Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

Paris, 13. Jan. Der Sozialist Viviani 
überreichte heute Abend dem Präsidenten 
Carnot ein von 56 Deputirten unterzeich 
netes Gnadengesuch für Baillant. 
Paris, 15. Jan. Die Herzogin von 
Uzès hat versprochen, für die Tochter des 
Dynamitarden Baillant sorgen zu wollen, 
um das Andenken an ihren in Afrika ge 
fallenen Sohn dadurch zu ehren! Ist es 
da zu verwundern, wenn in Roubaix, Lyon 
und Marseille Kundgebungen zu Ehren 
Baillants stattfinden, infolge deren die Po 
lizei einschreiten und mehrfache Verhaftun 
gen vornehmen mußte? 
Belgien. 
Antwerpen, 13. Jan. Im hiesigen 
großen Jesuitenkloster brach gestern Nacht 
Feuer aus. Achtzig Mönche flüchteten halb 
angekleidet auf die Straße. Die Kloster 
kirche sammt vielen Kunstschätzen, insbe 
sondere die Kirchengemälde und die reiche 
Bibliothek, wurden ein Raub der Flammen. 
Hasselt, 13. Jan. Die durch den ver 
hafteten Beamten der hiesigen Nationalbank 
stelle Crougs gemachten Unterschlagungen 
sollen über 200000 Francs betragen. 
Sämmtliche Beamte der hiesigen Bankstelle 
sind entlassen und durch solche aus dem 
Brüsseler Hauptgeschäft ersetzt worden. Die 
alten Bücher wurden versiegelt und wan 
dern zur Prüfung ihres Inhalts nach 
Brüssel. 
Inland. 
— Finanzminister Miguel läßt durch 
seinen Offiziösen im „Hamb. Korrsp." er 
klären, daß er zwar gelegentlich Herrn 
von Diest-Daber anheim gegeben haben 
möge, seinen Plan in Betreff der Ein 
führung des Rohspiritusmonopols 
näher durchzuarbeiten und zur öffentlichen 
Erörterung zu stellen. Ein Engagement 
für das Projekt ist aber weder damals in 
irgend einer Weise eingegangen worden, 
noch liegt es insbesondere jetzt in der 
Absicht des Finanzministers Dr. Miguel, 
einem solchen Plan in irgend einer Weise 
näher zu treten." 
— Die Annahme, daß in Folge des 
Entgegenkommens des Identitätsnach 
weises bei der Getreideausfuhr 
die konservativen Abgeordneten aus Ost 
preußen für einen Handelsvertrag mit 
Rußland stimmen würden, hat sich als irrig 
erwiesen. Die ostpreußischen Mitglieder 
des „Bundes der Landwirthe", die dem 
Reichstage angehören, also die conservativen 
Abgeordneten, haben erklärt, so lange gegen 
den deutsch-russischen Handelsvertrag stimmen 
zu wollen, bis die Doppelwährung gesichert 
sei. — Unter solchen Umständen ist, da 
auch die große Mehrheit der Centrums 
partei und eine Reihe von nationalliberalen 
Abgeordneten gegen den Vertrag stimmen 
will, nicht recht einzusehen, wie der Vertrag 
im Reichstage die Mehrheit gewinnen soll. 
Es heißt, der letzte Kronrath habe sich auch 
schon mit der Möglichkeit einer Auflösung 
des Reichstages befaßt, falls der Handels 
vertrag abgelehnt werden sollte. Der Kaiser 
soll unbedingt entschlossen sein, den Vertrag 
zur Annahme zu verhelfen und hat ans der 
Bereitwilligkeit, im schlimmsten Fall den 
Reichstag aufzulösen, kein Hehl gemacht. 
Ein anderes Mittel gäbe es allerdings 
nicht, aber ob hierüber schon Beschluß gefaßt 
ist bleibt wohl besser dahingestellt. 
