Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

nehmen könnte, daß er, auch wenn er ge 
sung gewesen wäre, sich der Abstimmung 
enthalten hätte, — wie es ja auch sein 
Bruder, freilich aus anderen Gründen, ge 
than hat. Graf v. Kanitz-Schlochau hatte 
vor der Wahl in Aussicht gestellt, gegen 
den Handelsvertrag mit Rußland zu 
stimmen, und hat hinterher eingesehen, daß 
er sein Versprechen nicht einlösen könne, 
weil er ein Hofbeamter ist. Er verdankt 
sein Mandat vorzugsweise dem Umstande, 
daß er 23 Jahre lang Hofmarschall 
des Prinzen Friedrich Karl und 
Friedrich Leopold gewesen ist und während 
des größten Theiles dieses Zeitraumes an 
der Spitze der Verwaltung der Herrschaft 
Flotow, der Besitzung der beiden Prinzen, 
gestanden hat und diese Besitzung bildet 
einen Bestandtheil des Wahlkreises Schlochau. 
Als er von der Stellung als Hofmarschall 
zurücktrat, wurde er Vize-Oberceremonien 
meister beim königlichen Hofe und im 
Sommer v. I. zugleich Geh. Ober-Re 
gierungs- und vortragender Rath im Mi 
nisterium des königlichen Hauses. Es ist 
natürlich, daß er, nachdem der Kaiser per 
sönlich nochmals für den Handelsvertrag 
eingetreten war und sogar einmal ein Wort 
über die Gegner, die in Beziehungen zum 
Hofe ständen, fallen gelassen hatte, in einen 
Konflikt gerietst, aus dem er sich nur durch 
Verzicht auf das Mandat retten konnte. 
■— Die politische Situation wird 
in der „Köln. Volksztg." dahin gezeichnet, 
daß „der Pakt" zwischen — nun wir 
wollen die Kontrahenten nicht nennen 
fertig zu sein scheint, es fehlt nur das 
kaiserliche Siegel daraus. Danach wird 
Herr Miguel Caprivi's Nachfol 
ger, damit die durch Annahme des russi 
schen Handelsvertrages erzürnten Konserva- 
liven wieder beruhigt werden." Das kleri 
kale Blatt faßt alsdann zusammen, was 
die Konservativen zu Gunsten des Herrn 
Miguel geltend machen. Im Uebrigen 
werde „abzuwarten sein, ob Miguel wirk 
lich den Sieg davon trägt und Caprivi 
nach einer „Anstandspause" verabschiedet 
wird. Die Konservativen glauben es, viel 
leicht ist aber bei ihnen der Wunsch der 
Vater des Gedankens. Jedenfalls stürz t 
entweder Caprivi oder Miguel." 
— Die „Hamb. Nachr.", die lange Zeit 
geschwiegen hatten, nehmen die Angriffe 
gegen die Vertragspolitik wieder auf; sie 
meinen: 
Die Ansicht, daß wie 1891 unsere Bundes 
genossen bei dem jetzigen Vertrage Rußland Ge 
schäfte auf Kosten Deutschlands macht und daß 
die Interessen Deutschlands unter der Vertrags- 
Politik des neuen Kurses überhaupt Schaden lei 
den leiden, dürfte von der großen Mehrheit des 
deutschen Volkes getheilt werden. Aus der Reichs 
tagsmajorität für den Vertrag ist kein Argument 
hiergegen herzuleiten; im Gegentheil beweist die 
vorwiegende Zusammensetzung dieser Mehrheit 
aus Sozialdemokraten, Polen, Elsässern, sowie 
aus der bürgerlichen und klerikalen Demokratie, 
daßfes nicht'nationale und monarchische Inter 
essen sein können, welche durch die Zustimmung 
dieser Elemente gedeckt werden. Das deutsche 
Volk hat sich seit 1890/91 daran gewöhnt, be 
allen Verträgen mit dem Auslande den Kürzeren zu 
ziehen und erwartet kaum etwas anderes, speziell 
bei dem russischen Vertrage konnte es sich ironisch 
damit trösten, daß ohnehin nichts mehr zu ver 
derben und es ziemlich gleichgültig sei, ob sich die 
deutsche Produktion an 12 oder an 13 Wunden 
verblute; dafür drängt sich aber je länger je mehr 
die Frage auf: „Was wird das Ende von alle 
dem sein?" 
