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Wo. 99.
i?
Morgen-Depeschen.
Berlin, 28. April. Tie Meldung, daß
Prinz Heinrich von Preußen in nächster
Zeit einen Besuch am Petersburger Hofe
machen werde, wird jetzt auch von zuver-
läsftger Seite als zutreffend bestätigt. Den
„B. N. N." zufolge dürften in einer Woche
etwa über den Termin der russischen Reise
des Prinzen genaue Dispositionen getroffen
werden.
Berlin, 28. April. Wegen angeblicher
Beleidigung des Finanzministers Dr. Mi-
quel, begangen durch einige im Frühjahr
vorigen Jahres in Berlin gehaltene Bor
träge, ist der Reichstagsabgeordnete Ahl
Wardt vor einigen Tagen vom Unter
lnchnngsrichter beim Landgenicht I verant-
lich vernommen worden.
Berlin, 28. April. Im Briefkasten
seiner morgen erscheinenden Nummer schreibt
der „Kladderadatsch": Der Privatbrief, au'
den die Forderung des Herrn v. Kiderlen-
Wächter Bezug nimmt, war der Form
nach allerdings an den Verleger, Herrn
Hofmann, adressirt, enthielt aber die ab
lehntnde Antwort auf ein von der Re
glerung gemachtes Anerbieten, und war
^dazu bestimmt, durch den Herrn General
niaior Spitz dem Auswärtigen Amt über,
geben zu werden. Von Herrn v. Kiderlen
war nur in dem folgenden Passus die
Rede: „Die Herren, deren Thätigkeit wir
angreifen, wissen zur Erreichung ihres
Zweckes allerlei Vorgänge sehr geschickt zu
benutzen und andere Vorgänge sehr geschickt
herbeizuführen, sodaß bei dem Herrn Reichs,
wnzler kaum ein Verdacht entstehen kann."
^er Name des Herrn v. Kiderlen ist über-
Haupt im Briefe nicht genannt.
Abbazia, 28. April. Heute Vormittag
9 Uhr 45 Minuten erfolgte die Abreise
der deutschen Kaiserin und der Prinzen
jdon Mattuglie aus. In Abbazia waren
vorher Statthalter Rinaldini, Direktor
şSrlberhuber und sämmtliche Vertreter der
Behörden zum Abschied in der Villa An-
grollna erschienen. Die Kaiserin sprach
°en Damen der Aristokratie für die reichen
Blumenspenden, dann dem Direktor Silber.
Huber in herzlichen Worten ihren Dank
»us. Auf dem Wege von Abbazia nach
Mattuglie, den die Kaiserin mit ihren
Bindern im Wagen zurücklegte, bildete eine
Noße Volksmenge Spalier, welche die Wa.
Ķ mit Blumen überschüttete und in stür-
Mche Hochrufe ausbrach. Auf dem Bahn-
!°i in Mattuglie war auch der deutsche
Konsul v. Oertzen erschienen. Die Kaiserin
Arltrstrs und gelegenstes Klatt int Kreise Rendsburg.
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
87ster Jahrgang. 4S-
Honnabenö, ben 28. April
Bci Betriebsstörungen
irgend weicher Art ist die regelmäßige'Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
Als Beilagen
werden dem Blatt „Der Landwirth" sonne das
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegeben.
$000 Abonnenten.
1894.
verabschiedete sich dort herzlichst von den
Anwesenden und bestieg dann den Hoszug.
Die Prinzen lüfteten bei der Abfahrt" die
Hüte, während die Kaiserin, mit der Prin-
zessin im Arm, am Waggonsenster stand.
Budapest, 28. April Seit vergangener
Nacht stehen die in der Nähe des Central-
bahnhofs belegenen großen Holzlager
m Flammen. Es sind bereits Holzbestände
Werthe von mehreren hunderttausend
Gulden verbrannt. Alle Bemühungen, den
Brand zu löschen, sind bis jetzt vergeblich
gewesen.