Berlin, 15. Jan. Die „N. L. C." 
schreibt: „Die ganzen Verhandlungen über 
die Tabaksteuervorlage im Reichstage 
haben, wie auch ein nur flüchtiger Blick 
lehrt, vor einem beschlußunfähigen, ja 
geradezu kümmerlich besetzten Hause statt 
gefunden. Im Centrum sind die Entschlie 
ßungen üder diese hochwichtige Frage von 
nicht mehr als ein Viertel der Mitglieder 
gefaßt worden. Am Sonnabend konnten 
die Berathungen nur deshalb nicht zu Ende 
geführt werden, weil die Sozialdemokraten 
noch sprechen wollten und mit Auszählung 
des Hauses drohten. Und mit dieser Theil- 
nahmlosigkeit so vieler Abgeordneter ver- 
gleiche man nun die unstreitig tiefgehende 
Erregung im Volke. Das sind Zustände, 
welche das Ansehen des Reichstages nicht 
erhöhen können. Wenn die Wähler nun 
doch einmal mehr und mehr imperative 
Mandate aufzuerlegen für gut finden, so 
sollten sie in erster Linie fordern, daß ihr 
Abgeordneter ohne die allerzwingendste 
Hinderung pflichtgetreu und ausdauernd an 
seinem Platze ist." 
es sehr gern, ich kam heute mit dem Wunsch, 
Ihre Bekanntschaft zu machen." 
Das junge Mädchen sah überrascht auf, 
und mit diesem Blick nahm sie die Gräfin 
völlig gefangen. 
ilenia Bartuch setzte sich neben Tante 
Lottchen — Dorothea war ausgegangen — 
auf's Sopha und brachte ihre Bitten und 
Wünsche auf so liebenswürdige und gewandte 
Weise vor, daß das gute Fräulein gar nicht 
„nein" sagen konnte. Sie fing damit an, 
um ein paar Aquarelle von Lottchens und 
ein paar Häkeleien von Dottchens Hand zu 
bitten, und hörte damit auf, ihr Magelone 
als „Assistenz" beim Verkauf ini Wohl- 
thätigkeits-Bazar anzuvertrauen. Magelone^ 
crröthcte vor Vergnügen bei diesem Gedanken, s 
(Fortsetzung folgt.) 
— Die Augsburger „Abendztg." enthält 
eine Privatmeldung, wonach das Befin 
den des Fürsten Bismarck infolge 
der Witterung wieder ungünstig sei. Zu 
den heftigen neuralgischen Schmerzen habe 
sich ein starker Katarrh gesellt. Die Fol 
gen der Kissinger Krankheit seien noch 
nicht überwunden. 
— Die Regierungsvorlage, betreffend 
die Bildung von Landwirthschafts 
kammern, die dem Landtag unverzüglich 
zugehen wird, bestimmt u. A., daß an einen 
Grundsteuerertrag von 3 Mark an das 
Wahlrecht geknüpft wird. Es sollen also 
auch die Interessen der kleinsten Gespanne 
Berücksichtigung finden. Die Wahlen sind 
indirekt. Ein einzelner Großgrundbesitzer 
kann ein Drittel aller Wahlmänner seines 
Wahlkreises wählen. Unter die Aufgaben 
der Landwirthschaftskammern ist die Frage 
der Umwandlung kündbarer Hypotheken in 
Amortisationsrenten aufgenommen. 
— Als befreiende That preist die 
„Germania" die Ablehnung der soge 
nannten Reichssteuerreform in Verbindung 
mit der sofortigen Abweisung auch der 
wirthschaftlich und sozial verwerflichsten 
der vorgelegten Einzelsteuerpläne. Die 
Einzelregierungen hätten jetzt seit einem 
Jahre die doppelte Erfahrung gemacht, daß 
es mit den ewigen Steigerungen der Mili 
tärlasten und den ewigen Steigerungen der 
Steuerlasten so nicht mehr weiter geht! 