Die Wirkung der „Versöhnung" scheint 
also schon zu versiegen. Lächerlich ist es 
aber, wenn die „Hamb. Nachr." für ihre 
Anschauungen die Mehrheit des Volkes in 
Anspruch nehmen. Es ist wirklich schade, 
daß nicht eine Reichstagsauflösung die 
Probe auf das Exempel machen ließ. 
— Wie nach der „Schl. Ztg." verlautet, 
soll infolge des Unglücks auf deni „Bran 
denburg" die Schaffung einer Revisions 
abnahme-Kommission innerhalb des Marine- 
Departements des Reichs - Marine - Amtes 
geplant sein, an deren Spitze der Chefkon 
strukteur der kaiserlichen Marine, Geheimer 
Admiralitätsrath Dietrich, treten würde. 
— Die Kluft zwischen „reaktionärem 
und freiheitlichem Antisemitismus" 
wurde, wie die häufig selbst antisemitische 
„Post" berichtet, am Donnerstag Abend 
in einer nur schwach besuchten öffentlichen 
Versammlung des „Sozialitären Bundes"^ 
recht scharf beleuchtet. Buchhändler Struppe 
sah bei den Religionsantisemiten nur Pri- 
vilegien- und Geldbeutelinteressen, Heuche- 
zeitig schon Dein Herz vergiftete? Geh', 
ich beklage Dich als das Opfer geistiger 
Verirrung. Leb' wohl!" 
Er winkte mit der Hand. Sie streckte 
die ihrige aus, aber vergebens; ihn schauderte, 
die kleine Hand zu ergreifen, an der das 
Blut seiner Mutter klebte. Sie bat und 
flehete so innig, ihr doch den letzten Ab 
schiedsdruck nicht zu versagen, daß er es 
endlich geschehen ließ, als sie seine Hand 
zwischen die ihrigen nahm. Mit einer blitz 
artigen Bewegung schwang sie sich auf den 
Rand des Kahns, und indem sie Rudolf's 
Hand krampfhaft festhielt, warf sie sich rück 
lings in die Flnth und zog den jungen 
Mann aus dem umschlagenden Fahrzeuge 
nach. Dieses richtete sich gleich wieder auf, 
aber über der Doppellast, von welcher cs 
befreit war, schlugen die Wellen zusammen. 
Noch im Versinken fühlte sich Rudolf in 
den kleinen Händen wie von eisernen Klam 
mern festgehalten. 
(Schluß folgt.) 
lei, Antoritätendusel, Talmudunsinn, Futter 
antisemitismns, eine ganz abscheuliche 
Kriecherei vor Thron, Gewalt und lügen 
Hafter Geschichte." Das klingt ja beinahe 
anarchistisch 
— Herr Joachim Gehlsen droht in 
der „Staatsb. Ztg." mit einer neuen straf 
rechtlichen Verfolgung wegen der Aussage 
im Prozeß gegen seine Gesinnungsgenossen 
Plack und Schweinhagen, daß er seiner 
Zeit einen Erpressungsversuch bei der Dis- 
kontogesellschaft unternommen habe. — Na 
türlich ist diese Drohung nichts weniger 
als ernst gemeint. 
