5° Erscheint fctctstá?.
MenösbUrger
Bezugspreis:
Bierteljährlich 2 JL—, frei ins Haus geliefert
2 vH 15
für Auswärtige, durch die Post bezogen
2 Ji 25 §
stiel. Postprovision:c., jedoch ohne Bestellgeld.
Insertionspreis: pro Petitzeile 15
Unsere geehrten
NoS-Adounenterr
bitten rechtzeitig für das 3. Quartal 1894
abonniren zu wollen, damit keine Ver
zögerung in der Lieferung eintritt.
Nach wie vor werden wir bestrebt sein,
bei den ernsten Vorgängen auf dem
politischen Gebiete unsere Leser
schnell zu unterrichten
und für Reichhaltigkeit und Abwechselung
des Lesestoffes Sorge zu tragen. — Für
Romane und sonstige Unterhaltnngs-
lekti'ire haben wir Schriftsteller ersten
Ranges als Mitarbeit
Das „Wochenblatt" ist das ge.
lesenste Blatt im Kreise Rendsburg
sowohl, wie darüber hinaus und daher das
wirksamste Organ siir alle
Insertionen in diesem Bezirk.
Morgen-Depeschen.
Kiel, 25. Juni. Der Kaiser und die
Kaiserin werden sich am Donnerstag von
Kiel nach Grünholz begeben, um daselbst
der Taufe der jüngstgeborenen Tochter des
Herzogs Ferdinand von Schleswig-Holstein
Sonderburg-Glücksburg beizuwohnen.
•T- Itzehoe, 22. Juni. Bei einem gestern
* in dem benachbarten Winseldorf abgehalte
nen Sänger fest kam cs zwischen Civilisten
und Militär zu einer argen Zwistigkeit,
welche schließlich in eine Schlägerei aus
artete. Im Verlaufe derselben wurde der
Wirth des Lokals, in welchem das Sänger-
sest abgehalten wurde, von einem Soldaten
niedergeschossen. Ein Knecht wurde
gleichfalls durch einen Messerstich verwundet.
Hamburg, 25. Juni. Der Herausgeber
des „Hamburger Fremdenblatts", Gustav
Diedrich, ist in vergangener Nacht ge
storben.
Bonn, 25. Juni. In der Nähe von
Ahrweiler ermordete in voriger Nacht
ein Tischlergeselle den Aktuar Kuerzen, als
Letzterer demGesellen,der anscheinend in einem
Graben verunglückt war, helfen wollte.
Petersburg, 25. Juni. Unweit der
zum Gedächtniß an das Attentat von
Borki erbauten Kirche, welche der Zar
demnächst einweihen solle, entdeckte man
eine Mine. Auch sollen in einem beim
hiesigen kaiserlichen Palast belegenen Keller
viele Bomben und eine Höllenmaschine
vorgefunden worden sein. Zahlreiche Ver-
Haftungen wurden vorgenommen.
Arttestes nnd gelesenstes Hlatt im Kreise Rendsburg.
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
87ster Jahrgang. #s-
Dienslag, den 36. Juni
Bei Betriebsstörungen
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
Als Beilagen
werden dem Blatt „Der Landwirth" sown das
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegeben.
3000 Abonnenten.
1894.
Rom, 25. Juni. In der heutigen Vor
mittagssitzung der Kammer sprach zuerst
Crispi; er gab in einigen Worten seiner
Trauer um den Verlust Carnots Ausdruck
Seine Stimme war vom Weinen fast er
stickt, sodaß nur Weniges vernommen
wurde. Der Kammerpräsident schlug vor,
die Vormittags- und Nachmittagssitzung
aufzuheben und die Kammer für die ganze
Session in Trauer zu hüllen. Die Abge
ordneten hatten die Rede stehend angehört,
die Sitzung dauerte nur 10 Minuten.
