Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

Ich werd' es ihm aber schon beibringen! 
Er ließ ein Pferd in die Nähe führen und 
durch einige Soldaten erschrecken, in der 
Hoffnung, daß die Angst vor den Hust 
tritten den Gestürzten wieder auf die Beine 
bringen werde. Als aber selbst mehrere 
Huftritte auf den Körper des Aermsten 
wirkungslos blieben, ließen die Offiziere 8 
Kübel kalten Wassers über ihn ausgießen 
Alles Flehen und Jammern des Gemärter- 
ten konnte seine Peiniger nicht bewegen, von 
ihm abzulassen. Zuletzt ließen sie ihn mit 
einem starken Strick unter den Armen bin 
den und durch den Soldaten Guadagnin 
und den Fourier wiederholt in die Höhe 
ziehen und wieder niederfallen. Der so 
mit allen Regeln der Kunst Gefolterte jam 
merte in herzzerreißender Weise: „Herr 
Lieutenant, ich bin schon todt, lassen Sie 
mich doch, ich sterbe ja so schon!" Aber 
erst nach zwei Stunden, als der Gefolterte 
kaum noch ein Lebenszeichen von sich gab, 
ließen die Offiziere von ihm ab. Zwei 
Mann packten ihn auf ihr Geheiß an den 
Beinen und schleppten ihn über den Hof, 
so daß sein Kopf auf das Steinpflaster 
aufschlug. Eine Frau aus der Nachbar 
schaft, die sich erbot, ein Kissen zu holen, 
wurde barsch zurückgewiesen und dem Ster 
benden ein Wasserkübel unter den Kopf ge 
schoben. Nach weiteren 2 Stunden traf 
der Regimentsarzt ein. Seine Hülfe war 
aber umsonst. Um 1 Uhr in derselben 
Nacht starb der Rekrut. Der Mailänder 
„Italia del Popolo" erfährt, daß der De 
putate Zabeo bereits über diesen Vorfall 
eine Interpellation an das Ministerium 
gerichtet habe. Ueber die Wahrheit der 
grauenhaften Einzelheiten erscheint ein 
Zweifel kaum möglich, da die Zeitungen 
die Aussagen von zahlreichen Zeugen aus 
dem Civil- und Militärstande bringen. 
■ Oesterreich. 
Aus Abbazia meldet die „Voss. Ztg.", 
daß Kaiser Wilhelm auf dem Bahnhöfe 
Mattuglie Veranlassung nahm, vor .dem 
Eintreffen des Wiener Hofzuges sich mit 
dem Statthalter in liebenswürdiger Weise 
über Abbazia zu unterhalten. Es gefalle 
ihm außerordentlich und den Prinzen ge 
falle es dort sehr gut. Seinen bisherigen 
kleinen Ausflügen beabsichtige er größere 
folgen zu lassen. Unter Anderem solle auf 
den Inseln eine Geierjagd stattfinden. 
Abbazia, 29. März. Der Hofzug lief 
präzise 9 Uhr in den Bahnhof von Mat 
tuglie ein. Als Kaiser Franz Joseph 
dem Wagen entstieg, eilte Kaiser Wilhelm 
ihm entgegen. Beide Majestäten umarmten 
und küßten sich zweimal auf das Herzlichste. 
Nach der Begrüßung des Gefolges traten 
die Majestäten aus dem Bahnhöfe, um die 
bereitstehenden Wagen zu besteigen. Die 
auf dem Platze vor den: Bahnhöfe und 
auf den überhängenden Felswänden zu 
Tausenden versammelte Bevölkerung brach 
in diesem Augenblick in lebhafte Eoviva-, 
Zivio- und Hurrahrufe aus. Die Maje 
stäten begaben sich dann über Boloska 
durch die mit Fahnen, Guirlanden und 
Flaggen geschmückte, sowie von Landleuten 
dicht besetzte Straße noch Abbazia. Sie 
wurden auf dem ganzen Wege begeistert 
begrüßt. Gleich nach der Ankunft machte 
der Kaiser Franz Joseph der deutschen Kai 
serin in der Billa Amalia einen Besuch. 
