Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

ķ» Gvfcheint täglich 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes Vorbehalten. 
Als Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landwirth" some das 
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegeben. 
3000 Abonnenten. 
Bezugspreis: 
vierteljährlich 2 Jt.—, frei ins Haus geliefert 
2 Ji 15 Ķ 
für Auswärtige, durch die Post bezogen 
2 Jt 25 S) 
incl. Postprovision !c., jedoch ohne Bestellgeld. 
Arltestes und gelesenstes Klalt im Kreise Kendsvurg. 
Anzeigen für die Tagesnumrner werden bis 12 Uhr Mittags erbeten 
87ster Jahrgang. 
IniertionSpreiS: pro Petitzeile 15 
Donnerstag den 25. Januar. 
mehreren Städten, z. B. aus Heidelberg, 
sind den Reichstagsabgeordneten Depeschen 
zugegangen, worin die allgemeine Beflag- 
gung der Häuser berichtet wird. 
Berlin, 25. Jan. Die „Frkf. Ztg." 
meldet aus Berlin, daß man in agrarischen 
Kreisen befürchte, die Aussöhnung des Kai 
sers mit dem Fürsten Bismarck könne zu 
Gunsten des deutsch-russischen Handelsver 
trages verwerthet werden. Um dieses zu 
verhindern, sei bereits an den Grafen Her- 
bert Bismarck telegraphirt worden. 
Gotha, 25. Jan. Gestern hat sich hier 
ein schwerer Unfall zugetragen, dessen 
Schauplatz die herzogliche Reithalle war. 
Etwa 60 Personen sahen von einer Galerie 
aus einer Uebung der bürgerlichen Be 
rittenen, die sich beim Einzug des Her 
zogspaares betheiligen, zu, als plötzlich 
die Galerie sich stark nach vorn neigte und 
die auf ihr Befindlichen, zumeist Frauen 
und Kinder, mit dem abbrechenden Ge 
länder etwa fünf Meter tief hinab in den 
Reitraum stürzten. Zwei Personen wurden 
todt vom Platze getragen, mehrere andere 
Personen sind, zum Theil recht schwer, 
verletzt. Die Galerie ruhte auf eisernen 
Trägern, welche sich, da sie der Last nicht 
gewachsen waren, verbogen haben. Unter 
den Zuschauern befanden sich auch einzelne 
Leute, welche die Aufgabe hatten, die 
Pferde an das Hurrahschreien der 
Menge beim bevorstehenden Einzug des 
Herzogs zu gewöhnen. 
Forst, 25. Jan. Die große Tuchfabrik 
von Franz Neumann, in der mehrere 
hundert Arbeiter beschäftigt lvaren, wurde 
von einer bedeutenden Feuersbrunst 
betroffen; alle Stockwerke sind vollständig 
ausgebrannt. Der vorläufig übersehbare 
Schaden wird auf 200,000 Mk. geschätzt. 
Wien, 25. Jan. Wie die „Salzburger- 
Chronik" meldet, trat der Prinz Eduard 
Schönburg, der Sohu des Vizepräsidenten 
des Herrenhauses, des Fürsten Alexander 
Schönburg, als Novize in das Benediktiner- 
Kloster in Prag ein. 
Wien, 24. Jan. Im Zuchthaus zu 
Garsden versuchte ein Sträfling durch 
Anzünden seines Strohsackes die Anstalt 
in Brand zu stecken. Das Feuer konnte 
noch rechtzeitig gelöscht werden. 2 andere 
Sträflinge bedrohten dabei die Wachmann 
schaft derart, daß dieselbe von der Waffe 
Gebrauch machen mußte. 
Venedig, 25. Jan. Gestern Abend 
wurde Hugo Sohn, Vertreter von Luck- 
haus in Remscheid, verhaftet. Er ist be 
schuldigt, die genannte Firma um 200000 
Mark beschwindelt zu haben. 
