Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

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Vierteljährlich 2 Jt.— frei ins Haus geliefert 
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«ul Pojtproviswn je., jedoch ohne Bestellgeld. 
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ZnsertionspreiS: pro Petitzeile 15 
Aeltrstes und gelegenstes Klatt im Kreise Kerrdsbirrg. 
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88ster Jahrgang. 
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3200 Abomrcuiett 
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Dienstag, den 19. Iebruar 
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Morgsn-Depeschen 
Berlin, 9 8. Febr. Die Eröffnung des 
Nord-Ostsee-Kanals im Juni ds. Js. wird 
sich, wie man hört, sehr glanzvoll gestalten. 
Alle deutschen Fürsten und alle seefahren 
den Nationen haben im Aufträge des Kai- 
fers Einladungen erhalten. 
Berlin, 18. Febr. Im „Feenpalast" 
traten heute Nachmittag 2 Uhr die Mit 
glieder des Bundes der Landwirthe zu 
ihrer Generalversammlung zusammen. Etwa 
-tOOO Personen waren anwesend, darunter 
ca. 50 Parlaments-Mitglieder. Um 2 Uhr 
Eröffnete der Vorsitzende des Bundes, von 
-ploetz, die Versammlung mit einer An 
sprache, in welcher er etwa Folgendes aus 
führte : Die Situation sei vollständig ver 
ändert. Noch vor einem Jahre habe ein 
hoher Staatsbeamter die Bestrebungen des 
Bundes begehrlich genannt. Heute sei man 
nicht mehr verfehmt. Heute habe man die 
freudige Genugthuung, daß bis zur Person 
des Kaisers die Ueberzeugung obwalte, daß 
dem Nothstände Einhalt gethan werden 
h'üffe, wenn das Vaterland nicht nach 
innen und außen wehrlos gemacht werden 
solle. Aus dem Geschäftsbericht ergebe 
nch, daß der Bund gegen 10,000 Mit 
glieder mehr zähle als im Vorjahr Die 
Annahmen beliefen sich auf 453,000 M, 
ote Ausgaben auf 493,000 Ji Herr von 
■tsloel gedachte schließlich, wie fast alle 
Ipateren Redner in anerkennenden Worten 
cr Verdienste des Fürsten Bismarck um 
>c Landwirthschaft. — Graf Mirbach be- 
onle die Nothwendigkeit, auch die Wäh- 
ņwgssrage in die Agitation einzuziehen. 
lNchdem der'Vorstand unter großem Jubel 
^"getheilt, daß er nachgesucht habe, am 
. prrl tu Friedrichsruh empfangen zu 
^b'den, datz dieses Gesuch genehmigt sei 
Und daß man beabsichtige, dem Fürsten ein 
Geschenk darzubringen, begründete Gras 
Kanitz seinen bekannten Antrag, zu dessen 
Gunsten später einstimmig eine Resolution 
angenommen wurde. Abg. Dr. Hahn 
wachte Mittheilung von seinem gestrigen 
Besuch in Friedrichsruh, bei dem er den 
Fürsten in voller geistiger und körperlicher 
Frische angetroffen habe. Der Fürst habe 
chm zum Schluß Grüße au die Versamm- 
ung ausgetragen. — Es gelangten noch 
zahlreiche, bekannte parlamentarische und 
chnstige Vertreter der Landwirthschaft zum 
f 1 ®' Mit brausendem Hoch auf de» 
«aiser, den Fürsten Bismarck und auf die 
Landwirthschaft wurde die Versammlung 
erst zu später Abendstunde geschlossen. 
Berlin, 18. Febr Vertreter aller deut 
schen Innungen planen eine Huldigiings- 
fahrt mit Fahnen und Bannern nach Fried- 
richsruh zum Fürsten Bismarck. Der Fürst 
hat den Besuch angenommen, doch ist der 
Termin noch nicht festgesetzt. 
Hamburg, 19. Febr. Herr Carl Abs, 
der bekannte Athlet und Ringkämpfer, ist 
gestern Nachmittag um 4 Uhr seinen Leiden 
erlegen. 