Später stattete der Kaiser auch der Groß 
herzogin von Toskana einen Besuch ab. 
Nach Unterschlagung von 51000 
Gulden ist der Kassirer der Kommerzial> 
Bank in Trieft, Content o, flüchtig ge 
worden. Er hatte aus den zum Tages 
gebrauche bestimmten Päckchen kleinerer 
Banknoten mit großer Geschicklichkeit einen 
Theil entnommen und denselben durch sorg 
fältig zugeschnittene Papierstücke ersetzt, was 
bei den starken Beständen der Bank leicht 
ausführbar war; 25 000 Gulden entwendete 
Contents während der letzten Kassen-Revision. 
Inland. 
— Zur Verleihung des Schwarzen 
Adlerordens an den Kriegsminister 
wird offiziös in der „Köln. Ztg." geschrie 
ben, daß der Kaiser unmittelbar nach 
Eingang des stenographischen Sitzungs 
berichts des Reichstags vom 3. März, 
also nach der ersten Verhandlung über den 
Fall Kirchhoff, bei der Berathung des 
Etats des Kriegsministeriums an den 
Kriegsminister ein huldvolles Telegramm 
richtete, das, an die Berathung anknüpfend, 
doch in erster Linie der Befriedigung über 
das Entgegentreten des Kriegsministers 
wieder die in letzter Zeit leider mehrfach 
erfolgten Antastungen der Familienehre 
Ausdruck verlieh. Die Auszeichnung müsse 
auch noch von anderen Gesichtspunkten be 
trachtet werden. „Sie bedeutet eine An 
erkennung dafür, daß der bekanntlich im 
Ruhestande befindliche General sich zur 
Uebernahme des Kriegsministeriums unter- 
recht schwierigen Verhältnissen bereit finden 
ließ, obgleich von ihm doch bekannt war, 
daß ihn keinerlei Ehrgeiz nach seiner glän 
zenden militärischen Vergangenheit wehr 
reizte. Sie steht in direktem Zusammen 
hang mit manchen Reformen, deren Grund- 
züge in wesentlichen Punkten der Kaiser 
selbst vorgezeichnet hat, während er für 
andere dem Minister sein Einverständniß 
ausdrückte. Die Pläne entziehen sich vor 
läufig der Oeffentlichkeit, werden jedoch in 
nicht ferner Zeit aktuelle Bedeutung er 
langen. Nebenher gehen aber auch Umge 
staltungen von etwas geringerer Bedeutung, 
die sich im Schoße der Heeresverwaltung 
selbst vollziehen werden. Daß hierbei die 
Folgen der letzten Heeresreform keine ge 
ringe Rolle spielen, braucht wohl nicht erst 
hervorgehoben zu werden. Daß der Kriegs 
minister auf dem Boden der zlveijährigen 
Dienstzeit der Fußtruppen steht, soll nur 
angeführt werden, um etwaigen schiefen 
Auslegungen die Spitze zu nehmen." 
— Gegen den Elbe-Travekanal setzt 
die agrarische Opposition bereits im „Reichs 
boten" ein. Das Blatt sucbt die Renta- 
bilität des Kanals anzuzweifeln und zu 
gleich Konkurren z rücksichten aufzu- 
rühren, indem es meint, der Elbe-Trave 
kanal sei ein Kontürrenzkanal zum Nord- 
ostseekanal, der dessen Rentabilität beein 
trächtigen werde. Der „Reichsbote" will 
deßhalb den preußischen Beitrag auf eine 
Million Mark statt der verlangten 7'/ 2 
Millionen Mark reduziren. 
Berlin, 29. März. Der Landtagsabg 
Kelch legte sein Mandat nieder, da er 
zum Geheimen Regierungsrath befördert 
worden ist. 
■ Aufsehen erregte vorgestern Morgen 
um 5'/z Uhr eine blutrothe Fahne, 
die in weißen Buchstaben die Inschriften 
„Hoch lebe die Anarchie" und „Hoch lebe 
die Revolution" trug und an der Schil 
lingsbrücke an dem über die Spree laufen- 
den Telephondraht befestigt war. Ta man 
die Fahne von keiner Seite erreichen konnte, 
mußte die Feuerwehr alarmirt werden, die 
mit Hülfe der mechanischen Leiter die 
Fahne beseitigte. 
