautet: „Wer in einer den
öffentlichen Frieden gefährdenden Weise ver
schiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewalt
thätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird
mit Geldstrafe bis zu 600 Mark oder mit Ge
fängniß bis zu zwei Jahren bestraft." In der
Vorlage wird beantragt, dem bestehenden Para
graphen folgenden Absatz anzufügen: „Dieselbe
Strafe trifft Denjenigen, welcher in einer den
öffentlichen Frieden gefährdenden Weise die Re
ligion, die Monarchie, die Ehe, die Familie oder
das Eigenthum durch beschimpfende Aeußerungen
öffentlich angreift."
Abg. Dr. Rintelen (Cir.) hat beantragt einen
neuen Paragraphen einzustellen, mit folgender
Fassung: „Mit Geldstrafe bis zu sechshundert
Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren
wird bestraft, wer öffentlich oder vor Mehreren,
oder durch Gewalt, Druck, Schrift oder Bild d e n
Glauben an Gott (ursprünglich hieß es „das
Dasein Gottes") oder die Unsterblichkeit
der menschlichen Seele oder den religiösen
und sittlichen Charakter der Ehe oder der Familie
angreift (ursprünglich war noch hinzugefügt „oder
leugnet").
Abg. Dr. Rintelen begründet seinen Antrag
wie folgt: Der Antrag sei bestimmt, die Worte
des Kaisers, betreffend den Kampf für Religion,
Sitte und Ordnung zu realisiren. § 130 der
Regierungsvorlage beziehe sich nur auf allgemeine
Dinge und Begriffe, es sei aber nothwendig, kon
krete Fälle und Begriffe ins Auge zu fassen. Da
wir auch in Deutschland unter den Bundes
staaten einige Republiken haben, die ebenfalls
Anspruch auf Schutz erheben dürfen, so halte er
es für richtig, statt „monarchische" das Wort
„bestehende", zu ergänzen: Staatsformen, zu
setzen. Es komme doch hauptsächlich darauf an,
die Person des Monarchen zu schützen, und das
thue ja bereits das bestehende Strafgesetz. —
Das Eigenthum selbst könne nicht zum Gegen
stände eines speziellen gesetzlichen Schutzes ge
macht werden, denn sein Begriff stehe weder
wissenschaftlich noch historisch fest; ebensowenig
existtre ein einheitlicher Begriff für „Religion".
Es gebe eine ganze Reihe von Religionen im
Staate, die sich mehr oder weniger von einander
unterscheiden, aber allen diesen Religionen sei
doch gemeinsam der Glaube an das Dasein
Goites und die Unsterblichkeit der Seele, und
dieser gemeinsame Glaube bilde die Grundlage
des Christenthums, während dieses wieder als
die Grundlage unseres ganzen Kulturlebens an
zusehen sei. Es sei nothwendig, diese gemein
same Grundlage zu schützen; würde man nach
dem Vorschlage der Regierung weitergehen, so
würde nian die ärgsten konfessionellen Konflikte
zu gewärtigen haben. Wenn die Regierungs
vorlage „beschimpfende Aeußerungen"' treffen
wolle, so müsie er sagen, daß solche Aeußerungen
gar keinen Eindruck machen und der Religion
gar nicht gefährlich seien. Aber außerordentlich
gefährlich seien die in feiner nnd eleganter Weise
unter Berufung auf die Wissenschaft erfolgenden
Angriffe wider die Religion und die Grundlagen.
Die moderne Wissenschaft sei verantwortlich für
die Untergrabung des Gottesglaubens, wie aus
den Werken moderner Schriftsteller sehr leicht zu
beweisen sei, so aus den Schriften Badenstedts,
Paul Heyses u. s. w.
