Paris, 13. Jan. Der Sozialist Viviani
überreichte heute Abend dem Präsidenten
Carnot ein von 56 Deputirten unterzeich
netes Gnadengesuch für Baillant.
Paris, 15. Jan. Die Herzogin von
Uzès hat versprochen, für die Tochter des
Dynamitarden Baillant sorgen zu wollen,
um das Andenken an ihren in Afrika ge
fallenen Sohn dadurch zu ehren! Ist es
da zu verwundern, wenn in Roubaix, Lyon
und Marseille Kundgebungen zu Ehren
Baillants stattfinden, infolge deren die Po
lizei einschreiten und mehrfache Verhaftun
gen vornehmen mußte?
Belgien.
Antwerpen, 13. Jan. Im hiesigen
großen Jesuitenkloster brach gestern Nacht
Feuer aus. Achtzig Mönche flüchteten halb
angekleidet auf die Straße. Die Kloster
kirche sammt vielen Kunstschätzen, insbe
sondere die Kirchengemälde und die reiche
Bibliothek, wurden ein Raub der Flammen.
Hasselt, 13. Jan. Die durch den ver
hafteten Beamten der hiesigen Nationalbank
stelle Crougs gemachten Unterschlagungen
sollen über 200000 Francs betragen.
Sämmtliche Beamte der hiesigen Bankstelle
sind entlassen und durch solche aus dem
Brüsseler Hauptgeschäft ersetzt worden. Die
alten Bücher wurden versiegelt und wan
dern zur Prüfung ihres Inhalts nach
Brüssel.
Inland.
— Finanzminister Miguel läßt durch
seinen Offiziösen im „Hamb. Korrsp." er
klären, daß er zwar gelegentlich Herrn
von Diest-Daber anheim gegeben haben
möge, seinen Plan in Betreff der Ein
führung des Rohspiritusmonopols
näher durchzuarbeiten und zur öffentlichen
Erörterung zu stellen. Ein Engagement
für das Projekt ist aber weder damals in
irgend einer Weise eingegangen worden,
noch liegt es insbesondere jetzt in der
Absicht des Finanzministers Dr. Miguel,
einem solchen Plan in irgend einer Weise
näher zu treten."
— Die Annahme, daß in Folge des
Entgegenkommens des Identitätsnach
weises bei der Getreideausfuhr
die konservativen Abgeordneten aus Ost
preußen für einen Handelsvertrag mit
Rußland stimmen würden, hat sich als irrig
erwiesen. Die ostpreußischen Mitglieder
des „Bundes der Landwirthe", die dem
Reichstage angehören, also die conservativen
Abgeordneten, haben erklärt, so lange gegen
den deutsch-russischen Handelsvertrag stimmen
zu wollen, bis die Doppelwährung gesichert
sei. — Unter solchen Umständen ist, da
auch die große Mehrheit der Centrums
partei und eine Reihe von nationalliberalen
Abgeordneten gegen den Vertrag stimmen
will, nicht recht einzusehen, wie der Vertrag
im Reichstage die Mehrheit gewinnen soll.
Es heißt, der letzte Kronrath habe sich auch
schon mit der Möglichkeit einer Auflösung
des Reichstages befaßt, falls der Handels
vertrag abgelehnt werden sollte. Der Kaiser
soll unbedingt entschlossen sein, den Vertrag
zur Annahme zu verhelfen und hat ans der
Bereitwilligkeit, im schlimmsten Fall den
Reichstag aufzulösen, kein Hehl gemacht.
Ein anderes Mittel gäbe es allerdings
nicht, aber ob hierüber schon Beschluß gefaßt
ist bleibt wohl besser dahingestellt.