London, 25. Jan. Wie die „Times" 
aus Kairo melden, erregen dort die kürzlich 
vom Khedive gemachten Aeußerungen, 
welche sich gegen die englische Leitung der 
ägyptischen Armee richteten, großes Auf 
sehen. Lord Cromer habe den Khe 
dive um den Erlaß eines Manifestes er 
sucht, worin er seine Zufriedenheit mit 
den Grenztruppcn und den Verhältnissen 
der Grenzfestungen zum Ausdruck bringen 
soll. Der neu ernannte Unterstaatssekretär 
im Kriegsministerium, Maher Pascha, der 
die entstandenen Mißhelligkeiten verursacht 
haben soll, werde seine Entlassung erhalten. 
also nachgewiesen, daß Organisationen, wie die 
Anträge sie erstrebten, schon heute beständen und 
daß es sich nur darum handle, sie rechtlich zu 
schützen. Dazu könne der vorliegende Gesetzent 
wurf beitragen und deshabe empfehle er dessen 
Annahme. Lehne der Reichstag den Gesetzent 
wurf ab, dann würden die Sozialdemokraten den 
Arbeitern klar machen, daß die Arbeitgeber nicht 
gewillt seien, ihnen die ihnen zustehenden Rechte 
zu gewähren. Nehme der Reichstag den Entwurf 
aber an, d nn würden die Arbeiter auf ihn ihre 
Organisation aufbauen. (Beifall bei den Sozial 
demokraten). 
Abg. Frhr. v. S t u m m (Reichsp.) Aus den 
Ausführungen gehe hervor, daß die Berufsvereine 
auf jeden Fall von den Sozialdenwkraten ausge 
nutzt werden würden. Damit sei dem vorliegen 
den Antrag sein Urtheil gesprochen. Es sei ganz 
unmöglich, daß einem Arbeiter die Festsetzung 
der Löhne überlassen werden könne, denn der 
Arbeiter kenne dazu die Verhältnisse des Marktes 
zu wenig und doch habe der Vorredner zugegeben, 
daß eines der Ziele der Arbeiter darin bestehe, 
einen Einfluß zu erringen. In England hätten 
die Gewerkvereine günstig auf das Verhältniß 
zwischen Arbeitgebern und Arbeitern eingewirkt, 
so lange sie aus dem sozialdemokratischen Fahr 
wasser geblieben seien, die Berufsvereine wollten 
aber sofort in dieses hineinlenkm und würden 
dadurch Agitationsvereine werden. Redner schließt, 
er glaube nicht, daß der Bundesrath sich soweit 
vergessen werde, dem Antrage zuzustimmen. 
Abg. Dr. Schneider (Fr. Ver.) leugnet, 
daß die angezogenen englische Verhältnissen bei 
uns zuträfen. Der Antrag sei eine nothwendige 
Ergänzung des Coalitionsrechts, da gegenwärtig 
die Bereinigungen der Arbeitgeber verschieden von 
denen der Arbeiter behandelt würden. 
Abg. Möller (natlib.) meint, wie der Abg. 
Stunlm, mit amrkennenswcrther Offenheit habe 
der Abg. Legien die Ziele der Anträge dargelegt. 
Man habe keinen Grund, diese Bestrebungen noch 
auf das „Rendsburger Wochen 
blatt" für die Monate 
Februar und März 
zUin Preise von 1,40 Mk. werden 
von sämmtlichen Postanstalten, Land- 
briefträgern, sowie von der unter 
zeichneten Expedition bereitwilligst 
angenommen. 
Die Expedition 
des „Rendsburger Wochenblatt". 
Morgen-Depeschen. 
Berlin, 25. Jan. Wie aus guter Quelle 
gemeldet wird, trifft Fürst Bismarck bereits 
Freitag Mittag i Uhr in Berlin ein, da 
der Kaiser den Wunsch geäußert haben soll, 
den Fürsten schon vor dem Geburtstags 
trubel zu sehen und zu sprechen. Im 
königlichen Schlosse werden bereits Vor 
kehrungen zur Aufnahme des Fürsten Bis- 
niarck getroffen. Wie es heißt, hat sich 
gestern Graf Waldersee im Aufträge des 
Kaisers nach Friedrichsruh begeben. 
Fricdrichsruh, 25. Jan. Die Reise des 
Fürsten Bismarck nach Berlin ist endgültig 
auf Freitag, den 26. ds. Vormittags 
mit dem 9 Uhr-Schnellzug festgesetzt, fodaß 
der Fürst Mittags 12 Uhr 55 Minuten in 
Berlin auf dem Lehrter Bahnhof eintreffen 
wird. Fürst Bismarck wird sich alsbald 
durch das Brandenburger Thor, die Straße 
Unter den Linden entlang nach dem könig 
lichen Schlosse begeben, wo er Quartier 
nimmt und loo bereits die Galaparterre 
zimmer nach der Terrasse zu für ihn her 
gerichtet werden. 
Graf Waldersee und Prof. Dr. Schwe 
ninger waren gestern in Friedrichsruh an- 
wesend, letzterer brachte über das Befinden 
des Fürsten die günstigsten Nachrichten. 
