Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

; 
ş» Krfcheint fäcļJtcŞ 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
/onigvn 
igen 
hung. 
tuf. 
:s Verkauf 
Mus — Eä! 
nd der SchĢ 
ich gewiM 
ng Wwe 
lîş» Bezugspreis: 
Frau Wwt- Vierteljährlich 2 Ji.—, frei ins Haus geliefert 
'gen an del 
Nr. 81 ix 
2 Ji 15 f 
für Auswärtige, durch die Post bezogen 
. * Os si.yi 2 jfi 25 $ 
'asch"ve kaust ^ Postprovision re., jedoch ohne Bestellgeld. 
n den Unter- 
Znscttionsprcis: pro Petitzellc 15 Ķ 
Aeltrstes und geleserrstes Klntl im Kreise Kendsdurg. 
Anzeigen für die Tagesnununer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
-» 88ster Jahrgang. 
Als Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landwirth" sonne das 
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegebeu. 
3800 Abonnenten 
wenstraße. 
je» eine aix 
Wo. 49. 
WUl.^och den 27 Iebruar 
1895. 
De, 
chschaft und 
. Näh. in d 
per OsterX 
haft gesucht 
;al, Mel. 
Morşisn.Depeşchen 
Berlin, 26. Febr. Die offiziöse „Berl 
Korresp." bezeichnet die Blättermcldung 
wonach im Ministenum des Innern au' 
der Grundlage des früheren Entwirr 
wiederuni eine „lex Heinze" ausgearbeitet 
werde, als nicht zutreffend. 
Kiel, 27. Februar. In der gestrigen 
Sitzung der Strafkammer wurden die 
Eckernförder Stadtverordneten Neve und 
Strenge von der Preßbeieidigung bezw 
und Wurst 
einen 
Fockbek- 
rdentliches 
len. 
Schützenhof 
Ddp 
hneidcrei 
Koni astö 
1 Mai NU ^ireiigc von oer PIeyoe I eiorgung vezw 
' Prestverleumdung des Bürgermei 
y sters Felgenhauer in Eckernförde frei 
ION, gesprochen. 
mit PserdeU ^ bkeuwird, 25. Febr. Der Fabrikarbeiter 
nh .ItLilt H e 6 Don Heddesdorf wurde heute Morgen 
unft ertheil ößn ben) s^ ostekUen Mattner durch einen 
ratze 507.^ Reoolverschuß getödtet. 
Köln, 25. Februar. Der Rosenmon 
tags-Festzug ist glänzend verlaufen 
Das Wetter war mild und trocken, der 
Fremdenverkehr gewaltig. 
Bern, 25. Febr. Notar Z o ß, gewe 
jener Friedensrichter der Stadt Bern, wurde 
wegen leichtsinnigen Bankerottes und Unter 
schlagung von Frcs. 65 ; 000 zu 3'/., Iah 
ren Zuchthaus verurtheilt. 
Calais, 26. Februar. Die Fischerbarke 
„Theophile" wurde gestern in der Nähe 
des Leuchtthurms der Insel Wight an das 
Ufer geschlagen. Sieben Personen der Be 
wannung sind umgekommen. 
Krnstantinopel, 26. Februar. Aus dem 
Umstande, daß an den Ufern des Bos 
Perus seit einigen Tagen das Meer zahl 
reiche Menschenleichen auswirft, schließt 
won daß es sich wahrscheinlich uni an 
Cholera gestorbene Menschen handele, welche 
von der Bemannung eines Schiffes ins 
Ällşier geworfen wurden. Die Untersuchung 
ist eingeleitet worden. 
Rom, 26. Febr. Die Aerzte haben den 
Papst ersucht, die Audienzen bis zum 2. 
März zu suspendiren, um seine Kräfte zu 
schonen für die dann in der sixtinischen 
Capelle stattfindende Ceremonie, wobei der 
Papst eine lange Rede an das Episeopat 
halten wird. Die Gesundheit des Papstes 
ist zwar nicht schlecht, erfordert aber große 
y Schonung. 