Berlin, 15. Jan. Die „N. L. C."
schreibt: „Die ganzen Verhandlungen über
die Tabaksteuervorlage im Reichstage
haben, wie auch ein nur flüchtiger Blick
lehrt, vor einem beschlußunfähigen, ja
geradezu kümmerlich besetzten Hause statt
gefunden. Im Centrum sind die Entschlie
ßungen üder diese hochwichtige Frage von
nicht mehr als ein Viertel der Mitglieder
gefaßt worden. Am Sonnabend konnten
die Berathungen nur deshalb nicht zu Ende
geführt werden, weil die Sozialdemokraten
noch sprechen wollten und mit Auszählung
des Hauses drohten. Und mit dieser Theil-
nahmlosigkeit so vieler Abgeordneter ver-
gleiche man nun die unstreitig tiefgehende
Erregung im Volke. Das sind Zustände,
welche das Ansehen des Reichstages nicht
erhöhen können. Wenn die Wähler nun
doch einmal mehr und mehr imperative
Mandate aufzuerlegen für gut finden, so
sollten sie in erster Linie fordern, daß ihr
Abgeordneter ohne die allerzwingendste
Hinderung pflichtgetreu und ausdauernd an
seinem Platze ist."
es sehr gern, ich kam heute mit dem Wunsch,
Ihre Bekanntschaft zu machen."
Das junge Mädchen sah überrascht auf,
und mit diesem Blick nahm sie die Gräfin
völlig gefangen.
ilenia Bartuch setzte sich neben Tante
Lottchen — Dorothea war ausgegangen —
auf's Sopha und brachte ihre Bitten und
Wünsche auf so liebenswürdige und gewandte
Weise vor, daß das gute Fräulein gar nicht
„nein" sagen konnte. Sie fing damit an,
um ein paar Aquarelle von Lottchens und
ein paar Häkeleien von Dottchens Hand zu
bitten, und hörte damit auf, ihr Magelone
als „Assistenz" beim Verkauf ini Wohl-
thätigkeits-Bazar anzuvertrauen. Magelone^
crröthcte vor Vergnügen bei diesem Gedanken, s
(Fortsetzung folgt.)
— Die Augsburger „Abendztg." enthält
eine Privatmeldung, wonach das Befin
den des Fürsten Bismarck infolge
der Witterung wieder ungünstig sei. Zu
den heftigen neuralgischen Schmerzen habe
sich ein starker Katarrh gesellt. Die Fol
gen der Kissinger Krankheit seien noch
nicht überwunden.
— Die Regierungsvorlage, betreffend
die Bildung von Landwirthschafts
kammern, die dem Landtag unverzüglich
zugehen wird, bestimmt u. A., daß an einen
Grundsteuerertrag von 3 Mark an das
Wahlrecht geknüpft wird. Es sollen also
auch die Interessen der kleinsten Gespanne
Berücksichtigung finden. Die Wahlen sind
indirekt. Ein einzelner Großgrundbesitzer
kann ein Drittel aller Wahlmänner seines
Wahlkreises wählen. Unter die Aufgaben
der Landwirthschaftskammern ist die Frage
der Umwandlung kündbarer Hypotheken in
Amortisationsrenten aufgenommen.
— Als befreiende That preist die
„Germania" die Ablehnung der soge
nannten Reichssteuerreform in Verbindung
mit der sofortigen Abweisung auch der
wirthschaftlich und sozial verwerflichsten
der vorgelegten Einzelsteuerpläne. Die
Einzelregierungen hätten jetzt seit einem
Jahre die doppelte Erfahrung gemacht, daß
es mit den ewigen Steigerungen der Mili
tärlasten und den ewigen Steigerungen der
Steuerlasten so nicht mehr weiter geht!
