Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

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Wo. 84J 
Aeltestes und grlescnstes Klatt im Kreise Rendsburg. 
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
87ster Jahrgang. <ş 
Donnerstägj 6en 12. April 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcherArt ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Als Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landwirth" sowie das 
Blatt „Mode ». Heim" gratis beigegeben. 
3000 Abonnelkten. 
m Morgen - Depeschen. 
-öcrltn, li. April. Die früheren Be 
stimmungen über die Abreise des Kaisers 
von Abazzia sind nicht geändert worden 
und begiebt sich derselbe morgen, Donners 
tag, den 12. d., von dort nach Wien, wo 
die Ankunft bekanntlich am 13. April er 
folgt. Die Weiterreise nach Karlsruhe 
findet am Sonnabend, den 14. d., statt. 
Berlin, 12. April. Es darf als gewiß 
gelten, daß die Reichsregierung an dem 
Plane, dem Reichstage in dessen nächster 
Tagung eine n e u e T a b a k st e u e r v o r- 
läge vorzulegen, festhalten werde. Eine 
entsprechende Erklärung dürfte noch vor 
Schluß der Session von zuständiger Seite 
abgegeben werden. 
Berlin, 12. April. Abg. Dr. Lieber 
(Centrum) hat in Folge von Differenzen 
in der Partei sein Mandat zum Reichstag 
und Abgeordnetenhaus niedergelegt. 
Berlin, 12. April. Der Antrag des 
Grasen Kanitz, betreffs des Getreide 
monopols kommt Freitag zur Berathung 
tu: Reichstag. 
Berlin, 12. April. Der morgen beim 
-.andgericht I hier anstehende Termin gegen 
den Freiherrn v. Thüngen, gegen Mein 
mingen und Oberwinder wegen Caprivi- 
Beleidigung, ist wiederum vertagt. Die 
Gründe dieser dritten Vertagung sind noch 
nicht bekannt. 
Dresden, 12. April. In der bergan 
genen Nacht ist im Stadtkrankenhause der 
Baurath Professor Lipsius gestorben. 
Offenbach a. M., 12. April. Die Ger- 
bcrci von Philippi in der Bürgerlichen Ge 
markung rst ein Raub der Flammen ge 
worden; dadurch wurden 76 Arbeiter be 
schäftigungslos. Der Schaden ist bedeutend 
Fricdrichsruh, 12. April. Anläßlich des 
heutigen 70. Geburtstages der Fürstin Bis- 
marck traf schon in früher Morgenstunde 
ein Glückwunschtelegramm des Kaisers und 
eine kostbare Staffelei von Birkenholz, mit 
rothen Nelken geschmückt, aus Abazzia hier 
ew- Die Fürstin erfreut sich eines recht 
guten Befindens. Um 12 Uhr Mittags 
wnzertirte vor dem Schlosse die Kapelle 
_ er Ratzeburger Jäger. Die ganze Bis 
marck sche Familie ist heute in Friedrichs- 
ruh^ versammelt. 
Paderborn, 12. April. JmKurortLipp- 
Ipringe herrscht seit Mittags eine große 
Feuersbrunst. Ueber 40 Gebäude sind be 
reit» vernichtet. Von hier wurde die Feuer 
wehr sowie Militär zur Hülfe gerufen, 
whorn, 12. April. Aus ganz Westpreußen, 
ausgenommen die Weichsel-Niederung, laufen 
Klagen über anhaltende Dürre ein. Die 
recht gut überwinterten Saaten haben unter 
der Trockenheit der letzten Wochen derart 
gelitten, daß das Schlimmste zu befürchten ist. 
Wicn^ 12. April. Die Meldung der 
„Pol. Korr.", daß die auf den 22. ds. 
festgesetzt gewesene Reise des Kaisers nach 
Budapest nicht stattfinden werde, wird hier 
vielfach kommentirt. In hiesigen politischen 
Kreisen ist man der Ansicht, daß die Auf- 
gäbe der Reise auf die Vorfälle bei der 
Leiche Kossuths zurückzuführen sei. Es sei 
unzweifelhaft, daß dies in Ungarn einen 
sehr starken Eindruck Hervorrufen werde. 