VUtU Newport, 23. Febr. In dem bekannten 
J Amerikanischen Badeorte Hot Springs, 
ktwa 75 km von Little Rock in Arkansas, 
şt das ganze Geschäftsviertel durch eine 
şxrsbrunst zerstört worden. Auch einige 
■ lvw / v hotels sind eingeäschert und mehrere Personen 
ivllen in den Flammen umgekommen sein. 
lle 
iartikel. 
elsgärtnerest 
tbere 
rin. 
cd Jung 
chtiges 
m\ 
Hohestraße- 
wen wünschi 
eviu, sofort- 
vition des 
niderei. 
ahnstr. ķ 
ldchell 
derei, sofort 
Modistin, 
), l. 
Der Reichstags-Präsident und 
seine Gewalt. 
Von jetzt ab kann ein Mitglied des 
Reichstages, wenn es die Ordnung gröblich 
verletzt, von der Sitzung ausgeschlossen 
werden; d. h. der Präsident fordert den 
Uebelthäter aus, den Saal zu verlassen. 
Folgt der Feind der Ordnung mit einer 
gehorsamen Unterwerfung, die doch gerade 
bei Ordnungsfeinden nicht häufig ist, 
dieser Aufforderung, so ist die Sache 
gut. Der Frevel ist dann in der Weise, 
die wir Alle aus unseren Schuljahren 
kennen, gebüßt; der ungezogene Volksver 
treter steht vor der Thür, oder vielmehr 
er läßt sich im Foyer nieder, oder er pro 
menirt in der Wandelhalle, zerstreut sich 
im luxuriösen Lesezimmer, nimmt eine 
Mahlzeit im Eßsaal ein, wohnt, wenn er 
Humor hat, von einer Loge aus der ihm 
verschlossenen Sitzung bei, oder revidirt die 
Toilettenräume nach verlorenen Briefen 
einer politischen Gegner. Er gibt sich 
also den gewöhnlichen Beschäftigungen 
eines Volksvertreters außerhalb des Si 
jungssaales hin, und seine im Sitzungs 
aale zurückgebliebenen Richter werden 
milde über den Sünder denken, der sich 
elbst bezwang und willig Buße that, und 
der damit den Reichstag und seinen Präsi 
deuten einer schweren Verlegenheit überhob 
Die Sache verläuft aber ganz anders, so 
bald der Feind der Ordnung sich der Aus 
weisung nicht fügt und womöglich gar, 
unterstützt von seinen Freunden, die Örd- 
nung weiter verletzt. Gewalt will der 
Präsident, wie er in der Kommission er 
klärt hat, dann nicht anwenden.; der Renk 
tente soll nicht, wie es im englischen und 
ranzvsischen Parlamente geschieht, durch 
)ie Diener des Hauses entfernt werden 
andern es soll dann der Klügere nachgeben: 
ber Präsident schließt die Sitzung und der 
Uebelkhäter behauptet das Feld. So steht 
die scharfe Waffe aus, die eine große, aus 
der Rechten, dem Centrum und den Ratio- 
nallibcralen bestehende Mehrheit dem Prä- 
identen und sich selbst am vorigen Sonn 
abend verliehen hat. Es ist eine sehr ge- 
ährliche Waffe für den, der sie handhabt, 
er kann sich leicht damit kn die Finger 
chneiden. Wenn sich aber einmal ein 