Berlin, 27. März. Berliner Turner 
sind von einem schweren Unglücks fall 
betroffen werden, den am ersten Feiertag 
Abend in Schönefeld, zwanzig Minuten 
von dem die Endstation der Militäreisen 
bahn bildenden Kummersdorf entfernt, die 
Unvorsichtigkeit eines Artilleristen herbeige 
führt hat. Von. einem seit Freitag auf 
deni Marsche befindlichen Turnverein, der 
Schönefeld Rast gemacht hatte, war 
ein Trupp von fünf jungen Leuten auf 
den Kummersdorfer Schießplatz gegangen. 
Hier hatten sie einen Granatenzünder ge 
funden, den sie aufhoben und mitnahmen. 
Gegen sechs Uhr Abends stießen sie auf 
einen Artilleristen, den sie baten, ihnen zu 
zeigen, welchen Zweck der Zünder zu er 
füllen hätte. Sie stellten sich im Halb 
kreise um den Soldaten auf, und dieser 
erklärte ihnen den Geschoßtheil. Hierbei 
nahm der Artillerist zur genaueren Aus 
einandersetzung eine Nadel (!) zur Hand 
die Hülferufe eilte Lieutenant Loydwitz von 
der in Sprottau garnisonirenden Artillerie 
herbei, warf schnell Mantel und Degen ab 
und sprang in die Fluthen. Nach muthigem 
Kampfe mit der Strömung und ernster 
Lebensgefahr gelang es ihm, den bereits 
regungslosen Körper zu erfassen und ihn 
an das Ufer zu bringen, wo die Zuschauer- 
menge dem wackeren Offizier, dem zweifel 
los die wohlverdiente Auszeichnung für 
seine muthvolle That zu theil werden wird, 
lebhaftes Bravo spendete. Es gelang, den 
Verunglückten ins Leben zurückzurufen. 
Mit sechs Wochen Gefängniß ahn 
dete am 19. März das Schöffengericht zu 
Essen die Entwendung eines Gegen 
standes, obgleich derselbe nur wenige 
Pfennige realen Werth darstellte. Ein 
wohlhabender Kaufmann B. aus Düssel 
dorf, der im Geschäft seines Vaters thätig, 
schien zu beabsichtigen, einer chemischen Fa 
brik in Essen ein Konkurrenzwerk zu er 
richten und suchte deswegen Meister und 
Arbeiter jenes Werkes durch Versprechungen 
für sich zu gewinnen und von ihnen nicht 
die nöthigen Einrichtungen und Me- 
zuführen versuchen, hat nach Mittheilung I wie Blendsteine, Felsen aus den schwedischen 
nur 
thoden zu erforschen, sondern auch Proben 
von streng geheim gehaltenen Zwischenpro 
dukten zu erhalten, die gewissermaßen den 
Schlüssel für die ganze Art und Weise der 
Fabrikation bilden. Der Kriminalpolizei 
gelang es, den Düsseldorfer in einer Ar 
beiter-Schenke zu treffen, wo gerade ein 
Arbeiter der chemischen Fabrik ihm das ge 
stohlene Gut, das, wie gesagt, nur wenige 
Pfennige Geldwerth besitzt, zugesteckt hatte. 
Der durch B. zum Diebstahl angestiftete 
Arbeiter erhielt eine Gefängnißstrafe von 
14 Tagen. 
Ein betrübender U n g lü ck s f a l l ereignete 
sich am Sonnabend vor Ostern in der 
Pro vi nzia l-B lind enan sta lt in Soest. 
Ein nicht völlig erblindetes Mädchen wollte 
einen Ofen Heizen, als eine hinausgefallene 
Kohle ihre Kleider ergriff, so daß sie bald 
trotz herbeigeeilter Hülfe schwer verletzt 
weggetragen werden mußte. Der herbei 
gerufene Änstaltsarzt konnte wohl Linderung, 
aber keine Hülfe bringen. Gegen 9 Uhr- 
Abends trat der Tod ein. 