— Ueber die rationelle Behandlung der
gefürchteten Seekrankheit giebt die soeben
zur Ausgabe gelangte Sanitätsordnung
für die deutsche Kriegsmarine folgende
Vorschriften: „In den meisten Fällen
wird die Seekrankheit allmählig durch Ge
wöhnung überwunden, bei schwächlicher
Körperanlage und bei vorhandenen Organ
leiden des Magens können jedoch durch
schwere Verdauungsstörungen und das
heftige unstillbare Erbrechen bedenkliche
Zustände herbeigeführt werden. Zur Vor
beugung empfiehlt sich der anhaltende Auf
enthalt auf Oberdeck, besonders mitschiffs
und die fortgesetzte Thätigkeit in frischer
Luft unter Anspannung der Willenskraft,
auch der Genuß von kleinen Mengen leicht
v erdaulich er Nahrungsmittel und von Alcohol
ist trotz des bestehenden Widerwillens
zweckmäßig. In schweren Fällen ist die
Rückenlage am besten in der Hängematte
und bei geschlossenen Augen dienlich, bis
größere Gewöhnung oder mäßigere Be
wegung des Schiffes eingetreten ist. Gegen
das anhaltende heftige Erbrechen erweisen
sich Eis, geeiste Getränke (Selterwasser
mit Cognac) und narkotische Mittel als
zweckdienlich."
Berlin, 15. Jan. Die „Achtstunden-
Brauerei" nennt man in den Arbeiter
kreisen ein Unternehmen, das angeblich ein
hiesiger Großkapitalist plant. Dieser soll
die Absicht haben, ein Brauereietablissement
zu gründen, in dem alle Forderungen der
modernen Arbeiterbewegung, besonders auch
der achtstündige Arbeitstag, bewilligt werden
sollen. Als Arbeiter sollen gerade die
anderwärts wegen ihrer politischen Thätig
keit gemaßregelten Kräfte angestellt werden.
Der Unternehmer soll ferner beabsichtigen,
mehrere große Säle zu bauen, in denen
die Arbeiter Versammlungen abhalten können,
ohne gezwungen zu sein, etwas zu verzehren.
Berlin, 15. Januar. Maximilian
Harden ist wegen öffentlicher Beleidigung
des Reichskanzlers in 2 Fällen unter Auf
erlegung der Prozeßkosten zu 600 Mark
Geldstrafe verurtheilt worden. In der
Begründung des Urtheils heißt es, der
Angeklagte drücke in dem Artikel „Das
Caprivi-Denkmal", der als Satyre die
Aufgabe haben sollte, die Thorheiten der
Zeit zu verhöhnen, eine Mißachtung des
Reichskanzlers aus. Der Zweck sei, den
Reichskanzler lächerlich zu machen. Der
Artikel sei objectiv beleidigend. Auch in
dem zweiten Artikel „Die Bilanz des
neuen Curses" sei durch eine Bezeichnung
des Reichskanzlers - als Executivbeamten
oie Absicht ausgesprochen, den Reichskanzler
zu verkleinern, zu verspotten und als un
fähig darzustellen.
— Die Ablehnung der Prämiirung des
Sybel'schen Werkes ist kürzlich erfolgt;
dagegen dementirt die „Nat.-Ztg.", daß
Prof. Sybel seine Entlassung eingereicht
habe.
— Ein Pistolenduell hat am Montag
Morgen in der Jungfernhaide zwischen
einem angesehenen Fabrikanten C. in
Schöneberg und einem Dr. Römer statt
gefunden. Wie uns berichtet wird. stürzte
Dr. Römer beim letzten Kugelwechsel
tödtlich getroffen nieder. Er verstarb
kurze Zeit darauf an Verblutung und
wurde auf Anordnung der anwesenden
Aerzte nach dem Leichenschauhanse gebracht,
während C. sich sofort nach Moabit begab,
um sich der Königlichen Staatsanwaltschaft
zu stellen. Dr. Römer stammt aus einer
angesehenen Familie aus Neustrelitz und
wohnte erst seit kurzem hier in der Branden
burgerstraße. Ueber den Anlaß zu dem
Duell, welches unter harten Bedingungen
vereinbart war, verlautet bisher noch nichts.
Der Gegner Dr. Römers heißt de la Croix
und ist Inhaber der Militärausrustungs-
fabrik von G. Scholz Nachfolger in der
Kolonnenstraße in Schöneberg.
