Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

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88ster Jahrgang. 
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dsbnrg.' 
Wo. 2. 
Donnerstag, den 3. Januar 
18^5. 
htes 
Morgen-Depeschen. 
•res Berlin, 2. Jan. Wie der „Lok.-Anz." 
ie legte der Kaiser bei der gestrigen 
-Paroleausgabe in einer Rede an die kom- 
enes, bis^aņdîrenden Generale diesen dringend ans 
ragendes,herz, die Offizierkorps zu möglichster Spar 
samkeit anzuhalten. Der Monarch gedachte 
auch der vorzüglichen Leistungen der Ja 
paner im Kriege gegen China. — Nach 
ng- finer anderen Version betonte der Kaiser 
scher, in seiner Rede auch die Gefahren der so- 
klar. zialen Bewegung. 
als Per- Berlin, 2. Jan. In einer gestern in 
^ BtficoFriedxnau bei Berlin abgehaltenen Volks- 
ien ’ ö Versammlung sprach Reichstagsabgeordneter 
Zubeil (Sozialdemokrat) über die Ent- 
Illilş, stehnng des Bierboykotts und die Ursachen 
(beten a% ê geführte» Kampfes. Redner erklärte, 
. 4824.^- her Aufhebung des Boykotts seien die 
bevor st ehe n den politischen Er- 
s eignisse mitbestimmend gewesen, die 
^ ş sträfte dürften in den der Arbeiterschaft 
»Prinzen-hevorstebenden Kämpfen nicht zersplittert 
Stunde, a,erden. Redner ist der Ansicht, daß in 
Zeit die Auflösung des 
e i ch s t a g e s bevorstehe, nicht we 
sen der Umsturzvorlage, welche höchstwahr 
scheinlich die Majorität finden werde, son 
lltte nnt*i ern wegen der Steuervorlage, der gefor- 
erei oder, er t en Panzerschiffe, sowie wegen der E r- 
Offerten, ghung der Halb- auf Voll- 
Rends- , a t a i l l o n e. Dann sei es gerathen, 
rlle Parteikräste beisammen zu haben. Am 
Zimmer Schluffe der Versammlung wurde der so- 
es"R genannte Kleinkrieg gegen einzelne Wirthe, 
.u.. während des Boykotts gegen 
Küche Arbeiterschaft resp. die Kontrolkommis- 
serleituugIbn ungehörig benommen haben, angekün- 
H 
- welche sich 
str. 58. l Hamburg, 2. Jan. Das Lach mann- 
«che Spritausfuhr.Projekt wurde 
1 ufgegeben 
weil die den Brennern 
ße 73.. (bäerlangte Garantiesumme von Jt 750,000 
? iir ein minimaler Theil gezeichnet wurde. 
Zimmern, t F„chsmühl, 2. Jan. Nach bayerischen 
'blättern verlautet, der Bezirksamtmann 
lPall v. Tirschenreuth habe „wegen 
erschütterter Gesundheit" um seine Pensio- 
8»«. 
istr 9. i strung nachgesucht. 
immer, 
rhle 221( 
mb 3—4 
l, Küche, 
i. 
52/141. 
IstC 
Keller. 
Belgrad, 2. Jan. Wie verlautet, herrscht 
»scheu König Alexander und Exkönig 
Kilon ein ernster Zwiespalt. 
Rom, 2. Jan. Gerüchtweise verlautet, 
as Kabinet werde in aller Kürze zurück- 
reten und der König die Demission an- 
i ehlnen. Man spricht ferner davon, daß 
Senator mit der Neubildung beauftragt 
rden solle und Boselli und Caracco in 
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«02. 
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wie au 
das neue Ministerium eintreten würden. 
Je nach Lage der Verhältnisse dürfte dann 
die Kammer einberufen und eine Neuwahl 
vorgenommen werden. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Newyork, 31. Dez. Im nördlichen 
Florida herrscht außerordentlich kaltes 
Wetter. Es schadet der Apfelsinenernte 
und anderen Obstsorten sehr. Der in dieser 
Beziehung angerichtete Schaden wird auf 
3 000 000 Dollars geschätzt. Seit 1*35 
ist es in Florida nicht so kalt um diese 
Zeit des Jahres gewesen. An vielen 
Orten ist dickes Eis. 
