Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

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-n> 87ster Jahrgang. ijr 
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Morgen - Depeschen. 
Berlin, 22. April. Wie der „Reichs- 
Anz." meldet, hat die Königin von Groß 
britannien den deutschen Kaiser zum Ches 
des ersten Royal Dragoon-Regiments er 
nannt. Es ist das älteste fast der Armee 
und hat schon bei Dettingen sich ruhmreich 
ausgezeichnet. 
Berlin, 22. April. Der „Reichs-Anz." 
veröffentlicht die bereits bekannten Be 
förderungen der Legationsräthe im Aus 
wärtigen Amt v. Eichhorn, v. Pourtales, 
Sonnenschein und des Regierungsraths Rose. 
Berlin, 22. April. Die Abberufung 
des österreichisch-ungarischen Botschafters 
Prinzen Reuß und die Verleihung der 
Brillanten zum Schwarzen Adler-Orden an 
denselben wird heute amtlich publizirt. 
Berlin, 22. April. In Parlamentarischen 
Kreisen ist das Gerücht aufgetaucht, daß 
die verbündeten Regierungen Erwägungen 
darüber anstellen, den Reichstag zu einer 
kurzen Tagung im Juli einzuberufen. Als 
Veranlassung zu dieser Tagung wird die 
Vorlegung des deutsch-portugiesischen Han 
delsvertrages angegeben. 
Berlin, 22. April. Zu dem Duell 
zwischen dem Geheimen Legationsrath Herrn 
von Kiderlen-Wächter und dem Redakteur 
des „Kladderadatsch", Polstorff, schreibt das 
„Berl. Tgbl.", daß das Duell auf den 
seiner Zeit durch die Presse gegangenen 
Brief des Herrn Polstorff an Herrn Dr. 
Reiche in Leipzig znrückznsührcn sei. Herr 
General-Major v. Spitz habe mit dieser 
Affaire absolut nichts zu thun. Das Duell 
werde ein gerichtliches Nachspiel haben. 
Berlin, 22. .April. In einem „Epilog" 
überschriebenen Leitartikel zieht die „Nordd. 
Allg. Ztg." heute wiederum gegen die 
Führer der konservativen Partei zu Felde, 
wobei das Blatt nochmals auf die Nieder 
lage der Konservativen bei den Reichstags- 
Verhandlungen über den Antrag Kanitz 
zurückkommt. Das offiziöse Blatt schließt 
den Artikel wie folgt: „Eine Führung, die 
alles dies fertig gebracht hat, muß schließ 
lich in allen besonnenen konservativen Ele 
menten die Sehnsucht nach einer Partei 
reform hervorrufen, in der wieder die guten 
konservativen Grundsätze zur Herrschaft 
kommen. 
London, 22. April. Die Tagesblätter 
bezeichnen fast durchgängig die Verlobung 
des Zarewitsch als ein Unterpfand des 
Friedens. „Standard" giebt seiner Freude 
über die Verlobung in besonders herzlichen 
Worten Ausdruck und sieht in derselben 
die Gewähr für eine baldige Annäherung 
Englands und Rußlands. Die Verlobung 
treffe Asien mitten in's Herz und werde 
bei den Orientalen die Erwartung wecken, 
daß die Kaiserin von Indien und der weiße 
Zar mehr wie je daran arbeiten werden, 
von den Nationen die Gefahr künftiger 
Konflikte abzuwenden. — „Daily Chronicle" 
giebt ihrer Befriedigung ebenfalls Ausdruck 
und mißt der Verlobung hohe politische 
Bedeutung bei. 
Budapest, 22. April. In der Wohnung 
des Ministerialsekretärs Nizky hat ein 
Briefträger Namens Szabo seine dort als 
Köchin dienende Geliebte erschossen und 
sich dann selbst entleibt. 
Prag, 22. April. In vergangener Nacht 
wurde ein czechischer Student in dem 
Moment verhaftet, als er die deutschen 
Straßenschilder und die Reichsadler an den 
Briefkästen beschmutzte. 