Diese Literatur vergifte die Volksseele, indem
sie zunächst sie mit Zweifeln am Dasein Gottes
erfülle; deshalb sei diese Literatur die allerge
fährlichste, und sie in erster Linie müsse getroffen
und unmöglich gemacht werden, wenn man wie
der zu einer Erziehung auf wahrhaft christlicher
Grundlage gelangen wolle. Das, was sich heute
„Wissenschaft" nenne, sei von höchst verderblichem
Einfluß auf die Jugend, besonders die akademische
Jugend; er habe das als junger Mensch an sich
selbst erfahren, auch sein Glaube sei einst er
schüttert worden. Hier handle sich's um de»
Schutz dessen, was der menschliche Geist nicht
fassen könne, was sich nur glauben lasse. Früher
sei der Unglaube ein Privilegium der sogenannten
Gebildeten gewesen, im Volk habe man davon nichts
bemerkt, jetzt aber sei der Unglaube bis in die
untersten Schichten des Volkes eingedrungen und
deshalb um so bedenklicher. Wem ernstlich daran
liege, daß nach den Worten des Kaisers die Religion
erhallen werde, der müsse bereit sein, die Grund
lagen der Religion zu schützen, wie dies sein Antrag
bezioeckc. Nach der Regierungsvorlage würden
nur ungebildete nnd thörichte Leute getroffen
werden, nicht aber die Urheber des Unglaubens
aus den Lehrstühlen der Universitäten usw. Ab
geordneter Graf von Roon (dk.) beantragt für
den Absatz 2 der Regierungsvorlage die folgende
Fassung: „Dieselbe Strafe trifft Denjenigen,
ivelchcr das Christenthum, die Heiligkeit des
Eides, die Monarchie, die Ehe, die Famil c oder
die Unverletzlichkeit des Privateigcnthums durch
beschimpfende Aeußerungen öffentlich angreift,
welche geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu
gefährden." — Antragsteller ist mit dem Gruno-
gevanken des Antrages Rintelen einverstanden,
meint aber, im Rahmen des projektirten Gesetzes
würden sich die außerordentlich bcherzigcns-
werthen Wünsche des Zentrums nicht erfüllen
lassen. Diese Erfüllung sei von tiefgehenden
R formen aus anderen Gebieten abhängig,
während man es hier dock nur mit einem Ab
wehrgesetz zu thun habe. Er stehe nicht an, zu
erklären, daß er eine Wissenschaft, welche den
Thron Gottes umstürzen, den Goltesglauben
vernichten und an seine Stelle die Herrschaft
der Vernunft setzen wolle, verachte; er sei bereit
zu Maßnahmen dagegen, die jedoch im Rahmen
dieses Gesetzes nicht möglich seien. Redner em
pfiehlt schließlich die von ihm vorgeschlagene
Fassung des Absatz 2 im § 130. Es sei nicht
richtig, aus dem Umstande, daß in dem Antrage
nur vom „Ehristenthume" die Rede sei, zu
olgern, man wolle die Beschimpfung der Juden
relgcben. Wir seien aber ein christlicher Staat,
und da könne doch das Judenlhum nicht den.
Abg. Dr. Barth (Frei?. Verein) wendet sich
mit großer Schärfe gegen beide Anträge. Dr.
Barth schließt aus den Worten Rintelen's, daß
es nun das Beste sein werde, die gesammten
Bibliotheken zu vernichten, da die Verbreitung
der ketzerischen Litteratur in Zukunft unmöglich
sein wurde. Im Uebrigen sei anzuerkennen,
daß der Antrag Rintelen die logische Konsequenz
des Gedankens der Regierungsvorlage sei, man
könne hier am Besten erkennen, daß es sich um
einen Angriff auf unsere gesammten Kultur-
Errungenschaften handle. Sollte Abg Rintelen
mit seinen Absich cn durchdringen, so würde
diese Gesctzbestimmung doch nirgends ernst ge-
nommcn werden können, das Volk würde sich
einfach gar nicht daran kehlen. Es ginge auch
nicht an, den religiösen Charakter der Ehe ge
setzlich zu betonen, denn schon die gesetzliche
Institution der Zivilehe wäre dann ja ein'An
griff aus diesen Charakter.
Staatssekretär Nieberding bittet den Zentrums
antrag, als zu weit gehend, abzulehnen und den
Rcgierungsantrag unverändert anzunehmen.