Rom, 25. Juni. Sämmtliche Blätter
verdammen den an den Präsidenten Carnot
begangenen Mord als eines der nichts-
würdigsten Verbrechen und bedauern, daß
der Präsident vurch den Stahl eines
Italieners umkommen mußte. Unter Hin-
weis auf das Attentat gegen Crispi äußert
sich die Presse auf's Schärfste gegen den
Anarchismus, dessen fanatische' Vertreter
nicht mehr als Menschen anzusehen seien.
^Wien, 25. Juni. Im Hörsaale des
Professors Nothnagel verursachten die
antisemitischen Studenten heute Vor-
mittag solchen Tumult, daß die Vorlesung
geschlossen werden mußte. Da für morgen
bei Professor Albert die gleiche Demon-
stration beabsichtigt sein soll, hat das
Dekanat bis auf weiteres die Aufhebung
der medizinischen Vorlesungen verfügt.
Paris, 25. Juni. Als derjenige Candi-
dat, welcher die meisten Aussichten hat,
Carnot's Nachfolger zu werden, ist wohl
Casimir-Perier, der Präsident der
Deputirtenkammer, bis vor Kurzem Minister-
Präsident, zu betrachten, denn man ioird
das Bedürfniß haben, eine energische Per
sönlichkeit an der Spitze des Staates ;u
erblicken.
Cette, 25. Juni. Der Attentäter
befand sich Sonnabend noch hier. Er war
8 Monate lang als Bäckergeselle bei dem
Bäcker Viola beschäftigt. Am Sonnabend
erhielt er von seinem Arbeitgeber 80 Francs
und ging ^ fort mit dem Bemerken, er
würde dahin gehen, wohin ihn die Um
stände führen würden. Sonnabend Nach-
mittag 2 Uhr 45 Minuten verließ er die
Stadt. Der Attentäter war als ein her
ausfordernder Anarchist bekannt und ist
21 Jahre alt. Den Dolch, mit dem das
Attentat ausgeführt wurde, hatte er am
Freitag gekauft.
Lyon, 25. Juni. In verschiedenen,
Italienern gehörigen Etablissements ist
Feuer ausgebrochen. Die Polizeikommissare
suchen die Menge zu beruhigen, indem
sie sie auffordern, den Schmerz der Wittwe
Carnot's zu achten. Die Menge antwortete:
wir wollen Carnot rächenl
Die fr
M PK
Präsident Carnot nahm gestern Abend
an einem Bankett Theil und brachte dabei
ein Hoch auf die Ausstellung aus, beglück
wünschte die Aussteller zu dem großen Er
folg und betonte, ein einziges Werk läge
in allen Franzosen, wenn es sich um die
Ehre, die Sicherheit und die Rechte des
Vaterlandes handle. Dieselbe Einigkeit
verbürge die Bewegung, die aus dem Fort
schritt und der Gerechtigkeit errichtet sei
und von der Frankreich ja selbst ein Bei
spiel gegeben habe.
Nach dem Bankett stand vor dem Han
delspalais eine lange Wagenreihe, in wel
cher der Landauer des Präsidenten Carnot
als erster fuhr. Neben dem Präsidenten
Carnot saß der Präfect des Rhone-De
partements, Rivaud. Der Wagen Carnot's
fuhr um 9 Uhr unter dem Jubel der Be
völkerung und unter jubelnden Zwischen
rufen der dicht gedrängten Menge ab.
Carnot dankte und grüßte fortwährend.
Plötzlich sprang ein Indivi
duum auf das Trittbrett des
agens Carnot's, welcher so
r o r t £) i e Ï t. Die Zunächst stehen
fcert sahen den Präsidenten er
bleichen und in den Wagen zu
r ü ck s i n k e n. Sie stürzten auf das In
dividium, welches durch einen Fauststoß
des Präfecten des Rhone-Departements,
Rivaud, auf die Straße hinabgeschleudert
wurde. Der Präsident Carnot hatte einen
Stich in die Herzgegend erhalten. Neben
dem rothen Großcordon der Ehrenlegion
drang unaufhörlich Blut hervor. Der
Attentäter wollte entfliehen. Die Menge,
Anfangs wie versteinert, ergriff ihn und
hätte ihn zerrissen, wenn nicht eine große
Anzahl von Polizeiagenten ihn der Menge
entrissen hätte. Unter der Bedeckung von
zahlreichen berittenen Gardisten wurde der
Attentäter, welcher bartlos ist und gesenkten
Hauptes mit einer Jacke und Mütze be
kleidet dahinschritt, auf die Polizei gebracht,
wo er gefesselt wurde. Alsbald erschien
der Präfect des Rhone-Departements und
andere hinzugerufene Persönlichkeiten, um
den Attentäter zu verhören.