Athen, 22. April. In ganz Griechen 
land hat gestern ein Erdbeben stattge 
funden. In Theben und Chalcis wurden 
mehrere Häuser zerstört. Verluste an 
Menschen sind nicht vorgekommen, jedoch 
erlitt eine Anzahl Personen Verletzungen. 
Athen, 23. April. Heute Morgen wur 
den hier zwei neue heftige Erdstöße wahr 
genommen. Das gestrige Erdbeben wurde 
in ganz Griechenland verspürt; besonders 
stark wurde es in den Ortschaften Volo, 
Tripolis, Megäre, Korinth, sowie auf 
Milo und Patras beobachtet. An ver 
schiedenen Orten wurden tiefe Spalten in 
die Erde gerissen, Häuser stürzten zusam 
men und Felsmassen hernieder. Furcht 
bar war die Wirkung des Erdbebens in 
Skanderaga und Pala, wo viele Menschen 
uns Leben gekommen. Der König läßt 
sich fortwährend aus allen Theilen des 
Landes Bericht erstatten. 
Athen, 23. April. Das Centrum des 
gestrigen Erdbebens war die Provinz 
Larissa, wo mehrere Ortschaften zerstört und 
20 Kinder unter den Trümmern eines 
zusammenstürzenden Klosters begraben wur 
den. — In Lokis ist die Zahl der Opfer 
dieser Gegend weit größer als man ver 
muthete. Die meisten Häuser sind einge 
stürzt, die Bevölkerung kampirt auf offenem 
Felde. Die Regierung sandte sofort Hülse. 
Paris, 23. April. Graf Elia Talley 
rand-Perigord und sein Geschäftsagent, 
Namens Wastine sind wegen Fälschungen 
von Wechseln im Betrage von 600 000 Mk. 
verhaftet worven. 
Lissabon, 22. April. In den letzten 
24 Stunden sind 85 choleraartige Er 
scheinungen vorgekommen, 141 Personen 
sind genesen. 
Netvyork, 22. April. Da man befürchtet, 
daß die sogenannte „Armee der Arbeits 
losen" sich der Bahnzüge bemächtigen wird, 
um nach Washington gelangen zu können, 
hat die Milwaukee-Washington-Railway 
bis auf Weiteres ihren Betrieb eingestellt. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Newyork, 16. April. In dem Städt 
chen Sylvania im Staate Ohio marschirten 
gestern 1500 bewaffnete Bürger nach dem 
Gefängniß, um den daselbst in Gewahrsam 
gehaltenen Neger Seymour New- 
l a n d zu lynchen. Newland hatte sich 
an einer 81jährigen Greisin vergangen und 
die alte Frau war in Folge dessen ge 
storben. Die Erbitterung der Bürgerschaft 
kannte keine Grenzen. Der Sheriff war 
auf die kommenden Dinge gefaßt und hatte 
die Miliz reguirirt, aber es waren nur 
wenige Milizsoldaten erschienen und diese 
vermochten dem leidenschaftlich erregten 
Volke keinen Widerstand zu leisten. New 
land wurde aus seiner Zelle geschleift und 
unweit des Gefängnisses gehängt. Dann 
feuerte fast jeder Bürger einen Revolver- 
schuß auf den Hängenden ab. 
Eines der merkwürdigsten Duelle hat 
dieser Tage in Memphis, im Nordamerika- 
Nischen Staate Tennessee, stattgefunden. 
Der Landschaftsmaler Denning schlug sich 
auf Pistolen — mit seiner Gattin. Eifer 
sucht und schwere Beleidigungen bildeten 
die Ursache des Zweikampfes. " Frau Den- 
ning wurde ant Arme verwundet und ihr 
Gatte zwischen den Rippen. Ob die beiden 
Gegner sich auf dem Kampfplatze oder 
später zu Hause wieder versöhnt haben, 
wird nicht gesagt. 
Frankreich. 
In der Nähe von Rodez, unweit der 
Tarnschlucht, erfolgte ein furchtbarer Fels- 
stürz. Von der Spitze der Causse-Noir 
lösten sich Felsblöcke los, von denen mehrere 
über 100 ebm maßen, und stürzten in das 
Thal, wo sie große Verwüstungen anrich 
teten. 