— Prof, von Bergmann hat, wie bieļ
Voss. Ztg " hört, gestern in seiner
Privatklinik eine Operation an dem
Kardinal-Erzbischof von Sevilla, Benito
San; y Forez vollzogen. Zu der Operation
war auf dem Drathwege aus Rom der
päpstliche Segen eingetroffen. Bon dem
glücklichen Verlauf der Operation (es
handelte sich um die Beseitigung eines
Geschwürs im Gesicht) wurden drahtlich
die Königin-Regentin von Spanien, der
Papst und zahlreiche kirchliche und welt
liche Würdenträger in Spanien in Kennt
niß gesetzt.
— Eine Versammlung streikender
Droschkenkutscher und Sozialdemo
kraten beschloß unter Zustimmung der Ge
werkschaftskommission, welche die Unter
stützung aller Arbeiter zusagte, den Streik
auf sämmtliche Fuhrherren auszudehnen,
die neben anderen Droschken auch Taxa
meterdroschken besitzen.
Mit einer Untergrund-Bahn soll jetzt in
Berlin ein kleiner Versuch gemacht werden,
der immerhin eine Drittel Million kosten
wird. Bewährt sich derselbe, dann sollen
zwei größere Tiefbahnen angelegt werden.
Köln, 14. Jan. Der „Köln. Ztg." wird
aus Petersburg gemeldet: Das Verkehrs
ministerium hat, wie verlautet, 250 Loko
Motiven und mehrere Tausend Wagen im
Auslande bestellt. Da wegen des Zoll
krieges der bisherige Hauptlieferant Deutsch
land umgangen wurde, fiel der Haupt
antheil der Aufträge Oesterreich zu, der
Rest Belgien.
In Köln ist eine Falschmünzerwerkstatt
entdeckt worden, welche silberne Ein- und
Fünfmarkstücke nachahmte, und zwar genau
in dem Silbergehalt der echten Markstücke.
Der Vortheil der Falschmünzer besteht
darin, daß der Silberwerth der Markstücke
zur Zeit nur die Hälfte des Nennwerthes
der Markstücke beträgt." Der Falschmünzer
wurde auf frischer That ertappt. Es wurde
eine vollständige Prägeanstalt gefunden, in
welcher sich u. a. auch eine große zum
Prägen benutzte Balancirpresse befand.
Die vorgefundenen, ausgezeichnet ausge
führten Matrizen und die Maschinen, sowie
ein Säckchen fertiger Falschstücke wurden
in Beschlag genommen.
Eine städtische Biersteuer will der
Biagistrat in Hannover einführen. Nach
dem „Hannov. Courier" will man damit
200000 Ji Einnahme erzielen und dafür
die städtische Abgabe um 20 pCt. ermäßigen.
Breslau, 14. Jan. Großes Aufsehen
erregt ein jetzt publizirtes Testament eines
jüngst im Zuchthause verstorbenen, für
völlig vermögenslos gehaltenen, Getreide
händlers Scheffler. Er hat das Testament
unmittelbar nach seiner, wegen Ermordung
seiner Geliebten, erfolgten Verurtheilung
zum Tode rechtskräftig zu Protokoll ge
geben. Er hinterläßt ein sehr großes Ver
mögen und vermacht sämmtlichen Gefängniß
beamten Legate bis zu 5000 Mk., der
Heildiener Bild erhielt 2500, der Rechts
anwalt Schreiber 3000 Mk.
Löbau, 15. Jan. In nichts geringen
Schrecken wurde der Tischler H. aus S.
durch folgenden von der „Danz. Z." er
zählten, Vorfall versetzt. Die Mutter des
Besitzers P. war gestorben, und Ersterer
sollte an der Leiche Maß zum Sarge neh
men. Als er sich hierzu anschickte, begann
die Leiche sich plötzlich zu rühren; entsetzt
lief der Tischler davon und verlor sogar
für mehrere Stunden die Sprache. Als
der Besitzer, der sich während des Vorfalles
in Löbau befand, heimkehrte, kam er der
Sache bald auf die Spur. Unter der
Leichendecke hatte eine Katze Platz genom
men und die Leiche sogar angefressen und
sie hatte durch ihr Rühren den Tischler so
in Schrecken versetzt.
