Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

verwerflichen Spekulation zu gelangen, 
aber für jeden rechtlichen Menschen ist die 
Grenze deutlich wahrnehmbar und ihm 
selber bewußt, und wer dagegen anführen 
wollte, die Versuchung sei zu groß, würde 
doch unserem deutschen Adel ein sehr 
schlechtes Zeugniß ausstellen. Hier unsere 
Genossenschaft liefert ja schon einen Kursus 
für solche, welche in die Kolonien hinaus 
zuziehen beabsichtigen. Dasselbe auf breiterer 
Basis wäre für unsere Verhältnisse meiner 
Auffassung nach erstrebenswerth. 
Zum Schluß unterwarf der Herzog, wo 
zu er sich als Ehrenpräsident verpflichtet 
fühlte, die Königstreue des Adelsblattes, 
für das die Adelsgenossenschaft verantwort 
lich gemacht würde, folgender Kritik: 
Es sind zu meiner tiefen Betrübniß vor 
nur kurzer Zeit im Adelsblatt Artikel er 
schienen, die sich meiner Anpassung nach 
nicht mit dem Standpunkte vereinigen 
lassen, welchen der Edelmann seinem König 
gegenüber hat nnd gottlob in der über 
wiegenden Majorität noch einnimmt. Ich 
werde auf den Artikel selbst nicht eingehen, 
denn er hat viel von sich reden gemacht, 
aber was mich mit besonderer Trauer er 
füllt hat, ist die Wahrnehmung, daß meine 
Beurtheilung vielleicht nur noch von einer 
Minorität getheilt wird. Meine Herren, 
lesen die den Artikel, Hand auf Herz, und 
dann fragen Sie sich, wie das zusammen 
geht mit der royalistischen Gesinnung. Ver 
theidigen Sie Ihren Standpunkt in kon 
servativen Parteiblättern. Sie haben das 
Recht dazu, die Pflicht, und wenn es sach 
lich geschieht, wird es Ihnen zur Ehre 
gereichen, lassen Sie aber die Persönlich, 
feit unseres Königs aus dem Spiel, na 
mentlich in einem Blatt wie das Adels 
blatt, das wohl den Zwecken des Adels, 
der Religion und der Kontinuität dienen 
soll, nicht aber zum Agitationsblatt sich 
hergeben darf. Meine Herren, Ihre Väter 
und Brüder haben für den König auf den 
Schlachtfeldern geblutet, und Ihr letzter 
Ausruf war: Es lebe der König! Und 
wenn Mancher jetzt rühmlos zu Grunde 
geht, der unverschuldet ins Elend gekommen 
als ein Opfer seiner Zeit, ehren Sie den 
gefallenen Genossen, verlangen Sie aber 
nicht wild denselben vom Könige zurück." 
Es ist der Schwager des Kaisers, der 
dem Adel diesen Spiegel vorgehalten. Ob 
der Appell an die Adelsgenossenschaft etwas 
nützen wird? Es wäre zu bezweifeln, denn 
Herzog Ernst Günther gab ja selbst der 
Meinung Ausdruck, daß seine Beurtheilung 
nur von einer Minorität getheilt werde. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Die Pariser Ausgabe des Newyorkcr 
Sensationsblattes läßt in Hamburg 
die Cholera wieder auftreten. Sie 
veröffentlicht gestern ein Telegramm aus 
Hamburg, wonach hier das Gerücht gehe, 
daß drei Fälle von asiatischer Cholera wie- 
der konstatirt seien. Der eine Fall betreffe 
ein junges Mädchen, das heute seine Hoch 
zeit feiern sollte und innerhalb 4 Stunden 
erlegen sei. Es herrsche in Hamburg 
große Aufregung und die officielle Meld 
ung über die Wahrheit oder Unwahrheit 
des Gerüchtes werde mit Ungeduld er- 
erwartet. Das Medicinal-Collegium hat 
sofort officiell bestätigt, daß das Gerücht 
vom Anfang bis zum Ende erlogen 
ist. Es ist dies sofort nach Newhork 
telegraphisch gemeldet, aber das wird wohl 
schwerlich hindern, daß die „Herald"- 
Meldung die Runde durch alle amerikani 
schen Zeitungen macht und dem Hamburger 
Handel und Verkehr einen unberechenbaren 
Schaden zufügt. 