Ärco, 19. Febr. Erzherzog Albrecht 
ist heute Mittag 1 Uhr 15 Minuten ge 
storben. Die Anordnungen über das 
Leichenbegängniß werden erst nach der^An 
kunft des Kaisers, die morgen Abend er 
folgt, getroffen werden. Kaiser Wilhelm 
dürfte, falls es sein Gesundheitszustaud ge 
stattet, der Leichenfeier beiwohnen. Der 
König von Sachsen nimmt an derselben 
Theil. Die Erben des sehr bedeutenden 
Baarvermögens und der großen Besitzungen 
des Verstorbenen sind die Erzherzöge 
Friedrich, Carl Stephan und Eugen. 
London, t 9. Febr. Nach einer Mel 
dung aus Tormosa ist der dortige Pulver- 
thurm in die Luft geflogen. 50 chinesische 
Soldaten wurden getödtet. 
London, 19. Febr. Wie die „Times" 
aus Tientsin melden, hat mit dem Admiral 
Ting noch eine größere Anzahl höherer 
Offiziere Selbstmord begangen, da der 
Kaiser von China befohlen hatte, daß alle 
bei der Kapitulation betheiligt gewesenen 
Offiziere ohne Weiteres hingerichtet werden 
sollten. Der Gouverneur von Tientsin 
wurde angewiesen, die Flüchtigen erschießen 
zu lassen. 
Venedig, 19. Febr. In ganz Ober- 
ilalien herrscht wieder eine äußerst starke 
Kälte. In Bologna waren heute 10, in 
Turin, Cremona und Mirandola 14 Grad 
Kälte. Auch aus Sizilien wird strenger 
Frost und heftiger Schneefall gemeldet. 
Paris. 19. Febr. In der Cadettenschule 
zu La Fläche ist eine Meuterei aus 
gebrochen. 
Mîrill 
Auster europäische Gebiete 
Aokohama, 18. Febr. Eine amtlicke 
Depesche des japanischen Marschalls Ojama 
vom 14 Februar meldet die am 13. ds. 
Mts. erfolgte Capitulation der chinesi 
schen Forts und der chinesischen 
Kriegs schiffe. 
Ferner meldet Ojama, am 12. Februar 
Abends starb Admiral Tsing mit zwei 
anderen chinesischen Offizieren durch Selbst 
word, nachdem er zuvor in einem Schreiben 
die Capitulationsbedingungen der Japaner 
angenommen hatte. Nach diesen Be 
dingungen sollten die Garnisonen der Forts 
und die Mannschaften der chinesischen 
Kriegsschiffe jenseits der japanischen Linien 
geschafft und in Freiheit gesetzt werden. 
Die Ausländer und die Offiziere werden 
zu Schiff weiter weggebracht und entlassen 
werden Der Commandant des ersten 
japanischen Armeecorps telegraphirte unter 
gestrigem Datum: 15 000 Mann chinesischer 
Truppen griffen, unterstützt durch das 
Feuer von 12 Kanonen, heute Haitschang 
an, wobei sie auf drei verschiedenen Wegen 
vordrangen. Sie wurden unter großen 
Verlusten zurückgeschlagen und ließen mehr 
als 100 Todte auf dem Kampfplatze zurück. 
Die Japaner hatten nur einen Verlust 
von drei Todten und zwei Verwundeten. 
Das Diak on is sen H os pita l in Cleve 
land wurde am 1. Februar durch Feuer 
zerstört. Das Feuer verbreitete sich so 
schnell, daß es nicht möglich war, alle 
Kranken zu retten. Drei derselben ver 
brannten, ferner die Wärterin Minnie 
Baumer, welche sich weigerte, die ihr an 
vertrauen Pflegebefohlenen im Stich zu 
lassen. 