— Vom „Sozialist" ist auch die nach 
der Konfiskation der rothen Nummer er 
schienene Extra-Ausgabe konfiszirt worden 
In dieser war die Konfiskation der rothen 
Nummer als ungehöriger Gewaltakt be 
zeichnet worden, da bereits am Tage vor 
der Verausgabung ein gewaltsames Ein 
dringen in die Druckerei versucht und jeder 
Kunde des Druckers, der die Expeditions' 
räume betreten wollte, visitirt worden sei 
Berlin, 18. März. Den Morgenbättern 
zufolge steht hier ein großer Wucher- 
prozeß bevor. Es soll sich in einzelnen 
Fällen um Summen von 60—100 000 
handeln, die aus Darlehen von einigen 
tausend Mark entstanden sind 
Wunderliche Blüthen treibt mitunter die 
Spekulation der Geschäftsleute. So hat 
jetzt der Inhaber eines in der Stralsunder 
Straße zu Berlin belegenen Viktualien 
Geschäfts in seinen Lokalitäten eine eng 
lische Drehrolle mit Musikbegleitung zur 
Benutzung —■ pro Stunde 20 Psg 
aufgestellt und erzielt dadurch gute Ein 
nahmen. Die Kurbel einer Drehorgel ist 
durch einen Treibriemen mit einer an dem 
Leierkasten befindlichen Riemenscheibe in 
Verbindung gebracht und wenn nun ge 
rollt wird, spielt der Flötenkasten: „Ja, 
treu ist die Soldatenliebe" oder „In einem 
kühlen Grunde", wozu sich das Geklapper 
der Rolle gar wunderlich ausnimmt. Die 
Küchenfeen jener Gegend, welche von der 
neuen Erfindung fleißig Gebrauch machen, 
inden dieselbe köstlich. 
Aus Thorn berichtet „L.-A.": Der Ver 
theidiger des wegen vorsätzlicher Tödtung 
des Barons v. d. Goltz zu lebenslänglichem 
Zuchthaus verurtheilten und flüchtigen Stell 
macher, Kopistecki, hat das Wiederaufnahme 
verfahren beantragt. Durch öffentlichen 
Aufruf soll Kopistecki ersucht werden, sich 
-elbst zu stellen. Geschieht dies, so ist die 
Wiederaufnahme des Verfahrens zweifellos. 
Ein bedauernswerther Unglücksfall hat 
ich am 16. dss in Löwen ereignet. Beim 
Scheibenschießen des dortigen Infanterie- 
bataillons wurde von einer verirrten Kugel 
ein Kind in dem Augenblick getödtet, als; des Herrn Scham dahin zu gehen, die 
Karte, warf seine Briefe in den Postwagen 
und verzichtete auf die Fahrt. Einige 
Mal glückte ihm das Verfahren, dann 
aber wurde ihm von dem dienstthuenden 
Beamten auseinandergesetzt, daß es nicht 
angängig sei. Wenn er eine Fünf-Pfennig 
karte löse, so sei er allerdings zum Be 
treten des Bahnsteiges berechtigt, er müsse 
dann aber auch die etwa 8 km lange 
Strecke von dem Dorf nach dem Düffel' 
dorfer Hauptbahnhof wirklich fahren; ein 
Verzicht auf diese Fahrt sei nicht statthaft. 
Wenn er nur den Perron zum Zwecke der 
Briefabgabe betreten wolle, so müsse er 
eine Bahnsteigkarte für zehn Pfennig lösen. 
Das ist wieder eine jener Absonderlich 
keiten, wie sie im Eisenbahnwesen so häufig 
zu verzeichnen sind und an welchen der 
Eisenbahn-Minister gewiß keine sonderliche 
Freude hat. seine Verordnung, die eine 
kulante Handhabung der bestehenden Be 
stimmungen über die Perronsperre em 
pfiehlt, scheint in der Vaterstadt Heines in 
Vergessenheit gerathen zu sein. 
Dresden, 15. März. Dem „Vorwärts" 
geht von hier folgende Mittheilung zu: 
Ein hiesiger Kaufmann, Chef eines Engros 
geschäfts und Besitzer verschiedener Grund 
stücke in und um Dresden, fuhr am 23. 