New Jork, 2. Jan. 600 Arbeiter von 
den Ca rne gie-Stahlwerken Braddock 
in Pennsylvanien streiken wegen Lohn 
herabsetzung Die Werke werden von der 
Polizei bewacht; man befürchtet die Aus- 
dehnung des Streikes auf die Carnegie- 
Werke Homestead. 
Wie es sich herausstellt, sind nach dem 
„Ostas. Lloyd" bei dem Erdbeben in der 
Präfektur Iamagata am 22. v. M. 465 
Personen getödtet und 443 verwundet 
worden. Ueber 1500 Häuser wurden ganz 
zerstört, 840 theilweise, und 1350 Häuser 
brannten nieder. 
Lķņļirn. 
Ueber eine sensationelle Ber 
Haftung berichtet man dem „Berliner 
Tagebl." folgendes aus Rom : Hier wurde 
der bekannte philologische Schriftsteller 
Prof. Napisardi verhaftet. Er ist über 
führt, mehrere kostbare alte Codices, dar 
unter den Petrarca, aus der Vatikan- 
Bibliothek entivendet und an Private ver 
kauft zu haben. 
England. 
London, 2. Januar. Heute Vormittag 
brach in einer Gasanstalt in der Edgare 
Straße Feuer aus, wobei 5 Mädchen, 
ein Mann und eine Frau das Leben ein 
büßten. 
Strenges Winterwetter herrscht gegen- 
ivärtig in London und im größten Theile 
Englands. In Schottland hat es die 
letzten Tage so stark geschneit, daß seit 
Sonnabend kein Postwagen in Wick einge 
troffen ist. Die Eisenbahnzüge blieben in 
Schottland im Schnee stecken. In West- 
Hartlepool war der Schneestu-m so furcht 
bar, daß alle Arbeiten im Freien ausge 
geben werden mußten. Die See ging 
haushoch. Eine große norwegische Barke 
wurde ohne Masten in den Hafen bugsirt. 
Der Schnee liegt einen halben Fuß hoch. 
Oesterreich-Ungarn. 
Braunau, 2. Jan. In einem Walde 
der hiesigen Umgebung fanden heute An 
sammlungen von etwa 6000 Personen 
statt, die auf den im Volke verbreiteten 
Glauben, in jenem Walde erscheine die 
Mutter Gottes, zurückzuführen sind. 
Als die Gensdarmerie gegen die Ansamm 
lungen einschreiten mußten, wurden zwei 
Personen leicht verletzt. Gensdarmeriever- 
stärkungen sind abgesandt. 
Budapest, 2. Januar. Der Vorsitzende 
der Druckerei-Gesellschaft Athenäum, Lud 
wig Csery, Mitglied des Municipal- 
Ausschusses, wurde heute von dem Drucker 
gehülfen Kurucz, als er dessen Uuter- 
stützungsgesuch zu lesen begann, durch zwei 
Revolverschüsse lebensgefährlich verletzt. 
Kurucz erschoß sich hierauf selbst. 
Rußtanv. 
Petersburg, 2. Jan. Der russische 
Verkehrsminister hat 300 Locom otiven 
bei deutschen Werken (u. A. bei den 
Firmen Schwartzkopff - Berlin, Borsigs 
Werke, Rheinische Eisenwerke usw.) in 
Auftrag gegeben. Die deutsche Industrie 
erhält dadurch einen sich auf zehn Mill. 
Mark belaufenden Auftrag. 
Belgien. 
Bei dem Brande eines Hotels in 
Charleroi sprangen viele Reisende aus dem 
Fenster und zogen sich schwere Verletzungen 
zu. Mehrere Personen kamen in Len 
Flammen um. 
Während der Neujahrsmesse brach in 
der belgischen Ortschaft Solcsmes Feuer 
in der Kirche aus, in der viele An 
dächtige versammelt waren. Der Priester 
ivurde an den Händen und im Gesicht 
schwer verwundet, lieber hundert Per 
sonen wurden beim Hinausdrängen verletzt. 
Aràrrd. 