Rußland. 
Kronstadt, 21. April. Ein von See 
kommender Dampfer befreite den gestern 
am Leuchtthurm im Eise steckengebliebenen 
Dampfer, worauf beide Abends in die 
kleine Kronstädter Rhede einliefen und von 
dort direkt nach Petersburg gingen. < 
sind noch zwei Dampfer in Sicht, welche 
das Eis forciren. 
Oesterreich. 
Budapest, 20. April. Noch vor einigen 
Jahren erfreute sich der Pächter des haupt 
städtischen Kiosk auf der Elisabethpromenade, 
Herr Reich, eines ziemlich bedeutenden 
Vermögens und großen Ansehens. Börsen 
spekulation brachten ihn jedoch um sein Geld. 
Dazu hatte er von der Kontrole der Poli 
zei viel zu leiden. Eines Tages wurde 
im Kiosk eine Spielbank kassirt. Reich 
wurde zwar später vom Gericht freigespro- 
chen, die Sache hatte aber trotzdem für 
ihn die schlimme Folge, daß er mit seiner 
Bitte um Verlängerung seines Pachtkon 
traktes von der Hauptstadt abgewiesen 
wurde. Reich ging sodann nach Herkules 
bad, woselbst er eine Wettrennroulette eta- 
blirte. Anfangs schaffte er sich dort ziem 
lich viel Geld, nach einigen Wochen wurde 
Reich jedoch von der Polizei veranlaßt, 
Herkulesbad zu verlassen. Allein Reich 
war nicht der Mann, zu verzagen. Er 
ging nach Berlin und wurde dort — da 
er keine anderweitige Anstellung fand - 
Kellner. 
Inland. 
Berlin, 22. April. Die Verlobung des 
russischen Thronfolgers mit der Prinzessin 
A lix Viktoria Helena Louise Bentrox von 
Hessen, wird vielfach dahin gedeutet, daß 
durch diese verwandtschaftliche Annäherung 
Rußlands und Deutschlands der Friede 
für lauge Zeit gesichert sei. Wer wünschte 
das nicht? Wie wenig aber der russische 
Hof geneigt ist, seine eigentliche Politik zu 
ändern, beweist, daß auffälligerweise Einer 
dem Kobnrger Hochzeitsfeste fern geblieben 
ist, obgleich er verwandtschaftlich dem Ko- 
burger Hofe sehr nahe steht. Fürst Fer- 
dinand von Bulgarien. Es ist der 
russischen Politik unerwünscht, eine. Begeg 
nung des Zarewitsch mit dem Fürsten zu 
erfahren. 
— Zu dem Duell Kiderlen-Polstorff be 
merkt die „Kölu. Ztg.": „Das Duell bringt 
in den Feldzug des „Kladderadatsch" keine 
sachliche Klärung und ist eben ein Duell 
mehr, von dem man aber diesmal nicht 
sagen kann, daß es in frivoler Weise vom 
Fordernden hervorgerufen worden sei. 
Weshalb Herr Polstorff die Hinausschie 
bung verlangt hat, ist nicht bekannt. Als 
naheliegende Vermuthung möge angeführt 
werden, daß er auf Grund von Ver 
sprechungen seiner Hintermänner Ivohl ge 
glaubt haben mag, diese würden ihm ein 
Material zur Verfügung stellen, mit dem er, 
wie er iinmer drohte, das Auswärtige Amt 
in die Lust sprengen könnte. Als ihn nun, 
wie es scheint und aus guten Gründen 
sicher ist, seine Hintermänner im Stiche 
ließen, ist er mit seiner Person für die 
durch ihn verbreiteten Beleidigungen ein 
getreten. 