— Ueber die rationelle Behandlung der 
gefürchteten Seekrankheit giebt die soeben 
zur Ausgabe gelangte Sanitätsordnung 
für die deutsche Kriegsmarine folgende 
Vorschriften: „In den meisten Fällen 
wird die Seekrankheit allmählig durch Ge 
wöhnung überwunden, bei schwächlicher 
Körperanlage und bei vorhandenen Organ 
leiden des Magens können jedoch durch 
schwere Verdauungsstörungen und das 
heftige unstillbare Erbrechen bedenkliche 
Zustände herbeigeführt werden. Zur Vor 
beugung empfiehlt sich der anhaltende Auf 
enthalt auf Oberdeck, besonders mitschiffs 
und die fortgesetzte Thätigkeit in frischer 
Luft unter Anspannung der Willenskraft, 
auch der Genuß von kleinen Mengen leicht 
v erdaulich er Nahrungsmittel und von Alcohol 
ist trotz des bestehenden Widerwillens 
zweckmäßig. In schweren Fällen ist die 
Rückenlage am besten in der Hängematte 
und bei geschlossenen Augen dienlich, bis 
größere Gewöhnung oder mäßigere Be 
wegung des Schiffes eingetreten ist. Gegen 
das anhaltende heftige Erbrechen erweisen 
sich Eis, geeiste Getränke (Selterwasser 
mit Cognac) und narkotische Mittel als 
zweckdienlich." 
Berlin, 15. Jan. Die „Achtstunden- 
Brauerei" nennt man in den Arbeiter 
kreisen ein Unternehmen, das angeblich ein 
hiesiger Großkapitalist plant. Dieser soll 
die Absicht haben, ein Brauereietablissement 
zu gründen, in dem alle Forderungen der 
modernen Arbeiterbewegung, besonders auch 
der achtstündige Arbeitstag, bewilligt werden 
sollen. Als Arbeiter sollen gerade die 
anderwärts wegen ihrer politischen Thätig 
keit gemaßregelten Kräfte angestellt werden. 
Der Unternehmer soll ferner beabsichtigen, 
mehrere große Säle zu bauen, in denen 
die Arbeiter Versammlungen abhalten können, 
ohne gezwungen zu sein, etwas zu verzehren. 
Berlin, 15. Januar. Maximilian 
Harden ist wegen öffentlicher Beleidigung 
des Reichskanzlers in 2 Fällen unter Auf 
erlegung der Prozeßkosten zu 600 Mark 
Geldstrafe verurtheilt worden. In der 
Begründung des Urtheils heißt es, der 
Angeklagte drücke in dem Artikel „Das 
Caprivi-Denkmal", der als Satyre die 
Aufgabe haben sollte, die Thorheiten der 
Zeit zu verhöhnen, eine Mißachtung des 
Reichskanzlers aus. Der Zweck sei, den 
Reichskanzler lächerlich zu machen. Der 
Artikel sei objectiv beleidigend. Auch in 
dem zweiten Artikel „Die Bilanz des 
neuen Curses" sei durch eine Bezeichnung 
des Reichskanzlers - als Executivbeamten 
oie Absicht ausgesprochen, den Reichskanzler 
zu verkleinern, zu verspotten und als un 
fähig darzustellen. 
— Die Ablehnung der Prämiirung des 
Sybel'schen Werkes ist kürzlich erfolgt; 
dagegen dementirt die „Nat.-Ztg.", daß 
Prof. Sybel seine Entlassung eingereicht 
habe. 
— Ein Pistolenduell hat am Montag 
Morgen in der Jungfernhaide zwischen 
einem angesehenen Fabrikanten C. in 
Schöneberg und einem Dr. Römer statt 
gefunden. Wie uns berichtet wird. stürzte 
Dr. Römer beim letzten Kugelwechsel 
tödtlich getroffen nieder. Er verstarb 
kurze Zeit darauf an Verblutung und 
wurde auf Anordnung der anwesenden 
Aerzte nach dem Leichenschauhanse gebracht, 
während C. sich sofort nach Moabit begab, 
um sich der Königlichen Staatsanwaltschaft 
zu stellen. Dr. Römer stammt aus einer 
angesehenen Familie aus Neustrelitz und 
wohnte erst seit kurzem hier in der Branden 
burgerstraße. Ueber den Anlaß zu dem 
Duell, welches unter harten Bedingungen 
vereinbart war, verlautet bisher noch nichts. 
Der Gegner Dr. Römers heißt de la Croix 
und ist Inhaber der Militärausrustungs- 
fabrik von G. Scholz Nachfolger in der 
Kolonnenstraße in Schöneberg. 
