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Wo. 128.
Wontcrg, den 4. Juni
1894.
Morgen - Depeschen.
Kiel, 4. Juni. In der gestern 'hier
abgehaltenen Versammlung der Werftar-
beiter kam die Antwort des Reichsmarine-
Amts auf die Petition wegen der Arbeiterl
entlassung zur Verlesung. Die Antwort
lautet, es sei keine Arbeit vorhanden, weil
der Reichstag keine Gelder bewilligt habe.
Die Versammlung nahm eine Resolution
an, in der der Bescheid des Marineamts
nicht gebilligt und Beschwerde beim
Reichskanzleramt erhoben wird.
Mislowitz, 4. Juni. Hier sind 3 neue
Fälle asiatischer Cholera vorgekommen.
Ein vierjähriges Kind ist an der Seuche
gestorben.
Paris, 4. Juni. Bon mehr als 300
Abgeordneten, die von den früheren Freun
den Gambetta's zusammenberusen worden
waren, um in der Kammer eine besondere
Gruppe zu bilden, fanden sich nur etwa
100 ein. Infolgedessen erscheint das Zu>
standekommen dieser Gruppe sehr fraglich.
Paris, 4. Juni. Die Kammer wählte
in ihrer heutigen Sitzung Casimir-Perier
mit 229 Stimmen zum Präsidenten.
Bourgeois erhielt 187, Meline 30 Stimmen.
Belgrad, 4. Juni. König Alexander
hat heute persönlich dem deutschen Gesandten
in Belgrad, v. Waechergotter, den Groß
kordon des Takora-Ordens überreicht.
Belgrad, 4. Juni. In hiesigen Re>
gierungskreisen ist man verstimmt, weil der
österreichische Gesandte am
hiesigen Hofe in den letzten Tagen in
seinem Verkehr mit der Regierung zu einer
schrofferen Tonart übergegangen ist und
dem Hofe gegenüber eine reservirte Haltung
einnimmt. Man glaubt, daß der Gesandte
von seiner Regierung eine diesbezügliche
Weisung erhalten hat.
London, 4. Juni. „Standard" schreibt,
die Erklärung Roseberys habe in politi-
schen Kreisen allgemeine Befriedigung her-
vorgerufen, daß keine europäische Macht
das Recht habe, gegen den zwischen Eng-
land und dem Congostaat abgeschlossenen
Vertrag zu protestiren.
Warschau, 4. Juni. Die russische Re-
gierung beabsichtigt mittelst besonderer Fonds
den russischen Adel zu veranlassen, nach
dem Vorbilde der preußischen Kolonisation
in Posen Güterankäufe in den Weichsel-
Gouvernements zu machen. Unter der pol
nischen Bevölkerung erregt die Absicht
tiefe Verstimmung.
Ausland.
Außereuropäische Gebiete.
In Colorado hat es 36 Stunden un
unterbrochen geregnet, infolge dessen große
Länderstrecken überschwemmt worden sind.
Der Schaden ist bedeutend. An mehreren
Stellen ist das Bahngeleise fortgespült
worden. In Pueblo schätzt man den Ver
lust auf 100,000 Dollars. Im Staate
Washington haben Ueberschwemmungen eben
falls großen Schaden angerichtet. — Späte
ren Nachrichten von Pueblo zufolge sollen
dort Tausende von Personen durch die
Ueberschwemmung obdachlos geworden sein.
Der Schaden wird auf 300,000 Dollars
veranschlagt.
Newyork, 1. Juni. Die Lage in dem
nordamerikanischen Streikrevier wird immer
ernster. Jeden Augenblick kann es zu
blutigem Kampfe zwischen dem Cheriff und
seinen Leuten und den bewaffneten Streckern
in Cripple Creek in Colorado kommen.
Beide Parteien rüsten sich bis an die Zähne.
Von Chikago ist eine Gatling-Kanone be
stellt worden, welche erforderlichenfalls gegen
die Streiter benutzt werden soll. Die
Streiker haben jetzt auch eine gegen 100
Mann zählende Abtheilung Reiterei orga-
nisirt. Ein früherer Schüler der Militär
akademie von West Point ist der Anführer
der Streiker. Ihm stehen drei oder vier
frühere deutsche Offiziere zur Seite. Die
Streiker wollen ein Fort auf dem Bull-
Berge erbauen.
Ncwyvrk, 2. Juni. Die Meldung von
dem Eisenbahnunglück in San Sal
vador wird bestätigt. Das Unglück traf
den Zug, mit dem sich der Präsident Ezeta
mit 1500 Mann Truppen am 3. Mai nach
Santa Anna begeben wollte. Das Unglück
wurde dadurch veranlaßt, daß die Jnsur-
genten die Schienen aufgerissen hatten.