Abg. Dr. Enneccerus (natl.) wendet sich gegen
die Abändiruiigsanträgc; ebenso Abg. Zimmer
mann (Reichsp.), welcher auch gegen den Schutz
des Privateigcnthums ist, mit Rücksicht auf das
jüdische Eigenthum. Zum Schluß sprach noch
Abg. Bebel (Soz.) gegen den ganzen Paragraphen,
gegen das freie Denken gerichteten Angriff. Abge
ordneter Rintelen habe sich die Begründung sehr
leicht gemacht. Wenn es, wie er behaupte) wahr
sei, daß die Natur den Glauben an Gott einge
pflanzt habe, dann sei der Glaube unzerstörbar,
und cs sei eine Ungeheuerlichkeit, ihn durch Straf
gesetze schützen zu wollen. Sei die Religion etwas
vom allmächtigen Gotte Gewolltes, dann könne
sie nicht durch Menschenkrast vernichtet werden;
ei sie das aber nicht, so werde mit Strafgesetzen
zu ihren: Schutze Nichts ausgerichtet werden
können. Ans dem bekannten Worte: „die Reli
gion müsse dem Volke erhalten werden" sei deut
lich erkennbar, daß man damit doch lediglich be
zweckt, die wandelbare Ordnung der Dinge unter
Berufung auf die angeblich unantastbare Religion
zu schützen. Solange Kulturmenschen exlstiren,
eit Jahrtausenden, habe die Frage nach dem
Dasein Gottes und der Unsterblichkeit der Seele
Anlaß zu großartigen Auseinandersetzungen ge
rben. Der Zweifel sei der Vater alles Fort-
chrittes von jeher gewesen und werde es auch
erncr bleiben. Das beweise ja auch die Geschichte
der Religion. Welche Wandlungen habe die Re
ligion nicht im Laufe der Zeiten durchgemacht,
und nun unterfange man sich des ungeheuerlichen
Beginnens am Ende des 19. Jahrhunderts, die
Kritik religiöser Vorstellungen unmöglich machen
zu wollen. Man möge doch nur beachten, wie
die christlichen Konfessionen unter einander sich
gegenseitig verlästern und mit den denkbar be-
chunpfendsten Aeußerungen herunterreißen; es
sei die tollste Absurdität, Gesetze zum Schutze
der Religion, der Ehe »sw. machen zu wollen.
Redner konstatirt, daß selbst Martin Luther in
seine,n Traktat „vom ehelichen Leben" und in
sonstigen Schriften einen religösen Charakter der
Ehe nicht anerkannt, dieselbe vielmehr lediglich
als Institution zur Wahrung der Eigenthums-
interessen erachtet und selbst die Bigamie nicht
verworfen bezw. nicht als der heiligen Schrift
widersprechend angesehen habe.
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Novelle von Gustav Höcker.
Auch ich war dermaßen begeistert, daß ich
heute nicht im Stande bin, mich zu erinnern,
wie ich nach und nach das Gespräch auf seine
Tochter leitete, dann auf unser emporblühen-
des Geschäft, auf mein Junggesellcnthum, ans
Nieinc Sehnsucht auf eine Lebensgefährtin,
àrZ und gut, die Worte flössen mir wie
Homg vom Munde, und wie ein in einer
Pastete gebackenes Bonguet kam das große
Wor nii heraus; daß ich seine Tochter zur
Şŗau begehrte. Halb ,- a te ^ ^ ^ {am
selbst nur zuvor Cr ließ sofort noch eine
Flasche bringen und wir stießen darauf an.
Er ärgerte sich, mcht schon Iän auf bic
3bee gekommen zu Jetn, daß Mathilde und
ich ein prächtiges Paar abgeben würden und
beklagte die Stumpfheit seines Alters. Dazwi
schen fiel ihm auch ein Bedenken ein: ob ich
Nämlich von Mathildens Gegenliebe überzeugt
sei? Als ich ihm aber hundert kleine Züge
fl, erzählen wußte, welche seine vorübergehenden
Zweifel zerstreuten, da strahlte der Alte vor
Freude, nannte mich seinen Sohn, seinen
Hcrzensjungen und umarmte mich. Ich mahnte
endlich zum Aufbruch. Er wollte noch eine
Flasche Wem kommen lassen. Dagegen legte
sch aber entschieden Protest ein, indem ich
iägte, daß ein guter Bürger um diese späte
stunde ohnehin im Bett liegen müsse, daß
'ch ein abgesagter Feind von allen derartigen
Gelagen sei und mir heute bereits eine große
Ausnahme von der Regel verstattet hätte.