Frankreich 
Paris, 17. Febr. Wie schon vor einiger 
Zeit der „Figaro" ankündigte, meldet heute 
die „Petite Republique" die bevorstehende 
Rückkehr des Exministers Const ans zur 
hohen Politik. Das sozialistische Blatt 
spricht sogar von der Möglichkeit eines 
Ministeriums Constans, daß das Ministe 
rium Ribot ablösen würde. Das klingt 
doch vorläufig etwas unwahrscheinlich; 
aber sicher ist es, daß Constans, der Be 
zwinger Boulangers, sich wieder in die 
aktive Politik zu lanciren sucht. — Der 
Kriegsminister hat den Ober-Mi 
litärarzt nach Dijon gesandt, wo nach Be 
richten der Blätter beim 27. Infanterie- 
Regiment innerhalb vierzehn Tagen 2 0 
Soldaten verstarben. Es scheint, daß 
die Truppen durch nächtliche Wintermärsche 
überanstrengt wurden, und daß Die Aerzte 
des Regiments die Klagen sich leidend füh 
lender Soldaten nicht rechtzeitig beachteten. 
Der Oberst des Regiments hat einstweilen 
Zimmer-Arrest erhalten. Zwei Aerzte schei 
nen besonders belastet. 
Spanien. 
Madrid, 16. Februar. Bei den Feld- 
manövern, die im letzten Herbst in Kata 
lonien stattfanden, fiel der General Ren 
dos vom Pferde und brach das linke 
Bein. Dieses mußte ihm abgenommen 
werden. Jedermann glaubte, der bedauer 
liche Unfall werde die Demission eines der 
jüngsten und begabtesten Mitglieder unseres 
Generalstabs zur Folge haben. Aber die 
Dinge verhalten sich anders. Ein geschick 
ter Mechaniker nämlich hat dem General 
einen Apparat geliefert, der ihm das 
Gehen ohne Stab oder Krücke, sowie auch 
das Reiten ermöglicht. Da die Amputation 
blos den unteren Theil des Beines be 
troffen hat, so widerspricht das Gesetz nicht 
dem Verbleiben des Generals im aktiven 
Dienst. So besitzt das spanische Heer 
einen General, der nur einen Fuß hat. 
jsmutii 
Am 23. Februar wird G i o l i t t i vor 
dem Untersuchungsrichter in Rom erscheinen 
Also berichtet die „Riforma", die bisher 
nur mittheilen konnte, daß die Vorladung 
im Hause Giolitti's abgegeben sei. Der 
in Charlottenburg weilende ehemalige 
Ministerpräsident scheint also der Vorla 
dung folgen zu wollen. Eine Verhaftung 
hat Giolitti nicht zu fürchten, wenigstens 
so lange nicht, bis die Deputirtenkammer 
aufgelöst ist. 
'^eft-ekreich-Ungarn 
Wien, 18. Febr. Die Nachricht von 
dem Tode des Erzherzogs Albrecht wird 
durch Extrablätter verbreitet. Der Kaiser 
kehrt morgen Abend hieher aus Mentone 
zurück. Zum Leichenbegängniß in Wien, 
wobei der Kaiser persönlich den Leichenzug 
führen wird, sollen Kaiser Wilhelm und 
der König von Sachsen eintreffen. Das 
Majorat soll getheilt auf die Erzherzöge 
Friedrich und Stephan übergehen. Der 
gesammte Nachlaß wird auf viele Millionen 
geschätzt. Die n,eisten Veranstaltungen 
wurden abgesagt, so der Concordiaball und 
die morgige Soiree beim Ministerpräsidenten 
Fürsten Windischgrätz. 
Schweiz. 
Bern, 18. Febr. Die furchtbare Kälte 
dauert an. Der Zugersee ist zugefroren, 
desgleichen zum Theil die Rhone im Wallis, 
was seit Menschengedanken nicht vorge- 
kommen ist. 
Dänemark. 
Wamdrup, 17. Febr. Als der Güter- 
zug Nr. 2554 von Süden kommend, um 
6 Uhr Morgens verspätet hierher anlangte, 
wollte der Bremseapvarat nicht wirken. 
Der Lokomotivführer Drewes aus Flens 
burg gab Bremsesignale und Kontradampf, 
jedoch ohne Erfolg. Die Bremsen sin 
wahrscheinlich nur mangelhaft bedient ge 
wesen. Der Zug brauste aus den Schienen, 
indem er den Stoppenbaum zerbrach und 
stürzte die ca. sieben Meter hohe Böschung 
herab. Die Maschine ist wahrscheinlich 
nur wenig beschädigt und der Gepäckwagen 
nächst der Maschine nicht zerschmettert. Die 
folgenden 10 bis 15 Wagen sind zerschmet 
tert oder stark beschädigt. Hülfszüge aus 
Flensburg und Aarhus wurden abgesandt. 