— Prof, von Bergmann hat, wie bieļ 
Voss. Ztg " hört, gestern in seiner 
Privatklinik eine Operation an dem 
Kardinal-Erzbischof von Sevilla, Benito 
San; y Forez vollzogen. Zu der Operation 
war auf dem Drathwege aus Rom der 
päpstliche Segen eingetroffen. Bon dem 
glücklichen Verlauf der Operation (es 
handelte sich um die Beseitigung eines 
Geschwürs im Gesicht) wurden drahtlich 
die Königin-Regentin von Spanien, der 
Papst und zahlreiche kirchliche und welt 
liche Würdenträger in Spanien in Kennt 
niß gesetzt. 
— Eine Versammlung streikender 
Droschkenkutscher und Sozialdemo 
kraten beschloß unter Zustimmung der Ge 
werkschaftskommission, welche die Unter 
stützung aller Arbeiter zusagte, den Streik 
auf sämmtliche Fuhrherren auszudehnen, 
die neben anderen Droschken auch Taxa 
meterdroschken besitzen. 
Mit einer Untergrund-Bahn soll jetzt in 
Berlin ein kleiner Versuch gemacht werden, 
der immerhin eine Drittel Million kosten 
wird. Bewährt sich derselbe, dann sollen 
zwei größere Tiefbahnen angelegt werden. 
Köln, 14. Jan. Der „Köln. Ztg." wird 
aus Petersburg gemeldet: Das Verkehrs 
ministerium hat, wie verlautet, 250 Loko 
Motiven und mehrere Tausend Wagen im 
Auslande bestellt. Da wegen des Zoll 
krieges der bisherige Hauptlieferant Deutsch 
land umgangen wurde, fiel der Haupt 
antheil der Aufträge Oesterreich zu, der 
Rest Belgien. 
In Köln ist eine Falschmünzerwerkstatt 
entdeckt worden, welche silberne Ein- und 
Fünfmarkstücke nachahmte, und zwar genau 
in dem Silbergehalt der echten Markstücke. 
Der Vortheil der Falschmünzer besteht 
darin, daß der Silberwerth der Markstücke 
zur Zeit nur die Hälfte des Nennwerthes 
der Markstücke beträgt." Der Falschmünzer 
wurde auf frischer That ertappt. Es wurde 
eine vollständige Prägeanstalt gefunden, in 
welcher sich u. a. auch eine große zum 
Prägen benutzte Balancirpresse befand. 
Die vorgefundenen, ausgezeichnet ausge 
führten Matrizen und die Maschinen, sowie 
ein Säckchen fertiger Falschstücke wurden 
in Beschlag genommen. 
Eine städtische Biersteuer will der 
Biagistrat in Hannover einführen. Nach 
dem „Hannov. Courier" will man damit 
200000 Ji Einnahme erzielen und dafür 
die städtische Abgabe um 20 pCt. ermäßigen. 
Breslau, 14. Jan. Großes Aufsehen 
erregt ein jetzt publizirtes Testament eines 
jüngst im Zuchthause verstorbenen, für 
völlig vermögenslos gehaltenen, Getreide 
händlers Scheffler. Er hat das Testament 
unmittelbar nach seiner, wegen Ermordung 
seiner Geliebten, erfolgten Verurtheilung 
zum Tode rechtskräftig zu Protokoll ge 
geben. Er hinterläßt ein sehr großes Ver 
mögen und vermacht sämmtlichen Gefängniß 
beamten Legate bis zu 5000 Mk., der 
Heildiener Bild erhielt 2500, der Rechts 
anwalt Schreiber 3000 Mk. 
Löbau, 15. Jan. In nichts geringen 
Schrecken wurde der Tischler H. aus S. 
durch folgenden von der „Danz. Z." er 
zählten, Vorfall versetzt. Die Mutter des 
Besitzers P. war gestorben, und Ersterer 
sollte an der Leiche Maß zum Sarge neh 
men. Als er sich hierzu anschickte, begann 
die Leiche sich plötzlich zu rühren; entsetzt 
lief der Tischler davon und verlor sogar 
für mehrere Stunden die Sprache. Als 
der Besitzer, der sich während des Vorfalles 
in Löbau befand, heimkehrte, kam er der 
Sache bald auf die Spur. Unter der 
Leichendecke hatte eine Katze Platz genom 
men und die Leiche sogar angefressen und 
sie hatte durch ihr Rühren den Tischler so 
in Schrecken versetzt. 
