Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

» Erscheint tägLich. -Z- 
Wendsburger L WochenblE 
Bezugspreis: 
Vierteljährlich 2 Jl.—, frei ins Haus geliefert 
2 Jl 15 rŞ, 
für Auswärtige, durch die Post bezogen 
2 Jl 25 S) 
ted. Postprovision:c., jedoch ohne Bestellgeld. 
JnsertionspreiS: pro Petitzeile 15 -ķ 
AelLestes und gelesenstes Klatt im Kreise KendsdurK. 
Anzeigen für die Tagesnuurmer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
á 87ster Jahrgang. 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Licfcnmg 
dieses Blattes vorbehalten. 
Als Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landwirth" sowie daZ 
Blatt „Mode u. Heim" gratis bcigcgcben. 
3000 Abotmerrten. 
Wo. 150. 
Iŗeitcrg, den 29. Juni 
1894. 
Unsere geehrten 
Post-Abonnenten 
bitten rechtzeitig für das 3. Quartal 1894 
abonniren zu wollen, damit keine Ver 
zögerung in der Lieferung eintritt. 
Nach wie vor werden wir bestrebt sein, 
bei den ernsten Vorgängen auf dem 
politischen Gebiete unsere Leser 
schnell zu unterrichten 
und für Reichhaltigkeit und Abwechselung 
des Lesestoffes Sorge zu tragen. — Für 
Romane und sonstige Unterhaltungs- 
lektüre haben wir Schriftsteller ersten 
Ranges als Mitarbeit 
Das „Wochenblatt" ist das ge. 
lesenste Blatt im Kreise Rendsburg 
sowohl, wie darüber hinaus und daher das 
wirksamste Organ für alle 
Insertionen in diesem Bezirk. 
Morgen-Depeschen. 
Eckcrnfördc, 28. Juni. Der Kaiser und 
die Kaiserin trafen gestern auf der „Hohen- 
zollern" in unserer Föhrde ein. Der 
Kaiser verweilte eine Stunde auf dem Re> 
gattakommers im Hotel „Marien-Louisen- 
Bad" zu Borby. Heute morgen fuhren 
die Kaiserin und die Prinzessin Heinrich 
zur Tauffeier nach Schloß Grünholz. 
Berlin, 28. Juni. Wie die „Post" 
telegraphisch aus Paris meldet, bedeute 
die Wahl des Präsidenten Casimir Perier 
weiter nichts als einen Aufschub ernsterer 
Ereignisse. 
Berlin, 28. Juni. Zum Fall von Kotze 
wird gemeldet, daß die Haftentlassung des 
Herrn v. Kotze bereits gestern discutirt 
wurden, daß jedoch der Angeschuldigte den 
Wunsch ausgesprochen hat, bis zur Be 
endigung des Verfahrens in der Unter 
suchungshast zu verbleiben. 
Thorn, 28. Juni. Es werden heute 
amtlich einige Cholera-Fälle außerhalb 
des Weichselgebiets gemeldet. Eine Amts 
vorstehersfrau in Großgrünhof bei Mewe 
verstarb an der Seuche nach l'/ 2 tägiger 
Krankheit. 
Belgrad, 28. Juni. In der vorigen 
Nacht wurden mehrere reisende Kaufleute 
in einem Gasthofe bei Kragujevae von einer 
Bande Haiducken überfallen und vollständig 
ausgeplündert. 
Paris, 29. Juni. Casimir-Perrier 
beschloß, abweichend von dem bisherigen 
Gebrauch, an dem Leichenbegängniß Car- 
nots persönlich theilzunehmen. ' Es ver> 
der 
der 
der 
den 
lautet, der neue Präsident werde das 
Elysee nicht vor vierzehn Tagen ’ beziehen. 
Glasgow, 28. Juni. Es arbeiteten 
heute in Schottland nur 500 Bergleute, 
während 73 000 feiern. Alle Anzeichen 
deuten darauf hin, daß der Ausstand an- 
halten werde. Der Schiffverkehr und der 
Betrieb der Stahlwerke leiden unter dem 
Kohlenmangel. 