London, 28. April. Die Polizei hat
heute bei mehreren italienischen Anarchisten
Haussuchungen vorgenommen, die resultatlos
verlaufen sind. Es konnte indeß festgestellt
werden, daß bei dem verhafteten Anarchisten
Fornaro höchst verdächtige Personen verkehrt
haben, welche ausLondon verschwunden sind.
Prag, 28. April. Der Steuereinnehmer
von Syeltschau, I o s e p h W i r i b a l, ist
nach Unterschlagung von 75000 Fl. Steuer-
geldern geflüchtet.
Czernowitz, 8. April. Der frühere «Re
dakteur der ruthenischen Zeitung, Daszkie-
witsch, erschoß niit Zustimmung seiner
Gattin zuerst diese, dann sein 8 Monate
altes Kind und zuletzt sich selbst. Das
Motiv war hochgradige Nervosität.
Poris, 28. April. Prozeß gegen den
Anarchisten Henry. Ans den Gerichtstisch
nd Kleidungsstücke, mehrere Bomben, ein
Dolch und Dhnamitpatronen niedergelegt.
Ans Befragen des Präsidenten erklärte
Henry, er habe zur Verübung des Atten
tats deshalb das Hotel Terminus gewählt,
weil dort viele Bürger verkehren. Er
habe zuerst das Cafö Paix oder Americain
ur sein Vorhaben aüserschen, dort seien
à zu wenig Gäste vorhanden gewesen.
Die Zündschnur habe er mit einer Cigarre
angezündet. Henry sagte dann weiter
wörtlich: „Ich verachte nicht mein Leben,
sondern das der Bürger. Ich habe mich
retten wollen, um ani andern Tage das
Schauspiel wiederholen zu können. Hätte
mein Revolver funktionirt, wäre ich ° von
Niemand aufgehalten worden. Daß ein
Arbeiter verletzt wurde, bcdaure ich leb
haft. Ich hatte im vorigen Jahre einen
Dolch vergiftet, um einen treulosen Ge-
nossen^ niederzustechen. Wäre der Dolch
mir nicht entfallen, würde ich mich un
zweifelhaft desselben bedient haben. Ich
habe zwar zuerst die Urheberschaft geleug.
net, aber jetzt erkläre ich: Je mehr Bour-
geois umkonlmen, desto besser ist es!"
Ausland.
Ane E-le ans dem Volk
von Carl Friedrich.
»Ich E komme eben als ein Offizier, der
urch eine Feigheit Dir gegenüber seinem
^del keine Ehre gemacht und als ein Sohn
fr durch kindisches Handeln seine Männlich
es" vcrläugnet hat; ich komme Alma's
wegen."
un?à?Şmräthin warf sich in die Brust
>s. Mts., . °"tsetzt einen Schritt rückwärts,
Holland.
Zu der sensationellen Gift
mordaffaire in Antwerpen schreibt
das „B. T." : Frau Joniaux hatte gegen
den Beschluß der Rathskammer beim hies.
Landgerichte, durch welchen der von dem
Untersuchungsrichter gegen sie erlassene Ber
haftnngsbefehl bestätigt worden war, Be-
rufung eingelegt und war daher vorgestern
nach Brüssel transportirt worden, um, wie
das Gesetz dies vorschreibt, vor der dorti
gen Anklagekammer persönlich ihren Ein
spruch zu begründen. Die letztere vernahm
gestern die lebhaft ihre Unschuld betheuernde
Angeklagte sowie deren Advokaten und be
stätigte alsdann einfach das Urtheil erster
Instanz, worauf Frau Joniaux in Be-
gleitung von drei Gendarmen in Civil
nach Antwerpen zurückkehrte.
Kann es hiernach auch keinem Zweifel
unterliegen, daß ein schwerwiegendes Be-
lastnngsmaterial gegen sie vorhanden sein
muß, so scheint es doch andererseits, daß
von einer völligen Ueberfnhrung der Be-
chuldigten vorläufig wenigstens noch keine
Rede ist. Allerdings sind in den Einae-
weiden ihres Bruders Ablay Spuren von
Morphium nachgewisen,' und nachgewiesen
es auch der Frau Joniaux, daß sie sich
m hiesigen und Brüsseler Apotheken größere
Mengen von Morphium auf keineswegs
redliche Weise zu verschaffen gewußt hat.