Ryslowitz, 15. Jan. In den benach 
barten russischen Grenzstädten Rudnik und 
Praßka wurden soeben mehrere russische 
Postbeamte plötzlich verhaftet. Sie stehen 
unter dem Verdacht, nihilistische Flugblätter 
an die Warschauer Studentenschaft befördert 
zu haben. Mehrere angesehene Bürger 
aus Praska, die Beihilfe geleistet haben, 
sind geflüchtet. — Hier ist in diesem Jahre 
bereits der dritte Fall asiatischer Cholcra 
(der zweite mit tödtlichem Ausgang) vor 
gekommen. Ein Fleischergeselle ist dieser 
Seuche zum Opfer gefallen. 
Wanne i. Wests., 14. Jan. Mehrere 
Frauen von Bickern und Wanne veröffent 
lichen in der „Emscher Ztg." folgendes 
Eingesandt: „Es ist schon lange unser 
sehnlichster Wunsch gewesen, daß jeden 
Abend die Wirthshäuser pünktlich geschlossen 
werden, um unsere Ruhe haben zu können; 
aber es bleibt hier immer noch beim Alten, 
obgleich seit Jahresfrist die Beamtenschaft 
vermehrt worden ist. Wir verlangen aber, 
daß Ruhe und Ordnung herrscht, und 
bitten daher die Beamten, strengstens gegen 
jeden Unfug und gegen jede Nebertretung 
einzuschreiten, anderenfalls wir uns höheren 
Orts beschweren müssen." Das läßt ja 
tief blicken! 
Das Seitens des Bürgermeisteramts 
Solingen erfolgte Verbot des Vornamens 
Emma hat soeben im Elsaß wieder einmal 
ein interessantes Seitenstück erfahren. Ein 
Apotheker in Barr wollte sein Töchterchen 
auf den Namen Jenny taufen lassen. Sein 
Antrag wurde sowohl Seitens des Bür 
germeisters Barr als seitens der Kreis 
direktion unter dem Hinweis abgelehnt, 
der Name Jenny sei — ein Fremdwort. 
Der Zufall will es, daß Jenny einer der 
Vornamen ist, welche die deutsche Kaiseà 
führt. 
Das Städtchen Klingenberg am Main 
zieht aus seinen Thongruben soviel Geld, 
daß die Bürger nicht nur keine Steuern 
zahlen, sondern jährlich aus der Stadtkasse 
eine hübsche Summe erhalten. Im letzten 
Jahre hat sogar Jeder zur Ableistung 
seiner Militärpflicht eingezogene Bürger 
sohn der Stadt Klingenberg aus der Ge 
meindekaffe ein Weihnachtsgeschenk von 
15 Mk. erhalten. 
Die pädagogische Zeitung berichtet: 
„Die Königl. Regierung zu Marienwerder 
hat den städtischen Behörden zu Konitz 
angezeigt, daß die dortige höhere Mäd 
chenschule geschlossen wird, falls 
nicht innerhalb der gestellten Frist die Re- 
gulirung der Gehälter der Lehrer und 
Lehrerinnen an den Volksschulen der Stadt 
erfolgt. Der Monatszuschuß von über 
3000 Mk. pro Jahr ist der Kommüne 
bereits entzogen worden. 
Der Bahnmeister Stöß in Dirschan war 
mit den Vorbereitungen zum Weihnachts 
feste beschäftigt. Schwer lag das Töchter 
chen noch an der Diphtheritis darnieder, 
aber es befand sich bereits auf dem Wege 
der Besserung. In der Freude hierüber 
küßte der Vater sein Töchterchen auf den 
Mund. Nach 4 Tagen war der kräftige 
Mann eine Leiche. 
Mannheim, 15.1 Jan. Der Offenburger 
Postdieb wurde in der Person des Kutschers 
Bährle von hier festgenommen. Die ge- 
stohlenen Werthsachen wurden fast sämmt 
lich vorgefunden. 
Bayreuth, 14. Jan. Die Landwirthe 
aus unserer Umgegend haben bei der letzten 
Reichstagswahl fast durchweg für den 
nationalliberalen Kandidaten Beyerlein, 
also für die Militärvorlage, gestimmt. 