— Der Abgeordnete für Teltow-Brees- 
kow-Charlottenburg, Oberamtmann Ring, 
hat mit Unterstützng der k o n s e r v a t i v en 
Partei im Abgeordnetenhause einen Gesetz 
entwurf eingebracht, welcher denjenigen 
Wahlberechtigten, die nur Gebäudesteuer, 
nicht auch Grundsteuer bezahlen, das 
Wahlrecht in dem Verbände des Groß- 
grundbesitzes entzieht. Bekanntlich ge- 
hören zum Verband der Großgrundbesitzer 
nach der Kreisordnung alle diejenigen, 
welche 225 Mark an Grund und Gebäude^ 
steuer entrichten. Nach dem Antrag Ring 
soll statt dessen das Wahlrecht in dem Ver 
bände abhängig sein davon, daß der Be- 
treffende „225 Mark an Grundsteuer 
allein entrichtet." 
— Einem Verzeichniß der Hochzeits- 
geschenke für die junge hessische Groß 
herzogin Victoria Melita entnimmt 
die „Darmstädter Zeitung" folgende Einzel- 
heilen : Halskette von Perlen und Smaragden, 
Armband mit großen Smaragden und 
Brillanten, Diamantenherz mit Türkis und 
Brillanten, Diadem von Brillanten und 
Smaragden, Anhänger (Brillanten und 
Saphir) 1 Paar große Brillantohrringe 
vom Herzog und der Herzogin von Coburg. 
Parüre (farbige und weiße Diamanten) 
Diadem, Halsschmuck und Brosche vom 
Großherzog von Hessen, Diamantenhänger 
von der Königin von England. Anhänger, 
Diamant und Saphir von dem Kaiser von 
Rußland. Anhänger, Smaragd und Dia- 
mant vom Großfürsten und der Großfürstin 
Wladimir und Großfürsten Paul. Brosche 
(Smaragd und Diamant) vom Großfürsten- 
Thronfolger und der Großfürstin Xenia. 
Bemalter Fächer vom Erbprinzen von 
Koburg. Lederrahmen für Photographien 
von der Prinzessin Beatrice. Fächer mit 
Diamanten vom Großfürsten und Groß 
fürstin Sergius. Brosche (Rubin und 
Diamant) von der Herzogin-Wittwe von 
Koburg Alexandrine. Bemalter Fächer 
von der Prinzessin Friederike. Kasten mit 
vergoldetem Silberzeug und Porzellanser- 
Eine Edle ans dem Volk 
5) von Carl Friedrich. 
„Weib," dachte Alma, „mit Deinem zur 
Dummheit ausgearteten Stolz kämpfen auch 
die Götter vergebens." 
Denn während sic sagen wollte: „Ach 
meine Tante, es ist nicht die Trennung von 
Euch die Ursache meines Weinens, sondern 
es sind vielmehr Deine rücksichtslosen Be 
leidigungen!" schnitt die Tante ihr die Rede 
??. fügte neue Beleidigungen hinzu. 
Umd als Alma es abernials und zum dritten 
Male versuchte ging es ebenso. 
Hiermit aber war der Höhepunkt erreicht, 
Alma bekam ihre Fassung wieder und sagte 
ganz ruhig und gefaßt: 
„4.ante Erna, ich bin gern bereit von 
ureiner falschen Höhe wieder hinabzusteigen 
in die Sphäre meines Standes; auch werde 
ich Dir den Gefallen thun und zu Tante 
Emilie reisen und dort einmal mein Heil 
versuchen." 
„Das freut mich Alma, daß Du Dich 
so schnell gefaßt, das macht Dir alle Ehre; 
was aber auch ein von einer wohlmeinenden 
Tante kommendes mütterliches Trostwort 
vermag. " 
Mit diesen Worten trat sic auf Alma zu 
gab ehr den üblichen Judaskuß, 
ŗ, ma wieder in ihrem Zimmer allein 
war, sprach sie leise für sich: „Lieber Himmel, 
nun weiß ich daß es eine an Wahnsinn 
grenzende Eitelkeit und Ueberhebung giebt, die 
dm gesunden Menschenverstand dermaßen um- 
nebelt, daß cs mehr als vergeblich ist, darein 
reden zu wollen. 