Paris, 12. April. „Figaro" publizirt 
heute, indem er seine diplomatischen Enb 
Hüllungen zu der auswärtigen Politik auf 
recht erhält, einen Artikel, betitelt: „Deutsch, 
land und General Boulanger," worin haupt 
sächlich von den Kriegsvorbereitungen Bou 
langer's die Rede ist. Die deutsche Re- 
gierung habe nach mehrmaliger offiziöser 
Beschwerde über die Haltung Boulanger's, 
rm Februar 1887 plötzlich 75000 Reser 
visten eingezogen. Flourens, der damalige 
Minister des Aeußeren, habe darauf den 
deutschen Botschafter Grafen Münster inter- 
pellirt, der erklärt habe, die deutsche Re- 
gierung sei in vollem Rechte und stehe so- 
gar im Begriff, weitere 25 000 Reservisten 
einzuberufen. Hierauf habe Flourens sich 
an den Zaren gewandt, dessen Antwort 
ihm offiziell durch den russischen Botschafter 
zugegangen sei. Der Zar habe dann brief- 
lich bei Kaiser Wilhelm I. intervenirt, 
worauf die Reservisten sofort wieder ent 
lassen wurden. (? Red.) 
Paris, 12 April. Die Tagesblätter 
ringen fortgesetzt sehr tendenziös gehaltene 
Telegramme aus Rom. In einem derselben 
wird versichert, daß König Humbert die 
Empfindlichkeit der Franzosen zu beschwich 
tigen suche, um von einem französischen 
Konsortium eine Anleihe im Betrage von 
100 Million Francs zu erhalten. Eine 
große französische Bank habe hierzu bereits 
ihre Mithülfe zugesagt, dabei aber zur Be 
dingung gemacht, daß die Anleihe von der 
preußischen Bank garantirt iverde. Diese 
Garantie soll bereits geleistet worden sein. 
Brüssel, 12. April. Fünftausend Ziegel- 
wenner des Bezirks Antwerpen sind ans 
tändig. Ziegeleien, Kohlenlager, Holl- 
vorräthe und Stallungen wurden ange- 
zündet. Truppen und Gendarmerie sind 
dahin gesendet. Alle Ansammlungen sind 
verboten 
Ru5 (sein àìàslW. 
àiņ eigen Blut 
Alginat-Roman von Gustav Lange. 
blies der Wind von Norden her und 
Dü- 9v b Schnee bedeckten die frierende Erde. 
den Laubes W b f W“] 
int™» „ .' emc Umhüllung von Rn 
Es alibcrte und ''fr fautcr gesponnenes Glas. 
ncMm m Li in bc " weißen Eis- 
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Şnchen, und hungrig, wie sie herveiqefloaci 
waren, eilten sie wieder fort von der Straße 
'n ihr warmes Heim zurück. Dort sträubten 
'w ihr braunes Gefieder hoch auf, streckten 
°en Kopf mit den klug blinzelnden Augen 
unter die Schutzdecke der Flügel und suchten 
st" Schlaf Vergessenheit der kalten elenden 
Gegenwart. Bisweilen drang ein leise piep 
sender Ton aus der Kehle des kleinen Vogels; 
er träumte vom Sonnenschein mit seiner 
warmen Herrlichkeit. 
Fl°cken'?°^ş°?' fid der Schnee in dichten 
Erde die m ŞsMinel, als wolle er die ganze 
àa büllt wm^7ä" Winterkleid 
begraben unter seiner 
| UUe - Selbst dre Straßen der Residenz 
»ntn V ’ Vst ei Schnee sonst gleich 
Ï dm Fußtritten von Menschen und 
Aperen verschwand und dann als schwarze 
Ä 1 ^' blasse von Menschenhänden entfernt 
Es b e° b à heute eine fußhohe Schnceschicht. 
sonst s chle eine ungewöhnliche Stille in den 
Stadt ° delcbten Straßen der verkehrsreichen 
nicht *' àDw grimmige Kälte wirkte auch 
™ gerade verlockend auf die Menschen und 
man konnte es ihnen wahrhaftig nicht verdenken, 
wenn sie lieber im behaglich durchwärmten 
Zimmer blieben, als daß sie sich' draußen 
kalte Füße und rothe Nasen holten. 