Es ist eine mehrtägige Räumungsarbeit 
erforderlich. Ein Verlust an Menschen- 
leben kam nicht vor. 
Serbien. 
Eine eigenthümliche Ceremonie 
spielte sich am Donnerstag in Belgrad im 
Palais des Metropoliten Michael ab. Zwei 
hervorragende Geistliche, der Archimandrit 
Wasa Pelagitsch und der Jeromonach 
Sawa Plemitsch wurden feierlich ihres 
Priesteramts entkleidet. Der 
erstere ist Sozialist, der letztere hat antidy- 
nastische Artikel in radikalen Zeitungen 
veröffentlicht. Beide wurden von Gen 
darmen vor den Metropoliten gebracht, 
wo eine Menge Oberpopen versammelt 
waren. Hier wurden sie nach verschiedenen 
rituellen Ceremonien als Unwürdige aus 
dein Priesterstande feierlich ausgestoßen, 
worauf ihnen zum Zeichen dessen vom 
Metropoliten eigenhändig mit einer großen 
Papierscheere die Kopf- und Barthaare ab- 
geschnitten wurden. 
Inland. 
Berlin, 18. Febr. In der heutige» 
Audienz des Bundes derLandWirthe 
beim Kaiser wurde eine Adresse ver 
lesen, in der Namens 200000 Landwirth« 
das Gehör des Kaisers für die Nothlage 
der Landwirthschast erbeten wird. Sie lautet 
im Wortlaut folgendermaßen: 
„Dem Beispiele der ostpreußischen Land 
wirthe, die im Oktober vorigen Jahres zu 
Mir kamen, folgend, sind auch Sie er 
schienen, um Mir Ihre Wünsche vorzu 
tragen. Ihr Empfang ist Ihnen ein Be- 
weis, wie ernst es Mir um das Wohl und 
Wehe Meiner Bauern zu thun ist, und 
daß Mein Wort, daß Meine Thür jedem 
Unterthan offen steht, keine leere Formel 
ist. In dem Eifer, sich selbst zu Helsen, 
um den auf der Landwirthschaft ruhenden 
Druck allen Klassen des Volkes klar zu 
Irmge Ansiiuger. 
Novelle von Gustav Höcker. 
Jeder hatte die Stirn in Falten gelegt, 
Jeder that — wie dies bei Erörterung von 
Lebensfragen gewöhnlich zu geschehen pflegt, 
einen tiefen Athemzug. 
^ Endlich unterbrach Leidlich die feierliche 
Stille durch ein Gemurmel. Er murmelte 
""Esch zwanzig Malenach einander: „Druck 
atio Leidlich, Druck und Leidlich," — dann: 
»Leidlich und Druck, Leidlich und Druck," — 
und wagte endlich unter Lächeln und Achsel 
zucken die Behauptung: „Leidlich und Druck 
klmgt besier as Druck und Leidlich." 
Druck n,einte, das sei Geschmacksache. 
Leidlich entgegne e, es ļ 
aus der Gymnasias-enM vor, wo er sich n.it 
der Prosodie beschäftig habe, daß es ästhetisch 
^chtlger sei, wenn die lange Silbe zuerst 
^gethan würde, und dann die kürzeren nack- 
solgtcn. 
Der einsilbige Theil der Firnia versicherte 
den ?ì'°sodie nichts zu verstehen, gab aber 
kan' 'O^isilbigen, den er als einen Pedanten 
lick," E ' ""ch, und so wurde die Firnia „Leid- 
liebe TÌ Druck" getauft, so daß auch wir, 
nebmen 7'.. uns nun nicht mehr die Freiheit 
Non,- dürfe», den einen oder anderen der 
wen, " Willkür voran oder nachzustellen, 
wir von beiden sprechen, 
eine?, schlug vor, die Taushandlung durch 
aber x Wein zu feiern. Leidlich war 
thäte Ansicht, daß Bier dieselbe Wirkung 
sprach ļļ nb şitztc seinen Antrag ohiie Wider 
eröffn'^ Morgens wurde das neue Geschäft 
Mohr^'-är so Prunklos. daff der alte 
prunklos, daß der alte 
cenhanpt, der in der ersten Etage eines 
sehr eleganten Hauses gegenüber wohnte, und, 
da cr sonst nichts Wichtigeres zu thun hatte, 
halbe -rage lang mit der Pfeife zum Fenster 
heraussah, die neue Firma erst am vierten 
Tage bemerkte. 