Moosbnch, 28. März. Kürzlich wurde 
in der Nähe des Gottesackers die Leiche 
eines dreiviertel Jahre alten Mädchens 
mit ausgestochenen Augen nackt auf 
gefunden. Ungefähr hundert Schritte da 
von lag ein schöner Sarg. Anfangs 
glaubte man, es läge eine vorsätzliche 
Tödtung dieses Kindes vor; doch hat sich 
jetzt herausgestellt, daß es die Leiche eines 
kurz vorher beerdigten Mädchens sei. Das 
- - w ^-D.'Grab ist noch offen; mehrere daneben 
Als er aber den Turnern den Zweck der liegende Gräber sind auch angegraben. 
Zündplatte verständlich machen wollte, kam Das Todtenkleid und Hemdchen sind ent 
er dieser mit der Nadelspitze zu nahe, und wendet. 
in demselben Augenblick ' explodirte die München, 29. März. Der „Nieder- 
Züiidkapsel. Dem Artilleristen wurde die bayerische Anzeiger", das Organ der nieder 
linke Hand ^fast ganz und von der rechten 
Hand vier Finger abgerissen und auch im 
Gesicht wurde er schwer verletzt. Die 
Turner erlitten mehr oder minder heftige 
Brandwunden an Gesicht und Händen. 
Bei dem einen soll für. das Augenlicht zu 
fürchten sein. Die Verunglückten wurden 
schleunigst nach der Kaserne in Kummers- 
dorf gebracht, wo ihnen die erste ärztliche 
Hilfe zu theil wurde. 
Der älteste Einwohner Berlins, der 
Uhrmacher Johann Gottlieb. Hagemann 
vollendete am ersten Osterfeiertage sein 
hundertundzweites Lebensjahr. H., der 
an: 25. März 1792 in Guschtenbruch, 
Kreis Friedeberg, geboren ist, lebt seit 
zehn Jahren in Berlin, und zwar bei sei- 
nem Schwiegersohn, dem Kellner Macke- 
brand in der Philippstraße 13a. Hage 
mann, der seinen letzten Geburtstag auf 
dem Krankenlager beging und damals 
äußerst schwach war, hat sich soweit erholt, 
daß er Vormittags gegen 11 Uhr sein 
Bett zu verlassen pflegt und sich eines 
gesunden Appetits erfreut. Bevor er sich 
erhebt, genießt er eine Eierspeise und ein 
Glas Rothwein. Auch die geistige Rüstig 
keit des Greises ist den Umständen nach 
befriedigend. 
Magdeburg, 29. März. Die hiesige 
Eisenbahn-Direktion macht bekannt: 
Der Artikel der „Braunschw. Landes-Ztg." 
born 28. ds. über den Vorfall in Vie 
nenburg beim Einrangiren des Salon 
wagens des Regenten Albrecht in den 
ischnellzug Berlin-Aachen am 27. ds. bringt 
übertriebene Angaben. Eine Wagenbeschä- 
digung ist überhaupt nicht vorgekommen. 
Auch ist der Eisenbahn-Direktion nicht be 
kannt geworden, daß Se. Königl. Hoheit 
durch den Anprall von seinem Lager ge 
schleudert worden ist. Die Verspätung des 
Schnellzuges in Vienenburg ist durch Um- 
setzen des Salonwagens aus dem Braun- 
schweiger Zuge entstanden. Die Unter 
suchung über die Ursache des Vorfalls 
schwebt noch; eine strafrechtliche Verfolgung 
ist daher von der Eisenbahn-Direktion noch 
nicht beantraagt. 