Dagegen hat jetzt Frl. Emilie Ablay vor
dem Untersuchungsrichter erklärt, sie er
innere sich ganz genau, daß ihr Bruder
Alfred — so hieß der angeblich Vergiftete
am Tage seines Todes ein Glas Wasser
mit Cognak verlangt und in dasselbe ein
Pulver hineingeschüttet hätte. Bon dem
Vertheidiger der Frau Joniaux wird dies
jedenfalls zur Unterstützung der Behauptung
der letzteren, daß ihr Bruder Alfred sich
selbst vergiftet hätte, benutzt werden, und
vielleicht nicht ohne Erfolg.
. Was die beiden andern Fälle von Ber-
gistung anbelangt, so ist hierüber noch
keinerlei Mittheilung zuverlässiger Art in
die Oeffentlichkeit gedrungen, da die Unter
suchung ganz im Geheimen geführt wird
England.
London, 25. April. General Coxey
îşi feinem 350 9Nnnn ftürfeit Sirbeiter*
Detachement gestoßen. Dasselbe lagert in
Frederick, Maryland, von den Streitkräften
)es Civilgouverneurs beobachtet. Die Leute
ind mit Allem versehen. Der General
sagte, nian habe ihm Woodleh-Park, wel
cher an Clevelands Residenz anstößt, für
die Arbeiter angeboten. In Butte, Mon-
tana, bemächtigten sich 500 Arbeiter eines
Northern > Pacific < Zuges, bemannten den
selben und eilten mit einer Fahrgeschwindig
keit von fünfzig Meilen die Stunde nach
Osten, bis.sie in einem Tunnel festsaßen;
nach einiger "Zeit setzten sie die Reise fort.
Der Gouverneur von Minnesota, für die
Bahn fürchtend, berief die Milizen ein.
Bon Washington sind Befehle eingegangen,
den Zug aus der Station Bismarck mit
Gewalt anzuhalten. Für den Fall, daß
die Lokaltruppen nicht genügen sollten, hat
die Regierung zwei Regimenter Staats
truppen zur Verfügung gestellt. Eine
weitere Abtheilung hat sich in Indiana
eines Zuges bemächtigt, ohne jedoch zu
wissen, was damit anzufangen. Die stärkste
Bande unter Führung Kellys, 1200 Mann
stark, wurde vom Mayor in Antlantic, Io-
wo, empfangen. Zwischen denselben herrscht
große Uneinigkeit. Die ßvrmer schleppen
große Quantitäten Nahrungsmittel für das
Arbeiterheer herbei. Drettausend Eisen-
former verlassen henke CMgo auf Kosten
der Washington-Union, andere Gesellschaften
bilden sich, doch scheinen die Frauen nicht
mitmachen zu wollen. Tausende von Ar
beitern wünschen nach Wastiington zu gehen,
falls ihnen die Mittel für die Bahnreise
geliefert werden, wollen aber nicht mar-
schiren. Die Nordwest-Eisenbahn befördert
die Bummler, um sie loszuwerden, gratis
ostwärts. General Coxey konnte nicht das
Newyorker Theater für den Sonntag zum
Bortrag erhalten, auch wurden ihm in
Massillon, Ohio, die Räumlichkeiten hier
für verweigert. Die Farmer haben ver
sprochen, alle Landarbeit Coxeys auf seiner
Farm zu thun. Die Bewegung charakteri-
sirt sich inimer mehr als eine agrarische,
gegen die Aufhebung der Tarifbill gerich'
ļete. JSie Stärke der Coxeyiten in Washing
ton für den 1. Mai wird auf über 50000
geschätzt.
Inland.