Graf Herbert Bismarck war für heute 
Abend zur Cour geladen. Wenn hier und 
da hervorgehoben wurde, daß der Kaiser 
den Grafen Herbert Bismarck beim Ordens- 
seste nicht angesprochen habe, so wird dies 
in unterrichteten Kreisen auf die Erwägung 
des hohen Herrn zurückgeführt, daß der 
Ausdruck der kaiserlichen Huld besser zuerst 
dem alten Fürsten gegenüber erfolge. Ueber 
die Stellung der höchsten Reichsbeamten 
zur Reise des Fürsten Bismarck sind ver 
schiedene Versionen im Umlaufe. Aus 
Deutscher Reichstag. 
34. Sitzung. 
Berlin, 24. Jan. 
Das Haus ist sehr schwach besetzt. Zur ersten 
Berathung steht der Antrag Dr. Lieber - Monta 
baur, Dr. Hitze und Genossen und des Abg. 
Langerfeldt auf Erlaß eines Gesetzes über die 
eingetragenen Berufsvereine. 
Äbg. Spahn (Centr.): Die beiden Anträge 
verdankten ihre Entstehung einem Antrage des 
Dr. Hirsch, der in einer Kommission verhandelt 
worden sei. Das Ergebniß der Berathung liege 
in den Anträgen fetzt vor. Die Reichsgcsetzgebung 
habe sich wiederholt mit solchen Vereinen, wie sie 
hier beabsichtigt seien, beschäftigt. Allerdings 
hätten diese Vereine meistentheils wirthschaftliche 
und finanzielle Interessen zum Zweck gehabt, jetzt 
wollten die Antragsteller aber auch der Ver 
mögensfähigkeit der Berufsvercine näher treten 
und zwar auf dem Wege der Gesetzgebung Da 
mals seien entgegenkommende Erklärungen vom 
Bundesrath abgegeben, aber ein Gesetzentwurf 
nicht vorgelegt worden. Das wolle der Antrag 
jetzt nachholen. Nachdem Geldgesellschaften sich 
zu jedem nicht verbotenen Zweck bilden dürfen, 
könne man den Berussvereinen die Vermögens- 
fühigkeit nicht absprechen. Der Entwurf be 
schränke sich nicht nur auf die Arbeiter, sondern 
er wolle allen Berufsstünden die Möglichkeit 
geben, Vermögensfähigkeit zu erlangen. Der 
Antrag beruhe nicht auf dem Prinzip der vollen 
Freiheit, sondern jeder derartige Verein müsse 
sich, um Vermögensfähigkeit zu erlangen, ein 
tragen lassen. Im klebrigen aber sei die Ein 
tragung nicht an die Zustimmung einer Ver- 
waltungsfähigkeit gebunden. Der Entwurf be 
zwecke Hebung des Standesbewußtseins. Er 
bitte, nicht wiederum den Entwurf einer Kom 
mission zu überweisen, sondern ohne Weiteres im 
Plenum zur zweiten Lesung zuzulassen. 
Abg. Rickeri (freis. Verein) befürwortet den 
Antrag Langerfeldt Er sei gleichlautend mit dem 
Antrag des Dr. Lieber. Der Begründung des 
Vorredners habe er nichts hinzuzufügen. 
Abg Frhr. von Heyl (natl.) meint, daß es 
sich hier vorzugsweise um Arbeitervereine han 
deln werde. Wenn man annehme, daß diese 
weniger einen Klassenkampf, als die Hebung des 
Standesbewußtseins zum Zweck hätten, so sei preußischen Ministeriums anzupassen) Er habe giebt es in der dortigen Gegend nicht. 
nnd ernstlich Böse auf die Nichte. 
Man hatte des seltsame und rücksichtslose 
Gebühren nach allen Richtungen hin besprochen, 
gerügt und auch zu entschuldigen gesucht; jetzt 
war eine jener Pausen eingetreten, wie sic 
solchen Auseinandersetzungen gewöhnlich folgen, 
wenn man über den Gegenstand derselben 
nichts mehr zu sagen weiß oder nichts mchr 
sagen mag — alle Drei beschäftigten sich 
mit ihren eigenen Gedanken. Es schlug eins, 
sechs Angen richteten sich auf die Uhr; eine 
Viertelstunde verging. 