Die Schneeflocken glitten auch an den hell 
blinkenden Fenstern eines reizenden Frauen- 
gemachs nieder und schmolzen von der dort 
herausströmenden Wärme. Da drinnen schaute 
cs fast wie Frühling ans: Blumen und selt 
same Blattpflanzen prangten in kostbaren 
Schalen und ließen vergessen, daß draußen 
die Natur in ein dichtes Schneeklcid gehüllt 
war. Ein junges Mädchen saß an einem 
geöffneten Flügel; sic spielte eine schwcrmüthiac, 
tieftraurige Melodie. 
Im tiefe» Lehnsessel neben dem weißen 
Kachelofen, wo ein lustig prasselndes Feuer 
wohlthuende Wärme verbreitete, saß eine alte 
Matrone, das Haupt mit der sein gefältcten 
-^aube auf ein iimfangreiches Buch niederge 
hst"^ das auf ihren Knieen ruhte und dessen 
""bdccke auf der Innenseite die Bildnisse 
ÎY' n * n ’ ein Knabe und ein Mädchen 
von zehn Jahren zeigte 
Wir befinden uns in dem Gemach, welches 
Kumgume von Rodenstciii mit ihrer alten 
Verwandten bewohnte. 
3)ic Zeit hatte ihren wohlthätigen Einfluß 
auf Kunigunde ausgeübt und wenn sic auch 
nicht ihren Kummer und ihr Herzeleid gain 
vergessen und noch immer um das verlorene 
Glück trauerte, so hatte sie sich doch „ach 
und nach mit ihreni harten Schicksal ausge 
söhnt. In Tannenburg war sic nicht wieder 
gewesen; dort war alles so wie sie cs ver 
lassen. Ein Verwalter schaltete in ihrem 
Nanien und sandte regelmäßig seine Berichte 
ein, die sie indeß nur wenig intcrcssirtcn. 
Die reichen Einkünfte wurden von ihr fast 
Durch Herrn v. Kardorff's ganzes 
parlamentarisches Wesen und Wirken zieht 
sich wie ein rother Faden die Devise: 
„Reden ist Silber." Vorgestern war er 
besonders silbern abgestimmt — handelte es 
şich doch um die vielumstrittene Inter 
pellation, die den Namen des Herrn von 
Kardorff und des Grafen v. Mirbach trägt 
und die sich um die Neuausprägung 
von Silbermünzen dreht. 
Das Gold ist Chimäre — so schienen 
auch die siebzehn Zuhörer zu denken, die 
während des Vortrages des Herrn v. Kar 
dorff die Tribünen schmückten. Ein Herr 
warf dort drüben einen nachdenklichen Blick 
in die Tiefen seines Portemonnaies, son 
derte anscheinend sehr sorgfältig die Nickeb 
von den Silbermünzen, dann versenkte er 
ein Portemonnaie wieder in die Tasche, 
knöpfte diese zu und schließlich schloß er 
seinen Rock bis zum Halse. Der Mann 
muß ein Provinziale sein, dem die Millionen 
von Gold- und Silberbarren, mit denen 
Herr v. Kardorff seine Rede schmückte, den 
Verstand etwas verwirrt haben mußten. 
Die Währungsfrage ist nicht für Harm- 
lose Gemüther berechnet. Für zehn ein- 
zelne Markstücke erhält man genau so viel, 
wie für eine Krone und das Wunderbare 
dabei ist, daß man von manchen guten 
und seltenen Dingen für beide genannten 
Münzsorten genau gleich wenig erhält. 