Stuttgart, 2. Jan. Wie der „Staatsanz. 
für Württemberg" meldet, richtete der 
König anläßlich des Jahreswechsels fol 
gendes Telegramm an den Kaiser: 
„Beim Jahreswechsel, zu dem Ich Dir 
die herzlichsten Glückwünsche sende, ist es 
Mir Bedürfniß, Dir nochmals den wärm 
sten Dank auszusprechen für die unver 
geßlichen schönen Tage, welch Ich im ab 
gelaufenen Jahre bei den Manövern in 
Ost- und Westpreußen durch Deine Güte 
verleben durfte. Möge das anbrechende 
Jahr Dir und dem Vaterlande gute und 
segensreiche Tage bescheiden und mir die 
Freude einer erneuten persönlichen Be 
gegnung bringen. Wilhelm." 
Hierauf traf folgende Antwort des 
Kaisers ein: „Empfange den aufrichtig 
sten Dank für Dein freundliches Tele 
gramm, dessen Inhalt Mich mit wahrhafter 
Freude erfüllt. Von ganzem Herzen er 
widere Ich Deine guten Wünsche für das 
kommende Jahr. Unvergessen sind auch 
Mir die Tage, die Uns vergönnt war in 
treuer Kameradschaft zusammen zu ver 
leben, und mit Dir hoffe Ich auf ein 
Wiedersehen im neuen Jahre, daß mit 
Gottes Hülfe Dir und Deinem schönen 
Lande reichen Segen bringen möchte. 
Wilhelm." 
Berlin, 2. Jan. Der „Post" zufolge 
berührte der Kaiser bei dem gestrigen 
Neujahrsempfang der Botschafter keine 
politischen Fragen, hielt auch keine den 
gesammten Herren geltende Ansprache. 
Wie die „Kreuz-Ztg." vernimmt, begrüßte 
der Kaiser bei der gestrigen großen Parole- 
Ausgabe die Generale mit einer Ansprache 
militärischen Inhalts. Nach dem „B. T." 
wurden in dieser Ansprache Gegenstände 
der militärischen Disziplin berührt, die 
sich zum Theil auch auf die jüngsten Vor 
kommnisse in Frankreich und die Affaire 
des Hauptmanns Dreyfuß bezogen haben 
sollen Eine andere Version bringt der 
„Börsen-Courier": Danach hätte der 
Kaiser bei der Ansprache an die Generale 
auch die Gefahren der sozialen Bewegung 
besonders betont. 
— Bei dem gestrigen Neujahrs-Empfange 
behandelte der Kaiser den R ei ch skanz- 
ler mit großer Auszeichnung. Er war 
der einzige, dem der Kaiser und die Kaiserin 
beim Defiliren die Hand reichten. Bei 
der Parole-Ausgabe sind dem Vernehmen 
nach politische Worte nicht gefallen. Die 
Unterredung drehte sich nur um die dies 
jährigen Kaisermanöver zwischen der Garde 
und Dem 2. Armeekorps. 
— Der „Reichsanz." schreibt: Der 
Kaiser verlieh dem Grafen Waldersee 
den Schwarzen Adlerorden. 
— General v. Werder, der kom- 
mandirende General des ersten Armeekorps, 
soll nun doch seinen Abschied eingereicht 
haben. Derselbe fehlte bereits bei dem 
Neujahrsempfang der Generale in Berlin. 
Berlin, 1. Jan. Ueber die Herkunft 
der kleinen Zettel, auf denen unlängst 
die Nachricht verbreitet worden ist, der 
Kaiser habe dem Fürsten Hohenloh'e 
als Entschädigung für den Gehaltsausfall 
einen jährlichen Zuschuß von 100 000 Mk. 
zugesichert, soll kein Zweifel mehr bestehen, 
und zwar soll der Urheber der Indis 
kretion ein Subalternbeamter sein. Wäre 
das richtig, so würde also auch der Ver 
fasser der anonymen Briefe, deren Her 
stellung Herrn v. Kotze zur Last gelegt 
wurde, entdeckt sein, was wir alles Ernstes 
bezweifeln. Jedenfalls wäre dann die 
Verzögerung der Entscheidung in dem Ver 
fahren gegen Herrn von Kotze unverständ 
lich. Bekanntlich wurde noch vor Kurzem 
offiziös energisch dementirt, daß der Urheber 
der obigen Nachricht unermittelt sei. Die 
obige Nachricht, daß ein Subalternbeamter 
der Thäter sei, scheint uns in höchstem 
Grade unwahrscheinlich zu sein. 