Antwerpen, 29. Juni. Die Untersuchung 
eener heute früh an der Ecke der Avenue 
Marie Therese und Rubens explodirtcn 
Bombe hat ergeben, daß dieselbe Pulver 
und Schrot enthielt und keinen großen 
Schaden anrichten konnte. Die Explosion 
geschah unweit der Wohnung des Staats 
anwaltes, wo vor Jahresfrist eine ähnliche 
Bombe geplatzt war. Die Polizei glaubt, 
daß sich der Attentäter in der Wohnung 
geirrt habe. 
Amsterdam, 29. Juni. Während 
Predigt des Pfarrers Geselschap in 
neuen protestantischen Kirche stürzte 
A n a r ch i st B a n d e r z w a n auf 
Prediger und versetzte ihm einen Messer 
stich in die B r u st. Der Mörder rief: 
„Hoch die Anarchie". Der Mörder wurde 
verhaftet. 
Kamt, ßritiii, Perier. 
Eine kurze Charakteristik dieser drei Prä 
sidenten. der französischen Republik liefert 
der Berichterstatter des „Daily Telegraph" 
in Paris. Ueber Carnot, so schreibt er 
ungefähr, machte man sich anfänglich lustig. 
Man nahm an, daß er, als ein ehrlicher 
Mann bekannt, auch ein Narr sein müsse. 
Darnach galten s. Zt. in Frankreich alle 
ehrliche Männer als Narren und alle 
Schufte, Anarchisten und Spione als ehr 
bare Menschen.. Beinahe ist es so. Man 
erinnert sich eines vor wenigen Jahren 
zum Tode verutheilten Mörders, dem nicht 
allein „Damen der Halle", sondern eine 
ganz erkleckliche Anzahl von sogenanten 
wirklichen ehrenwerthen Mädchen in wahn- 
sinniger Verblendung ihre Hand anboten. 
Vielleicht findet Cesario, der anarchistische 
Mörder Carnots, auch noch eine edle Sieb 
haberin aus den Kreisen der „oberen Zehn 
tausend". Doch genug. Der nunmehr 
todte Präsident wurde zuerst in seiner äuße 
ren Erscheinung verspottet und nach seiner 
Wahl sang man in den Straßen von Paris 
ein Kouplet, das seinen Paletot zum Gegen 
stand einer witzigen Bemerkung hatte. 
Thatsächlich war er der Mehrzahl der 
Pariser, auch dem Aeußern nach, vollstän 
dig unbekannt. Ich erinnere mich deut 
lich an den schwachen Besuch im Elysee. 
Neugier, den neuen Präsidenten zu sehen, 
war kaum vorhanden, und die wenigen 
Besucher pflegten sich bald nach einem 
Gange um die leeren Stühle wieder zu 
empfehlen. Groß war der Unterschied 
zwischen dem neuen und den, alten Präsi 
denten. Wenn Grövy bei einem Empfang 
jemand die Hand gab, so geschah es, um 
ihn bald los zu werden, es sei denn, daß 
es sich um eine der Damen handelte, denen 
er seine greisenhafte Aufmerksamkeit wid 
mete. Carnot im Gegentheil schüttelte 
einem nicht allein herzlich die Hand, son- 
dern stellte auch einen jeden seiner Frau 
vor und nahm damit sofort die königliche 
Gewohnheit an, durch seine liebenswürdigen 
Bemerkungen zu beweisen, daß er seines 
Gastes Gepflogenheiten kannte oder zu 
kennen schien. Und indem er diese Art 
besonders pflegte, gelang es ihm, Freunde 
in allen Lebensstellungen zu erwerben, so 
daß er schließlich der beliebteste der vier 
Präsidenten der Republik wurde. Bei der 
Erfüllung seiner Obliegenheiten wurde er 
mächtig unterstützt von Frau Carnot, die 
leider etwas taub war; dieses Gebrechen 
wußten ihr liebenswürdiges Lächeln und 
ihre angenehmen Manieren wieder gut zu 
machen. Die früheren Präsidentenfrauen 
im Elysee waren darin weniger erfolgreich. 