Druck hatte ein großes, in die Augen fal 
lendes Schild heraushängen wollen, auf wel 
chem mit mächtigen Buchstaben zu lesen sein 
sollte: 
Eonimisjions- und Speditionsgeschäft 
. von 
Leidlich & Druck. 
Außerdem sollte sich die Tabacksniedcrlagc 
speciell auf einer besonderen Blechfirma em 
pfehlen, die quer in die Straße ragen und 
sich wie eine Wetterfahne vom Winde schau 
keln lassen sollte. 
Leidlich aber hatte dagegen protcstirt und 
geäußert, die Mode großer und vielsagender 
Aushängeschilder sei veraltet und überdies 
nicht nobel. Er hatte eine ganz kleine blaue 
Firma anfertigen lassen, auf welcher mit ganz 
kleinen güldnen Buchstaben weiter nichts ftanb 
als: 
Leidlich und Druck. 
Diese Firma, ein schmaler Streife» nur, 
wurde nebe» der Ladenthür befestigt, so daß 
man sic kaum sah, und dann war es schwer, 
ffe überhaupt zu lesen, denn sie war ausschließ 
lich nur ans großen Anfangsbuchstaben zu- 
şŞmengesetzt und diese wiederum mit einen: 
ivlchen Luxus von Arabesken und Verschlin 
gungen umgeben, daß sie förmlich maskirt 
waren. 
Diesen: Aushängeschilde, das dem Muster 
weltberühmter Banquiersfirmen nachgebildet 
war, entsprach die Comptoir-Einrichtung 
Leidlich's vollkommen. 
Die Localität des Comptoirs, das an den 
kleinen Laden stieß, war zu eng, auch herrschte 
darin zu jeder Tagesstunde, wo die La:::pc 
nicht brannte, totale Finsterniß, denn es hatte 
ein kleines Fenster nach dem Hofe hinaus, 
der erst von der Comptoir-beleuchtung sein 
Licht empfing, — indessen hätte die Einrich 
tung innerhalb der vier engen Wände dem 
größten Handlungshausc keine Schande ge 
macht: da war Alles vorhanden, was sich 
das Herz eines Buchhalters, der hinter seinen 
Contobüchcrn ergraut ist, wünschen kann. 
Ein großes Dvppclpult, dessen eine Hälfte 
Druck zu vermiethen vorschlug, was aber 
Leidlich ablehnte. Eine Lampe, deren Ele 
ganz um so schwerer ins Gewicht fiel, als 
sie nur zur Aushülfe diente, bis eine Gas- 
röhre ins Comptoir geleitet sein würde. 
Eine große Landkarte, welche die ganze 
eine Wand einnahm, und sich bereits trefflich 
bewährt hatte, indem Leidlich Veranlassung 
nahm, einen Ort aufzusuchen, von wo der 
jungen Firma eine unfrankirte Offerte zu 
gekommen war. Sämmtliche, für doppelte 
Buchführung unerläßliche Handlungsbücher, 
in Leder gebunden und mit goldenen ein 
gepreßten Titeln auf den Rücken. 
Briefpapier, Schemas zu Wechseln, Rech 
nungen, Quittungen, Frachtbriefen u. s. w 
in so hohen Stößen, daß der Vorrath für ein 
halbes Jahrhundert damit gedeckt schien; und 
überall war die Firma aufgedruckt oder ein 
gepreßt — der Name manches Autors ist 
nicht so oft gedruckt worden. Auch ein Brief 
schrank nnt fünfundzwanzig leeren Fächern, 
sämmtlich nach dem Alphabet geordnet, war 
vorhanden. Und unter vielen andern Dingen 
sei hier nur noch die eiserne Copirprcsse an 
geführt, die vorläufig mehr zur Mast als 
zur Arbeit berufen schien. Diese ganze reiche 
Ausstattung in dem kleinen Raun: zusammen 
gedrängt, nahm sich aus wie eine Titclvignettc 
zu einen: kaufmännischen Romane. 