Der Zug wurde vollständig zertrümmert.
200 Personen sollen getödtet und 120
verletzt sein.
Buenos Aires, I.Juni. Die Handels
convention zwischen Italien und Argen
tinien ist unterzeichnet worden. Dieselbe
stipulirt die gegenseitige Behandlung auf
dem Fuße einer meistbegünstigten Nation.
Türkei.
In Konstantinopel ist, auf der Fahrt
nach dem Berge Athos begriffen, eine ge
waltige Glocke angekommen, welche der
Zar dem Athoskloster geschenkt hat.
Die Glocke trägt zwei Inschriften. Die
eine besagt: „In Moskau, zur Zeit der
Regierung Alexanders des Dritten, wurde
ich gegossen und bin ein Andenken an die
glückliche Errettung der zarischen Familie
aus der Todesgefahr bei Borki am 17.
Oktober 1888." Die zweite Inschrift er
zählt: „Ich bin gegossen worden in der
Glockengießerei des Andrey Dmitrowitsch
Ssankin von dem Glockengießer Joachim
Worobew. Mein Gewicht beträgt 810
Pud."
Konstantinopcl, 2. Juni. Zwei Indi
viduen, die den armenischen Notablen Si
mon Bey Maxud überfallen und schwer
verwundet hatten, wurden zum Tode ver-
urtheili, zwei andere Theilnehmer wurden
zu acht bezw. vier Jahren Gefängniß ver-
urtheilt.
Italien.
Rom, 3. Juni. In der verflossenen
Nacht wurden hier einige 20 Anarchisten
verhaftet.
Rom, 2. Juni. Wie die „Agenzia Ste-
fani" mittheilt, verkündet ein königliches
Dekret heute die Aufhebung des Belagerungs
zustandes in Massacarrara und enthob den
General Heusch seinen Funktionen als
außerordentlicher Kommissar. — Das Mi
litärbullet in veröffentlicht die Ernennung
Heusch's zum Großoffizier der Krone von
Italien.
Rom, 2. Juni. Ministerpräsident Crispi
beantragte unter furchtbarer Erregung der
Kammer die Ernennung einer Kommission
von 8 Mitgliedern, die bis zum 30. Juni
ein Programm neuer Ersparnisse
ausarbeiten soll. Die Sitzung ist znr Ver
ständigung der Parteien über den Antrag
fuspendirt.
Rom, 2. Juni. Infolge der Verur-
theilung der revolutionären Führer durch
das Kriegsgericht in Palermo fanden
dort lärmende revolutionäre Denionstratiouen
statt, an denen besonders Studenten theil-
nahmen. Darauf wurde sofort die Uni
versität geschloffen, außerdem wurden um
fassende polizeiliche Maßregeln getroffen.
Auch in anderen Städten kam es zu
Kundgebungen. In Bologna wurde eine
Orsinibombe gegen die Polizei geschleudert,
die nur durch Zufall nicht explodirte, doch
wurde der Polizeicommissar durch die ge
worfene Bombe verletzt. Gestern wurden
wieder neue Verhaftungen studentischer Ele
mente vorgenommen.
Serbien.
Belgrad, 2. Juni. Die Königin Natalie
benachrichtigte ihre hiesigen Freunde, daß
sie den Skuptschiuabeschluß respektiren und
erst nach dem 14. August, wo König
Alexander faktisch die Volljährigkeit er
reicht, nach Serbien kommen wolle.
Spanien.
In Lcrida (Spanien) stürzte ein Theil
des Berges Nargo auf das Dorf Esplabais
ab, wodurch vierzehn Menschen getödtet
und mehrere schwer verwundet wurden.
Frankreich.
Paris, 2. Juni. In der Deputirtenkammer
hat sich heute eine neue republikanische
Gruppe, welche 'den Namen „Union pro
gressists" führt, gebildet.
Bulgarien.