Darauf nannte cr mich einen braven, soliden
Eerl, der ganz dazu geschaffen sei, eine Frau
Pücklich zu machen, umarmte mich und gab
î- sogar einen Kuß.
Wir gingen nun nach Hanse. Er schlang
unterwegs seinen Arm um meinen Hals nnd
ich, als der Kleine, legte den meinigen um
seine breite Taille.
Du hättest uns sehen sollen! Keine Straße
war zu breit für uns, daß nicht der Eine
oder der Andere bald an der rechten, bald an
der linken Häuserreihe dm Kalk von der Wand
gerieben hätte.
Ich schwitzte und arbeitete wie ein Markt
Helfer, der einen schweren Ballen zu wälzen
hat. Bald blieb der Alte stehen und nannte
mich seinen herzigen Schwiegersohn und seinen
Goldjungen und nahm mein Gesicht zwischen
seine beiden Fäuste und schmatzte mich ab und
dann gings wieder im Sturme vorwärts,
und als wir endlich, ich weiß nicht wie, vor
seincm Hause angelangt waren, war er der
Ansicht, cr habe mich nach Hause begleitet,
nnd dies sei meine Wohnung. Es kostete
mich unendlich viele Mühe, ihn vom Gegen
theile zu überzeugen und nun bestand er darauf,
mich nach meiner Wohnung zu bringen.
„Bruder!" sagte er im näselnden Tone und
drohte mir mit dem Finger, „Du darfst nicht
allem gehen, Du hast Dir einen Haarbeutel
getrunken!" Dabei schwankte er hin und her
mW der schwarze Hut saß ihm tief in der
® ™J® 11 eine Sonnenfinstcrniß.
Endlich erschien die alte Haushälterin mit
der Lampe ,» der Hausthüre, und im Verein
mit dieser überredete ich ihn endlich, sich
hinaus zu begeben, und mich meinen Weg
allein gehen zu lassen. Vorher umarmte und
küßte cr mich noch ein paar Male, und mit
der Versicherung, daß heute die Verlobung
gefeiert werden sollte, entließ er mich.
Ich bat die Haushälterin, von dem kleinen
Vorfalle gegen Fräulein Mathilde, die bereits
zu Bett war, zu schweigen und ging heiter
nach Hause."
Leidlich hatte seine Erzählung in kurzen
Sätzen vorgetragen und oft Pausen machen
müssen, theils weil er mitunter vor Lachen
nicht weiter konnte, theils den Faden verlor
und sich ans den nächsten Verlauf lange be
sinnen mußte.
In der That mußte sich Druck jetzt ein-
gcstehen, daß Leidlich nicht zu viel gesagt
hatte, indem cr seinen heutigen Zustand un
zurechnungsfähig nannte, denn sonst hätte er
ihm dem Vorfall mit dem Rentier gewiß
nicht erzählt.
„Und glaubst Du," frug Druck, „daß der
Alte sein im Rausche gegebenes Wort halten
und Dich im nüchternen Zustande mit seiner
Tochter verloben wird?"
„Im Wein ist Wahrheit," entgegnete Leid
lich, „und seine gestrigen Betheurungen warm
unverkennbar der Ausfluß seiner Gesinnungen
gegen mich."
„Das wird sich finden," versetzte Druck,
„bist Du aber auch gewiß, daß Ihr Beiden,
Du und Papa Mohrenhaupt nämlich, die
Rechnung nicht ohne den Wirth gemacht
habt? Denn — offen gestanden — daß
Fräulein Mathilde gerade zu in Dich verliebt
wäre, hab' ich bis jetzt nicht gefunden."
Um Leidlich's Mund spielte ein mitleidiges
Lächeln.