Jetzt bereuen sie das. Denn man verlangt 
von ihnen zur Anlage eines großen Mili- 
tär-Uebungsplatzes in der Nähe von Bay 
reuth die Abtretung eines riesigen Com 
plexes Ackerland, das zur 12. bis 14. 
Qualitätsklasse gehört und bis 100 Mk. 
Pacht pro Tagwerk eintrug. Mit aller 
Energie widersetzten sie sich dieser Auffor- 
derung, allein es wird ihnen wenig Helsen; 
schon jetzt wird mit dem Enteignungsver- 
fahren gedroht. Drei Ortschaften sind be- 
troffen; sie erklären, daß die Anlage des 
Uebungsplatzes ihr Ruin sein werde und 
wollen in der am Sonntag in Oberkonners 
reuth stattfindenden Bauernversammlung 
öffentlich Protest erheben. 
Ans Elsaß-Lothringen, 14. Jan. Von 
einem eigenthümlichen Wachvergehen weiß 
das „Straßb. Tagebl." zu berichten. Ein 
Soldat des Infanterie-Regiments Nr. 143,1 
der bei dem Fort Bosse in der Nähe von 
Kehl Wache zu stehen hatte, suchte sich die 
Langeweile des Wachdienstes damit zu ver 
treiben, daß er — Schlittschuhe lief. Er 
wurde von dem Offizier der Ronde be- 
troffen, arretirt und wird nun Gelegenheit 
erhalten, über die Unverträglichkeit von 
Eissport und Wachedienst nachzudenken. 
Lübeck, 14. Jan. Die hiesigen Wirthe 
sind sehr unzufrieden darüber, daß eine 
ganze Reihe von Vereinen, die bisher in 
den besseren Restaurants tagten, sich nach 
und nach dem Gesellschaftshause der gemein 
nützigen Gesellschaft, das Privateigenthum 
der letzteren ist, gezogen haben. Sie füh 
len sich dadurch in ihren Interessen geschä 
digt und wollen zunächst versuchen, sich in 
Güte mit der Direktion der Gesellschaft 
auseinanderzusetzen. Ebenfalls wollen sie 
an die Freimaurerlogen herantreten und 
diese auffordern, künftig nicht niehr Privat 
Hochzeiten rc. in den Logenräumen abhalten 
zu lassen. 
Hamburg, 15. Jan. Der Kaiser hat 
Veranlassung genommen, dem Senator W 
O'Swald zu seinem 25jährigen Jubiläum 
ein Glückwunschtelegramm zu senden. Der 
Kaiser hebt in demselben hervor: „Ich 
glaube im Sinne meines Großvaters Kaiser 
Wilhelm 1. zu handeln, welcher dem Hause 
O'Swald stets mit Huld zugethan war." 
Es darf daran erinnert werden, daß es das 
Haus O'Swald war, welches im Jahre 
1848 die Flucht des damaligen Prinzen 
Wilhelm von Preußen nach England be- 
günstigste und ihn unbemerkt mit einem 
Dampfer nach London entführte. — Ein 
äußerst frecher Einbruch wurde in das be 
deutende Waarengeschäft von Carl Tiefen 
thal, Hermannstraße, ausgeführt. Es wurden 
an 50000 uHa der werthvollsten Waaren 
gestohlen und scheinen die Diebe die Waaren 
in 4 große Koffer des Lagers verpackt zu 
haben. 
Hamburg, 14. Januar. Der Parteitag der 
freisinnigen Volkspartei wurde gestern 
Abend 8 Uhr in Hornhardt's Etablryement mit 
einem Kommers eröffnet, an dem etwa 2000 
Personen theiluahmen. Bald nach der angesetzten 
Anfangsstunde erschien der Reichstagsabgeordnete 
E u g e n R i ch t e r und wurde mit lang anhal 
tendem Hurrah begrüßt. Nach kurzen Begriißungs- 
worten des Vorsitzenden bestieg unter ungeheuren 
Jubel der Anwesenden Eugen Richter die Redner 
tribüne und führte in reichlich einstiindiger Rede 
etwa Folgendes aus: Fast 10 Jahre seien ver 
gangen, seit er zum letzten Mal die Parteigenossen 
in Hamburg begrüßt habe; damals habe er von 
Bismarcks „Schweinepolitik" mit Beziehung auf 
den Einfuhrzoll für Schweine gesprochen, em 
Ausdruck, der auf des Fürsten ganze Politik be 
zogen, ihm noch lange nachgetragen worden lei. 