Das Lied vom braven Mann hat am 
ersten Osterfeiertag in Sprottau eine hoch 
herzige Bethätigung gefunden. Ein Sohn 
des Schneidermeisters Tscheppe war in die 
hochangeschwollene Sprotta gefallen und 
wurde von dem reißenden Strom mit gro 
ßer Eile fortgetragen. Bei dem hohen 
Wasserstande und der bedeutenden Strömung 
bayerischen Bauernbunds-Gründer Dr. Gaech 
und Wieland, bringt jetzt eine vollstän 
dige Lossagung von Dr. Ratzinger, 
dem bisherigen Führer der Bauernbund 
bewegung in Bayern. Damit scheint die 
Trennung im Bauernbund eine vollständige 
zu sein. 
Ein mächtiger Elbkahn, der bei 
dichtem Nebel an einen Pfeiler der Au 
gustusbrücke in Dresden angerannt und 
infolge des furchtbaren Anpralls sofort ge 
borsten war, hat fünf Tage lang die ge- 
sammte Elbschifffahrt von Dresden thal 
wärts vollständig gesperrt. Gegen 200 
Schiffe lagen bis Bodenbach hinunter in 
folge dieses Hindernisses fest. Trotz ange 
strengtester Arbeiten bei Tag und Nacht 
konnte man mehrere Tage lang das Wrack 
nicht von der Augustusbrücke losbringen. 
Vier große Raddampfer und ein Ketten 
schlepper mußten nach langem, erfolglosen 
Bemühen, den Kahn fortzuschleppen^ un- 
verrichteter Sache wieder abdampfen. Die 
starken Drahtseile zerrissen wie dünne 
Fäden. Infolge dessen sah nian sich ge 
nöthigt, das Schiff am Sonnabend durch 
eine Abtheilung des Dresdner Pionierba 
taillons sprengen zu lassen. Erst die zweite 
vorgenommene Sprengung war von Erfolg 
begleitet. Langsam trennte sich der Vorder- 
stellen vom^Schiffsrumpfe, und dem bereit 
liegenden Schleppdampfer gelang es nun 
die einzelnen Theile abzubringen. Eine 
nach Tausenden zählende Menschenmenge 
sah dem Schauspiel zu. Der Schaden, 
der durch die mehrtägige Unterbrechung 
der Thalschifffahrt entstanden ist, ist sehr 
bedeutend. Die werthvolle Ladung des 
Kahns, die in 80,000 Centnern Zucker 
und Mehl bestand, ist zum größten Theil 
verdorben. Sie ist indessen mit 20,000 
Mark versichert. 
Harburg, 29. März. Eine eigenartige 
Erscheinung in diesem Frühjahr ist das 
außergewöhnlich zahlreiche Vorkommen von 
wilden Schwänen auf der Elbe. Wäh 
rend die Vögel sonst durchweg nur verein 
zelt oder in kleineren Trupps beobachtet 
wurden, sieht man jetzt häufiger Schaaren 
bis zu 100 Exemplaren. Von den Zoll 
dampfern aus ist es schon wiederholt ge 
lungen, einzelne dieser scheuen Thiere, denen 
nur schwer beizukommen ist, zu erlegen. 
Hamburg, 29. März. Die sozialistische 
„Schulentlassungsfeier", die die hie 
sigen „Freidenker" (was ist darunter 
zu verstehen?) an Stelle der kirchlichen 
wagte Niemand das Rettungswerk. Auf Einsegnung bei der Arbeiterbevölkerung ein 
der sozialistischen Preßorgane trotz der von 
den Behörden ihr bereiteten Hindernisse 
dennoch stattgefunden. „Um 1V 4 Uhr führte 
ein Dampfer die aus ca. 400 Personen 
bestehende Gesellschaft, worunter 60 aus 
der Schule Entlassene, nach Schulau, wo 
gemeinschaftlich Kaffee getrunken wurde. 
Als dann die Festrede von Herrn Theiß 
gehalten werden sollte, mußte man adder 
verzichten, da der Amtsvorsteher auf Ein 
schreiten der Hamburger Behörde dem 
Wirthe mit Entziehung der Konzession 
drohte, falls er das Halten einer Festrede 
duldete. Mußte man von der Festrede 
Abstand nehmen, so fanden sich doch einige 
Theilnehmer veranlaßt, einige passende 
Worte an die Versammelten zu richten. 