Thiers war ungemein belastet durch seine 
Frau und seine Schwägerin, deren schweres 
Schnarchen zu beiden Seiten des Kamins 
die brummende Begleitung zu seinen witzi 
gen Ausfällen bildete. Die Marschallin 
Mac Mahon war eine Edeldame, aber da 
sie klerikalen Zuneigungen verdächtig war, 
konnte sie sich das Vertrauen ihrer Um 
gebung nicht erwerben. Was Frau Grövy 
betrifft, so war ausschließlich sie très pe 
tite dourA8oi86, während ihre Tochter sich 
ihre Laufbahn durch die Ehe mit dem an 
rüchigen Wilson verdarb. Carnot war 
auch darin Grevy unähnlich, daß er ebenso 
freigebig, wie dieser knickerig war. Vor 
seiner Wahl lebte er bescheiden in einem 
höheren Stocklverke von Passy, aber seitdem 
er ins Elysee gezogen, gab er jeden Pfen 
nig seines Präsidentengehaltes aus. Als 
Präsident hatte er auch das Anrecht auf 
160 000 Mark Reisegebühren, ein Betrag, 
den Grovy ganz in seine Tasche steckte, 
denn er reiste nur nach seinem Landsitze, 
und für diesen alljährlich wiederkehrenden 
Besuch pflegte er die Eisenbahn um Frei 
fahrkarten, selbst für seine Diener anzu 
gehen. Carnot dagegen reiste mehr als 
ein anderer Präsident im Lande umher. 
Er hielt es eben für seine Pflicht und 
schonte sich dabei nicht. Auch hatte er den 
Muth seiner Ueberzeugungen betreffs der 
Todesurtheile. Grövy unterzeichnete nie 
mals während seiner neunjährigen Amts 
dauer ein Todesurtheil, und infolge dieser 
Nachsicht mehrten sich die Berbrechen in 
fürchterlichem Maße. So oft ein Anarchist 
— Ravachol, Baillant, Henry — zum 
Tode verurtheilt wurde, traten an Carnot 
alle möglichen Einflüsse heran, um ihn zur 
Umivandlung der Todesstrafe zu bewegen, 
aber er gab nicht nach. 
Von Casimir-Periers Pers ön li ch- 
keit entwirft die „Köln. Ztg." folgende 
Schilderung: Der neue Präsident der 
französischen Republik zählt erst 47 Jahre, 
ist ein breitschultriger, etwas untersetzter, 
kräftiger Mann von Mittelgröße, rundem 
Gesicht und gesunder Farbe. Ueber einem 
dichten Schnurrbart mit nach oben ragen 
den Spitzen schauen ein paar blaue Augen, 
deren Strahl mehr durchbohrt als erwärmt, 
entschlossen und zielbeivußt in die Welt, 
und die ganze Erscheinung macht in der 
stets eleganten Kleidung den Eindruck eines 
Officiers in Civil, der nach der Gage 
nichts fragt und der weiß, daß ihm der 
Abschied keine Nahrungssorgen bringt. 
Im Feldzug von 1870 hat er als Haupt- 
mann der Mobilgarden das Kreuz der 
Ehrenlegion davongetragen, nachdem er bei 
Bagneux den auf den Tod verwundeten 
Major de Dampierre aus dem Feuer des 
Gegners hinweggetragen hatte. Dieselbe 
Unerschrockenheit, die er vor den: Feinde 
bewährte, brachte er als Deputirter mit 
in die Kammer. Dort, inmitten einer 
Gesellschaft, der schon sein Name und sein 
Vermögen Respect einflößte, wußte er sich 
bald als Arbeiter in den Ausschüssen sowohl 
wie als Redner eine Geltung zu ver 
schaffen, welche die Auguren des republika- 
nischen Geschicks schon längst veranlaßt 
hatte, auf ihn als den kommenden Mann 
hinzudeuten. Gradheit, Offenheit und 
scharfer Verstand, gepaart mit besten Um- 
gangssormen und einer Unabhängigkeit, 
die herauszufordern gefährlich, waren Eigen- 
schäften, die seinen Kollegen nicht gerade 
Behagen und Wohlsein einflößen konnten, 
solange in Parlament und Regierung die 
Panamisten Wort und Ruder führten. 
Nachdem Floguet und die übrigen über 
Panama Schiffbruch gelitten und die Wogen 
der Entrüstung ihn auf den Sessel des 
ersten Präsidenten der Kammer gehoben 
hatten, mochte Casimir-Perier fühlen, daß 
nun seine Zeit gekommen, sparsam in den 
parlamentariischen Strafen und milder in 
der Handhabung der Hausordnung zu sein. 