November v. I. auf der Pferdebahn in 
Dresden, auf der er mehrere Bekannte 
traf. Er ließ sich mit diesen in ein Ge- 
spräch ein und erzählte ihnen als Neuestes, 
daß er soeben im „Dresdener Journal" 
gelesen, daß der Landtag 100,000 Mark 
zur Heirath des Prinzen Johann 
eorg bewilligen solle. Dabei machte 
der Kaufmann die Bemerkung, daß er das 
nicht billige und der Meinung sei, daß 
der junge Mann nicht eher heirathen sollte, 
als bis er die nöthigen Mittel besitze. 
Zwei Tage darauf wurde der Kaufmann 
verhaftet und eine Untersuchung gegen 
ihn eingeleitet, weil er den Prinzen schwer 
beleidigt habe. Es wurden ihm Worte 
unterstellt, die er nicht gebraucht hatte, 
wie er durch seine Zeugen beweisen konnte. 
Die Sache wurde seitdem (26. November 
1893) nicht weiter verfolgt. Der Mann, 
der die Anzeige gemacht, war, der „Fkf. 
Ztg." zufolge, der Leibarzt des Königs, 
Dr. Jacoby, der sich auf der Pferde 
bahn befunden hatte. 
Dresden, 18. März Bürgermeister 
agner (Radeburg) wurde wegen Be 
truges im Amt zu 4 Jahren Gefängniß 
und 5 Jahren Ehrverlust verurtheilt. 
Der bekannte Ultra-Naturmensch Heinrich 
Scham in Dresden hat ein Buch er 
scheinen lasten, welches den sonderbaren 
Titel trägt: „Nackende Menschen, Jauchzen 
der Zukunft". Es scheint also das Ideal 
ihm seine auf freiem Felde sitzende Mutter 
die Brust reichte. Ueber die Mängel des 
Schießstandes ist schon wiederholt, aber 
vergeblich von den Umwohnern Klage ge 
führt worden. 
Danzig, 19. März. Um 5'/ 2 Uhr tra 
fen Reichskanzler Graf v. Caprivi mit 
seinem Adjutanten Ebmeyer, Staatssekretär 
Dr. v. Boetticher, Minister Thielen und 
der bayrische Gesandte Graf von Lerchen- 
feld-Köfering hier ein, sie wurden von dem 
Oberpräsidenten von Goßler, Oberbürger 
meister Dr. Baumbach, dem Stadtverord- 
netenvorsteher Steffens und dem Abg. 
Rickert empfangen, das Publikum begrüßte 
die Ankommenden mit lebhaften Hochs. 
Diez, 19. Mürz. Trotz aller gegen- 
theiligen Versicherungen in den Zeitungen, 
daß die Verhältnisse der hiesigen Vor 
schußkasse nach dem Verschwinden des 
Kassirers Velde, geordnete seien, stellt 
sich jetzt das Gegentheil heraus. Bis jetzt 
ist bereits ein Fehlbetrag von ca. 50 000 
Mark festgestellt. Velde soll, als sein Ver- 
mögen bereits verloren war, die Kassen 
gelder zu fehlgeschlagenen Spekulationen, 
hauptsächlich in Bergwerken, verwendet 
haben. Um den Fehlbetrag in der Kasse 
zu verdecken, hat Velde Geldrollen in die 
Kasse gelegt, die anscheinend 1000 Mark 
in Zwanzigmarkstücken, in Wirklichkeit je 
doch nur 50 Mark in Einmarkstücken ent 
hielten. Wie weiter bekannt wird, ist Velde 
zweifellos nicht, wie angenommen wurde, 
in die Lahn gegangen, sondern in der Rich 
tung nach Montabaur, von wo er mit der 
Westerwaldbahn das Weite, vermuthlich 
nach Holland, gesucht hat. Da noch viele 
Wechsel im Umlauf sein sollen, so wird 
der wirkliche Fehlbetrag sich erst später 
feststellen lassen. Die Kasse ist jedoch gut 
fundirt und die Geschäfte erleben keine 
Unterbrechung. 