Aus Newhork wird gemeldet, daß der 
Centralviehmarkt in Jersey City abbrannte. 
Ueber 5000 Schafe sind dabei umgekom- 
men, große Mengen von Häuten und ein 
gemachtem Fleisch, sowie die ganze Ma 
schinerie der Gefrierapparate sind zerstört 
worden; der Schaden betragt etwa 750,000 
Dollars. 
Washington, 18. Juni. Ein hiesiges 
Blatt veröffentlicht Einzelheiten über eine 
jüngst endeckte Verschwörung, die be 
zweckte, die Regierungsgebäude und das 
Weiße Haus in die Luft zu sprengen. 
Des Moines (Iowa), 16. Juni. Die 
größte Bahnbrücke war bisher die 
über den Firth of Forth in Schottland, 
deren Hauptbau 5330 Fuß lang ist. Jetzt 
wird von der Southern Pacific-Bahn eine 
Brücke über den Mississippi bei New- 
Musik und Alles, was das irdische Leben 
schmücken mag. O ja, mein Lebensschiff, 
es begann mit vollen Segeln seinen fröhlichen 
Lauf und der Wind wehte frisch nnd wohlig 
um meine sorgenfreie Stirn! Mein Leben 
wurde schöner und schöner. Auf einer Dam- 
pferparthie lernte ich in meinem vicrundzwan- 
zigsten Lebensjahre ein Mädchen kennen, dessen 
Bild in kurzer Zeit mein ganzes Herz er 
füllte. Sie war sehr schön. So schön, wie 
der junge Maimorgcn, wie eine herrlich er 
blühende, süße Rosenknospe! Ich liebte sic. 
Sie ward mein eigen. — Ob sie meine 
große Liebe erwiderte? Damals glaubte ich 
es fest; denn ihre Augen, die großen, blauen 
Kinderangen, sagten es mir, so oft ich fra 
gend in dieselben hineinblickte. — 
(Fortsetzung folgt.) 
Orleans gebaut, welche fast doppelt so 
lang als jene wird. Auch was die Menge 
des zum Bau verwendeten Materials an 
betrifft, wird dieselbe die größte stählerne 
Bahnbrücke der Welt werden. Ihre Länge 
soll 10 500 Fuß betragen. Das abge 
schätzte Gewicht des erforderlichen Materials 
beträgt 25000 Tonnen und die Kosten 
werden etwa 20 Millionen Mk. betragen. 
Diese Brücke, die ein doppeltes Geleises 
erhält, wird ein wichtiges Bindeglied zwi 
schen den südwestlichen Staaten der Union 
und den Golfstaaten bilden. 
Jtalie«. 
Rom, 18. Juni. C r i s p i hat bis jetzt 
1800 Glückwunschtelegramme aus dem In 
nnd Auslande erhalten. Sämmtliche Mit 
glieder des italienischen Könighauses, wie 
auch die Königin-Wittwe Maria-Pia und 
der König von Portugal sandten ihm 
Telegramme. Die Minister der Auswärtigen 
Angelegenheiten der Hauptstaaten Europas 
übermittelten ihm Glückwunschtelegramme. 
Ueber das Attentat selbst tragen wir 
noch folgende Einzeheiten nach: Als Cris 
pi's Equipage, in welcher der Premier mit 
seinem Kabinetschef Pinelli saß, aus der 
Via Gregoriana in die Via Capo le Case 
einbog, um nach dem Parlamente zu fahren, 
sprang Lega an den linken Wagenschlag 
und feuerte unter dem Rufe „Ewiva 
l’anarchia!“ aus einer großen Pistole einen 
Schuß auf den Ministerpräsidenten ab. 
Obschon der Schuß aus allernächster Nähe 
abgegeben worden war, ging er doch fehl, 
worauf der Attentäter die abgeschossene 
Pistole zu Boden warf, eine neue Pistole 
aus der Tasche zog und auf die andere 
Seite der Equipage rannte, um von Neuem 
zu schießen. Crispi's Kutscher aber parirte 
das Gespann und hieb dem Angreifer mit 
der Peitsche mehrere Male über das Ge- 
sicht. Der Diener Crispi's, Namens Pietro 
Collini, der schon in Neapel den wahn- 
sinnigen Attentäter Emilio Caporali arre- 
tirte, sprang sofort vom Bock und dem 
Attentäter an die Gurgel. Ein vorüber- 
gehender Portier des Ministeriums des 
Innern eilte ihm zu Hilfe und schlug den 
Attentäter mit seinem Stock über den Kopf. 