Er hatte sich nicht getäuscht. Es ist in 
frischer Erinnerung, wie er als Nachfolger 
Dupuy's vom Sessel des Kammerpräsidenten 
zu dem des Premiers hiuüberstieg, wie er 
dort schneidig und brav seinen Mann stand, 
wie er gelassen und ruhig fiel und wie 
sein Ansehen aus dem Sturze erhöht und 
erneuert hervorging. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Einer Newyorker Depesche zufolge sank 
bei Highlands an der Küste von New- 
Jersey ein Passagierdampfer mit 75 Per- 
sonen. 21 Personen sind ertrunken. 
Aus Ncw-Iork wird vom 26. ds. ge 
meldet: Der Dampfer der Anchor-Linie, 
„City of Rom", ist mit einem französischen 
Schooner bei den Neufundland-Bänken zu 
sammengestoßen. Der Dampfer erlitt keinen 
Schaden. Der Schooner segelte nach dem 
nächsten Hafen. 
New-Iork, 28. Juni. Zu dem Unfall 
E d i s o n s meldet ein Telegramm des 
„Reuterschen Bureaus": Edison ist am 
Sonntag vom Stuhle gefallen. 
Anfangs glaubte man, daß Edison sich 
kein Leid angethan hätte; es scheint aber, 
daß eine innere Verletzung eingetreten ist. 
Chikago, 28. Juni. Infolge des gestern 
gemeldeten E i s e n b a h n-Str eiks stockt 
der Verkehr auf sämmtlichen Bahnen. Die 
Beioegung dehnt sich auch auf andere Plätze 
des Westens aus. In Californien ist der 
Verkehr auf der Süd - Pacific - Eisenbahn 
unterbrochen in Folge Weigerung der Ge 
sellschaft, Züge abzulassen, wenn sie an der 
Einstellung der Pullmann-Wagen gehindert 
werde. Weitere Ausstände sind bevor 
stehend. Der Arbeiterverband hat die Be 
diensteten der Atchison-Eisenbahn zum Aus 
stand aufgefordert. 
Frankreich. 
Paris, 28. Juni. Das „Journal des 
Debats" schreibt: Frankreich spendet der 
Wahl Casimir Perrier's Beifall, 
weil es in ihm das sieht, was es am 
nothwendigsten braucht, — einen Regierungs 
mann. 
Ei» ŞtwiffkilSkliWs. 
Erzählung von E. Valkwitz. 
Die kleine Erzählung, die hier den: Leser 
! vorgeführt wird, fand ihren Abschluß in einem 
! Hause, das in dem aristokratischen Theil 
Londons gelegen war. Es fiel äußerlich 
schon durch die gediegene Bauart und seine 
- Ornamente auf und verrieth dadurch nicht 
nur den aristokratischen Sinn des Erbauers, 
sondern —ch den der gegenwärtigen Besitzer, 
die den Bau in seiner ganzen gediegenen 
Pracht ethalten hatten und noch erhielten. 
Das Haus, eigentlich ein kleines Palais, 
hatte Lord Rowdey vor vielen Jahren erbauen 
lassen und seitdem war cs in dem Besitz 
dieser Familie, die über große Reichthümer 
verfügte, geblieben. Gegenwärtig war dasselbe 
Eigenthum der Lady Rowdey, der es vor 
einigen vierzig Jahren, bei dem Tode ihres 
Mannes, als Erbtheil zugefallen war. 
In diesem Hause, in dem sie an der Seite 
ihres geliebten Gatten so glücklich gelebt 
hatte, verbrachte sie auch später ihre traurigen 
Wittwenjahre, denn sie heirathetc, trotz ihrer 
Jugend nicht zunl zweiten Male. Ihr Trost 
in dieser schweren Zeit war ihr einziges 
Töchterchen Edith, auf die sic, als auf das 
Ebenbild ihres heißgeliebten Gatten, all die 
Liebe und Sorgfalt übertrug, deren ihr reiches 
Herz fähig war. Wenn auch die Trauer 
um den früh Verstorbenen in ihrem Herzen 
erlosch, so verlebte sie doch ruhige und fried 
volle Jahre mit ihrer geliebten Tochter, von 
der sie sich, mit einer einzigen Ausnahme, 
bei Gelegenheit einer längeren Reise, niemals 
trennte, auch dann nicht, als diese sich mit 
Henry Ashburn vermählte. Sic wurde wieder 
jung in dem Glücke ihrer Kinder, das den 
selben in reichem Maße zu Theil wurde. 