Berlin, 2. Jan. Die „Nat. Lib. Corr." 
schreibt: „Es heißt, daß im Reichstag 
eine Anregung, deren Ursprung noch nicht 
genau zu erkennen ist, bevorsteht, öffent 
lichen, mit Zwang verbundenen Verrufs 
erklärungen (Boycotts) durch die Ge 
setzgebung entgegenzutreten." 
— Die neue Spaltung unter den 
Antisemiten wird bereits angekündigt. 
Ahl wardt erklärt in einem Schreiben 
an die „Westfäl. Reform", daß, falls die 
deutsch.soziale Partei sein Programm nicht 
annehme, er gezwungen sei, eine eigene 
Partei zu gründen unter dem Namen 
„Deutsche Frei he it spartet" (!) ^^„Deut 
scher Freiheitsbund". (!) 
— Ueber Mangel au sozialdemo 
kratischem Bewußtsein klagt der „Vor 
wärts" in sozialdemokratischen Kalendern, 
insbesondere der Firma Auer u. Comp. 
In diesem Kalender befindet sich u. A. 
der Sinnspruch: Auf zwei Rädern 
rollt die Welt, das eine ist die Liebe, 
das andere Geld. Glücklicherweise rollt 
die Welt noch auf anderen Rädern als 
auf diesen beiden. 
Berlin, 2. Jan. Der aus Hagenow 
nach Unterschlagung von ca. 11 000 Mk. 
flüchtig gewordene Postgehülfe Stapel 
fel dt, auf dessen Ergreifung die Ober- 
postdirettion von Schwerin 750 Mk. aus 
gesetzt hatte, ist hier ergriffen. Von der 
unterschlagenen Snmme sind 10 200 Mk. 
gerettet. 
Als in der Sylvesternacht früh nach 5 
Uhr der Gürtler B. mit seiner Gattin 
nach dem Stettiner Bahnhof in Berlin 
ging, wurde ihnen in der Nähe der Acker 
straße von zwei strolchartig aussehenden 
ücte 24 
i Der Detektiv. 
man von I. F. Molloy und K. Dietrich. 
-Mwaldts Augenbrauen zuckten vor innerer 
ş Regung, aber anscheinend blickte er, ganz 
,,-şrohe Erinnerungen versunken, träumerisch 
wen uno 
Parterre- 
e 605. 
391. 
Platz 2. 
pril 
e. 
gen 4. 
nt, 
pater zu 
294. 
»v Şcitc, dabei glücklich vor sich hinlächclnd, 
mv meinte dann nachdenklich: 
-'„Eigentlich waren es die schönsten Monate 
ineines Lebens, die ich in Nizza verbrachte 
Damals war es noch nicht so besucht, wie 
henziltage, aber ein so entzückender Aufenthalt, 
Wie man ihn sich nur denken kann 
„Za, entzückend," antwortete sie, und fast 
chien es, als ob sie gleichfalls ihren Er 
nnerungcn nachhinge und ihre Arbeit darüber 
ttrgäße. 
„Und dann Mentone, Hyères und Monte 
Earlo »nt seinem a ten Schloß und seiner 
,errlichen Aussicht. Das ist ein Landschafts- 
>ild wie geschaffen für Den Pinsel des Malers " 
„Ja, es ist aber schon so oft gemalt 
vordem" 
„Haben Sie sich etwa auch daran versucht, 
fräulcin Orlowsky?" 
„Nein, ich halte keine Zeit." 
• Gillwaldt holte tief Atem, die Malerin 
ìitte eingeräumt, daß sie nicht nur in Nizza, 
ndern auch in Monte Carlo gewesen. 
affe). 
kschloß er denn in seinen Nachforschungen 
joch einen kühnen Schritt vorwärts zu thun 
' id slchr heiter lachend fort: 
„Dieser Ort ist leider nicht nur ein Himmel 
f Erden, sondern zugleich eine Hölle — 
:s lstißt eine Spielhölle, — aber welche 
^ lziehungskraft doch das Kasino sogar auf 
(st vernünftige Menschen ausübt!" 