Ueber ein Bahnsteig-Karten-Kurio- 
sum wird von einem Düsseldorfer Kauf 
mann geschrieben- Wir wohnen von der 
Post ziemlich entfernt und ließen deßhalb 
unsere Briefe nach dem nahegelegenen 
Bahnhof Derendorf bringen, wo sie direkt 
in den Briefkasten des Postwagens gewor- 
sen wurden. Seit der Absperrung der 
Bahnsteige mußte zu diesem Zwecke natür- 
lich eine Bahnsteigkarte gelöst werden. 
Nun kam unser Hausdiener, dem die Be 
sorgung der Briefe oblag, auf eine schlaue 
Idee: er erinnerte sich, daß ein Billet 
vierter Klasse für die Fahrt von Bahnhof 
Derendorf nach dem Hauptbahnhof Düssel 
dorf nur fünf Pfennige kostet, also nur 
«'halb so viel wie eine Bahnsteigkarte. In 
der Folge löste er also stets eine solche 
Menschen zu ihrem nackenden Urzustand 
ohne Scham zurückzuführen. Wir kommen 
vielleicht auf den Inhalt des Buches noch 
wieder zurück. 
Mannheim, 19. März. Der sächsische 
Kammersänger Al vary vom Hamburger 
Stadttheater stürzte bei der heutigen Probe 
des „Siegfried" in die Bühnenversenkung 
und beschädigte sich derart, daß er für 
längere Zeit nicht auftreten kann. 
Die ganze 80 Stück starke Schaf. 
Herde des Herrn Encken aus Wilhelm inen- 
hof in Ostfriesland, ist vor einigen Tagen 
im Wattmeer unterhalb Baltrum in Folge 
Nachlässigkeit des Schäfers ertrunken. Der 
Schäfer hat die Herde ohne Aufsicht ge 
lassen. Diese war dann offenbar von dem 
Hunde 5 Kilometer weit in das zur Ebbe 
zeit trockene Watt getrieben, dort von der 
Flnth überrascht worden und so jämmerlich 
ertrunken. Die umgekommene Herde hatte 
einen sehr großen Werth; sie war die 
größte Herde durchaus reiner ostfriesischer 
Milchschase und es waren mit ihr stets 
vorzügliche Zuchtergebnisse erzielt worden. 
Ein Duell fand nach einer Privat- 
Mcldung der „Post" aus Lübeck am Mon- 
tag im Gehölz beim Bahnhof Kleinen 
zwischen Dr. Dethloff aus Schönberg und 
Gutsbesitzer Busch ans Mückenburg statt. 
Dr. Dethloff erhielt einen Schuß in die 
Kniescheibe. 
Hamburg, 19. März. In Hamburger 
Spediteurkreisen istmansehr beunruhigt 
über die seitens der preußischen Staats 
bahnverwaltung angestellten Ermittelungen 
bezüglich die Nützlichkeit eines direkten 
Ausfuhrtarifs für den Export nach 
England. Im preußischen Eisenbahn 
ministerium werden fortgesetzt neue Pläne 
ausgearbeitet, die alle ein Ziel haben: 
Bekämpfung der Wasserstraßen. Es ist 
natürlich im höchsten Grade bedauerlich 
für alle Interessenten, also hier für die 
Spediteure, wenn der Staat ihren Gewinn 
an sich zu ziehen sucht dadurch, daß es 
auch hier unter irgend einer Form 
zum staatssozialistischen Uebel der Mono- 
polisirung übergeht. Die Privatinteressen 
werden dadurch vernichtet, wie wir glau 
ben, zum größten Schaden des deutschen 
Wohlstandes. Das staatssozialistische Ziel 
in Deutschland plant, nach und nach 
überall den Zwischenhandel und alle ver 
mittelnde Thätigkeit in Handel und Ver 
kehr aufzusaugen, so gehen nach und nach 
Tausende von Existenzen nicht allein, son 
dern auch Intelligenzen zu Grunde, die in 
der Gemächlichkeit des Bureaukratismus 
keinen Platz finden können und, nicht zum 
den Rücken kehren. Nur in dem freien 
Spiel aller Kräfte, insoweit geschützt, 
als sie nicht durch unsaubere Manipulationen 
unreeller Elemente behindert werden können, 
erstarkt die Entwickelung und Gesundung 
des deutschen Volkes. Aber gerade an 
diesem Schutze fehlt es und wird es leider 
wohl noch lange fehlen. 