Leider aber machte der Tod diesem Glück 
schon nach wenigen Jahren ein Ende — 
eine böse, ansteckende Krankheit raffte in 
einigen Tagen beide junge Eheleute dahin — 
unb der aufs Neue vom Schicksal so grausam 
getroffenen, inzwischen alt gewordenen Lady 
Rowdey blieb als einziger Trost bei diesem 
herben Schicksalsschlage ein kleines Kind, ihre 
Enkelin Ellen Ashburn, zurück. 
Die kleine Waise war nach dem Tode 
ihrer Eltern ganz allein auf die Liebe und 
Pflege der Großmutter angewiesen, und diese 
ließ ihr auch beides in reichem Maße an 
gedeihen. Verlieh die Kleine ihrem Leben 
doch nur allein noch einigen Werth! Wie 
liebte aber auch Ellen ihre Großmutter! 
Keine Gefährtin, keine Freundin ivar ihr so 
lieb wie diese! Zu ihr kam sie mit all ihren 
Freuden und Sorgen, mochten sic sein, welcher 
Art sie wollten, zu Niemand sonst hatte sie 
solch unbegrenztes Vertrauen. 
In ihrer äußeren Erscheinung ist Lady 
Rowdey noch immer eine hübsche, durch ihr 
liebenswürdiges Wesen anziehende Persönlich 
keit, trotzdem der Gram und das Alter sicht- 
Şpuren bei ihr zurückgelassen haben. 
Auffallend schon şind auch heute noch ihre 
kleinen, zarten, echt aristokratischen Hände, 
die Ellen mit ihrem sonstigen hübschen Aus 
sehen von ihr geerbt hat. 
Heute nun saß Lady Rowdey in ihrem, 
mit prächtigen antiken Möbeln und mit allem 
zum Komfort der Neuzeit gehörenden Luxus 
ausgestatteten Wohngemach und ließ sich von 
Ellen erzählen, was diese während eines vier- 
wöchentlichen Aufenthalts ans dem Landsitze 
einer befreundeten Familie gesehen und erlebt 
und wie sie sich dabei amüsirt hatte. 
Lady Rowdey bemerkte sehr bald, wie der 
sonst immer recht geläufige Redefluß Ellens 
öfters ohne ersichtlichen Grund ins Stocken 
gericth und daß ihr ganzer Bericht auch nur 
sehr fragmentarisch ausfiel. Als sie dann 
allmählich ganz verstummte und in Träume 
reien versunken da saß, fragte Lady Rowdey 
plötzlich: 
„Warum versuchst Du nur, mir etwas 
zu verheimlichen? Es gelingt Dir ja doch 
nicht, also erzähle doch Deiner alten Groß 
mutter vertrauensvoll wie immer, was Dir 
begegnet ist. Du hast doch bisher Alles mit 
mir getheilt und ivirst darin doch keine Aen 
derung eintreten lassen, nicht wahr?" 
Als Ellen diese Worte hörte und dabei 
in die gütigen, klugen Augen ihrer Groß 
mutter blickte, verließ sie den bisher von ihr 
eingenommenen Sitz, kauerte sich zu den Füßen 
derselben nieder und verbarg ihr Gesicht in 
deren Schoß. Und so gestand sie ihr dann, 
daß sic bei der Erzählung ihrer Erlebnisse 
die Bekanntschaft eines Herrn Hillmann un 
erwähnt gelassen, an den sic, ach, nur so 
viel und oft denken mußte. 
„Ach, Großi, er ist so gut und so klug 
und" — mit heißem Erröthen — „ich habe 
ihn so sehr, sehr lieb!" 
„Und er?" fragte die Großmutter mit 
leiser Stimme. 
„Er liebt mich auch," rief Ellen jubelnd, 
„er hat cs mir gesagt, und er will kommen, 
Dich zu bitten, ihm Sohnesrechte einzuräumen 
als — Gatten Deiner Ellen. Er hätte mir 
vielleicht noch nicht davon gesprochen, wäre 
er nicht durch ein Ereigniß dazu veranlaßt 
worden, von dem ich Dir in meinen Briefen 
nichts erzählt habe, um Dich nicht nachträglich 
noch in Angst und Schrecken zu versetzen. 