Dabei ließ Lega die zweite Pistole fallen, 
die vom Abgeordneten Pugliesi aufgehoben 
nnd Crispi überreicht wurde. Nach hefti 
gem Widerstände wurde der Attentäter mit 
Hilfe verschiedener Kriminalbeamten in 
Civil überwältigt. Crispi verlor nicht einen 
Augenblick die Geistesgegenwart; er befahl 
dem Kutscher, nach der Kammer zu fahren. 
Rom, 18. Juni. Der russische Minister- 
resident I s w o l s k i überreichte heute 
Mittag dem Papste sein Beglaubigungs- 
schreiben und wurde im Vorzimmer des 
Papstes von sämmlichen Würdenträgern des 
päpstlichen Hofes empfangen. Die Audienz 
dauerte fast ein Stunde und hatte einen 
sehr herzlichen Charakter. Nach der Audienz 
begab sich der Ministerresident znm Cardinal 
Rampolla. 
MrstlanD. 
Im Hause eines kleinen Handelsmannes 
zu Orel sollte die Verlobung seiner Tochter 
mit einem Kleinbürger stattfinden. Als 
das Fest seinen Höhepunkt erreicht hatte 
— so erzählt der „Moskowskij Listok" - 
wurde plötzlich Hundegebell gehört. Beide 
Tafeldiener, zwei Lohndiener, bellten näm 
lich und warfen sich auf die Gäste. Sie 
zerrten die Braut in die Mitte des Rau 
mes und begannen zu beißen, so daß Blut 
zu fließen begann. Nur mit Mühe ge 
lang es, die rabiaten Tafeldiener, die sich 
in die Braut fest verbissen hatten, von 
derselben loßzureißen und zu binden. Erst 
nach einigen Stunden erholten sich die 
Diener von diesem Zustand und waren 
ganz verblüfft, als man ihnen ihr Be 
tragen vorhielt. Sie erinnerten sich gar 
nichts mehr. Es heißt, daß der Bräu 
tigam zwei Bräute hatte und die Ver 
lassene aus Rache in eine der Weinflaschen 
irgend ein Pulver geschüttet habe. Die 
Taseldiener sollen nun zufällig gerade aus 
dieser Flasche getrunken und infolge dessen 
ihren Wuthanfall bekommen haben. Die 
Braut verzichtete nach der nervenerschüt 
ternden Szene auf ihren Zukünftigen. 
Oesterreich. 
Wien, 18. Juni. Eine gestern Vor 
mittag in einem Gasthause der Leopoldstadt 
abgehaltene socialdemokratische 
Versammlung wurde ebenfalls in 
Folge des tumultarischen Verlaufs von der 
Polizei aufgelöst und der Saal geräumt. 
Inland. 
Berlin, 19. Juni. Anläßlich der 
Grünauer Ruderregatta am Sonntag hat 
der Kaiser, welcher mit seiner Gemahlin 
der Regatta beiwohnte, der Empfangs 
deputation gegenüber sein besonderes Inter 
esse für den Rudersport ausgesprochen. Er 
erzählte, daß er selbst den Rudersport 
übe, wenn auch nicht in freiem Wasser, 
so doch in einem Zimmer seines Palais, 
er habe sich dort eine Rudermaschine 
mit Gleitsitz aufstellen lassen, in der er 
alle Morgen fleißig die Ruderbewegungen 
übe, und er habe dabei erkannt, daß der 
Rudersport der einzige sei, der allen Körper- 
theilen eine gesunde Bewegung gebe. 