!luf dem „Ich komme, um Di,- ... . .
ehrliche ^lma und ich, heimlich Bella's ^ w!
a gegen u • ' oerl °ot sind und daß
ch mein ihr gegebenes Wort unter allen
borg. Umständen halten werde." aUen
-U,Ş »Äst das eigentlich mein Sohn, Lieutenant
lung ab-Paul von Esch? Oder träume ich S ”
jfjeftr sehe nur des Bildes verworrene Fratze?
wTÌäfc nein, es ist Wirklichkeit! Mein Sohn,
gesund.;-"Ni von Esch — von Esch — spricht von
. Heute ewer Liebe zu einer Schusterstochtcr! Wenn
56 ...Uniats ein Sprichwort in Wirklichkeit
hl°chter.yàpert gezeigt hat, so zeigt sich jetzt in
’ 9Cn Häuft das Sprüchwort vw
i Iaht
f voM'cht mehr davo"n!
!eibendelllma?" eme ^age Mutter, wo ist
-hlen. „Rede nicht à r -x
taw nicht diessZs I ' Mm rê
m st „sä „f, I- meiner Schwelle. Es
h Äi b l* Tonwellen Deiner Rede
?ebev b sf «x 9 !' be " plebejischen Geruch von
sch 3U + f Ä Ir .herübertrügen. Wahr-
—* Ü be- Gehelmraths nechts bereits sehr nach
4’ ich weiß nicht, worüber, ich mich am
sburg. um wundern soll, über Dein Verhält-
ķiicht^ehŅdanonîşi' 6CsUbe(t
mß mit dem armen Mädchen, oder über
Deine Unverfrorenheit, mir dies Verhältniß
als unlösbar vorzutragen."
„Liebe Mama, deine wegwerfenden, von
Haß und Verachtung strotzenden Aeußerungen
über Alma, über ein so edles Mädchen, mit
einer Seelengröße und mit einem Hcrzensadcl,
die nur als Seltenheit vorkommen können,
über ein Wesen, an dem ich mit ganzer Liebe
hänge, und die zu besitzen ich meinen Stand
und mein Leben in die Schanze schlagen
werde, diese grundlosen Beleidigungen gegen
ein so unschuldiges Geschöpf, dessen Liebe
mein Leben ist, haben, das fühle ich, mein
Herz in seiner tiefsten Tiefe verletzt, haben
inch von der Thatsache überzeugt, daß Standes-
tolz (aber was sage ich, Emporkömmlings-
stolz ist das rechte Wort), daß überspannte
Eitelkeit bis zum gemeinen Verbrechen aus
arten kann.
Du hast eine durch die Bande des Blutes
»nt dir verbundene Waise von dir hinaus-
gsstoßen, ohne einen andern Grund, als daß
ihr edles Betragen zuwider war.
R à "'»" M ist °°r irrn Ferm,, de,
Ä" etn gemeinte »vlmdim. ©oft
LÖh ~ d°s wird auf uns Unglück
ļ., b ààden herabziehen, wenn es nicht ge
sühnt wird, ehe Mes edle theure Herz darüber zu
Ichlagcn aufhort. Ich betrete dieses Haus
ssäv* “ * ,m «
»Mit aufgehobener Hand, wie ein Unheil
und Gericht verkündender Prophet, verließ
Paul von Esch sein Vaterhaus.
Drei Tage nach jenen, Austritt mit seiner
Mutter wurde der damals abwesende Vater
als furchtbar verstümmelte Leiche ins Hans
gebracht; er hatte auf der Heimreise von
Brüssel bei einem Eisenbahnunglück seinen
■itoo gefunden.
Dieser traurige Vorfall machte die Seelen
quälen für Paul nur noch größer, um so
mehr als er darin das gerechte Gottesgericht
über ferne Familie hereinbrechen sah Dies
gemeinsame Unglück ließ das Vorgefallene
sur eme Zeitlang vergessen und brachte die
so sehr entfremdeten Herzen von Mutter und
Sohn wieder einander näher:
Mutter und Tochter siedelten nach Berlin
über, um den ihnen jetzt so nöthigen Beistand
des Sohnes näher zu haben.
Jedoch währte es nicht lange, da brach
bei Paul der Schmerz um Alma, bei der
Mutter aber die alte Eitelkeit mit neuer
Heftigkeit hervor.