Wenn ich Dir jetzt davon erzähle, wirst Du 
sehen, wie viel Dank wir ihm schuldig sind, 
da er mich vor einem schrecklichen Tode be 
wahrt hat." 
„Was willst Du damit sagen?" fragte 
erschreckt Lady Rowdey. 
„Es ist ja Alles glücklich verlaufen," be 
ruhigte Ellen, „trotzdem es gefährlich genug 
war. Es war auf einen: unserer Ausflüge 
an die See, daß ich mich zu nahe an den 
Rand der hohen, steil abfallenden Uferwand 
gewagt hatte, ohne daran zu denken, daß der 
Boden von den unaufhörlich anprallenden 
Wogen unterhöhlt sein könnte. Ich stand da, 
ganz versunken in das herrliche, so oft schon 
gesehene und doch immer neue Schauspiel 
des ewig brandenden Meeres mit den darauf 
tanzenden und zitternden Sonnenstrahlen, als 
ich den Boden unter meinen Füßen wanken 
fühlte. So weltentrückt, wie ich in dem 
Augenblick war, hätte ich wahrscheinlich die 
Gefahr, in der ich schwebte, zu spät erkannt, 
um derselben entfliehen zu können, und ich 
wäre unrettbar dem Tode verfallen gewesen, 
wenn mich nicht Herr Hillmann gerettet hätte. 
Als Lady Rowdey hörte, wie der Tod 
ihr beinahe auch diese letzte Lebensfreude ge 
raubt hatte, umfaßte sie Ellen fest und zog 
sie an ihr Herz, als gälte cs jetzt noch, die 
selbe vor dem grausamen Lebensbezwinger zu 
schützen. 
„Ehe ich noch zum Bewußtsein meiner ge 
fahrvollen Stellung gekommen war," fuhr 
Ellen fort zu erzählen, „fühlte ich mich von 
zwei starken Armen umschlungen, die mich 
emporhoben und wie im Fluge einige Schritte 
weiter trugen, wo ich wieder auf den Boden 
niedergelassen wurde. Ich konnte noch sehen, 
wie ein Stück des Bodens, aus dem ich noch 
soeben gestanden, sich loslöste, in die Tiefe 
stürzte und durch den heftigen Fall auf die 
großen Steine, die da unten lagen, in tausend 
Stücke zerschellte. 
Das wäre auch mein Loos gewesen, hätte 
mich nicht die niit Muth und Kraft gepaarte 
Geistesgegenwart Herrn Hillmans davor be 
wahrt. Erschüttert von dem Erlebten, drückte 
er mich an sein Herz und — verrieth mir 
flüsternd seine Liebe mit vielen zärtlichen 
Worten. 
Ach Großi, ich bin ja so glücklich, so un 
aussprechlich glücklich durch seine Liebe, und 
nicht wahr? Du wirst doch nicht „nein" sagen, 
wenn er mit seiner Bitte zu Dir kommt? 
Wenn Du daran denkst, daß er mich mit 
eigener Lebensgefahr gerettet hat, und wenn 
Du in sein liebes, gutes Gesicht, in seine 
treuen Augen sehen wirst, dann wirst Du 
ihn sicher auch lieb gewinnen und als Sohn 
an Dein Herz nehmen." 
So bat und schmeichelte das junge Mäd 
chen, da sie sah, wie ernst das Gesicht ihrer 
Großmutter bei ihrer Erzählung geblieben 
war. Diese streichelte sanft mit ihrer zarten, 
schönen Hand das glühende Antlitz ihrer 
Enkelin und sagte in beruhigendem Tone: 
„Mein Liebling, wenn ich Herrn Hillman 
kennen lerne und ihn finde, wie Du ihn 
schilderst, wenn ich die feste Ueberzeugung ge 
wonnen haben werde, daß ich ihm mein letztes 
Kleinod, Dich, mein Kind, ruhig anvertrauen 
kann, dann werde ich keine Einwendungen 
erheben, sondern werde freudig Eurer Ver 
bindung meine Zustimmung und meinen Se 
gen geben. Aber so lange, bis ich zu dieser 
Ueberzeugung gekommen bin, so lange müßt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.