Fall ergeben sollte, der zur Anwendung 
des neuen Disziplinarmittels führt, dann 
t jetzt schon darauf zu wetten, daß er 
nicht durch Folgsamkeit des Störers glatt 
abläuft, sondern daß dieser sich widersetzt, 
und daß dadurch mehr Lärm, Konflikt und 
Blamage entsteht, als je zuvor. Ein ein 
ziger böswilliger, unzurechnungsfähiger oder 
schamloser Mensch kann den ganzen Reichs- 
tag tyrannisiren, wenn dieser sich mit ihm 
auf einen Kampf einläßt: wer vom Platze 
weichen soll, ohne daß Gewalt gebraucht 
wird. Wäre der Reichstag auf den thörich 
ten Gedanken gekommen, seinerzeit Herrn 
Ahlwardt mit seinem Aktenskandal von der 
Sitzung auszuschließen, dann wäre die 
Sache nie zu Ende gelangt, Ahlwardt 
wäre Sieger geblieben, er würde mit den 
Akten heute »och Hausiren. Statt dessen 
hat man ihn angehört, hat den Skandal 
austoben lassen, hat ihm geantwortet, hat 
ihm Dinge gesagt, die sonst nie ein Prä- 
sident dulden würde, die aber nothwendig 
waren; das war eine harte, widerwärtige 
Aufgabe, besonders auch für den Präsiden 
ten, aber es hat geholfen; für den Reichs 
tag war Ahlwardt von da ab ein todter 
Mann. Das Parlament ist der Ort, wo 
die schroffsten Gegensätze, Ueberzeugungen 
die Begeisterung und Leidenschaft wecken 
mit einander streiten, da kann es nicht zu 
gehen, wie im Salon Rede und Gegen, 
eede sind die Mittel zum Austrag und 
schließlich entscheidet die Abstimmung. Jedes 
andere Artikel ist vom Uebel. 
Nun wird gesagt: die Ausweisung solle 
ich nicht gegen Meinungen oder die 
reie Rede richten, sie solle nur grobe 
Verletzungen der Ordnung treffen. Den 
Anstoß aber hat das Sitzenbleiben einiger 
Sozialdemokraten beim Hoch auf des Kaiser 
gegeben. Man mag darüber denken, wie 
man will, schreibt die „Frkf. Ztg." jeden 
fills war dieses Sitzenbleiben der Aus 
druck einer Ueberzeugung, eine politische 
Kundgebung. Man mag sie tadeln, hart 
verurtheilen, die Form als unpassend rügen 
die Sitzenden, wie es von der Rechten ge 
chehen ist, lärmend beschimpfen; das Alles 
ann mehr oder weniger wirksam sein und 
t Geschmacksache — das einzige Unwirk- 
ame wäre der Ausschluß aus der Sitzung. 
Das bedeutet und beweist gar nichts, 
höchstens eine Verbeugung nach Oben und 
hat die Folge, daß die üblichen Kund 
gebungen der Treue und Ergebenheit von 
jetzt ab als durch Strafe der Ausschlie- 
zung erzwungen erscheinen. Und wenn 
einmal alle 45 Sozialdemokraten sitze» 
bleiben? Schließt man dann die ganze 
Zartei aus? Das wäre die künstliche Glo- 
ificirung antimonarchischer Gesinnung, die 
man bisher aus Klugheit und in Wär- 
digung jeder Ueberzeugung ignorirt hat. 