Sofia, 2. Juni. Das Cabinet trat
heute zu einem Ministerrath zusammen
und notificirteden auswärtigen diplomatischen
Vertretern seine Constituirung. Es sind
hier sowie im ganzen Lande strenge Be
fehle zur Aufrechterhaltung der Ordnung
erlassen. Die Präfecten werden hierfür
verantlich gemacht. Die militärischen Be
fehlshaber sind angewiesen, den Civilbe-
hörden ihre Unterstützung zu leihen. Die
Polizei wurde überall durch Militär er
setzt. In Sofia sind sämmtliche Staats
gebäude mit Truppen besetzt. Nachdem
der gestrige Abend hier ruhig verlaufen
war, wurde es in der Nacht wieder be
lebter. Es bestätigt sich, daß der Vice-
präsident der Kammer, Milew, vor dem
Palais des Fürsten von einer Volksmenge
attackirt wurde; auch der Staatsanwalt
Dranow war Mißhandlungen ausgesetzt.
Petrow, welcher Nachmittags zu Wagen
die Straße passirte, wurde von einem
Volkshaufen insultirt. Im Laufe der
Nacht gab die Polizei wiederum Schüsse
auf die Menge ab. Die Cavallerie ver
hinderte schließlich ein weiteres Vorgehen
der Polizei, über das die-Bevölkerung
erbittert ist. Der Präsident der Sobranje
hätte, wie versichert wird, den Wunsch ge
äußert, ins Ausland zu reisen. — Eine
Proclamation fordert die Bevölkerung auf,
alle Demonstrationen aufzugeben. Der
Platzcommandant verbot jegliche Ansamm
lungen. Stoilow unterzeichnete ein Decret,
durch welches alle aus Anlaß der jüngsten
Kundgebung Jnternirten in Freiheit ge
setzt werden.
Sofia, 3. Juni. Die Lage ist sehr ernst.
Gerüchtweise wird schon die Verhängung
des Belagerungszustandes angekündigt.
Oesterreich.
Wien, 2. Juni. Die „Pol. Corresp."
meldet aus Sofia: Der Minister des
Auswärtigen, Natschowitsch, habe au die
diplomatischen Vertreter Bulgariens im
Auslande eine Zirkular-Depesche gerichtet,
in der betont wird, daß der Kabinetswechsel
ausschließlich durch Gründe der inneren
Politik herbeigeführt wurde und keinerlei
Aenderung hinsichtlich der auswärtigen Po
litik veranlassen werde.
Prag, 2. Juni. Gestern Abend wurde
ein Bursche bei dem Versuche, eine schwarz
gelbe doppelsprachige Straßentafel zu be
schmutzen von 2 Wachleuten ertappt. Der
Bursche floh und wurde ergriffen. Eine
große Menschenmenge, die sich angesammelt
hatte, warf Steine, Flaschen und Gläser
auf die Wachleute und entriß ihnen den
Verhafteten. Die Menge wurde von den
herbeieilenden Polizisten auseinander ge
trieben und eine Frau verhaftet.
Rcichenbcrg i. Böhmen, 2. Juni. Nach
dem „N. Görlitzer Anz." ermordete der
Butterhändler Gustav Honzeik in Albrech-
titz seinen einzigen Sohn. Der Mörder
erhängte sich im Gefängniß.
Belgien.
Brüssel, 2. Juni. Der Kongo st aat
verbürgt Deutschland die Aufrechterhaltung
der ganzen gegenwärtigen deutschen und
kongostaatlichen Grenze.
England.
London, 2. Juni. Bei der stattgehabten
Probe des Maximschen Panzers bewährte
sich dieser glänzend. Das Geschoß ver
mochte nicht den Panzer zu durchbohren,
während es dreiachtel Zoll tief in eine
Stahlplatte drang, Maxim erklärte, der
Panzer bestände aus einer dünnen, in be
sonderer Weise temperirten Stahlplatte.
Inland.
' Herr Miguel hat im preußischen
Herrenhause bei der Finanzdebatte wieder
Gelegenheit genommen, von der Nothwen
digkeit der Erhöhung der Einnahmen aus
Wein und Tabak zu sprechen und damit
von Neuem bekundet, mit welcher Zähig
keit er an seinem Finanzprogramm fest
hält, dessen Werth sowohl vom Volk als
von der Majorität des Reichstags bekannt
lich ernsthaft in Zweifel gezogen wird.
Es wird aber mit jedem Tage zweifelhafter,
ob er im Herbst mit seinen Vorlagen im
Reichstag mehr Glück haben wird, als in
der vorigen Session; wir glauben, das
im Gegentheil so manche von.denen, welche
bereit waren, für die Tabakfabrikatsteuer
zu stimmen, im Herbst anderer Meinung
sein werden. Dann werden nämlich schon
13)
Ällittt mi> lurile.
Historischer Roman von Gustav Lange.