Ryslowitz, 15. Jan. In den benach
barten russischen Grenzstädten Rudnik und
Praßka wurden soeben mehrere russische
Postbeamte plötzlich verhaftet. Sie stehen
unter dem Verdacht, nihilistische Flugblätter
an die Warschauer Studentenschaft befördert
zu haben. Mehrere angesehene Bürger
aus Praska, die Beihilfe geleistet haben,
sind geflüchtet. — Hier ist in diesem Jahre
bereits der dritte Fall asiatischer Cholcra
(der zweite mit tödtlichem Ausgang) vor
gekommen. Ein Fleischergeselle ist dieser
Seuche zum Opfer gefallen.
Wanne i. Wests., 14. Jan. Mehrere
Frauen von Bickern und Wanne veröffent
lichen in der „Emscher Ztg." folgendes
Eingesandt: „Es ist schon lange unser
sehnlichster Wunsch gewesen, daß jeden
Abend die Wirthshäuser pünktlich geschlossen
werden, um unsere Ruhe haben zu können;
aber es bleibt hier immer noch beim Alten,
obgleich seit Jahresfrist die Beamtenschaft
vermehrt worden ist. Wir verlangen aber,
daß Ruhe und Ordnung herrscht, und
bitten daher die Beamten, strengstens gegen
jeden Unfug und gegen jede Nebertretung
einzuschreiten, anderenfalls wir uns höheren
Orts beschweren müssen." Das läßt ja
tief blicken!
Das Seitens des Bürgermeisteramts
Solingen erfolgte Verbot des Vornamens
Emma hat soeben im Elsaß wieder einmal
ein interessantes Seitenstück erfahren. Ein
Apotheker in Barr wollte sein Töchterchen
auf den Namen Jenny taufen lassen. Sein
Antrag wurde sowohl Seitens des Bür
germeisters Barr als seitens der Kreis
direktion unter dem Hinweis abgelehnt,
der Name Jenny sei — ein Fremdwort.
Der Zufall will es, daß Jenny einer der
Vornamen ist, welche die deutsche Kaiseà
führt.
Das Städtchen Klingenberg am Main
zieht aus seinen Thongruben soviel Geld,
daß die Bürger nicht nur keine Steuern
zahlen, sondern jährlich aus der Stadtkasse
eine hübsche Summe erhalten. Im letzten
Jahre hat sogar Jeder zur Ableistung
seiner Militärpflicht eingezogene Bürger
sohn der Stadt Klingenberg aus der Ge
meindekaffe ein Weihnachtsgeschenk von
15 Mk. erhalten.
Die pädagogische Zeitung berichtet:
„Die Königl. Regierung zu Marienwerder
hat den städtischen Behörden zu Konitz
angezeigt, daß die dortige höhere Mäd
chenschule geschlossen wird, falls
nicht innerhalb der gestellten Frist die Re-
gulirung der Gehälter der Lehrer und
Lehrerinnen an den Volksschulen der Stadt
erfolgt. Der Monatszuschuß von über
3000 Mk. pro Jahr ist der Kommüne
bereits entzogen worden.
Der Bahnmeister Stöß in Dirschan war
mit den Vorbereitungen zum Weihnachts
feste beschäftigt. Schwer lag das Töchter
chen noch an der Diphtheritis darnieder,
aber es befand sich bereits auf dem Wege
der Besserung. In der Freude hierüber
küßte der Vater sein Töchterchen auf den
Mund. Nach 4 Tagen war der kräftige
Mann eine Leiche.
Mannheim, 15.1 Jan. Der Offenburger
Postdieb wurde in der Person des Kutschers
Bährle von hier festgenommen. Die ge-
stohlenen Werthsachen wurden fast sämmt
lich vorgefunden.
Bayreuth, 14. Jan. Die Landwirthe
aus unserer Umgegend haben bei der letzten
Reichstagswahl fast durchweg für den
nationalliberalen Kandidaten Beyerlein,
also für die Militärvorlage, gestimmt.