Außer diesem Sitzenbleiben und dem 
Fall Ahlwardt sind noch gewisse Zwischen 
rufe, wie „frivol" — „unwürdig" — 
„erlogen", für die Nothwendigkeit schärferer 
Disciplinarmittel angeführt worden. Wer 
zweifelt, daß dagegen der Ordnungsru' 
genügt? Nach zweimaligem Ordnungsru' 
kann jetzt schon einem Redner das Wort 
entzogen werden; das ist also auch eine 
Art Ausschließung, und von diesem schärf 
sten Mittel ist in 27 Jahren nur einmal 
und zwar gegen Bebel Gebrauch gemacht 
worden, und am nächsten Tage entschied 
dann der Reichstag als Appellinstanz für 
für Bebel gegen den Präsidenten. Es ist 
nur zu wünschen, daß er es nie anwendet; 
es ist von ihm auch kein Mißbrauch zu 
befürchten. Ein späterer Präsident aber 
der eine politische Mehrheit hinter sich hat, 
kann dieses Mittel gegen die Redefreiheit 
mißbrauchen und es weiter ausbilden. Als 
erster Schritt auf einem bedenklichen Wege 
und als kleines Ueberprodukt des Geistes, 
der den „Umsturz" mit Polizeimaßregeln 
bekämpfen will, ist der Beschluß des Reichs 
tages zu bedauern. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete 
Für Ostasrika scheint eine Wiederholung der 
Heuschreckennoth zu drohen. Missionar Greiner 
cfjrcibt darüber Ende Dezember aus Kissarawe: 
„Schon wieder droht die Heuschreckennoth den 
Bewohnern Usaramos furchtbar zu werden 
Von Kisaki bis Kissarawe haben die Heu- 
chrecken die entsetzlichsten Verwüstungen an 
gerichtet und Alles aufgefressen. Sogar von 
zehn Tagereisen kommen die Leute, um Arbeit 
zu suchen." 
In New-Iork ist dieser Tage die 
Prinzessin Pauline gestorben, jenes 
kleinste Geschöpf unter den Zwergen. In 
Berlin ist sie durch mehrfache Ausstellung 
in Castans Panopticum vielen Tausende» 
bekannt geworden. Die Kleine stammt 
aus Belgien, wurde 18 Jahre alt und 
konnte bequem auf der flachen Hand eines 
Mannes stehen. Sie hatte einige Lieder 
und Tänze einstudirt, war stets in liebens- 
würdiger Laune und nickt wenig stolz auf 
dre Beachtung, welche ihr überall, besonders 
von den Damen, deren Liebling sie war, 
geschenkt wurde. Ihre gesammte Familie 
wird von dem Verlust stark betroffen: sie 
var die Ernährerin derselben. In New- 
Aork erhielt sie für sechs Monate 
20000 .M 
Junge Attfimger. 
Novelle von Gustav Höcker. 
enstratze 4. 
Am andern Morgen kam er wieder, und 
er sich im Geheimen mit dem Projecte 
>rug, den Leutchen nach und »ach die Wunder- 
flume abzuschwatzen, so kam er täglich. Auch 
Aufenthalt in diesem Gewölbe; 
' bewohuâ„stĶ ° ^- r bcquemtr als aus seinen 
die 
Leute vorüberpassiren sehen; 
ui sind' zşruck war ein sehr gesprächiger und gcmüth- 
Maun der „ich. nur den Alten aa 
lt und bestenehm unterhielt sonder» auch an dessen 
tr S 1. Maaßen Gefallen fand und sich darüber halb 
"fort lachen wollte. Es wurde ihm endlich 
Stub-E», Bedürfniß, leben Morgen nach dem 
frühstück im Laden ein halbes Stündchen zu 
'rrplaudcrn, er wurde der „Hausfreund" der 
st Küche flNgen Firma, der „Cicisbeo" der Riesen-Nelke. 
teste 59. şr fand gefallen daran, zuzusehen, wen» 
i> 1895: „ruck verkaufte, an der Leiter auf- und 
.. ,w.j. —ş, an der 1'ener au,- uno «li 
eben, Küche Wetterte, einpackte und andere Geschäfte vcr- 
örderstrabe^.tchtetc, und begönnerte die Firma, indem er 
» humoristischer Weise den Käufern die Güte 
. a Waaren anpiies und sic zu häufigem 
I ß p lach 1 c b c t f on ui t c n einlud, als wäre er am Geschäft 
II StkllUetll^tthciligt. 
raste 13^ Biele hielten auch wirklich den dicken impo- 
Herrn, der mit großem Behagen sich 
ihm MobweX»!, dem Sessel wiegte, für den Principal. 