Tante, arme, bedaucrnswcrthe Tante, ich 
beneide Dich nicht, und wenn ich thatsächlich 
noch das Schneidern oder eine andere nützliche 
Beschäftigung erlernen muß." 
Am andern Morgen reiste Alma nach 
W. ab. 
Ein Diener war beauftragt worden, ihre 
Sachen zur Bahn zu bringen. Der Onkel 
war mit Paul wieder nach Berlin gereist. 
Die Tante und Cousine nahmen zu Hause 
in der scheinbar zärtlichsten Weise Abschied. 
Sic waren außer Stande, sie zum Bahnhof 
begleiten zu können, denii sie fürchteten die 
frühe Morgenluft. 
Der Abschied ward Alma nicht schwer, im 
Gegentheil, sie fühlte sich frei und glücklich, 
als sie die Schwelle ihrer Tante hinter sich 
hatte. Freilich wußte sie noch nicht, was 
ihrer in W., bei Tante Emilie wartete, aber 
sie hoffte das Beste. Schlimmer, so meinte 
sie, könne cs nicht werden. 
Aber eins nagte an ihrem Herzen, es war 
das räthselhafte Verhalten Pauls bei seinem 
Abschied. Sie wußte gewiß, daß sie ihn 
liebte nnt der ganzen Gluth einer reinen, 
ersten Liebe. Sie fühlte mit großer Bestimmt 
heit, daß diese Glnth in ihr nur mit dem 
Leben selbst erlöschen könne. Unmöglich konnte 
es bei Paul nur ein Rausch gewesen sein, 
aber wie sollte sie sich sein Verhalten erklären? 
„Er hätte mir können doch irgend ein Wort 
der Beruhigung zuflüstern oder einen kleinen 
Zettel mit einer Erklärung seines Benehmens 
zustecken — von alledem nichts. O, Paul, 
solltest Du einer solchen unmännlichen Falsch 
heit fähig sein? Ich kann es nicht glauben." 
Diese und ähnliche Gedanken gingen Alma 
unzählige Male durch den Kopf, während der 
zweistündigen Fahrt nach' W. und erst als 
dort neue und ernste Sorgen an sie heran 
traten, setzte sich die Vorstellung über Pauls 
Verhalten in einer gewissen Gestalt in Almas 
Herzen zur Ruhe. 
Tante Emilie, zu der Alma jetzt reiste, 
war die Wittwe des früheren Schlosscrmeisters 
Bebrcns in W. Sie besaß in der Linden- 
straßc ein großes, schönes Haus und galt 
bei den Bekannten als eine reiche und zugleich 
geizige Frau. 
Was das Erstere anbelangt, so konnte man 
sie bei ihren Ansprüchen an das Leben immer 
hin wohlhabend nennen; in Bezug auf das 
Letztere mußte man zugeben, daß bei Frau 
Behrens die zarte Grenze zwischen Sparsam 
keit und Geiz bereits zu Gunsten des Letzteren 
überschritten war. 
Sie bewohnte mit ihrem damals 24 Jahre 
alten Sohn Fritz das Parterre ihres Hauses. 
Im Hofe lag die Werkstatt ihres Mannes 
selig, noch ganz so wie sic zu Lebzeiten desselben 
gewesen war. 
^ Sie hoffte noch immer, daß ihr Fritz, der 
seines Vaters Geschäft erlernt hatte und bis 
dahin noch bei einem andern Meister arbeitete, 
die alte Firma Behrens wieder zu Ehren 
bringen sollte, dessen Schild noch über der 
Thoreinfahrt prangte. 
Frau Behrens hatte sich nicht entschließen 
können, dasselbe abnehmen zu lassen, obwohl 
cs weiter nichts einbrachte, als daß die durch 
reisenden Schlossergesellcn bei ihr vorsprachen, 
die alle mit dem ihr schon ganz geläufigen: 
„Mein Mann ist todt; unser Geschäft liegt 
still," ohne irgend eine Gabe abgefertigt 
wurden. 
In ihrem Hause herrschte die peinlichste 
Reinlichkeit. 
Die sogenannte beste Stube war ein wahres 
Unicum; überladen voll von Mahagoni, nuß- 
baum und eschenen Möbeln verschiedenen Stils. 