Scherzhaft fügte er hinzu: „Nächstens 
machen wir einmal eine Regatta im 
Marmorsaal." Er sprach sodann sein leb 
haftes Bedauern aus, daß auf den 
deutschenUniversitäten das Rudern 
nicht mehr gepflegt werde, und ver 
wies in dieser Beziehung als Vorbild auf 
England. Prof. Max Müller, der an der 
Universität Oxford wirkt, habe ihm einmal 
geschrieben, ob es nicht möglich wäre, daß 
einmal eine englische Universität gegen eine 
deutsche in den Ruderwettkampf eintrete, 
da habe er leider zurückschreiben müssen, 
daß dies nicht möglich sei. Er beantragte 
sodann, ein Mitglied der Deputation, Herr 
Büxenstein, möge es in die Wege leiten, 
daß auch die deutschen Universitäten sich 
der Pflege des Rudersports widmen, und 
versprach einen Preis zu stiften speziell für 
einen Ruderwettkampf der Univer 
si täten. Auch die Kaiserin äußerte 
Interesse für den Rudersport. 
Berlin, 18. Juni. Der Kaiser hat 
durch einen Runderlaß, der durch die 
betheiligten Minister den Regierungspräsi 
denten mitgetheilt wird, bestimmt, daß bei 
Veranstaltungen, die aus Anlaß Aller 
höchster Reisen in die Provinzen 
und der damit verbundenen Besichtigungen 
getroffen werden, die durch die verfügbaren 
Mittel gezogenen Grenzen inne zu halten 
sind; insbesondere soll vermieden werden, 
zur Deckung der durch derartige Veran 
staltungen entstandenen Ausgaben mangels 
anderer etatsmäßiger Fonds, den Aller 
höchsten Dispositionsfonds in Anspruch zu 
nehmen. 
— Die „Voss. Ztg." erfährt: Bei der 
gestrigen Grund st einlegung für 
den Dom sprach der Kaiser gegenüber 
dem Oberbürgermeister Zelle seine Genug 
thuung über die Verschönerung aus, die 
Berlin durch die Ausführung der in der 
Nachbarschaft des kgl. Schlosses geplanten 
Neubauten und Umgestaltungen erfahren 
wird. Der Kaiser äußerte sodann, die 
Pläne für den Umbau der nach dem Schloß 
bau gelegenen Marstallgebäude seien fertig 
gestellt; er beschrieb diese Pläne eingehend 
und forderte den Oberbürgermeister auf, 
einen Einblick in die Entwürfe zu nehmen. 
Die Kosten für die Herstellung der Facade 
wird der Kaiser aus seiner Privatschatulle 
bestreiten. Der Kaiser hat dem Ober 
bürgermeister ferner angedeutet, daß er 
eine Verschönerung der nach der Breslauer 
straße gelegenen Marstallfagade anordnen 
werde. 
Berlin, 18. Juni. Der „Reichsanz." 
schreibt: Der Gesandte in Athen, Graf 
e s d e h l e n, ist seinem Antrage gemäß, 
von seinem Posten abberufen und dann in 
den Ruhestand versetzt worden. 
Berlin, 18. Juni. Gegen die Be 
hauptung der „Korrespondenz des Bundes 
der Landwirthe", daß Gras Caprivi bei 
Zusammenbruch des Bankhauses Hirsch 
f e l d & Wolf auch mit 400,000 Mark 
zu den Geschädigten gehörte, sagt die 
„Nordd. Allg. Ztg.", die geflissentlich ver 
breitete Behauptung, durch die der Reichs 
kanzler in schlechtem Lichte erscheinen solle, 
beruhe auf drei st er Erfindung; 
Graf von Caprivi habe iveder je ein Ver 
mögen besessen, noch habe er mit denl Ban 
kier Wolf in irgend einer Beziehung ge 
standen. 
— In einer an die „Voss. Ztg." ge 
richteten Erklärung theilt Herr v. Diest- 
Daber mit: Er habe in seiner Brauerei 
zu Daber einen Traube'schen Apparat zur 
Reinigung des Branntweins aufgestellt ge 
habt. An Auslagen und Kosten, Verlust 
an Spiritus seien an 10,000 Mark Un 
kosten entstanden, hiervon sei nicht ganz 
ein Drittel, ein Betrag von 5000 Mark 
durch Cabinetsordre des Kaisers aus dem 
Allerhöchsten Dispositionsfonds zurücker 
stattet worden, da der Kaiser wie bekannt, 
großes Interesse daran nehme, daß die 
schädlichen Fuselsubstanzen aus dem Trink 
branntwein der Arbeiter entfernt werden. 
Im Bade Oeynhausen hat sich am Frei 
tag ein Kurgast aus Berlin erschossen. 