Ernste und heitere Vorträge, gemeinschaft 
liche und Sologesänge wechselten mit ein 
ander ab. In den Zwischenräumen wurde 
getanzt. Um 10 Uhr fuhren die Theil 
nehmer nach Hamburg zurück; auf der 
Rückfahrt hielt dann Herr Theiß die Fest- 
rede, in welcher er die jungen Leute auf 
die Bedeutung des Tages aufmerksam 
machte." — Zu verwundern ist es in der 
That nicht, daß, wie in sozialistischen Ver 
sammlungen beklagt wurde, die große Mehr 
zahl der Hamburger Arbeiter von solchem 
„Ersatz für die Konfirmation" nichts wissen 
will. 
Hamburg, 28. März. Ueber den 2. 
Lag der Versammlung des „Vereins der 
Leiter und Lehrer cm Fortbildungsschulen 
ber Proainz Schleswig-Holstein, Hamburg 
und Lübeck" ist in Kürze zu berichten: 
Die Versammlung wurde von dem Vor 
sitzenden, Herrn Hauptlehrer Tanck-Neu 
münster, eröffnet. Es wurden zunächst ge- 
schäftliche Sachen erledigt. Als Mitglieder 
des Vorstandes wurden durch Zuruf ein 
stimmig wiedergewählt die Herren Tanck- 
Neumünstcr und Thomsen-Husum. Ein 
Antrag: „Die Zusammenkünfte des Ver 
eins möchten nur jedes zweite Jahr statt 
finden", wurde abgelehnt und als Ver 
sammlungsort für das nächste Jahr Husum 
gewählt. — Ein sehr interessanter Vortrag 
des Herrn Schlottke-Hamburg über „Frontal- 
Ansichtcn der Holzmodelle für das Frei 
handzeichnen" fand sehr lebhaften Beifall, 
wie auch der von Herrn Mayer-Hamburg 
gehaltene Vortrag über „das Fachzeichncn 
der Schlosser". — Ganz besonderes Inter 
esse erweckte der Vortrag des Herrn Tanck- 
Neumünster über „die Kreistheilung nach 
dem Pfeil'schen Verfahren". — Nach 
Schluß der Versammlung wurden das 
naturhistorische Museum und die Kunst- 
halle besucht. 
Eine tragikomsche Szene spielte sich 
Montag-Nachmittag in Hamburg (Winter 
hude) ab. Ein junges Dienstmädchen sprang 
dort in die Alster und wurde nur mit 
Mühe von einem Bauarbeiter gerettet, der 
sie in ein benachbartes Haus trug. Dort 
erst erkannte er, daß er seine frühere 
Braut gerettet hatte.- Beide hatten sich 
vor einiger Zeit erzürnt, nun folgte eine 
rührende Versöhnung. 
Provinzielles. 
M Friedrichstadt, 29. März. Zur Ber 
Haftung des hiesigen Bank-Geschäftsführers 
Hashage ist noch nachzutragen, daß die 
Höhe der von demselben unterschlagenen 
Summe auf 80—100 000 Mk. veranschlagt 
wird. Der Reservefonds und die gestellte 
Kaution belaufen sich im Ganzen auf ca 
62 000 Mk., das Aktienkapital beträgt 
330 000 Mk. Somit sind Verluste für die 
Kreditoren der Bank ausgeschlossen. E: 
wird hier lebhaft bedauert, daß im An 
schluß an die erfolgte Verhaftung des 
Hashage in so sehr übertriebener Weise die 
finanzielle Tragweite der von demselben ge 
machten Unterschlagungen aufgebauscht wor 
den ist. Einzelne Zeitungen brachten Be 
richte von hier, nach welchen die Unter 
schlagungen möglicherweise sogar den Be 
trag von 4—500 000 Mk. erreicht haben 
sollten und die schwere Verluste für hiesige 
kleine Geschäftsleute in Aussicht stellten. 