Es gab für Paul nur noch einen Wunsch,
es war der, Alma wiederzusehen und zu
besitzen.
Und für die Frau Geheimräthin gab es
ebenfalls nur noch eine Lebensaufgabe, es war
die, ihre Tochter Lydia bci der die zwanziger
Uahre bereits in der höchsten Blüte standen
vorthcilhaft und standesgemäß zu verheirathen.
Paul, dem dies Treiben mißfiel, wagte
» ^ "'shŗ- etwas dazu zu sagen, zumal da
alle Mühe, Alma's Aufenthalt aufzufinden
vergeblich schien; er hatte ihre Spur bis
nach Hamburg aufgefunden und dort in Er
fahrung gebracht, sie sei ins Ausland in
Stellung gegangen. Dies stumpfte ihn ab
und machte ihn mißmiithig, was selbstvcr-
tändlich nicht ohne nachtheilige Wirkung auf
seine Carriere als Offizier bleiben konnte.
Man nannte ihn den Kunimervollcn und
^dauerte ihn, ohne die eigentliche Ursache
seines Schmerzes zu wissen.
Nur einmal wagte er noch seiner Mutter
— Herr Miguel ist mit seiner Agrar
politik jetzt auch bei den National
liberalen völlig fallen gelassen
So schreibt die „Nationalztg." über die
Entgegnung des Herrn Miguel gegen die
Kritik seiner Verschuldungsstatistik durch
den Abg. Richter Folgendes: „Obgleich der
Minister die vorläufige Lückenhaftigkeit und
Unsicherheit seiner Statistik zugab, hat er
doch seine schon wiederholt angedeuteten
Ansichten über die Nothwendigkeit von
Aenderungen des Erbrechts und der Ber-
schuldungsformen des Grundbesitzes wieder
holt. Wir haben nicht bemerkt, daß die
Andeutungen dieser Art es auch nur bei
den Agrariern über einen „Achtungserfolg"
hinaus gebracht, wie man ihn allerdings
den Reden eines Ministers zollt, den man
wohlgesinnt weiß — während die an der
Agrardemagogie nicht betheiligten Land
wirthe offenkundig von derartigen, die
freie Verfügung des Grund
besitzers he m nl enden gesetz-
11 d) e n Bestimmungen nichts
wissen wollen, sogar kaum dort, wo
einzelne solche Einrichtungen -von Alters
her ohnehin als feststehende Sitte herrschen."
^ Berlin, 27. April. Gegenüber den
Treibereien, die neuerdings für Samoa in
Australien, England und Nordamerika sich
vordrängen, haben die „B. N. N." von
einer Seite, die sie für gut unterrichtet
halten, erfahren, der Kaiser habe sich ln
einer an das das Auswärtige Amt ge
richteten Willensäußerung auf das Be
stimmteste dahin ausgesprochen, daß Samoa
von Deutschland nicht preisgegeben werden
dürfe. Ein diesbezüglicher Artikel der
„Nordd. Allg. Ztg." wird jenem Blatte
als ein Ausfluß jener Allerhöchsten Direc-
live bezeichnet.
Berlin, 25. April. Der Dowe'sche
Panzer hat am Dienstag-Nachmittag um
8 Uhr die eingehendste Probe von allen zu
bestehen gehabt. Vor Offizieren vom In-
genieurcorps und von der Artillerie, und
zwar in Gegenwart des Obersten Götze
vom Patentamt mußte Dowe den Panzer
anlegen. Offiziere hatten Patronen für
das jetzige Infanterie-Gewehr (Modell 88)
mitgebracht und luden eigenhändig das
Gewehr, das Martin später auf Dowe
abschoß. Der Panzer hielt diesmal ebenso
stand, wie früher, so daß nach dem Ur-
theil der Sachverständigen die Ersindung
auch für Militärzwecke nutzbar, wenn auch
in der jetzigen Gestalt zur Panze
rung des einzelnen Mannes nicht
verwendbar, ist. Weiterhin hat eine
Probe mit der Original-Militärpatrone
auch vor dem Geheimen Ober-Medizinal-
rath Dr. v. Bardeleben stattgefunden, nach
dem gelegentlich des Chirurgischen Con
gresses die Ansicht ausgesprochen worden
war, daß der Panzer der Militärpatrone
nicht standhalten werde. Herr v. Barde-
darein zu reden, bei der Verlobung oder viel
mehr vor der Verlobung seiner Schwester
mit einem Amerikanischen Fabrikanten 1 . . .