Derselbe war erst seit zwei Tagen an 
wesend und hatte seine Kur kaum begonnen. 
Wie verlautet, soll der Unglückliche eine 
Nachricht erhalten haben, nach welcher er 
einen Prozeß am Berliner Landgericht ver 
loren haben soll. Diese Mittheilung hat 
ihm den Revolver in die Hand gedrückt. 
Die That geschah Vormittags im Kurgarten 
loährend die Kurkapelle konzertirte. 
Zu einem am Sonntag Mittag in Leip 
zig (Lindenau) erfolgten Begräbniß eines 
Sozialdemokraten, des Colporteurs Tau- 
bert, hatte sich, wie die „Leipz. N. N." 
berichten, eine unzählige Menge Menschen, 
darunter sehr viele Frauen und Kinder, 
eingefunden, die theils am Leichenzuge theil- 
nahmen, in der Hauptsache aber sich in 
den Straßen in der Nähe des Friedhofs 
und auf diesem selbst aufgestellt hatten. 
Die auf dem Leichenwagen angebrachte En 
gelsfigur mußte auf Anordnung eines so 
zialdemokratischen Führers entfernt werden. 
Auf dem Friedhofe umstanden viele der 
Theilnehmer die Gruft mit brennender Ci 
garre und einer trieb den Unfug sogar so 
weit, daß er die Cigarre in die Gruft hin 
einwarf. Einigen merkte man an, daß sie 
den geistigen Getränken bereits zu sehr zu 
gesprochen hatten. Ohne jede Ceremonie 
wurde der Sarg in die Gruft gesenkt. Als 
hiernach der Todtenbettmeister eine mit in 
die Gruft geworfene rothe Schleife aus 
dieser wieder herausholte, zeigte sich recht 
deutlich, welcher Geist die Demonstranten 
beherrschte; ein allgemeiner Tumult, be 
gleitet von Schimpfworten und Drohungen, 
entstand, so daß es nur dem ruhigen und 
besonnenen Verhalten der anwesenden Auf 
sichtsbeamten zuzuschreiben ist, daß Aerge- 
res verhütet wurde. Die kurzen Nachrufe 
wurden wie in einer sozialdemokratischen 
Volksversammlung mit lauten Bravorufen 
begleitet, und erst nach einer reichlichen 
Stunde beruhigten sich die Gemüther, nnd 
nach und nach verließen die Demonstranten 
den Friedhof. 
Stendal, 17. Juni. Im Wahlkreise 
Osterburg-Stendal rüstet man sich jetzt zur 
Ersatzwahl zum Reichstage, da das Man 
dat des Rittergutsbesitzers von Jagow- 
Scharpenhufe infolge seiner Ernennung zum 
Landrath erloschen ist. Von den Konser 
vativen wird Herr von Jagow wieder auf 
gestellt, die Freisinnigen haben wieder den 
Handelskammersekretär Fischbek in Biele 
feld nominirt, der dem Wahlkreise ent 
stammt. Im vorigen Jahre erhielten von 
Jagow 9319, Fischbek 5499, der sozial 
demokratische Kandidat 2989 Stimmen. 
Mainz, 18. Juni. Der Großherzog er 
öffnete das lX. deutsche Bundes- 
schießen. Bei der folgenden Concurrenz 
erhielten die besten 10 Schützen einen 
Standbecher; es sind die Herren: Ritzer- 
Fügen (Tirol), Dorner-Nürnberg, Rentzel- 
Hamburg, Gleichaug-Bockenheim, Batzick- 
Liegnitz, Gustav Zimmermann-Newyork, 
Blume-Erfurt, Halbach-Offenbach, Gruenig- 
Wiesbaden und Brauns-Offenbach. Einen 
Feldbecher erhielten: Ritzel-Zell, Liotal- 
Dettweiler, Oering-Eisleben, Hertelt-Lieg- 
nitz, dall'Armi-München, Hinsch-Hamburg, 
Kirchner > Schweinfurt, Gebhard - Ludwigs 
hafen, Truebenbach > Chemnitz, Christian 
Hinkel-Offenbach. 