Die Verbreitung solcher, im Augenblick der 
ersten durch die erfolgte Verhaftung be 
wirkten Aufregung entstandenen, völlig nn 
kontrollirbaren Fabeleien haben unnützer 
weise auch in weiteren Kreisen Aufregung 
hervorgerufen und bewirkt, daß auswärtige 
Bankinstitute und auswärts wohnende Kre 
ditoren der Bank theils telegraphisch und 
brieflich, theils persönlich die jetzige hiesige 
Bankverwaltung um Auskunft bestürmt 
haben. Die anfängliche Panik ist indessen 
sehr bald einer ruhigeren Auffassung ge- 
wichen. Die Kreditoren haben fast alle 
ihre Guthaben in der Bank stehen lassen 
und es ist somit gegründete Aussicht, daß 
das hier so nützlich gewesene Bankinstitut 
unserer Stadt auch fernerhin erhalten blei 
ben wird. 
Die Arbeiten an der Hochbrücke bei Le- 
vensau schreiten rüstig fort. Das Trag- 
gerüst für die kolossale Eisenkonstruktiou der 
Hochbrücke hat bereits die Höhe von 40 m 
über dem Wasserspiegel erreicht und ist so 
weit gefördert, daß allen Schiffen die Passage 
hat freigegeben werden können. Das Mauer 
werk der beiderseitigen Brückenpfeiler ist 
bereits um ein Beträchtliches gestiegen. Auf 
beiden Seiten des Kanals werden durch 
einen Laufkahn mittelst elektrischer Kraft 
die zu Schiff von Kiel, Holtenau nur von 
Bergen usw., direkt aus dem Schiff auf 
die Baustelle transportirt. Der Bau der 
Hochbrücke überschreitet den bez. Titel des 
Voranschlags um 4‘/ 2 Millionen Mark. 
Die Schlosser- und Schmiede-Werkstätten 
der Arbeitsstation in Grünenthal haben 
die Ausbesserung der Bagger und sonstigen 
Maschinen beendet, so daß letztere wieder 
in Betrieb gesetzt werden können. Das 
Arbeitspersonal wird bis auf 600 Mann 
verstärkt; alsdann sollen die Baggerarbeiten 
in vollem Umfange wieder aufgenommen 
werden. Am Westende des Kanals, in 
Brunsbüttel, sind, da die Arbeiten nur zur 
Zeit der Ebbe ausgeführt werden können, 
Tag- und Nachtschichten eingerichtet. 
Hohenwestedt, 28. März. In der hiesigen 
landwirthschaftlichen Lehranstalt fand in der 
vergangenen Woche die öffentliche Schluß 
prüfung, welche sich über landwirthschaft- 
liches Rechnen, Dünger- und Pflanzenbau- 
lehre, Betriebslehre, Thierzuchtlehre, Wiesen 
bau, Feldmessen und Geometrie, Natur 
lehre, Volkswirthschaftslehre und Gesetzes 
kunde erstreckte, statt. An 32 Schüler 
konnten Prämien für Fleiß und gutes Be- 
tragen vertheilt werden. An der vorher- 
gegangenen freiwilligen Abgangsprüfung 
hatten sich 11 Schüler betheiligt. Bonden 
175 Schülern des verflossenen Schuljahres 
sind 82 zur Entlassung gekommen. 