Herr v. Kardorff ist ein Kenner der 
Währungsfrage, obwohl der Provinziale 
auf der Tribüne seine Portemonnaie bei 
seinen Ausführungen versteckt hat. In der 
That ist die Sache denn auch garnicht so 
schwierig und es gelingt bisweilen, auf ganz 
natürlichem Wege Geld in Silber zu ver 
wandeln. Bei der schlechten Akustik des 
Reichstagssaales sind Mißverständnisse nur 
schwer zu vermeiden, aber es schien so, als 
wenn Herr v. Kardorff in großen Zügen 
ungefähr Folgendes vortrug: Ein Dienst- 
Mädchen, welches nur alle 14 Tage den 
Bräutigam und die Herrschaften wechselte, 
hatte das seltene Glück, ein Zwanzigmark 
stück zu verschlucken. Man wird den 
Schmerz und die Aufregung der Herr- 
schaft begreifen, als sich nach mehrfachen 
ärztlichen Konsultationen schließlich heraus 
stellte, daß das Goldstück nur auf dem 
Wege der Operation an das Licht des 
Tages zu schaffen sei. Man hatte beinahe 
jede Hoffnung schwinden lassen, als der 
jüngste Sohn der Familie, der im zweiten 
Seniester Medizin studirte, auf einen licht 
vollen Gedanken kam. Er gab dem Mäd 
chen ein von ihm selbst erfundenes Mittel 
ein, nach welchem cs das Wechselfieber be 
kam und schließlich auf ganz legalem Wege 
zwanzig einzelne Markstücke von sich gab. 
Herr v. Kardorff zieht nun aus diesem 
eigenartigen medizinischen Fall die Schluß- 
folgerung, daß bei strenger Durchführung 
der Silberwährung derartige Fälle so leicht 
überhaupt nicht vorkommen könnten, weil 
es der Mehrzahl der Menschen doch Schwie 
rigkeiten machen würde, zwanzig einzelne 
Markstücke zu verschlucken, nur um auf 
diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege 
eine Goldkrone zu erhalten. 
Ans der rechten Seite des Hauses war 
man von dieser Art der Argumentation 
förnilich entzückt, man jubelte Bravo und 
klatschte Beifall. 
Graf v. Posadowsky wies nach, daß es 
ganz angenehm ist, wenn man genügend 
Silber besitzt, daß es aber auch keines- 
Wegs zu den Unannehmlichkeiten des Lebens 
gehört, wenn man immer eine mit Gold 
gespickte Börse bei sich führt. 
Arisêand. 
Außereuropäische Gebiete. 
Durch eine elektrische Eisenbahn 
beabsichtigt man Newyork und Philadelphia 
zu verbinden. Der Bau soll, wie das 
Berliner Patentbureau Gerson & Sachse 
berichtet, bald beginnen, sodaß die Bahn 
şchon im nächsten Winter dem Betriebe 
übergeben werden kann. Wie bekannt, 
wurde der elektrische Eisenbahnbetrieb bis 
her nur für verhältnißmäßig kurze Ent- 
ernungen nutzbar gemacht. 
England. 
London, 10. April. Eine aufregende 
Szene spielte sich gestern in einem Salon- 
wagen auf der Fahrt von Derby nach 
London ab. In einer Abtheilung des Wa- 
gens befanden sich, wie es scheint, außer 
einem Herren nur Damen und diese begann 
der Herr plötzlich in einer Weise zu beun- 
ruhigen, daß sie in wilder Hast in das 
angrenzende Rauch-Koupec flohen, wo sich 
mehrere andere Herren befanden. Nur 
eine junge Dame hielt zitternd bei dem 
Wüthenden aus: es ivar die ihm erst an 
demselben Morgen angetraute junge Gattin. 
Der Mann war plötzlich toll geworden 
und nur mit großer Mühe gelang es den 
Herren, ihn zu bändigen. 
Oesterreich. 
Aus Abbazia meldet das „Berl. T.": 
Dort verlautet, bie Kronprinzessin- 
Wittwe Stefanie werde in den ersten 
Maitagen die Kaiserin Auguste Viktoria 
in Abbazia besuchen. 
Aus Wien bringt der „L.-A." die Mit- 
theilung, daß auf dem Agramer Bahnhöfe 
gestern Morgen beim Ausladen des Ge- 
päcks des Fiumer Zuges ein Koffer ex- 
Plodirte, der etwa 3 Kilo Gewehr- und 
Revolverpatronen enthielt. Der Eigen 
thümer des Koffers, der Waldarbeiter An 
dreas Sepics aus Volosca, der sich auf 
einer Reise nach Bosnien befand und zwei 
Begleiter desselben, deren Koffer gleichfalls 
Patronen enthielten, wurden verhaftet. 
Zwei Gepäckträger sind durch die Explosion 
chwer verwundet worden. 