Der Verkauf der Sammlung von 2'/ 2 
Millionen Stück Briefmarken durch das 
Gerichtsvollzieheramt in Hamburg hat nur 
750 Mark erzielt. Es waren viele Aus 
wärtige hierher gekommen, in der Hoff- 
nung, Seltenheiten zu finden. Die Marken 
waren jedoch ohne Ausnahme neueren Da 
tums und die einzelnen Sorten massenhaft 
vertreten. — Wegen dreifacher Majestäts- 
Beleidigung wurde gestern ein Arbeiter zu 
einem Jahre Gefängniß verurtheilt. Der 
Staatsanwalt hatte wegen sechs Fälle 18 
Monate beantragt. 
BroÄttĢeKss. 
Eine gesunde Stadt ist Wandsbeck, denn 
es findet sich unter den deutschen Städten, 
welche im Monat Mai die geringste Steeb- 
lichkeitsziffer, unter 15 von 1000, auf 
weisen. Die höchste Sterblichkeitsziffer 52 
von 1000 hatte in demselben Monat die 
Stadt Neumünster in der hiesigen Pro 
vinz. Das Resultat eines einzelnen Mo 
nats ist allerdings nicht maßgebend. 
Fünfzig Zwangs versteigerungen 
von Grundstücken sind für die nächsten vier 
Wochen beim Amtsgericht zu Altona be 
antragt worden. Man sieht daraus, wie 
traurig augenblicklich die Verhältnisse der 
Grundbesitzer liegen. 
Zur Reichstagsersatzwahl in Elmshorn- 
Pinnebcrg hat das Centralkomitee der 
Freisinnigen Volkspartei in Elmshorn be- 
schloffen, zur Stichwahl keine Wahlparole 
auszugeben, sondern es den freisinnigen 
Wählern zu überlassen, nach Ermessen 
Stellung zu nehmen. 
Pinneberg, 18. Juni. Nach amtlichen 
Feststellungen erhielt bei der am 13. Juni 
im 6. schleswig-holsteinischen Wahlkreise 
Pinneberg-Segeberg stattgehabten Reichs 
tagswahl Mohr (natlib.) 5994, v. Elm 
(Soz.) 12,231, Kopsch (freis. Volkspartei) 
5010 und Raab (Antis.) 2328 Stimmen. 
Es hat somit eine Stichwahl zwischen 
Mohr und v. Elm stattzufinden, die auf 
den 23. d. Mts. angesetzt ist. 
Neumünster, 18. Juni. Am 26. Juni 
wird der neue Bürgermeister Roer 
aus Peine durch den Landrath Baron von 
Heintze-Bordesholm in sein Amt eingeführt. 
In Neumünster soll eine Margarine- 
fabrik in großem Stile errichtet werden. 
Der Kaiser hat aus dem Dispositions- 
fonds 170,000 Mark zur Erneuerung der 
Marienkirche in Hädersleben bewilligt. 
An den Flensburger Jagdschutzverein 
wurden kürzlich vom Jäger des Frösleer 
Distrikts zwei Fischotter eingeliefert, die 
einige mit Strychnin vergiftete Hermge 
verzehrt hatten, vie man wegen der Füchse 
in der Nähe der Quellen der Meyn-Aue 
ausgelegt hatte. Man wunderte sich, daß 
die Fischottern, die doch sonst nur lebende 
Fische vertilgen, sich an auf dem Lande 
liegenden todten Tischen vergriffen haben. 
Die Friedrichstädtcr wie auch die in der 
Umgegend wohnenden Störfischer sind vom 
Störfange, welchem dieselben an der Nord 
seeküste obgelegen haben, zurückgekehrt. Im 
allgemeinen ist der Fang als ein mittel- 
mäßiger zu bezeichnen. Biele der Fischer 
decken ihre Unkosten nicht. 
Ueber ein amüsantes Mißverständniß ge 
legentlich einer Theatervorstellung in Eckern 
förde wird von dort geschrieben: Das auf 
geführte Theaterstück „Theodor Preußer" 
ist von Meyer geschrieben. Als am Schluffe 
des Stückes Herr Meyer hervorgerufen 
wurde, haben viele Zuschauer „Feuer" ver 
standen und stürzten unter großer Auf- 
regung dem Ausgange des Saales zu. 
Nur der besonnenen Handlungsweise des 
Publikums ist es zu danken, daß größeres 
Unglück verhütet wurde. 