Eine alte, hohe Komode mit vier Auszügen 
stand so voll Nippes, daß das tägliche Staub 
wischen eine wahre Hiobsgeduld erforderte, 
die, wenn auch nicht in jedem, so doch in 
diesem Fall der. Tante Emilie eigen war. 
Die Wände waren bis zum lleberdruß voll 
mit Bildern und Konsolen,, auf denen die 
wunderlichsten Sachen standen, bedeckt. 
Die Bilder waren, außer zwei Oelgemälden, 
die ihr Mann schon als Junggeselle besessen 
und mit in die Ehe gebracht hatte, lauter 
Photographien aller möglichen Größen; unter 
allen aber ragte das ihres Mannes hervor, 
sie hatte ein Kabinet-Bild von demselben bis 
an die äußerste Grenze der photographischen 
Möglichkeit vergrößern lassen. 
. Unter diesem hing in einem Muschelkasten 
die Uhr ihres Mannes, mit der langen, 
goldenen Kette, das einstmalige Brautgescheuk, 
die er am Hochzeitstage zum ersten Male 
öffentlich getragen hatte. 
Viele der Photographien zeugten laut von 
der längst dahingeschwundenen Zeit der 
Krinoline und von den Tagen, wo die 
„lichtbildende Kunst" noch in ihren Anfangs 
stadien sich befand. 
In der einen Ecke stand ein großer pyramidaler 
Blumentisch, dessen „Aufstände" der Tante 
Emile viel Mühe und Sorge machten. 
Denn nicht sie war etwa eine Liebhaberin 
der Blumen, nein ihr seliger Mann war ein 
so großer Blumenfreund gewesen und darum 
müssen alle damals vorhanden gewesenen 
Exemplare sorgsam gepflegt werden, bis sie 
eins nach oem andern den Weg alles „Fleisches" 
gingen. 
Aber wenn so eine Blume vertrocknete, die 
ihr seliger Mann noch gekannt hatte, das 
war überaus schmerzlich für sie; oder wenn 
sie einmal das Begießen vergessen hatte und 
sic in Folge dessen die Köpfe hängen ließen, 
dann war es ihr, als ob das große Bild 
ihres Mannes lebendig wurde und er sie 
wieder vorwurfsvoll anschaute wie ehedem. — 
Es würde viel zu viel Zeit erfordern, 
wollten wir noch alle die Schränkchen und 
Kästchen auf ihren Inhalt prüfen die in 
der Stube standen; über manchem hing so 
wie so der Schleier des' Geheimnisses und 
Vieles hatte seit dem Tode ihres Mannes 
das Auge eines Sterblichen nicht mehr ge 
sehen. 
Mutter und Sohn waren sonntäglich ge 
schmückt und im Begriff die von O. 
kommende „Schwestertochter" an der Bahn 
in Empfang zu uehnien. 
Die Mutter stand bereits in den fünfziger 
Jahren, sah jedoch bedeutend jünger ans. 
Mit gesunder, blühender Gesichtsfarbe, das 
schwarze etwas über normal parfümirte Haar- 
tief in die Schläfe, dann in einem Bogen 
hinters Ohr srisirt und mit dem altmodischen 
aber ehemals sehr theuren Kleide und dem 
der damaligen Generation bereits entfremdeten 
Hute, machte sie den Eindruck einer behäbigen 
Frau, die in Bezug auf Alter und Mode 
20^Jahre stillgestanden hatte. 
^ Ihre Gesichtszügc waren ernst, seit dem 
Tode ihres Mannes hatte sie nicht mehr 
gelacht. 
Fritz hatte zu Almas Ankunft den besten 
Anzug angelegt und machte äußerlich einen 
guten Eindruck. Er war ein großer, schlank 
gewachsener junger Mann mit starkem, blonden 
Haar und eben solchem Schnurrbart; seine 
Gesichtszüge waren regelmäßig und seine 
großen Hände traten weniger auffällig her 
vor als sonst, denn er hatte zu dem bevor-
	        
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