bei- in Berlin auf großen, Fuß lebte und um
die Hand Lydias anhielt. Er weilte angeb
lich in Deutschland, um sich über Absatzgebiete
für feine Fabrikate zu orientiren, zeigte große
Pläne und Zeichnungen von Fabriken und
Besitzungen vor und redete von seinen Millio
nen, wie von etwas, das mit einem wahren
Gentleman als unzertrennlich verbunden gilt.
Die Frau Geheimräthin ward hingerissen
von dem liebenswürdigen, d. h. prahlerischen
Benehmen des Amerikaners, mehr noch von
einem Reichthum und willigte in die Bcr
lobung mit Lydia ohne Bedenken ein.
Paul aber traute dem Mann nicht und
hielt ihn für einen Schwindler, ohne freilich
hierfür eigentliche Beweise zu haben, außcr
cmer Abneigung gegen diesen Mann. Aber
dennoch hielt er es für seine Pflicht, die
Mutter zu warnen, machte dabei aber schlechte
Geschäfte, dem, der alte, lange verhaltene Haß
brach von neuem hervor und sie fertigte ihn
mit dm beleidigenden Worten ab:
„Man sieht doch, daß in Deinen, Herzen
noch etwas von der Liebe zu der Schusters-
tochter steckt, denn Du witterst überall Pech!
^ Graf 1. aber könnte Dich für Deine Ver
dächtigung wohl vor dm Sttafrichrer citircn
— doch der wird sich hüten, ebenfalls Pech
anzufassen."
Mit diesem ironischen und verletzenden
Spott von seiten seiner Mutter war das
höchste Maß des Erwäglichen für Paul er
reicht, der letzte Funken kindlichen Gefühls
gegen sie erlosch in seinem ohnehin schon so
wunden Herzen. Er ward laub und stumm
gegen alle ihre weiteren Unternehmungen.
Ohne jegliche Theilnahme seinerseits wurde
eine glänzende Verlobung und bald darauf
Hochzeit gefeiert, natürlich alles auf Kosten
der Frau Geheimräthin, denn es wäre dem
Fabrikanten £. ja ein kleines gewesen, dazu einige
Hunderttausend flüssig zu machen, wie er
sagte, aber das litt der Stolz, der durch
diese vortheilhafte Hcirath so geehrten Schwieger
mutter nicht. Bald nach der Hochzeit ward
Anstalt gemacht zur Abreise nach Amerika,
auf die großen und reichen Besitzungen des
Herrn X. der mittlerweile das Vermögen
seiner Schwiegermutter in Amerikanische
Werthe umgesetzt hatte, nur der Bequemlich
keit wegen, wie er sagte.
Paul sah dem heillosen und verblendeten
Treiben zu. ohne ein Wort dazu zu sagen-
cs hätte auch nichts genützt, denn seine
Mutter hielt ihn dem Wahnsinn nahe
und wartete schon jeden Tag auf die Kata-
trophe, die, noch vor ihrer Abreise nach
Amerika, ihr Benehmen gegen ihren Sohn
rechtfertigen sollte.
Paul dagegen sah mit bestimmter Gewiß-
şşt sinem unvermeidlichen Ende entgegen
iim hoffte im Stillen, daß seiner Mutter
durch eine gründliche Demüthigung vor der
Welt am Ende noch geholfen werden und er
ihr Herz wiedergewinnen könnte.
Im Spätsommer des Jahres 18 . .
reisten das junge Paar und die „glückliche"
Schwiegermutter nach Amerika ab.
Das heißt zunächst über Kisingen nach
^ondon um auch die Herrlichkeiten dieser
englischen Metropole so im Vorbeigehen mit
zu genießen.
(Fortsetzung folgt.)