Bei Grünenthal hat in der Nähe der 
Hochbrücke eine recht bedeutende Rutschung 
der Böschung des Kanalbetts des Nord- 
Ostsee-Kanals stattgefunden. 
Zu den in den Tagen vom 25. bis 29. 
Juni auf der Kieler Föhrde stattfindenden 
Wettfahrten des kaiserlichen Dacht-Clubs, 
zu welchen der Kaiser erwartet wird, sind 
im Ganzen nicht weniger als 299 Fahr 
zeuge angemeldet, darunter 204 Dachten 
und 95 Kriegsschiffsboote. Von England 
sind 2, von Schweden 2 und von Oester 
reich 1 Dacht angemeldet, während von 
den unter deutscher Flagge segelnden 53 
Dachten 9 aus Hamburg und 7 aus Ber 
lin stammen. Aus Dänemark angemeldete 
9 Dachten sind später wieder zurückgezogen 
worden. 
? Kiel, 18. Juni. Das heutige II. Konzert 
des Schleswig-Holsteinischen Musik 
festes, welches ebenfalls Nachmittags 
5 Uhr seinen Anfang nahm, übertraf, 
was den Besuch und die Aufnahme seitens 
der Zuhörerschaft anbetrifft, noch die gestrige 
Aufführung. Der heutige Tag wurde 
ausgezeichnet durch die Anwesenheit des 
Prinzen und der Prinzession Heinrich und 
der gestern genannten distinguirten Per 
sönlichkeiten. Das Konzert wurde eröffnet 
durch die Ouvertüre zu „Euryanthe" von 
Weber. Der Orchesterkörper entfaltete ein 
ausgezeichnetes Zusammenspiel. Die Ge- 
sammtwirkung war eine gewaltige, aber 
auch in der feinen Ausarbeitung von Einzel 
heiten wurde Treffliches geleistet. Auf die 
Ouvertüre folgte Brahm's Schicksallied von 
Hölderlin für Chor und Orchester. Hier 
wurde dem Chor Gelegenheit gegeben, zn 
einer imposanten Massenwirkung und in 
der That entfaltete er eine so gewaltige 
Kraft, Fülle und Schönheit des Klanges, 
daß das ergreifende Tonwerk einen vollen 
Erfolg erzielte. Das Quartett aus dein 
3. Akt von Wagner's Oper „Die Meister- 
sänger" erfuhr ebenfalls eine ausgezeichnete 
Wiedergabe. Die Solisten, Frau Leisinger, 
Frau Joachim, Gustav Wulff, van der 
Smissen, Herr Messchaert boten wirklickl 
hervorragende künstlerische Leistungen. Das 
nun folgende Konzert für Pianoforte, v-ckw 
von Mozart, wurde von Musikdirektor 
Borchers mit ganz außerordentlicher 
Feinheit zur Geltung gebracht. Eine er 
greifende Wirkung übte die neue folgende 
Schlußszene des II. Theils von Goethes Fauff 
von Rob. Schumann, auf die Zuhörerschast- 
Die Chöre gingen vorzüglich und die So 
listen hielten nicht zurück mit ihren Stimm 
mitteln, namentlich lobenswerth thaten fic6 
Herr Gillmeister vom Hoftheater in Han 
nover und Frl. Leisinger hervor. Beet 
hovens 9. Symphonie bildete den Abschluß 
des Konzerts. Noch bevor das Zeicht 
zum Beginn dieses einzigen Tonwerks ge 
geben wurde, griff eine weihevolle Stimm 
ung Platz unter der Zuhörerschaft und 
athemlos folgte man den Einzelheiten der 
herrlichen Tonschöpfung. Die grandiose 
Erhabenheit, die tiefe Empfindung und die 
einfache, jedem Meuschenherzen verständliche 
Ausdrucksweise, welche der 9ten Symphonie 
einen hervorragenden Platz unter allen 
Musikwerken sichert, kam voll zur Wür 
digung durch die Mitwirkenden. Orchester, 
Chor und Solisten leisteten, mit fortgerissen 
von der Schönheit der Tonschönpfung, das 
denkbar Beste, und als der letzte Ton ver 
klungen, trat zuerst athemlose Stille ein 
und dann durbrauste ein Beifallsjubel den 
Festraum, wie er wohl selten gehört werden 
mag und den sämmtlichen Mitwirkenden, 
vor allem aber den Solisten und dem D>- 
rigenten, Herrn Prof. Stange, ivurdeN 
reiche Ovationen dargebracht. Letzterer 
wurde durch einen prachtvollen LorbeerkraB 
ausgezeichnet, eine verdiente Würdigung 
für den Eifer nnd die Hingabe des Di 
rigenten, dem in erster Linie der Dam 
gebührt für den vorzüglichen Verlauf des 
Festes. 