„Sic kommt gar nicht," bemerkte Dottchcn, 
gegen die Schwester gewandt. Rolf ging 
vom Fenster fort, durchmaß hastig das Zimmcr 
und trat wieder an's Fenster. Pferdebahnen, 
Omnibusse, Droschken fuhren auf der Straße 
in buntem Wechsel vorüber; es schlug halb 
zwei; Loltchen und Dottchcn blickten auf die 
Uhr und sich dann kopfschüttelnd in die Augen, 
flüchtig, verstohlen nach Rolf hinüberlugend, 
der regungslos dastand wie bisher. DaS 
Schweigen dauerte an und die Verstimmnng 
verschärfte sich. Rolf wurde erschreckend 
bleich. 
— endlich! ein Wagen hielt — die 
Bartuşsche Equipage. Der Diener sprang 
vom Bock und öffnete den Schlag. Magclone 
ücg aus und ging rasch in's Haus; der 
Wagcn fuhr fort. 
Sic mußte die Treppe sehr rasch hinaufgc- 
laufcn sein, denn unerwartet schnell wurde 
draußen geklingelt, und als stein das Zimmcr 
trat, waren ihre Wangen lebhaft geröthct und 
sie athmete etwas hastig. 
„Schön' guten Tag, dabin ich! Verzeiht, 
daß ich warten ließ. Ähr jcid aber so wie 
so wohl schon sammt nnd sonders böse auf 
mich! Was?" I 
Sic war sichtlich bemüht, ein Gefühl von 
Schuldbewußtsein nicht durchblicken zu lassen. 
„Wir haben weniger Grund, Dir zu 
zürnen", sagte Dottchcn, „aber Dein Bräu 
tigam —" 
„Erlauben Sic, liebe Tante", unterbrach 
Rolf das alte Fräulein. 
. Lona lief jetzt auf Rolf zu, hob sich auf 
die Fußspitzen und wollte ihn umfassen. Er 
trat einen Schritt zurück, ohne sie anzusehen; 
einen Moment stand sic regungslos. In 
ihrem Herzen erwachte der Trotz. Mit einer- 
heftigen Bewegung wandte sic ihm den 
Rücken. Als sie ihn vorher gesehen, bleich 
nnd wirklich kummervoll, da hatte sie ei» 
Empfinden gehabt, als müsse sie ihn so mit 
ganzer Seele umfassen und ihn bitten, ihr 
nicht zu zürnen. In Gegenwart der Tanten 
hatte sie ihr Unrecht eingestehen wollen, und 
nun stieß er sic zurück mit einer verletzenden 
Kälte, einer Kälte, die sic bis in's Herz hinein 
fühlte nnd da etwas erstarren machte, was 
eben noch warm nnd lebendig pulsirt hatte, 
die um Nachsicht bittende Liebe — und dann, 
solche Bloßstellung vor anderen —!! 
Sic drängte die Thränen des Zornes 
zurück, und als sie sich dann im Ziinmer 
umsah, war außer ihr und Rolf Niemand 
nichr in demselben. Ohne Hut oder Män 
telchen abzulegen, setzte sic sich in eine Sopha- 
ecke, schlug ein Knie über das andere und 
wippte leicht mit den zierlichen Füßchen. 
„Lona!" 
Sie schwieg trotzig und bewegte den Fuß 
noch etwas rascher. 
„Lona!" 
„Rede nur, ich höre", gab sic zur Ant 
wort. — 
Rolf war empört. 
„Nein, ich will hören!" rief er lebhaft 
erregt, „hören, was Du mir zu Deiner Ent 
schuldigung zu sagen hast!" 
„Du hast ja meinen Brief bekommen —" 
„Deinen Brief! Haha! Darin stand so 
gut wie nichts; nichts wenigstens, was Dein 
zum Mindesten sonderbares Benehmen erklärt 
oder entschuldigt hätte. Sage mir, wie Alles 
so gekommen ist." 
Sic schwieg, nagte an der Unterlippe und 
strich ihren Muff immer nach der entgegen 
gesetzten Richtung hin. Nachgiebigkeit und 
Trotz kämpften einen harten Kampf. 
„Nun?" fragte Rolf, etwas rubiaer. 
wie bitter weh Du mir damit thatest?" 
Sie schwieg. 
„Antworte, Lona." 
„Du bist • schrecklich empfindsam und 
Pedantisch", stieß sic endlich hervor. 
„So. Und ist das Alles, was Du zu 
Deiner Entschuldigung zu sagen hast?" 
„Ich sehe nicht ein, daß ich ein. todes- 
würdigcs Verbrechen begangen habe!" 
„Todeswürdig! Welche Uebertreibung! 