Jetzt bereuen sie das. Denn man verlangt
von ihnen zur Anlage eines großen Mili-
tär-Uebungsplatzes in der Nähe von Bay
reuth die Abtretung eines riesigen Com
plexes Ackerland, das zur 12. bis 14.
Qualitätsklasse gehört und bis 100 Mk.
Pacht pro Tagwerk eintrug. Mit aller
Energie widersetzten sie sich dieser Auffor-
derung, allein es wird ihnen wenig Helsen;
schon jetzt wird mit dem Enteignungsver-
fahren gedroht. Drei Ortschaften sind be-
troffen; sie erklären, daß die Anlage des
Uebungsplatzes ihr Ruin sein werde und
wollen in der am Sonntag in Oberkonners
reuth stattfindenden Bauernversammlung
öffentlich Protest erheben.
Ans Elsaß-Lothringen, 14. Jan. Von
einem eigenthümlichen Wachvergehen weiß
das „Straßb. Tagebl." zu berichten. Ein
Soldat des Infanterie-Regiments Nr. 143,1
der bei dem Fort Bosse in der Nähe von
Kehl Wache zu stehen hatte, suchte sich die
Langeweile des Wachdienstes damit zu ver
treiben, daß er — Schlittschuhe lief. Er
wurde von dem Offizier der Ronde be-
troffen, arretirt und wird nun Gelegenheit
erhalten, über die Unverträglichkeit von
Eissport und Wachedienst nachzudenken.
Lübeck, 14. Jan. Die hiesigen Wirthe
sind sehr unzufrieden darüber, daß eine
ganze Reihe von Vereinen, die bisher in
den besseren Restaurants tagten, sich nach
und nach dem Gesellschaftshause der gemein
nützigen Gesellschaft, das Privateigenthum
der letzteren ist, gezogen haben. Sie füh
len sich dadurch in ihren Interessen geschä
digt und wollen zunächst versuchen, sich in
Güte mit der Direktion der Gesellschaft
auseinanderzusetzen. Ebenfalls wollen sie
an die Freimaurerlogen herantreten und
diese auffordern, künftig nicht niehr Privat
Hochzeiten rc. in den Logenräumen abhalten
zu lassen.
Hamburg, 15. Jan. Der Kaiser hat
Veranlassung genommen, dem Senator W
O'Swald zu seinem 25jährigen Jubiläum
ein Glückwunschtelegramm zu senden. Der
Kaiser hebt in demselben hervor: „Ich
glaube im Sinne meines Großvaters Kaiser
Wilhelm 1. zu handeln, welcher dem Hause
O'Swald stets mit Huld zugethan war."
Es darf daran erinnert werden, daß es das
Haus O'Swald war, welches im Jahre
1848 die Flucht des damaligen Prinzen
Wilhelm von Preußen nach England be-
günstigste und ihn unbemerkt mit einem
Dampfer nach London entführte. — Ein
äußerst frecher Einbruch wurde in das be
deutende Waarengeschäft von Carl Tiefen
thal, Hermannstraße, ausgeführt. Es wurden
an 50000 uHa der werthvollsten Waaren
gestohlen und scheinen die Diebe die Waaren
in 4 große Koffer des Lagers verpackt zu
haben.
Hamburg, 14. Januar. Der Parteitag der
freisinnigen Volkspartei wurde gestern
Abend 8 Uhr in Hornhardt's Etablryement mit
einem Kommers eröffnet, an dem etwa 2000
Personen theiluahmen. Bald nach der angesetzten
Anfangsstunde erschien der Reichstagsabgeordnete
E u g e n R i ch t e r und wurde mit lang anhal
tendem Hurrah begrüßt. Nach kurzen Begriißungs-
worten des Vorsitzenden bestieg unter ungeheuren
Jubel der Anwesenden Eugen Richter die Redner
tribüne und führte in reichlich einstiindiger Rede
etwa Folgendes aus: Fast 10 Jahre seien ver
gangen, seit er zum letzten Mal die Parteigenossen
in Hamburg begrüßt habe; damals habe er von
Bismarcks „Schweinepolitik" mit Beziehung auf
den Einfuhrzoll für Schweine gesprochen, em
Ausdruck, der auf des Fürsten ganze Politik be
zogen, ihm noch lange nachgetragen worden lei.