Die ganze Tabaksniederlage war bei Wei 
tem nicht das werth, was die Einrichtung 
des Comptoirs kostete. Erstere bildete die 
Quintessenz des kleinen Gewölbes, welches 
nnt den: Comptoir durch eine GlaSthür ver 
bunden war. Auf der Ladcntafel stand ein 
großer Glaskasten mit vielen Fächern, und 
diese enthielten, nach Qualität und Preis 
geordnet, ein wohlassortirtcs Cigarrenlager. 
Die eigentliche größere Niederlage bestand 
ein einzelnen Probckisten, welche in: Gewölbe 
zerstreut umherstanden, aber geschickt vertheilt, 
wie das spärliche Theaterpnblicum an einem 
schwülen Juniabcnd. 
Am zweiten Tage nach der Eröffnung des 
Etablissements glaubte Leidlich, der in seinem 
Comptoir emsig schrieb, das erste Anzeichen 
des erwachenden Geschäftsganges zu verneh 
men. Der metallene Puls des jungen Da 
seins, der an der Gewölbenthüre in Gestalt 
einer Glocke angebracht war, that seinen 
ersten Schlag. 
Leidlich hielt den Athem an und lauschte. 
Er hörte seinen Associe Druck in lautem 
Gespräch mit einen: Frc:::den, doch konnte er 
de:: Inhalt nicht verstehen; cr unterschied 
nur einzelne Worte wie Cigarre — junge 
Anfänger — Kundschaft — schönes Wetter. 
Der Fremde verweilte lange in angelegent 
lichem Gespräch mit Druck, der — wie 
Leidlich durch die Glasthürc beobachtete, sehr- 
artig und zuvorkommend war, und dem An 
dern jetzt eben ein brennendes Schwcfclholz 
überreichte, woran dieser eine Cigarre an 
zündete, um sich dann zu empfehlen. 
Druck bat um baldige Wiederholung des 
Besuches und rieb sich vergnügt beide Hände. 
Leidlich stürzte in den Laden. 
„Das erste Geschäft wäre gemacht!" rief 
ihm Druck lachend entgegen. 
Dabei deutete er auf eines der sortirtcn 
Cigarrenfächer im Glaskasten und aus einen 
auf dem Ladentisch liegenden funkelneuen 
Zweipfenniger. 
Leidlich machte, ohne ein Wort zu sagen, 
schnell Kehrt und zog sich in: Sturmschritt 
wieder hinter seine Strazzen zurück. 
Das Verhältniß zweier Compagnons hat 
viele Achnlichkcit mit der Ehe, besonders 
was die Schattenseiten anlangt. Mit der 
Ehe hört die schwärmerische Liebe, mit einer 
Association die schwärmerische Freundschaft 
auf, die zwei solche Menschen zusainmcn- 
gcführt und mit einander verbunden hat. Da 
entdeckt der Eine am Andern neue Eigen 
heiten, die er bisher noch nicht herausgefunden 
hat, und über alle Eigenheiten, die man sonst 
belächelte oder sonst gar liebenswürdig fand, 
runzelt man jetzt die Stirn. Zwei Associes 
gehören einander Tag und Nacht an, der 
Eine muß sich nach dem Andern richten, sic 
überwachen gegenseitig ihre Privatbezichungen 
und ihren Allfwand, und wenn sie verheirathet 
sind, so thun dies noch mit schärferem Blick 
ihre Frauen. 
Von unsern beiden Freunden stand zwar 
Keinem eine Lebensgefährtin zur Seite, sie 
hatten vorläufig an sich selbst genug. Na- 
nientlich war Leidlich bemüht, seinen Associe 
unter den Pantoffel zu bringen, und dies 
führte nach den kurzen Flitterwochen zu 
kleinen Differenzen und Verstimmungen, wäh 
rend welcher die Beiden oft mehrere Tage 
lang kein Wort zusammen sprachen. Leidlich
	        
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