Sie antwortete nicht, sondern fuhr stumm 
ihrer Arbeit fort. 
„Die blendende Beleuchtung, das Gewirr 
von Stimmen, die scharfen Rufe der Croupiers, 
das Klirren des Goldes und vor allem die 
fieberhafte Erregung, die fast in der Luft zu 
liegen scheint — da wird es einem schwer, 
ja fast unmöglich, der Versuchung zu wider 
stehen und nicht auch einmal sein Glück zu 
versuche». Haben Sie je etwas am grünen 
Tisch gewagt, Fräulein Orlowsky?" 
Als ob diese Frage sie wie ein Schlag 
getroffen, wandte sic sich hastig um und 
starrte ihn fassungslos an, ihren Kopf zurück 
geworfen, fast in der Haltung eines Tieres, 
welches Gefahr wittert, ihre Augen voll von 
forschender Frage. Obgleich auch nicht eine 
einzige Bewegung, auch nicht ein Zucken ihrer 
Augen und ihres Gesichts ihm entging, wußte 
sich Gillwaldt doch den Anschein zu geben, 
als ob er gar nicht nach ihr hinblickte. Seine 
Haltung und der Ausdruck seines Gesichts 
beruhigten sie anscheinend, und fie wandte 
sich wieder zu ihrer Arbeit, um dann nach 
einer kurzen Pause zu antworten: 
„Nein, ich spielte nie, wenn ich auch schon 
glaube, daß manches junge Mädchen dort 
sein Glück versucht hat." 
„Nicht nur manche, sondern viele," ant 
wortete er leichthin, „und wenn sic gewinnen, 
chenn sie dann oft von den Schwindlern, die 
ste dorr umdrängen, ihres Gewinnstcs wie 
iss entledigt. Denn der Ort ist voll von 
Dieben." 
„Das hörte ich auch," antwortete sic kurz. 
„Es verhält sich auch thatsächlich so, und 
cs ist ungemein schwierig, richtig zu beur 
theilen, mit wem man cs zu thun hat, denn 
anscheinend sind alle Leute, denen man dort 
begegnet, vornehme Herren und feine Damen, 
denen man auch nicht im Entferntesten irgend 
etwas Böses zutrauen dürfte." 
Sie beugte ihr Gesicht tiefer über ihre Ar 
beit, er sah aber trotzdem, wie dasselbe er 
blaßte, und dachte bei sich: 
„Ich hatte doch recht in meiner Ver 
muthung, daß diese Person irgendwie in Be 
ziehung zu der Ermordung von Karl von 
Focrster steht, aber wie soll ich sie zum 
Sprechen bringen?" 
„Er war jedoch viel zu klug und vorsichtig, 
um ihren Argwohn durch irgend ivclchc wei 
teren Fragen zu wecken. Für heute war er 
vollkommen damit zufrieden, daß es ihm ge 
lungen war, die Einräumung, sie wäre in 
Nizza und Monte Carlo gewesen, aus ihr 
herauszulocken, während sie doch Markwald 
gegenüber entschieden bestritten hatte, je an 
einem dieser beiden Orte gewesen zu sein, 
und dann fühlte Gillwaldt sich sehr befriedigt, 
daß er sich diese bequeme Gelegenheit ge 
schaffen hatte, sie andauernd und unauffällig 
beobachten zu können. Er wollte ruhig den 
richtigen Zeitpunkt abwarten, ehe er den Er 
folg eines weiteren geschickten Schachzugcs 
versuchte, und ihr inzwischen auf Schritt und 
Tritt von seinen Leuten nachspüren lassen. 
„Das wird für heute genug sein," sagte 
Emilie Orlowsky endlich zu dem Kinde." Du 
mußt ja schon ganz müde sein. Und Sie, 
m in Herr," wandte sic sich zu Gillwaldt, 
„werden es vermuthlich auch recht lang 
weilig finden, dort so zu sitzen, während ich 
male." 