Der Mörder antwortete, ohne Erregung
Zu Anfang des neuen Quartals
werden wir mit dem Abdruck des
größeren n e u e n R o m a n s aus
der Feder von C v.Waldt-
3 e d t w i tz beginnen:
„Man sagt",
was wir unseren geehrten Lesern
zur gest. Notiznahme mittheilen.
Dieser Nomau ist eine bedeutsame
Leistung des bekannten Verfassers.
Die Redaction
des Rendsburger Wochenblattes.
und ohne Reue zu bezeugen, in schlechtem
Französisch und erklärte, er sei Italiener
und heiße Cesario Giovanni Sonto, sei
22 Jahre alt, wohne seit 6 Monaten in
Cette und sei am Montag früh morgens
in Lyon angekommen. Beim Durchsuchen
seiner Kleider fand sich ein Arbeitsbuch
vor, in Paris am 20. Juni 1894 abge
stempelt. Aus demselben ging hervor, daß
der Mörder aus der Provinz Mailand ge-
bürtig ist. Der Attentäter rief sodann
mehrere lateinische Wörter aus: Giovanni
Geni Lucas bei der wohlbekannten Familie
Magno Francisco. Es war unmöglich,
aus ihm etwas anderes herauszubringen.
Der Attentäter bleibt dabei, daß er nur
vor den Geschworenen sprechen werde.
Inzwischen fuhr der Wagen des Prä
sidenten nach der Präfectur. Die Menge
konnte den Präsidenten Carnot auf dem
Wagensitze bewußtlos, regungslos und die
Augen erloschen liegend sehen. Aus der
Wunde in der Lebergegend floß unaufhör-
lich Blut. Der Anblick rührte die Menge
zu Thränen. Vor der Präfectur hoben
der General Boziul, der Präfect des Rhone-
departements und der Bürgermeister den
Präsidenten mit großer Muhe aus dem
Wagen und brachten ihn in das nächste
Zimmer. Die herbeigeholten Aerzte hielten
eine Operation für nothwendig. Dr. Ollier
erweiterte _ die Wunde. Präsident Carnot
erlangte hierauf die Besinnung wieder und
agte mit deutlicher Stimme zu dem Arzte:
„Wie sie mir wehe thun". Die hierauf
vorgenommene gründliche Untersuchung er
gab, daß die Verwundung eine schwere,
sehr tiefe und sehr bedenkliche sei, um so
mehr als eine Verblutung zu befürchten
war.
Die Präfectur wurde abgesperrt. Alle
Thüren zum Zimmer des Präsidenten wur
den geschlossen. Draußen harrt die Menge.
Schrecken liegt auf allen Gesichtern, überall
hört man fragen, ob der Präsident Carnot
mit dem Leben davon kommen werde.
Unterdessen hatte sich um 9 Uhr das
Theater mit den zur Galavorstellung ge
ladenen Gästen gefüllt, die mit Ungeduld
die Ankunft des Präsidenten erwarteten.
Plötzlich verbreitete sich das Gerücht, Prä-
ident Carnot sei das Opfer eines Atten-
:ats geworden. Dieses Gerücht rief eine
furchtbare Bestürzung hervor. Die Frauen
chrien auf, es entstand eine allgemeine
Bewegung. Die offiziellen Persönlichkeiten
verließen das Haus, um weitere Nachrichten
zu bringen. Die ganze Stadt war in den
3) Iw lohte Liciiteimt.
Eine lustige Gespenstergeschichte von Emil Kol»,fe,der.