Gestört durch die dumpfen Schritte der
bewaffneten Ritter, die klirrend aus den Hallen
herrübertönten, durch quälende Träume aus
dem Morgenschlummer, geweckt verließ sie
das Nachtlager in gleicher Beklemmung, wie
sie cs aufgesucht. Noch mehr aber steigerte
sich ihr ängstliches Gefühl als das Gärtner
mädchen Antonia, die sonst an anderen
Morgen nur erschien, um das Gemach ihrer
Herrin mit Blumen zu schmücken, mit zerstörtem
Gesicht eintrat und ihr einen Brief reichte
der, wie sie angab, mit Tagesanbruch durch
das geöffnete Fenster der Gärtnerwohnung
geworfen worden war.
Lange zögerte sic, die schützende Hülle von
dem Briefe zu entfernen, dann' als dies
geschehen und sie, wie cs schien mit einem
einzigen Blick den Inhalt desselben gelesen,
bedeckte Todtcnblässe ihr Antlitz, der Inhalt
des Briefes lautete:
„Römerin, Du hast nüt dem Feinde
verkehrt und Dein Volk verrathen; dies ist
nicht ungerächt geblieben und wenn Du
den Geliebten noch einmal sehen willst, so
suche ihn unten in dem schwarzen Thurme,
der blutbefleckten Höhle der Sünden Deines
Stammes. Wohl hatte ich ihn gewarnt,
aber die Jugend spottete der Weisheit und
dem Alter, deshalb kommt das Verderben
über ihn.
Der alte Zizzania."
„Rufe mir Gazza!" befahl Chiara der
Dienerin, nachdem sie den ersten Schreck
überwunden und allmählig ihre klare ruhige
Besinnung zurückkehrte." Er soll sofort hier
auf mein Zimmer kommen."
Gazza war der Gcheimschreiber des Mar
chese di Dragonito und Chiaras Milchbruder,
der Sohn eines armen Sbirren; früher der
Gespiele der Signora, war er wegen seiner
Anhänglichkeit an die Familie von dem
Marchese zu seinem jetzigen Posten erhoben
worden. Er war Chiara zugethan, wie alles
Hausgesinde, jedoch mehr als alle anderen
durch Gewohnheit aus der Kinderzeit und
aus Dankbarkeit, da sie ihm und seinen armen
Eltern schon sehr viel Gutes erwiesen.
Es währte nicht lange, so erschien der
Gerufene, dienstfertig wie immer, aber erschreckt
blieb er auf der Thürschwelle des Gemaches
stehen, als er Chiara bei seinem Eintritt
bleich und verstört auf sich zu wanken sah. —
„Ist cs wahr, Gazzo!" bestürmte sie den
Geheinischreiber mit hastiger Frage; „hat
man in dieser Nacht einen deutschen Ritter
in den schwarzen Thurm eingesperrt und hat
man ihn schon ermordet?"
Der Gefragte stand einen Augenblick be
troffen da und es währte eine geraume Weile,
bevor seine zitternden Lippen sich öffneten.
„Wie, Ihr wißt schon davon, Herrin?
Wer überbrachte Euch diese Kunde gegen des
Herrn Verbot!"
Mit einem lauten Schrei taumelte Chiara
zurück, dann aber raffte sie sich schnell wieder
empor und trat auf den Geheimschreiber zu,
ihn heftig am Arme fassend.
„Sprich, Unglücksrabe, lebt er noch?"
schrie sie.
„Er lebt noch!" stotterte Gazza. „Aber
er wird den Abend nicht mehr erleben, denn
er schweigt beharrlich."
„Gott sei Dank!" jubelte die Jungfrau.
„Auf denn, Gazza! Er muß frei werden
und zwar noch in dieser Stunde. Du kannst
cs, denn in Deinem Gewahrsam sind alle
Schlüssel."
„Aber Signora, des Marchesen Zorn?"
wagte der Geheinischreiber angstvoll einzu
wenden. „Und was kann Euch denn an des
Feindes Leben liegen? Ferner, wie wäre es
möglich bei dem Tumnlt im Hause, wo
alles sich zum Ueberfall der Deutschen vor
bereitet, ihn ans dem Thurme herauszu
bringen?"
„Soll ich Dir denn erst sagen, daß man
einen Unschuldigen meuchlerisch ermorden will
und daß ich diesen Dienst als Gegenleistung
für die vielen, die ich Dir geleistet habe,
fordere!" rief sie befehlend und einschmeichelnd
zugleich.
„Ich will es unternehmen und sollte ich
statt seiner im Thurme bluten!" entgegnete
der Geheimschreiber und küßte die dargebotene
Hand seiner Herrin, dann eilte er davon.
VII.