Wie jene Idee Bismarcks, seien schon seitdem
manche andere dahingegangen, und die Prophe
zeiungen, welche die Fortschrittspartei damals
ausgesprochen hätte, seien in Erfüllung gegangen.
Das sei auch in der Kolonialpolitik der Fall,
in Afrika herrsche nun nicht mehr, wie man es
sich einst in Hamburg gedacht, der „königliche
Kaufmann", sondern der schneidige, thatendurstige
Offizier. Wir wollen am liebsten gar kein Afrika!
Es kam das Septennat, die Auflösung des Reichs
tages, Thronwechsel und Bismarck's Abdankung.
Wiederum ist es jetzt eine militärische Forderung,
die uns neue Steuern gebracht hat; die Militär-
vorlage hat aber noch Schlimmeres im Gefolge
gehabt: die Spaltung der Partei. Um die Zukunft
der Partei zu retten, mußten wir die Elemente
ausscheiden, welch« für die Militärvorlage stimmen
wollten. Daß das für die Wahlen nicht günstig
sein würde, wußten wir wohl; wir sind aus der
Wahlschlacht wohl geschlagen, aber nicht entmuthigt
hervorgegangen. Jetzt haben wir die Aufgabe,
uns gegen "die Steuerprojekte zu wenden: die
Tabaksteuer, die Weinsteuer und die Quittungs-
fteuet. In Geldsachen hört die Gemüthlichkeit auf,
und so sind wir gegen alle Steuern, ehe nicht
andere Steuern rentabler gemacht, z. B. die
Liebesgabe für die Brenner aufgehoben ist. Ich
kann Ihnen nun heute Abend mittheilen, daß
zwei Drittel der durch die Steuerprojekte drohen
den Gefahr beseitigt ist. (Brausender, anhaltender
Beifall.) Von der Weinsteuer wird wohl nur eine
Flaschensteuer auf Schaumwein übrig bleiben.
Die Tabaksteuer ist gefallen durch die "Erklärung
des Centrums, daß es für diese Steuer nicht zu
haben sei; sie wird zwar noch an die Kommission
verwiesen werden, aber das ist nur ein Begräbnitz
erster Klaffe. Es wird höchsten eine Steuer auf
ausländische Tabakfabrikate übrig bleiben. Die
Wahrscheinlichkeit, daß die Börsensteuer ange
nommen wird, haben die Bankiers durch ihre
regierungsfreundliche Agitation bei den Wahlen
selbst verschuldet; der Kampf gegen die Quittungs-,
Check- und Frachtbriefsteuer ist uns durch die
Erklärung der Hamburger Handelskammer sehr
schwer gemacht worden. Wir find auch gegen
diese Steuer, die eine bedeutende Rechtsunsicher
heit herbeiführen wird, und wollen nicht, daß der
edle Handelsstand in Junker- und Regierungs-
kreisen als ein Schmarotzerstand angesehen wird.
(Bravo.) Während wir so gegen die Regierung
f ront machen muffen, müssen wir bezüglich der
andelsverträge für die Regierung eintreten, wobei
es sich jetzt namentlich um den russischen Handels
vertrag handelt, bei der nicht nur wirthschaftliche,
sondern auch politische Fragen entschieden werden.