Aus Pilsen wird der „V. Z." berichtet, 
daß anläßlich einer Arbeiterversammlung, 
welche von dem Vertreter der Behörde 
aufgelöst wurde, gestern Abend große Aus- 
chreitungen stattfanden, die Wachleute wur 
den mit Steinen beworfen, worauf Militär 
die Straßen säuberte. 
Rcichcnbach, 11. April. In der Mon 
tagsnacht zwischen 1 und 2 Uhr wurde 
hier ein heftiger Erdstoß wahrgenommen. 
Inland. 
ausschließlich zu wohlthätigen Zwecken vcr- 
und ihr Name war gar bald bei allen 
Icothteldenden bekannt. Diesen Winter hatten 
sich ihrer Wohlthätigkeit ein besonders reiches 
Feld gezeigt, als infolge des Krieges allerorten 
Noth herrschte. Es war offenbar eine Ge 
nugthuung für sie, die Noth anderer zu lindern 
während sic selbst litt und Niemand ihren 
Schmerz zu stillen verniochte. 
Ueber den Tod des Freiherrn herrschte noch 
immer ein gchcimnißvolles Dunkel, trotz der 
eifrigen Nachforschungen, die Polizeikommissar 
Fallhoff angestellt. Der junge, eifrige Beamte 
war untröstlich darüber, als er sich endlich 
eingcstehen mußte, daß hier alle Zeit und Mühe 
vergebens sei. Ueber Kurt von Roscnhagcn 
hatte man ebensowenig etwas erfahren, ja es 
konnte der Fall sein, daß er gar nicht mehr 
unter den Lebenden weilte. So war die 
Zeit langsam verflossen, die Vergangenheit 
mit ihreni Schleier bedeckend. 
Der Gesang Kunigundens verstummte jetzt 
und nach rückwärts sah sie die alte Dame, 
welche noch immer in Betrachtung des Bild 
nisses in tiefes Sinnen versunken. Die Notcn- 
hcfte bei Seite schiebend und ihren Platz vor 
dem Instrument verlassend, eilte sie ans die 
Matrone zu und schlang die vollen, weichen 
Arme um ihren Nacken. 
„Ach Tante, liebe Tante," rief sie mit 
ust schmollender Stimme, „wenn" Du ein 
o betrübtes Gesicht machst, als sei Dir heute 
etwas Böses widerfahren, so vergeht mir die 
Lust zum Singen. Du sagst mir ja selbst 
immer, mein Gesang heitere Dich auf und 
lasse Dich die schmerzlichen Gedanken ver 
gessen." 
Die alte Dame umschlang Kunigunde 
— Der Abg. Dr. Lieber hat in der 
„Niederrh. Volksztg." folgendes Schreiben 
gerichtet: 
„Ich wollte politisch sterben aus Gesund 
heitsrücksichten und meiner Familienverhältnisse 
wegen, wie man physisch stirbt. Schickt morgen 
nach mir, Ihr werdet einen stillen Mann an mir 
finden. So sind auch meine Abschiedsworte an 
meine Wühler und politischen Freunde abgefaßt. 
Morgen gedachte ich nach Berlin zu reisen, Mon 
tag niederzulegen, ohne Sang und Klang, ein 
lchlichter Abschied. Ich wollte ihn noch nach v. 
^.ovs Erklärung nehmen, und Alles wäre wieder 
gut geworden. „Mann über Bord! — Volldampf 
voraus!" Wenn ich auf Ihre Angriffe schwiege, 
wurde der Abschied ein infamer; das kann 
selbst Gott mir nicht zumuthen. Wenn man von 
mir Schweigen verlangt, muß man nicht selbst 
zügellos reden, fortwährend reizen und, mit Un 
wahrheiten wirthschaften auch noch „die Wahrheit 
sagen" nennen. Ich werde also reden von der 
Leber, und den Klugen zeigen, daß, wer Klugheit 
predigen mußte, noch dringender Noth gehabt 
hätte, sie zu üben. Es thut mir ganz besonders 
leid, Ihnen sagen zu müssen: an allem, was 
nun kommen wird, sind Sie schuld: „tonsus 
tumpitur arcns!“ (Zu straff gespannt, springt 
der Bogen.) Und was war mein Verbrechen? 