Es giebt einen Freund in: Unglück, der
selbst das Schwerste ertragen hilft und Muth
und Vertrauen zugleich bringt, dieser Freund
heißt Ergebung.
In dem schwarzen Thurm des Palastes
der Dragonitos, der die Bezeichnung „schwarzer
Thurm" nüt Recht führte, denn kein Licht
strahl drang in diese unterirdischen Räume,
wo eine unheimliche Stille herrschte, als sei
hier ein Grab und die darin weilenden leben
dig Begrabene, wo scheues Ungeziefer in dem
vermoderten halbfaulcn Stroh raspelte, hatte
auch jener treue Freund Einzug gehalten.
Heribert hatte bereits mit Ergebung in sein
Schicksal sich gefügt; aus deut feurigen Jüng
ling war in den wenigen Stunden, seit er
sich hier unten befand ein kalt entschlossener
Mann geworden.
Endlich rasselten die Schlösser der Eisen
thüren; der Schildträger Toro, den Heribert
nachgerade bereits als seinen Henker betrachtete,
trat ein und fragte rauh, ob er dem Marchese
Rede stehen wolle. Der fünde Mann wandte
sich ab, um nicht das blutgierige Gesicht des
Römers, das jetzt bei dem Scheine der La
terne noch häßlicher aussah, schauen zu müssen.
„Soll ich Euch den Pater schicken, Sankt
Petrus möchte Euch sonst den Eintritt ver
wehren an der Himmelsthür?" fragte der
Schildträger höhnisch, indem er dem Deutschen
den Rücken kehrte und mit einen: lautcu
schauerlich klingenden Lachen die klirrende
Eisenthür wieder schloß, den Gefangenen allein
lassend in der Finsterniß —
Lange, bange Minuten vergingen Heribert,
in welchen er jeden Augenblick den Eintritt
seiner Mörder erwartete, nm diese schöne
Gotteswelt verlassen zu müssen, als über ihn
an der Decke seines Kerkers ein neues Geräusch
ertönte. Hatte er sich auch schon auf sein
nahes Ende vollständig gefaßt vorbereitet, so
erschrak er d och. Wollte man ihn vielleicht
von oben herab, ohne daß jeurand seine Hand
mit Blut befleckte, durch herabstürzendes Ge
winst zerschmettern.
Zu seinem nicht geringen Staunen sah er
indeß, wie über ihn eine Fallthür sich öffnete,
helles Tageslicht herein strahlte und ein
Männerkopf sichtbar wurde in der Oeffnung,
welcher mit ängstlicher, freundlicher Stimme
fragte:
„Deutscher Ritter, lebt Ihr noch?"
Heribert antwortete nur zögernd, wußte er
doch nicht ob man vielleicht einen neuen,
Anschlag gegen ihn in diesem verrätherischen
Hause beabsichtigte. Dann wurde eine Strick
leiter herabgelassen und der Geheimschreiber
stand in: nächsten Augenblick neben dem Ge
fangenen.
„Signora di Dragonito, meine Herrin,
sendet mich, um Euch aus diesem Thurme
zuführen."
„Chiara!" rief Heribert mit Entzücken.
..Ja, die Liebe findet einen Ausweg, selbst
wenn alles noch so verworren."
Mit Verwunderung sah Heribert, wie Gazza
ein Feucrbccken voll glimmender Kohlen mit
sich trug, daß er auf den Boden stellte, einige
Kohlen und Asche auf dm Boden umherwarf
und einige Lcinenlumpcn auf dieselben.
„Fürchtet nichts," beruhigte er, als er den
neugierischcn Blick Heriberts auf sich gerich
tet sah. „Das Feuer und der Rauch schadet
uns nicht, aber hierdurch wird nach den: alten
Aberglauben der Glaube wachgerufen, als
habe der Satan selbst Euch davon getragen,
da Niemand außer mir von dem Vorhanden
sein der Fallthüre weiß, denn fürchterlich
würde die Rache der Dragonitos sein, wenn
Jemand den Verdacht Euch bei der Flucht
behilflich gewesen zu sein, auf sich laden
würde."
Er half dann dem deutschen Ritter die
Leiter emporsteigen, verschloß oben angekom
men sorgfältig die Fallthür wieder, warf
dann dem Geretteten den groben Mantel
eines Knechtes über und führte ihn durch
enge Treppen und finstere Gänge zu einer
Pforte.
„Ich habe meine Pflicht gethan," unter
brach der Römer, stehen bleibend, das Schweigen.
„Sagt dies der Signora, wenn Euch das