Wie jene Idee Bismarcks, seien schon seitdem 
manche andere dahingegangen, und die Prophe 
zeiungen, welche die Fortschrittspartei damals 
ausgesprochen hätte, seien in Erfüllung gegangen. 
Das sei auch in der Kolonialpolitik der Fall, 
in Afrika herrsche nun nicht mehr, wie man es 
sich einst in Hamburg gedacht, der „königliche 
Kaufmann", sondern der schneidige, thatendurstige 
Offizier. Wir wollen am liebsten gar kein Afrika! 
Es kam das Septennat, die Auflösung des Reichs 
tages, Thronwechsel und Bismarck's Abdankung. 
Wiederum ist es jetzt eine militärische Forderung, 
die uns neue Steuern gebracht hat; die Militär- 
vorlage hat aber noch Schlimmeres im Gefolge 
gehabt: die Spaltung der Partei. Um die Zukunft 
der Partei zu retten, mußten wir die Elemente 
ausscheiden, welch« für die Militärvorlage stimmen 
wollten. Daß das für die Wahlen nicht günstig 
sein würde, wußten wir wohl; wir sind aus der 
Wahlschlacht wohl geschlagen, aber nicht entmuthigt 
hervorgegangen. Jetzt haben wir die Aufgabe, 
uns gegen "die Steuerprojekte zu wenden: die 
Tabaksteuer, die Weinsteuer und die Quittungs- 
fteuet. In Geldsachen hört die Gemüthlichkeit auf, 
und so sind wir gegen alle Steuern, ehe nicht 
andere Steuern rentabler gemacht, z. B. die 
Liebesgabe für die Brenner aufgehoben ist. Ich 
kann Ihnen nun heute Abend mittheilen, daß 
zwei Drittel der durch die Steuerprojekte drohen 
den Gefahr beseitigt ist. (Brausender, anhaltender 
Beifall.) Von der Weinsteuer wird wohl nur eine 
Flaschensteuer auf Schaumwein übrig bleiben. 
Die Tabaksteuer ist gefallen durch die "Erklärung 
des Centrums, daß es für diese Steuer nicht zu 
haben sei; sie wird zwar noch an die Kommission 
verwiesen werden, aber das ist nur ein Begräbnitz 
erster Klaffe. Es wird höchsten eine Steuer auf 
ausländische Tabakfabrikate übrig bleiben. Die 
Wahrscheinlichkeit, daß die Börsensteuer ange 
nommen wird, haben die Bankiers durch ihre 
regierungsfreundliche Agitation bei den Wahlen 
selbst verschuldet; der Kampf gegen die Quittungs-, 
Check- und Frachtbriefsteuer ist uns durch die 
Erklärung der Hamburger Handelskammer sehr 
schwer gemacht worden. Wir find auch gegen 
diese Steuer, die eine bedeutende Rechtsunsicher 
heit herbeiführen wird, und wollen nicht, daß der 
edle Handelsstand in Junker- und Regierungs- 
kreisen als ein Schmarotzerstand angesehen wird. 
(Bravo.) Während wir so gegen die Regierung 
f ront machen muffen, müssen wir bezüglich der 
andelsverträge für die Regierung eintreten, wobei 
es sich jetzt namentlich um den russischen Handels 
vertrag handelt, bei der nicht nur wirthschaftliche, 
sondern auch politische Fragen entschieden werden. 