„So etwas läßt sich nicht beweisen," gab
er zur Antwort, das läßt sich nicht fühlen,
nur ahnen! Zu einer Erklärung ist es zwischen
uns Beiden allerdings noch nicht gekommen;
cs wäre am Sonntag ohne Zweifel geschehen,
wenn ich mit Mathilde nur einen Augenblick
unter vier Augen hätte sprechen können, denn
die Erklärung liegt in der Luft, wie '
ein
Gewitter, das sich unter den Sonnenstrahlen
von hundert verliebten Neckereien die zwischen
Mathilde und mir schon seit längerer Zeit
spielen, zusammengezogen hat."
„Verliebte Ncckcreinen? Verstehst Du da
runter^ etwa die tiefen Bücklinge, die Du ihr
über die Straße hinweg gemacht hast, oder
Leidlich unterbrach seinen Associe, indem
cr ihn unter gcheimnißvollen Lächeln am
Arme nahm und in den Laden führte. Mit
der Hand nach den Fenster deutend, frug cr
ihn: „Siehst Du dort oben den blühenden
Rosenstock?"
„Den habe ich schon längst bemerkt," gab
Druck etwas stutzig zur Antwort.
„Ich habe ihr ihn heimlich geschickt; wenn
sie nicht ahnte, daß ich der Geber sei, so
hätte sie ihm schwerlich einen Platz unter den
vornehmen Blumen ani Fenster angelvicsen,
hätte ihn schwerlich mit so sichtbarer Sorg-
falt gepflegt, ja! sic hätte ihn vielleicht gar
nicht angenommen."
Druck war nahe daran, in ein schallendes
Gelächter auszubrechen, aber die Macht des
Zweifels, die jeder Liebende erfahren muß,
kam blitzschnell über ihn.
„Dieser Roscnstock ist mir das Theuerste
ans der Welt," hatte Mathilde zu ihm ge
sagt. — Jetzt schien das Räthsel gelöst, aber
konnte die Lösung nicht eine falsche sein?
Konnten Mathildens dunkle Worte nicht auch
zu Leidlich's Gunsten ausgelegt werden und
'omit für Druck eine zarte Warnung, ein
delikater Korb gewesen sein?
„Schließt dieser Rosenstock sämmtliche
verliebte Neckereien in sich?" frug Druck, in
dem plötzlich ein ahnungsloser Gedanke auf
leuchtete.
„Ich könnte noch hundert aufzählen," prahlte
Leidlich, „für jetzt nur noch dies; Du weißt,
daß der Briefträger, ehe er zu Mohrenhaupt
hinüber geht, erst zu uns kommt. Da habe
ich denn einige Make Briefe bei ihm gesehen,
die an Fräulein Mathilde Mohrenhaupt
adressirt waren und aus der Schweiz kamen."
Hier fing Druck fürchterlich zu lachen an
nnd Leidlich lachte ebenfalls und sagte:
„Der Hauptspaß bei der Geschichte kommt
erst noch: Ich stellte mich eifersüchtig," fuhr
er fort, „und als habe ich Mathilde in dem
Verdachte, daß sie mit einem Andern in zärt
licher Correspondenz stehen könne, schrieb ich
stets auf der Rückseite der Briefe einige
bezeichnende Glossen, was mir der Brief
träger, der den Scherz bemerkte, auch gern
gestattete."
Druck hatte auch während dieses letzten
Theils der Erzählung nicht aufgehört zu
lachen und Leidlich lachte natürlich mit.
„Ist auf diese Anspielungen hin nichts er
folgt?" frug Druck lachend.
„Die Folgen waren bedeutungsvoll genug;
der Briefträger erzählte mir, daß er von dem
Fräulein für jeden dieser Briefe ein reiches
Trinkgeld erhalten habe."
Druck schlug sich vor Lachen mit beiden
Händen auf die Schenkel und Leidlich mußte
sich den Bauch halten.
„Du hättest Dich eigentlich dann stets
vor die Ladenthür stellen sollen," sagte Druck
noch immer lachend, „vielleicht hätte Dir
Mathilde von ihrem Fenster aus ein Zeichen
gegeben, daß diese Briefe von keinem Geliebten
kämen."
„Ja! wie hätte sie das anstellen wollen?"
„Sie hätte z. B. einfach mit dem Kopfe
geschüttelt."
Wo. 52.
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