Adam starrte ihr mit weit aufgerissenen
Augen entsetzt nach — entsetzt nicht über das
„wat kömmt", sondern über das, was ge
gangen war, nämlich Sauerkraut und Erb
sen! „Verdammigter Racker!" prustete er und
meinte damit beileibe nicht seine Auguste, der
er nachstierte, sondern das unbekannte Etwas,
das ihn gestört hatte und dem er vorläufig
nur sein Ohr zuwendete, da er seine ent
rüsteten Augen immer noch auf Gustm's Thür
geheftet hielt. Hätte er dieselben seitwärts
nach dem dunklen Ende des Ganaes gerichtet,
s° würde er gesehen haben, wie dort im fahlen
Mondücht, das schwach durch einige trübe
kleine Scheiben hereinfiel, drei Gestalten auf
getaucht waren, von denen sich zwei, wie es
schien, sehr eng an einander hielten und merk
würdig schmatzten, bei Gustm's leisem Schrei
aber alle Drei fchncll auseinander fuhren,
ihrer zwei hastig nach seitwärts verschwanden,
nnd die dritte, eine lange, weiße, faltenreich
umwallte Gestalt mit oben etwas Blutrothem
statt des Kopfes erschrocken einen Schritt zurück
prallte und sich emsig noch viel mehr in das
Straßen versammelt; nirgends war eine
Weiterbewegung möglich, da die allgemeine
festliche Beleuchtung dir ganz? Bevölkerung
zum Zuschauen versammelt hatte. - -'»H
Um 9 V 2 Uhr fuhr der Wagen mit dem
Ministerpräsidenten und dem Präfecten des
Rhone-Departements in rascher Gangart
vor dem Theater vor. Die Menge rief
jubelnd: „Es lebe Präsident Carnot". Der
Ministerpräsident Dupuy erhob sich erschüt
tert, winkte mit der Hand und antwortete:
„Rust nicht so, der Präsident Carnot ist
ein Opfer des Attentats geworden". Diese
Worte machten einen furchtbaren Eindruck.
Zuerst herrschte tiefes Stillschweigen. Dann
wurden von allen Seiten Verwünschungen
und Racherufe gegen den Mörder laut.
Der Präfect des Rhone-Departements
trat in das Theater und theilte von der
Präsidentenloge aus das geschehene Atten
tat mit. Die Menge rief, in Wuth aus-
sprechend: „Tod dem Mörder! Rache dem
Mörder! Der Präfect Rivaud wollte die
Einzelheiten erzählen, wurde aber bei jedem
Wort von Zwischenrufen, die der allge-
meinen Erschütterung entsprangen, unter
brochen. Endlich wurde mitgetheilt, daß
angesichts des schrecklichen Ereignisses die
Vorstellung nicht stattfinden würde. Das
Publikum verließ in dumpfem Schweigen
das Haus. Um 12 V 2 Uhr wurde ein offi
zielles Bulletin ausgegeben, das besagte,
der Zustand des Präsidenten Carnot sei
beunruhigend, aber nicht verzweifelt. Der
Stich sei in die Lebergegend gegangen und
habe einen reichlichen Blutverlust erzeugt,
der aber zum Stillstand gebracht worden
sei. Bald nach 11'/ 2 Uhr begann der
Blutverlust wieder. Die Aerzte entschlossen
ich zur Operation, um womöglich den
Blutverlust dauernd zu stillen. Alle ärzt-
lichen Bemühungen erwiesen sich aber als
vergeblich. Um 12 Uhr 45 Minuten starb
Präsident Carnot. Ueber das Ereigniß
richtete der Conseilpräsident Dupuy an die
Minister, die Präsidenten der Kammer und
des Senats und an die anderen Staats-
Würdenträger nachstehende offizielle De-
wsche: „Präsident Carnot wurde auf der
Fahrt von der Handelskammer nach dem
Großen Theater von einem Dolchstich ge-
troffen. Der Mörder wurde sofort ver-
haftet. Er hielt mit einer Hand die Wa
genlehne fest, mit der andern den Dolch.