^jch stellte den (russischen Handels-) Vertrag Se 
dan gleich. Daß man ihn unmittelbar vorher 
UN offenen Reichstage ,chas innere Jena" genannt 
hat, weiß man nicht oder verschweigt man, trotz- 
und drückte sic fest an ihre Brust. „Du 
weißt, liebes Kind, wie sehr mich Dein Ge 
lsang erfreut, und daß ich cs war, welche 
Dich in der ersten Zeit bat, durch Deinen 
lieblichen Gesang uns aufzuheitern und wie 
die Tiefe desselben wie ein kühlender Wind 
hauch durch meine Seele streicht und die 
Gedanken für einige Zeit ablenkt von dem 
Unglück, welches über unsere Familie herein 
gebrochen. Aber heute will cs mir wiedcr 
einmal nicht gelingen, meinen Schnierz zu 
bannen." 
Da brach ein Strom ans Kunigundens 
Augen und mit schluchzender Stimme rief sie: 
„O ich weiß es, liebe Tante, cs ist heute 
sein Geburtstag — denkst Du an ihn?" 
„An wen soll ich denn denken, als an ihn, 
den ich geliebt wie mein eigen Fleisch und 
Blut. Ja, cs ist heute sein Geburtstag, wo 
mag er weilen und ob er wohl auch an 
uns denkt?" 
„Nein, er denkt nicht mehr an uns; er 
hat uns ja verlassen und ist hinausgegangen 
in die weite Welt, ohne Abschied, ohne ein 
erklärendes Wort, wcßhalb er uns verlassen 
müsse. Früher habe ich immer noch gehofft, 
er würde doch wenigstens einmal ein Lebens 
zeichen von sich geben, aber auch diese Hoff 
nung hat sich nicht erfüllt und ich werde ihn 
wohl nie mehr sehen, den mein Herz so heiß 
geliebt." 
„Mein Kind, brich nicht zu schnell den 
Stab über einen Unglücklichen. Gottes 
Rathschluß ist uncrforschlich und wir arme 
gebrechliche Menschen müssen uns seinem 
Willen fügen. Ich kann nie an eine Schuld 
Kurts glauben und halte ihn keiner unrechten 
Handlung fähig. Ein furchtbares Geheimniß 
muß es sein, welches ihn hinweggctriebcn von 
der schwelle, wo er nach dem Tode feiner 
Eltern ein zweites Heim gefunden, denke nur 
an den gleichzeitig erfolgten Tod Deines un 
glücklichen Vaters." 
„Mein Gott, Tante, ich habe schon oft 
darüber nachgedacht. Wie manche Nacht 
habe ich schlaflos auf meinem Lager zugebracht, 
an nichts weiter denkend, aber es erscheint 
mir alles so geheimnißvoll, daß ich davor 
zurückschaudere." 
„So denk nicht mehr daran," sprach die 
Dame und strich liebevoll über Kunigundens 
Lockcnkopf. „Ueberlassen wir es der Zukunft, 
uns Aufklärung zu bringen." 
Während des Gespräches hatten die beiden 
Frauen ganz überhört, daß bereits zweimal, 
erst leise und dann stärker an die Thür ge 
klopft worden und als dies jetzt zum dritten 
Male und noch stärker als das vorige Mal 
geschah, sprang Kunigunde erschrocken aus 
während die alte Dame schnell das noch 
offen aus ihren Knieen liegende Buch zu 
klappte, als befürchte sic, daß das Bildniß 
der zwei unschuldigen Kinder von einem 
Fremden gesehen würde und im nächsten 
Augenblick stand 'Notar Steinbach ans der 
Schwelle. 
Freudig eilte Kunigunde ihni entgegen, 
blieb aber plötzlich erschreckt stehen, als sie 
den ungewöhnlichen ernsten Ausdruck auf 
einem Antlitz gewahrte. Eine geheime Angst, 
daß irgend etwas Unangenehmes geschehen 
ei, ließ sie leicht erzittern und wie hülfc- 
uchend hing ihr Blick an Stcinbach. 
Dem Notar war dies nicht entgangen und 
da es nicht in seiner Absicht lag, Kunigunde 
lange auf die Folter zu spannen, so rückte 
er einen Sessel herbei und nahm neben der 
alten Dame Platz, während Kunigunde er 
wartungsvoll vor ihm stehen blieb.
	        
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