Wenn diesmal ein Handelsvertrag zu Stande
kommt mit Rußland, so geschieht das zum ersten
Male in diesem Jahrhundert; fällt aber der Ver
trag im Reichstage durch, so schließt sich Rußland
enger an Frankreich an, das allein keinen Krieg
mit uns anfängt, wohl aber im Bunde mit Ruß
land. Daß die Junker gegen diesen Handelsvertrag
kämpfen, geschieht, weil sie sehen, daß die Regie
rung gespalten ist. Redner kommt dann auf den
Antagonismus zwischen Caprivi und Miguel zu
sprechen und schließt mit der Versicherung, daß
auch hier die Freisinnigen den besten Standpunkt
für das Volk und das Gemeinwohl vertreten
hätten. Lauter Jubel folgte dieser Rede; beim
Kommers wurden noch viele Reden gehalten,
darunter auch eine solche auf Eugen Richter, die
nrit lautem Beifall aufgenommen wurde.
X. Hamburg, 15. Jan. Der Delegirten-
tag der freisinnigen Volkspartei, von etwa
150 Delegirten besucht, fand gestern hier-
selbst statt, die Verhandlungen wurden indeß
geheim geführt. So weit verlautet, wurde
dem Kieler Vorschlag, alle freisinnigen
Elemente Schleswig-Holsteins und Hamburg
zusammenzuhalten, abgelehnt unter der Mo-
tivirung, daß es in der Politik feine Dul
dung in gesellschaftlichem Sinne, sondern
nur die Erstrebung bestimmter praktischer
Ziele gebe, welche zu erreichen Hauptzweck
sei. Wir sind allerdings der Ansicht, daß
erst recht die Einmüthigkeit aller gleichge
sinnten Elemente im Staate gefördert wer
den müßte. — Es wurden 11 Vertrauens
männer für die Reichstagswahlkreise Ham
burg, Bremen und Lübeck, Schleswig-Hol
stein, den 16., 17., 18., 19. hannoverschen
Wahlkreis, den mecklenburgischen Wahlkreis,
die Fürstentyümer Lübeck und Ratzeburg
ernannt und der Statutenentwurf für die
Organisation des Hamburger Parteibezirks
angenommen. Aus dem Entwurf sind fol
gende wesentliche Punkte hervorzuheben:
Die Vertrauensmänner der genannten Kreise
treten alljährlich mindestens einmal zu
einem Bezirksparteitag zusammen. — Der
Vorstand besteht aus 5 Parteigenossen und
eben so viel Ersatzmännern, welche aus 5
verschiedenen Reichstagswahlkreisen gewählt
werden — ferner sind Mitglieder des Vor
standes die Reichstags- und Landtags-Ab
geordneten, welche den Bezirk in der frei
sinnigen Volkspartei vertreten und im Be-
zirk wohnen. —, Für die Parteigenoffen in
Schleswig-Holstein kann ein besonderer
Parteitag einberufen werden nach Maßgabe
der Beschlüsse derjenigen Mitglieder des
Vorstandes, welche in der Provinz Schles
wig-Holstein ihren Wohnsitz haben.
Provinzielles.
Das Königliche Kommerzkollegium in
Altona hat beschlossen, eine genaue Enquete
über den gegenwärtigen Stand des Jnn-
ungswesens in der Provinz Schleswig-
Holstein zu veranstalten, deren Resultat
dem Minister für Handel und Gewerbe in
einer Denkschrift überreicht werden soll.
Elmshorn, 15. Jan. Die Verhandlungen
zur Anlage einer Rennbahn in Elmshorn
nehmen den günstigsten Verlauf. Die
Stadt hat in geheimer Sitzung Mittel be-
willigt und über 5000 Ji sind bereits an
freiwilligen Beiträgen gezeichnet.
In Nenmünster wurden von den städti
schen Collegien zu Aufforstungszwecken, um
Arbeitslose zu beschäftigen, 1000 Mk. be-
willigt; jetzt sind für Januar für den
gleichen Zweck 2000 Mk. ausgesetzt.
Durch den Pferdehändler H. Frahm in
Gettorf sind in letzter Zeit in Angeln gegen
60 Pferde angekauft worden, die in diesen
Tagen abgenommen und an den Hamburger
Markt gesandt werden. Die gezahlten
Preise sind gegen das Vorjahr bedeutend
zurückgegangen und bewegen sich zwischen
600 und 950 Mk.
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