Präsident Carnot wurde sofort nach der
Präfectur gebracht, wo die ersten Aerzte
Lyons sich um ihn bemühen. In dieser
schmerzlichen Prüfung schließt sich die Re-
weiße Grabesgewand hüllte, als sie zuvor
darin 'eingehüllt war.
Adam hatte sich endlich überzeugt, daß das
Entsetzliche nicht bloße Täuschung seiner er-
mķ- ņ Pommerphantasie, sondern grausige
Wirklichkeit, daß nämlich Guste mitsammt
Ero,en und Sauerkraut verschwunden sei und
nicht wiederkomme und wendete nun langsam
und verblüfft sein breites Gesicht bent Korri
dor Zu, von wo er das verdächtige Geräusch
vernommen hatte und wo er jetzt die weiße
Gestalt in bleichen Mondlicht vor sich stehen sah.
„Dunnerwetter, de Düwcl!" brummte er
erschrocken und lehnte sich verdutzt an die
Wand, um abzuwarten, was nun kommen werde.
De Düvel! Hätte Adam Grieneisen ein
so scharfes Gehör besessen, wie man es eigent
lich von keinem Menschen verlangen kann, so
würde er gehört haben, wie das Gespenst
ģ""» î vor sich hinzischtc: „Der Teufel!
x > mu f dm verdammten Kerl grausig zu
machen suchen, sonst komm ich nicht an ihm
vorbei und werde entdeckt! Zugleich heulte
das Gespenst ler e vor sich hin: „Huuh!
Huuuh! Huh." als ob es Leibschmerzen habe,
und schwebte langsam, feierlich, ja man hätte
fast vermeinen können: zögernd auf Adam zu.
„A — dam — Grien — ei — sen'"
wimmerte es mit hohler Grabesstimme geh
hinweg, ich bin ein Gespenst, ein böser,' böser
Geist!" '
„Verflixt! Unse Herr Pastor seggt awwer,
dat gisst keen' Gespinster!" wandte Adain
verblüfft ein und retirirte langsam und lang-
suni und halb unschlüssig vor dem Gespenst
zurück, das ihm mit feierlichen, aber etwas
langgenommenen Schritten nachfchwebte und
offenbar gern an ihm vorbeizuwollen schien.
„Mach fort, Adam, oder ich raube Deine
Seele und fahre mit ihr zur Verdammniß!"
sagte das Gespenst hohl und streckte seinen
langen, weißen Arm nach Adam aus.
„Verflixt, un nu heff ick den Hunnpietsch
nick, hier!" brüllte Adam laut auf in einer
Mischung von Zorn und Angst, welche all
mählich anfingen, ihm das Bischen Kopf zu
benehmen, über das er zu verfügen hatte.
Das Gespenst schien sich das zu Nutze
machen zu wollen. Sichtlich zusammengc-
schreckt bei dem Plötzlichen tauten Ansbruch
von Adam's Stentorstimme, schwebte der
Geist, der es jetzt plötzlich sehr eilig zu haben
schien, energisch auf Adam zu, streckte den
einen Arm mit dem weißen Gewand nach
ihm aus, als wolle es ihn damit umschlingen,
und sagte hohl: „Fliehe oder komme mit
mir zur ewigen —"
„Au!" brüllte Adam in höchster Angst.
Verdammigtes Gcspinnst, laß mi sinn!"
und, vollkommen kopflos, instinktiv nur an
das denkend, wovon er in solchen Fällen der
Noth den wirksamsten Gebrauch zu machen
gewohnt war, holte Adam mit dem einen
Arm und der daran befindlich flachen Hand
weit aus, schwang Beides wie einen fliegenden
Dreschflegel durch die Luft und ließ es im
nächsten Moment dermaßen wuchtig nach der
Gegend hinsausen, in welcher das Gespenst
muthmaßlich seinen Kopf haben mußte, wenn
cs ihn nicht nach zeitweiliger Gcistermode
unterm Arm trug, daß er dem armen Grabes
bewohner wahrscheinlich den spröden Todten-
schädel zertrümmert haben würde, wenn sich
der Geist nicht mit einem erschrockenen „Ha
verflucht!" so hastig nach vornüber nieder
geduckt hätte, daß die nervige Pommerhand
ohne zu treffen durch die Luft dahin fuhr.