ähl-nstra^Ņuch verschmähte Mohreuhaupt nicht, mit 
î ^s"gen hübschen Dienstmädchen, die in den 
Zimmer kamen, seine Späße zu machen und sie 
iS. K "nd wann in die Wangen zu kneife». 
astadtstr^. Cs gmg Alles so gut, daß Leidlich zuletzt 
/rinüthig wurde und den Alten häufig zum 
wen hielt. 
Der Rentier sprach gern in Sentenzen, 
wie: „Das Leben ist ein köstliches Gut. - 
Die Liebe ist eine Zauberin. — Durch Aus 
dauer gelangt man zum Ziele. — Die Wei 
ber sind launisch wie Aprilwetter u. s. w." 
Er pflegte diese Aussprüche mit einer Salbung 
zu thun, als enthielten sie die tiefsten Lebens 
wahrheiten. Leidlich hörte ihn dann stets 
sehr aufmerksam an und schob diese Aussprüche 
den größten Philosophen unter. Sagte z. B. 
der Rentier: „Es ist schwer, ein Mensch zu 
sein," so rief Leidlich seufzend: „Ja, es ist 
sehr wahr, — diesen Ausspruch hat Sokrates 
gethan." 
Zuweilen freilich geschah eS auch, daß der 
Rentier seinen Nachbar darauf mit miß 
trauischen Blicken von der Seite ansah und 
zur Antwort gab:" 
„Und wenn ihn Purzpichler gethan hätte, 
er ijt doch wahr! Was gehen mich Eure 
Stubengelehrten an; ich bin so klug und so 
alt, daß ich das Alles selbst sagen kann." 
Auch konnte sich Leidlich nicht enthalten, 
dem Rentier gelegentlich den „Tabakskrane", 
£! e "Ņ-à'" und die „Schacherjuden" unter 
>e Rase zu reiben, womit dieser einst gegen 
Unternehmen bezeichnet hatte. 
-- .^Şucherweise aber konnte Mohrcnhaupt 
lc, rnck,t mehr darauf besinnen und Leidlich's 
Anspielungen blieben ihm daher unverständlich. 
Ueberhaupt war das Gedächtniß des Alten 
şş!.'ch stamps geworden, ähnlich wie sein 
Gehör. Obwohl er die Firma täglich vor 
Augen hatte, so war cs doch nur ein Zufall 
wenn er sie richtig, nänilich „Leidlich und 
Druck," nannte, in den meisten Fällen aber 
figte er zu Leidlich's Aergerniß bald: „Druck 
ind Leidlich," bald „Druck und Compagnie" 
und dann wieder „Leidlich und Compagnie." 
Auch die Namen der beiden Associes selbst 
-Htalteu. 
Rom, 26. Feb. In dem Dokumenten- 
prozeß wurde beschlossen, dem Antrage der 
Angeklagten gemäß die Untersuchung durch 
Vernehmung Giolitti's zu vervoll- 
ständigen und Letzteren zur verantwort- 
lichen Vernehmung vorzuladen. Der 
Staatsanwalt hatte diesen Antrag be 
kämpft. indem er ausführte, daß die' von 
Giolitti der Kammer vorgelegten Papiere 
sich zwar auf die Banka Rvmana beziehen, 
aber ohne Einfluß auf den Prozeß Tan- 
longo waren, auch nur in Abschriften be- 
standen. Angenommen aber, Giolirti be 
säße noch andere Dokumente, so könnten 
auch diese nur von seinen Untergebenen 
unterschlagen sein. Schließlich bekämpfte 
der Staatsanwalt die Ausdehnung der 
Anklage auf Giolitti, weil dieser jedenfalls 
für Vergehen, die er als Minister verübt, 
nach der Verfassung nur von der Kammer 
angeklagt und gegen ihn nur vom Senat 
als Staatsgerichtshof verhandelt werden 
könne. Die dazu erforderlichen Schritte 
fiien auch erfolgt, konnten jedoch wegen 
der Vertagung der Kammer und des da 
rauf folgenden Schluffes der Session keine 
Folge haben. Der Beschluß des Anklage- 
senats macht auf das Publikum großen 
Eindruck. 