Von der Genossenschaftsmeierei zu Toden- 
darf wurde eine Milchprobe eines größeren 
Landmannes, welche verdächtig war, stark 
mit Wasser gefälscht zu sein, an die Unter 
suchungsstation nach Kiel gesandt. Das 
Ergebniß der Untersuchung war, daß die 
Milch mit einer erheblichen Menge Masses 
gefälscht ist. Der Vorstand der Meiers 
hat nun Anzeige bei der Staatsanwaltschaff 
erstattet. 
Bei dem heftigen Gewitter am Donners- 
tag-Mittag schlug der Blitz in eine Katen 
stelle in Dünth bei Broacker ein und tödteck 
den am Ofen sitzenden Käthner LoreN-s 
Jessen. 
—n. Jevcnstedt, 18. Juni. Die K"' 
rung der Deckhengste im Kreise Rerķ 
bürg wird am Montag den 16. Juli d. 3' 
C. Ss ..... fr{ <,YY> n ssöV’Î,1V» Ti k ^, 4 „ Ìy\pXS' 
bei dem Cl. Möller'schen Gasthause hier 
von Morgens 8'/ 2 Uhr ab bewirkt werden- 
Jeder Besitzer eines im vorigen Jahre ş 
körten Hengstes hat alsdann den von de 
Körungscommission ausgestellten Erlaubnis 
schein mitzubringen, das Deckregister abe 
bereits bis zum 1. Juli d. I. an da 
Königliche Landrathsamt in Rendsburg ein 
zureichen. — Während zu Anfang de 
Frühjahrs wohl mancher Landmann ei 
recht frühe Ernte erwartet hatte, wird B 
selbe nach den gegenwärtigen Aussichte 
wohl kai 
Wenigster 
sehr wen: 
Heuernte. 
x. Rer 
Kühen dc 
stedt ist 
s e u ch e 
sind die 
delsdorf, 
Stadt R 
klärt wc 
Vieh- un 
treiben l 
bedingum 
Magermi 
verhinder 
X. Rer 
schon sei 
Schreible 
ist wieder 
sus für € 
halten. 
Handschri 
stand, di 
nicht aus 
Genannte 
Apollosaa 
X Re 
gesellschaf 
diesjähric 
2. Juli, < 
soll in ' 
werden i 
mit der ä 
der Rück! 
liehe Fah 
Theilnehr 
den früh 
fönen zuc 
X Rer 
gezogene ļ 
von etwa 
abend nc 
ausgerück 
gen eine 
beim Sä 
ausgeführ 
reiche Ne 
nächsten l 
gegen 11 
in die S 
X. Ren 
Ostsee-Ka: 
Baden in 
Maurer 
Suchens 
seine uack 
Abend n 
Kersten a 
Bisma 
sprächen 
Von denen 
Mayor I 
Deutschen 
wird, ka 
Tapet. I 
Rantzau, 
bensjahre 
ausgewaä 
weis aus 
Crispi's 
sagen, d 
Fürst Bis 
stens dre 
Moltke ti 
eine Perr 
wand zu 
eine Perr 
meinen L 
rücken vo 
kurze, mi 
Tag blon 
Eine Per 
eine Fiktiv 
eine Haul 
wolle, Se 
die Perrü 
Nun denn 
Art haben 
Sie nur 
brach ihn 
möchten § 
eines Tag 
Ihrer P 
lächelte b 
Tochter," 
Bekenntnil 
rücke trag 
bnrg. Jc 
Kälte . - 
bleiben bi 
ich hatte 
jetzt . . . 
sich besonl 
der Newa 
wahr, hat 
schaffte m 
Anekdote 
spielt, ist 
rung, die 
und der st 
Kaiser Wi 
und die n 
Helm schr 
gegen die 
Perrücke a 
im Gefolg 
an dessen 
sieht und 
sagte: „L
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.