„Durchaus nicht," erwiderte er, „aber ich 
muß Ihnen offen gestehen, die Zeit würde 
mir angenehmer vergehen, wenn Sie mir ge 
statten, daß ich das nächste Mal meine Flöte 
mitbringen darf." 
„Gewiß," erwiderte sie lächelnd. „Haben 
Sie Musik gern?" 
„Sehr gern. Ucbrigens, können Sie mir 
nicht sagen, wo man des Abends am besten 
hingeht, wenn man gute, aber nicht zu schwie 
rige Musik hören will? In Opern ist es 
mir nicht behaglich. Wird nicht irgendwo eine 
wirklich gute Operette gegeben?" 
„Gewiß, die Operette, die jetzt gegeben 
wird, ist ganz vorzüglich, und der Donati 
leistet wirklich Hervorragendes darin." 
„Ich danke. Dann werde ich heute Abend 
noch dorthin gehen." 
„Und unsere nächste Sitzung wollen wir 
auf übermorgen früh ansetzen. Au revoir!" 
erwiderte sie. 
Zweiunddreißigstes Kapitel. 
Cäcilie handelt. 
Endlich, nach länger als zwei Wochen, 
war die Voruntersuchung zu einem für Hugo 
günstigen Abschluß gelangt. Au dem Vor 
mittag, als die entscheidende Verhandlung statt 
fand, welche zu seiner Freilassung führte, war 
sowohl sein Vertheidiger als auch sein Onkel 
zugegen, und mit dem letzteren zusammen fuhr 
er daun nach seiner Wohnung in der Cor- 
ncliusstraßc. Unterwegs sprachen sie beide 
auch nicht ein einziges Wort, und erst, als 
Hugo im Begriff stand, auszustcigen, sagte 
er zu seinem Onkel; 
„Ich kann Dich nicht einladen, niit mir 
hcraufzukonimen. Ich muß allein bleiben." 
„Aber wenigstens wollen wir doch den 
Abend zusammen sein. Du kannst doch mit 
mir speisen, und wenn Du nicht Lust hast, 
nach dem Kasino zu kommen, dann können 
wir ja nach irgend einem guten Restaurant 
fahren, wo wir ein Zimmerchen für uns 
allein haben." 
„Nein, ich danke Dir, Onkel. Du weißt, 
es giebt Zeiten, wo man der Einsamkeit 
dringend nöthig bedarf — und heute ist cs 
für mich solch eine Zeit." 
„Sehr wohl, mein Junge. Dann will ich 
mich jetzt sofort nach der Regentenstraßc be 
geben, um Helene und Cäcilie die gute Nach 
richt zu bringen." 
Hugo drückte ihm herzlich die Hand, stieg 
stumm aus dem Wagen und ging ins Hans. 
Hastig eilte er die Treppe hinaus, als ob er 
fürchtete, irgend einem der anderen Bewohner 
des Hauses zu begegnen. Seine Flurthür 
wurde ihm, als er klingelte, sofort von seinem 
alten Dienstmädchen geöffnet, welä>e ihn 
stumm und ehrerbietig, genau so empfing, als 
ob er nur von einem kurzen Ausgange zurück 
kehrte. Seine Stimmung war noch immer 
eine tief niedergedrückte, und er cnipfand durch 
aus nichts von der freudigen Befriedigung, 
die seine Freilassung doch eigentlich hätte zur 
Folge haben sollen. Ja, zuweilen hatte er 
sogar das Gefühl, als ob er sich seiner Freiheit 
noch gar nicht sicher wäre, und gelegentlich 
kam ihm der Gedanke, daß er ebenso plötzlich 
und unerwartet wie damals, wieder von 
neuem verhaftet werden könnte. Hastig durch 
eilte er seine Wohnung, aus der er nun schon 
mehr als zwei Wochen fort gewesen. Nichts,, 
auch nicht das geringste, war darin geändert 
worden, und doch schien ihm nichts ganz 
ebenso wie früher zu sein. Vielleicht lag die 
Veränderung auch nur in ihm selber. Viel 
leicht würde sein jetzt beginnendes. Leben von 
seinem bisherigen wie durch einen tiefen Ab 
grund getrennt sein, den nichts überbrücken 
könnte — nichts, cs sei denn Cäciliens Lieb
	        
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