Rom, 26. Febr. Ein junger Graf hat 
eine Spielschulden in seinem Klub mit 
einem werthlosen Chek bezahlt und sich 
obendrein noch 10000 Frcs. darauf aus 
der Klubkaffe herausgeben lassen. Der 
fimose Graf war s. Zt. Botschaftssekretär 
bei der italienischen Botschaft in Berlin, 
ist inzwischen aber abgesetzt. Auch dort 
waren über den gräflichen Diplomaten 
allerlei nicht ganz saubere Gerüchte im 
Schwange. Sie wurden aber offiziös de- 
montirt, zu Deutsch: Man belog das Pub- 
likum. 
Frankreich. 
Paris, 26. Febr. Das Comitee der 
,8oeiöG nationale des beaux arts“ hat be- 
chlosieu, sich an der diesjährigen Berti- 
ner Kunstausstellung zu betheiliqeu. 
Äutziand. 
Petersburg, 26. Febr. Der „Grasch- 
damn" hört, ein russisches Geschwader 
werde der Eröffnung des Nord-Ost fee- 
Kanals beiwohnen. 
Schweiz. 
Der bekannte Antrag Kanitz hat be 
reits eine Nachahmung in der Schweiz ge- 
funden. Nach einer neuen Bestimmuilg 
der Bundesverfassung kann man nämlich 
verwechselte er fortwährend: wenn er mit 
Druck sprach, so redete er ihn mit Herr 
„Leidlich" an und diesen umgekehrt. — 
Mittlerweile setzten beide Associes natürlich 
auch ihr stummes Verhältniß zu Fräulein 
Mathilde eifrig fort. 
Ş Seitdem der Papa zu den Nachbarn in 
nähere persönliche Beziehungen getreten war, 
zog die Tochter den Schleier der Befangenheit 
allmählich von ihrem Fenster weg. Sie flüch 
tete sich nicht mehr vor Druck und tauschte 
niit ihm mitunter wohl auch ein Lächeln. 
Auch hatte sie in Begleitung ihres Vaters 
dem stkachbarladen einen Besuch gemacht, uni 
die Riesen-Nelke in der Nähe zu sehen. 
Leidlich triumpyirte, denn alle Fragen in 
Betreff der Blume hatte sie au ihn gerichtet, 
ja sie hatte Druck kaum eines Blickes gewür 
digt, und Leidlich hatte genau beobachtet, wie 
sie sogar absichtlich vermieden hatte, Jenen a»- 
Zusehen. 
Daß Druck ebenfalls um die Gunst der 
Nachbarin buhlte, konnte er ihm nicht ver 
wehren, doch hielt Leidlich es für seine Pflicht, 
seinen Associe durch hingeworfene Aeußerungen 
vor der bitteren Enttäuschung verschmähter 
Liebe zu warnen. Als er einst Drucken in 
den, Augcnbkickc überraschte, wo dieser ein 
Kußhändchcn hinüber warf, nahm er sich im 
Stillen heimlich vor, ihn nie zu seinem 
Hausfreunde zu machen. 
Indem eines Tages Truck's Blicke suchend 
nach dem Nachbarfenster schweiften und mit 
großem Wohlgefallen nach dem weißen Ant 
litz, daß sich hinter den Scheiben zeigte, aus 
ruhten, schüttelte Mathilde plötzlich den Kopf. 
Er bemerkte genau, daß ihre Augen dabei 
auf ihn gerichtet waren, daß sie schelmisch 
blinzelten, daß sich dazu uni ihren Mund ein 
liebliches Lächeln verbreitete, kurz es war die 
liebenswürdigste Verneigung, die durch Mie- 
ncnspiel jemals ausgedrückt worden ist, und 
Druck durfte keinen Augenblick zweifeln, daß 
das Zeichen ihm selbst gelte, obwohl er sich 
bewußt war, der Nachbarin niemals, weder 
iliit Worten, noch durch Zeichen, eine Frage 
vorgelegt zu haben. Er wußte nicht, welche 
Bedeutung er dicseni stummen, räthselhaften 
Vorgänge unterlegen sollte und war darüber 
ganz untröstlich. 