Da Adam hierbei aber unbedingt auf einen
gewissen Widerstand an dem Gespensterschädel
gerechnet hatte, der seinem Arm bei dem
gewaltigen Schwünge Halt verleihen würde,
dieser erwünschte Halt aber nun nicht gefunden
wurde, sondern der Arm jetzt ungehemmt
durch den leeren Raum dahinsauste, so theilte
sich, einem fatalen, physikalifchen Gesetz zu
folge, die für den Gefpensterschädel berechnete
Schwungkraft, dem ehrlichen Pommerkörper
nnt und Adam flog, ihr folgend, nach vorn
über, wobei er über das vor ihm nieder
duckende Gespenst stolperte, sich in dessen
Leichentuch verwickelte und im nächsten Augen
blick Mensch und Geist über einander fort
am Boden rollten.
„Mordio!" brüllte Adam im höchsten
Entsetzen.
„Verfluchter Kerl, halt's Maul!" knirschte
ihm das Gespenst unter ihm leise zu. „Siehst
Du denn, zum Satan, nicht wen Du vor
Dir hast?" Und das im fahlen Halbdunkel
aus dem Leichentuch hervorguckenden Gesicht
des Geistes starrte ihn zornig an.
Einen Moment laug studierte Adam laut
los in das ihm aus Grabestuch und bleichem
Mondlicht wohlbekannte Antlitz. Aber auch
nur einen Moment lang lautlos! Dann
'timmte er das entsetzlichste Gebrüll an, welches
ich das Gespenst hätte erinnern können, je
von einem einzelnen Menschen gehört zu haben;
einige Secunden hindurch, während Adam
ich stolpernd nnd fehlgreifend aufraffte, erging
ich dies Gebrüll in nur unartikulirten Pas
sagen jeder Tonart, dann brach es in die
artikulirten Entsetzensschreie aus: „Unse Herr
Leitnam spukt! Unse Herr Leitnam spukt!
Unse Herr Leitnam is een Gespinst wor'n!
Und von einem Entsetzen gejagt, wie es der
biedere Pommer noch nie empfunden hatte,
stürzte er gegen die Thür des Mügdeflügels,
welche, von der flüchtenden Guste unverschlossen
gelassen, vor seiner anstürmenden Wucht auf
flog und stolperte treppauf von dannen, das
ganze Haus mit Stentorgebrüll von der
schrecklichen Thatsache in Kenntniß setzend,
daß sein Lieutenant todt sei und unten als
Gespenst umgehe!
Was den von stolpernder pommerscher
Leibesschwere niedergedrückten Geist betraf, so
hatte sich dieser nach Adam's Aufraffen gleich
falls hastig erhoben. Mit einem durch die
Zähne gestoßenen „Verdammter stupider Kerl!"
hatte er sein Leichentuch zufammengerafft,
unter welchem eine ganz schmucke Jäger
lieutenantsuniform zuni Vorschein kam, die
durchaus nicht nach Spuck- und Grabesbe
wohnerschaft aussah, und hatte nach dem
Vordereingang des Corridors hin von dannen
huschen wollen. Dort aber erscholl lautes
Lärmen, Menschen und Lichter nahten sich,
der Geist machte Kehrt und flog auf die
Thür zu, welche Adam's Rückzugslinie ge
bildet hatte, aber auch von dort erscholl lautes
Kreischen der zusammeneilenden Mägde und
war an ein stilles Verschwinden für ein so
lides Gespenst nicht zu denken, — so flog
der gehetzte Grabesbewohner denn kurz ent-
chlossen nach dem Ende des Corridors zu
rück, wo die Gemächer Luciens, Frau Euse-
lia's und einiger Honoratioren der Diener
schaft lagen und von wo er vorhin seinen
Ausgang bei der Spuktour genomnien hatte.
Zwar erscholl auch hier bereits Lärmen nnd