o. Jevenftcüt, 29. März. Gestern 
wurde beim Gastwirth Matthiesen Hierselbst 
die Generalversammlung der Jevenstedter 
Spar- und Leihkasse abgehalten. Auf 
der Tagesordnung derselben standen zunächst 
die üblichen Berichterstattungen. Der Vor 
sitzende in der Administration, Herr Pastor 
O. Gleiß, erstattete den Jahresbericht. 
Wir entnehmen demselben Folgendes: „Am 
31. Decbr. 1893 betrug die Summe der 
Aktiva 177 270,66 Mk., die der Passiva 
176 441,63 Mk. Hiernach wurde ein Rein 
gewinn im Betrage von 829,03 Mk. er 
zielt. Außerdem darf das Inventar der 
Kasse nach Abschreibung von 10 pCt. auf 
481,50 Mk. gerechnet werden. Die Zahl 
der im Umlauf befindlichen Sparkassen 
bücher ist während des letzten Jahres von 
292 auf 342 gestiegen." Als Revisoren 
fungirten die Herren Amtsvorsteher Timm 
von hier und Mühlenbesitzer Schröder- 
Legan. Selbige erklärten, daß nach ihrer 
speciellen Durchsicht der sämmtlichen Werth 
sachen und Bücher, sowie nach Abstellung 
einiger unbedeutenden Mängel, die sie ge 
funden, die Verwaltung der Kasse als eine 
durchaus geregelte anzuerkennen sei. Das 
nach der Reihenfolge ausscheidende Ad 
ministrationsmitglied, Herr C. Roh wer - 
Stits, wurde einstimmig wiedergewählt. 
Gemäß eineul Beschlusse der Administration 
werden die Ueberschüsse der Kasse in den 
nächsten Jahren noch nicht für wohlthätige 
Zwecke, sondern lediglich zur Bildung eines 
Reservefonds, wie die absolute Sicherheit 
einen solchen bedingt, verwendet werden. 
O Büdelsdorf, 30. März. Am Sonn 
tag Abend findet der 4. und letzte V olks- 
unterhaltungsabend im Neuen Kruge 
hies. statt. Das Programm ist wie folgt 
festgestellt: 1. Marsch von Kiesler, vor 
getragen von der Kapelle der Carlshütte. 
2. a) „Aennchen von Tharau" und b) 
„Heute scheid ich" vorgetragen vom Büdels- 
dorfer Gesangverein. 3. Komischer Vor 
trag. 4. Wissenschaftlicher Vortrag. 5. 
Zithervortrag. 6. Allgemeines Lied. 7. 
Carola-Walzer, vorgetragen von der Capelle 
der Carlshütte. 8. a) „Abschied vom Ge 
birge", und b) „Des Liedes Crystal!", vor 
getragen vom Büdelsdorfer Gesangverein. 
9. Komischer Vortrag. 10. Reutervgxle- 
sung. 11. Vortrag über die Hühnerzucht. 
12. Allgemeines Lied. 
A Rendsburg, 30. März. Aus den 
Kreisen unserer Jäger werden in diesem 
Jahre Klagen darüber erhoben, daß die 
Schnepfe so spärlich durchzieht, oder doch 
wenigstens selten gefunden und geschossen 
wird. Meister Lampe hingegen geht's 
wieder sehr wohl. Von der Angst und 
dem Schrecken der Jagdsaison hat er sich 
erholt. Infolge der milden Witterung ist 
der erste Wurf der Jungen meist gut ge 
diehen. 
— Rendsburg, 30. März. Dem Bau 
von Anlegeplätzen im Untereiderhafen stellen 
sich erhebliche Schwierigkeiten entgegen, 
welche ein rasches Fortgehen der genannten 
Arbeit hemmen. Bei Einrammen der 
Spundwand stößt man wiederholt auf 
Steine, deren Entfernung nicht geringe 
Zeit und Arbeit in Anspruch nehmen. Im 
Interesse der Schiffer aber wäre es drin 
gend zu wünschen, daß die genannten Plätze 
in möglichst kurzer geht fertig gestellt wer- 
den, da der Raum zum Löschen und Laden 
sehr beschränkt ist. Dieser Mangel macht 
sich wiederholt fühlbar. 
X Rendsburg, 30. März. Der Pro 
vinzialverein zur Pflege kirchlicher Musik 
hielt gestern Nachmittag unter dem Vor 
sitze des Herrn Klosterpropsten Frhrn. von 
Lilienkron-Schleswigim hies. Bahnhofshotel 
eine Vorstandssitzung ab, in welcher außer 
dem Vorsitzenden vertreten waren, die 
Herren Konsistorialrath Dr. Clausen-Brügge, 
Professor Stange-Kiel, Pastor Prahl-Alt- 
Hadersleben, Pastor Stoltenberg - Süder- 
brarup, Pastor Voß-Bornhöved, Oberlehrer 
Dr. Eickhoff-Schleswig, sowie die Organisten 
Schweden herbeigeschafften Baumaterialien, Heinebuch-Flensburg u. Hansen-Rendsburg-
	        
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