Wenn diesmal ein Handelsvertrag zu Stande 
kommt mit Rußland, so geschieht das zum ersten 
Male in diesem Jahrhundert; fällt aber der Ver 
trag im Reichstage durch, so schließt sich Rußland 
enger an Frankreich an, das allein keinen Krieg 
mit uns anfängt, wohl aber im Bunde mit Ruß 
land. Daß die Junker gegen diesen Handelsvertrag 
kämpfen, geschieht, weil sie sehen, daß die Regie 
rung gespalten ist. Redner kommt dann auf den 
Antagonismus zwischen Caprivi und Miguel zu 
sprechen und schließt mit der Versicherung, daß 
auch hier die Freisinnigen den besten Standpunkt 
für das Volk und das Gemeinwohl vertreten 
hätten. Lauter Jubel folgte dieser Rede; beim 
Kommers wurden noch viele Reden gehalten, 
darunter auch eine solche auf Eugen Richter, die 
nrit lautem Beifall aufgenommen wurde. 
X. Hamburg, 15. Jan. Der Delegirten- 
tag der freisinnigen Volkspartei, von etwa 
150 Delegirten besucht, fand gestern hier- 
selbst statt, die Verhandlungen wurden indeß 
geheim geführt. So weit verlautet, wurde 
dem Kieler Vorschlag, alle freisinnigen 
Elemente Schleswig-Holsteins und Hamburg 
zusammenzuhalten, abgelehnt unter der Mo- 
tivirung, daß es in der Politik feine Dul 
dung in gesellschaftlichem Sinne, sondern 
nur die Erstrebung bestimmter praktischer 
Ziele gebe, welche zu erreichen Hauptzweck 
sei. Wir sind allerdings der Ansicht, daß 
erst recht die Einmüthigkeit aller gleichge 
sinnten Elemente im Staate gefördert wer 
den müßte. — Es wurden 11 Vertrauens 
männer für die Reichstagswahlkreise Ham 
burg, Bremen und Lübeck, Schleswig-Hol 
stein, den 16., 17., 18., 19. hannoverschen 
Wahlkreis, den mecklenburgischen Wahlkreis, 
die Fürstentyümer Lübeck und Ratzeburg 
ernannt und der Statutenentwurf für die 
Organisation des Hamburger Parteibezirks 
angenommen. Aus dem Entwurf sind fol 
gende wesentliche Punkte hervorzuheben: 
Die Vertrauensmänner der genannten Kreise 
treten alljährlich mindestens einmal zu 
einem Bezirksparteitag zusammen. — Der 
Vorstand besteht aus 5 Parteigenossen und 
eben so viel Ersatzmännern, welche aus 5 
verschiedenen Reichstagswahlkreisen gewählt 
werden — ferner sind Mitglieder des Vor 
standes die Reichstags- und Landtags-Ab 
geordneten, welche den Bezirk in der frei 
sinnigen Volkspartei vertreten und im Be- 
zirk wohnen. —, Für die Parteigenoffen in 
Schleswig-Holstein kann ein besonderer 
Parteitag einberufen werden nach Maßgabe 
der Beschlüsse derjenigen Mitglieder des 
Vorstandes, welche in der Provinz Schles 
wig-Holstein ihren Wohnsitz haben. 
Provinzielles. 
Das Königliche Kommerzkollegium in 
Altona hat beschlossen, eine genaue Enquete 
über den gegenwärtigen Stand des Jnn- 
ungswesens in der Provinz Schleswig- 
Holstein zu veranstalten, deren Resultat 
dem Minister für Handel und Gewerbe in 
einer Denkschrift überreicht werden soll. 
Elmshorn, 15. Jan. Die Verhandlungen 
zur Anlage einer Rennbahn in Elmshorn 
nehmen den günstigsten Verlauf. Die 
Stadt hat in geheimer Sitzung Mittel be- 
willigt und über 5000 Ji sind bereits an 
freiwilligen Beiträgen gezeichnet. 
In Nenmünster wurden von den städti 
schen Collegien zu Aufforstungszwecken, um 
Arbeitslose zu beschäftigen, 1000 Mk. be- 
willigt; jetzt sind für Januar für den 
gleichen Zweck 2000 Mk. ausgesetzt. 
Durch den Pferdehändler H. Frahm in 
Gettorf sind in letzter Zeit in Angeln gegen 
60 Pferde angekauft worden, die in diesen 
Tagen abgenommen und an den Hamburger 
Markt gesandt werden. Die gezahlten 
Preise sind gegen das Vorjahr bedeutend 
zurückgegangen und bewegen sich zwischen 
600 und 950 Mk. 
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