Mit verlegenen Blicken prüfte er seine 
ganze nächste Umgebung und es schien, als 
wollte er von der Wölbung der Ladenthüre 
bis herab zur Schwelle jedes Atom fragen: 
was hat sie gesagt? 
Er vergegenwärtigte sich mit ängstlicher 
Genauigkeit ^ bis zum Kleinsten herab alle 
Umstände, die dem räthselhaften Kopfschütteln 
vorangegangen waren. Er rief sich ins Ge 
dächtniß zurück, daß kurz vorher ein Wagen 
mit weißem Sand vorübergefahren, daß fast 
gleichzeitig der gelbrvckige Briefträger ins 
Gewölbe getreten, von Leidlich abgefertigt und 
dann hinüber in das Haus des Reuters 
gegangen war, wie dies fast täglich geschah. 
Er hatte dem Briefsräger wieder aus dem 
Hause treten und dann eben am Fenster die 
Nachbarin erscheinen und den Kopf schütteln 
sehen. Druck hielt eine förmliche Criminal- 
untersuchung, aber sie ergab Irichts. 
Da sich in Mathildens Benehmen, die den 
ag über noch häufig an's Fenster trat, über 
dies nichts zeigte, das auch nur den gering- 
stcn Anknüpfungspunkt an jenes verneinende 
Zeichen dargeboten hätte, so beruhigte sich 
Druck. 1 
Nach einigen Tagen hatte er den kleinen 
Vorgang fast gänzlich wieder vergessen, denn. 
scho I, wurde sein Interesse von einem ande r 
Gegenstände in Ansruch genommen. 
Unter den ausgesuchten seltenen Blumen 
welche vor den Fenstern des Rentiers standen 
war die plötzliche Hinzukunft eines gewöhn 
lichen Rosenstocks eine ausfallende Erscheinung 
Und einen solchen gewahrte Druck eines Tages 
— zu seiner Verwunderung; aber auch der 
Rentier schreu verwundert, und offenbar fragte 
er jetzt eben die Tochter, wo dieser Rosenstock 
hergekommen sei, und offenbar brachte diese 
M'age Mathilden in Verlegenheit, denn ihr 
Antlitz glühte auf einige Augenblicke in dunk 
lerem Roth noch als die Rose. Dann be 
wegten sich ihre süßen Lippen in holder 
Beredsamkeit auf und nieder, indem sie dem 
Papa etwas höchst Glaubwürdiges zu erzählen 
schienen, und als der Alte von Fenster ver 
schwunden war, hob sie den Rosenstock enipor 
als preßte sie ihn an ihr Herz und sog den 
Duft der Knospen ein, so langsam-träumerisch 
so tief athmend, daß Druck ihren Busen aus- 
imd nicdcrwogen sah. 
Sie schien den Rosciytvck mit besonderer 
Vorliebe zu pflegen, und so oft sie daran 
noch, was täglich mehrere Male geschah warf 
sie einen Blick auf Druck herab und lächelte 
und der Blick und das Lächeln galten ihm 
und standen doch auch gleichzeitig in Bezie 
hung zu dem Rosenstocke. Das' konnte dem 
charf beobachtenden Druck nicht entgehen aber 
cs war ein neues Räthsel für ihn. Und er 
gericth immer tiefer in dies Räthsel hinein 
ohne nur eins davon lösen zu können, und 
ihre Zahl häufte sich wie unbezahlte Rech 
nungen, — denn noch waren Druck's Ge- 
danken mit dem Geheimniß des Rosenstocks 
beschäftigt, da sandte die Nachbarin eines 
-vages Plötzlich wieder ein lang anhaltendes
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.