Bleibe bei der Sache, Lona!" rief Rolf jetzt 
mit ausbrechcnder Heftigkeit. „Ein Verbre 
chen ist es nicht, aber für eine Braut, gelinde 
ausgedrückt, mindestens herzlos. Nicht, daß 
Du eine äußere Form verletzt hast, ist es, 
was inich dabei am meisten empört, sondern, 
wie Du mich kränkst und es nicht einmal 
fühlst, wie weh Du mir durch Deine Hand 
lungsweise thust." 
Mit großen Schritten ging er im Zim 
mer auf und ab, er wollte sich zur Ruhe 
Zwingen, nnd doch wurde cs ihm gerade heute 
unbegreiflich schwer. Magclone saß noch 
immer fast regungslos in ihrer Sophaecke; 
nur ihre Hände bewegten sich, sie strich un 
aufhörlich die Haare ihres Muffs hin und 
her. Eine innere Angst bemächtigte sich ihrer, 
Röthc wechselte mit Blässe auf ihrem lieb 
lichen Antlitz. 
' (Fortsetzung folgt.) 
— „Schutzmann Kicselack wohnt Par- 
tcrrc!" Dieses in großen Lettern ausge 
führte Plakat hat ein Hauswirth in der 
Usedomstraße im Hausflur anbringen lassen. 
Es soll den Zweck erfüllen, etwaige in das 
Haus tretende Bettler fortzuscheuchen und 
die Hausbewohner vor Belästigungen zu 
sichern . . . 
Roman von B. von der Lancken. 
XII. 
Zn die Wohnung der Damen Dyrfurt 
sandte die Wintersonne ihre freundlichsten 
Strahlen; aber die drei im Zimmer befind 
lichen Personen schienen nichts davon zu 
merken, noch viel weniger vermochte das 
heitere Leuchten auf ihre Züge einen fröhlichen 
Ausdruck zu zaubern. 
Lottchen und Dottchcn saßen nebencinander 
auf rem Sopha und sahen sehr ernst und 
nachdenklich gerade vor sich nieder auf die 
Arabesken es Teppichs- am Fenster stand 
Rolf von Velten und spielte in nervöser Un 
ruhe mit seinen Bart. 
Er hatte, als er vor zwei Stunden Lona's 
Brief empfing, überlegt, ob er ge£»en sollte 
oder nicht; da er aber ein Feind aller zu 
vermeidenden Zwistigkeiten war, hielt er es 
für richtiger, sich mit Magclone in aller 
Ruhc über die Sache auszusprechen; er nahm 
sich vor, nicht zornig zu werden, obgleich 
ihr Briefchen durchaus nicht danach angethan 
war, seine erregte Stimmung zu verbessern 
und zu beruhigen. 
Zu seinem Erstaunen wußten die alten 
Damen ebenso wenig von Lona's Anwesenheit 
ur Berlin, wie er selbst, ja, noch weniger; 
sie waren nicht einmal benachrichtigt, daß 
Magclone sie in der Mittagsstunde aufsuchen 
wollte. Dies wäre an und für sich den 
.Schwestern, die für solchen Besuch ja keine 
besonderen Vorbereitungen zu treffen hatten, 
uicht weiter aufgefallen, aber sie waren, als 
sic durch Rolf den Inhalt von Magelonen's 
Brief erfuhren, in ihrer Seele tief gekränkt 
und der Prinz." 
Rolf fühlte etwas wie Zorn in sich auf 
lodern. 
„Aha!" rief er bitter, „aha!" 
Sic sah ihn einen Moment erschreckt an, 
als verstehe sie ihn nicht; dann erzählte sie 
der Wahrheit gemäß den ganzen Hergang; 
nur jene kleine Scene mit dem Prinzen in 
Gräfin Xenia's Boudoir verschwieg sie. 
„Der Vater wünschte und fühlte also, daß 
Du mir schreiben müßtest", sagte er, als sie 
geendet; „Du aber thatest cs nicht, weil Du 
fürchtetest, ich würde Dir rathen, den 
Ball —" 
„Es war kein Ball", verbesserte sie rasch. 
„Nun meinetwegen, tüs dansante! Aber 
Du fürchtetest, ich würde abrathen, würde es 
nicht gerne sehen, es nicht — erlauben. Du 
verheimlichtest mir Deine Anwesenheit in 
Berlin, um das Vergnügen, unbehindert durch 
mich, zu genießen, und darin, Magclone, liegt 
das große Unrecht. Fühlst Du denn nicht,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.