In Hamburg stand ein Schauspieler in 
folge einer Verhaftung durch den in letzter 
Zeit mehrfach genannten Schutzmann 
olter III unter Anklage. Während der 
Angeklagte erzählt, daß er seines ange 
trunkenen Zustandes wegen in den Anlagen 
spaziert fei, dort von deni Schutzmanne 
Wolter Hl, den er nicht gekannt habe, mit 
der Bitte um Feuer angeredet und dann 
nach einem gleichgültigen Gespräche Oer 
haftet sei, will Wolter III den Angeklagten 
schon längere Zeit beobachtet haben, dann 
von diesem angeredet und um Feuer ge 
beten sein. Beide Parteien behaupten 
wiederholt und mit Bestimmtheit, daß ihre 
Darstellung die richtige sei. Auf Befragen 
erklärt Wolter III, daß gegen ihn kein 
Disziplinarverfahren eingeleitet und daß 
er ş nur vom Commissariat VIII zur Ab- 
theilung I der Polizeibehörde kommandirt 
fei- Wolter III erklärt ferner mit einem 
Seitenblick nach der Reporterbank, daß die 
Bewegung in dem Publikum und bei den 
Behörden nur ein Machwerk der Zei- 
tun gen sei. Nachdem von dem Vorsitzen- 
den drei Urtheile verlesen sind, in denen 
die ebenfalls von Wolter III Angeklagten 
kostenlos freigesprochen werden, beantragt 
der Amtsanwalt Dr. Görden, welcher der 
eidlichen Aussage des Schutzmanns Glau 
ben schenkt,, eine Geldstrafe von 40 Mark 
oder 8 Tage Gefängniß. Der Angeklagte 
weist auf seinen unbescholtenen Lebens 
wandel hin und erbietet sich, Zeugnisse 
über seinen Charakter zu' erbringen. Das 
Gericht spricht auch diesen Ange 
klagten kostenlos frei. Freilich sei 
die Sachlage für den Angeklagten etwas 
verdächtig; aber in Ansehung des höchst 
sympathischen Eindrucks, den der 
Angeklagte auf das Gericht gemacht hat 
und in Anbetracht des durchaus unsym 
pathischen Eindrucks des Zeugen 
Wolter III wolle vas Gericht dem Ange 
klagten Glauben schenken und spreche ihn 
deshalb frei. Wolter III habe auf das 
Gericht den Eindruck eines höchst nervö 
sen Menschen gemacht, der sich in 
seiner Phantasie allerlei Dinge 
zurechtlege, die in der Wirklichkeit nicht 
existiren, und in seinem Eifer, seiner Be 
hörde zu dienen, allerlei Gespenster gesehen 
habe. 
Die Bauhandwerker unserer Provinz 
beseiten eine Stellungnahme gegen die das 
Baugewerbe so schwer schädigende neu e 
Bauordnung vor. Von Heide ans ist 
die Anregung dazu erfolgt und zwar hat 
die Heiden städtische Behörde die dortige 
Bauhütte aufgefordert, in der Sache vor 
zugehen. Die Bauhütte in Heide hat fick 
dann an die Banhütte in. Elmshorn ge 
wandt, welche am Mittwoch eine Deputa 
tion nach hier entsandt, die sich mit der 
hiesigen Banhütte in Verbindung setzte, um 
demnächst nach hier eine Versammlung der 
gesammten Bauhütten der Provinz einzu 
berufen, in welcher Stellung gegen die 
Bauordnung genommen werden soll. 
Preetz, 18. März. Unsere Bürgerschaft 
soll noch immer nicht zur Ruhe kommen, 
denn die Differenzen zwischen dem 
Bürgermeister und der Stadtver 
tretung dauern in ungeminderter Heftig 
keit fort. Bekanntlich ist kürzlich im Bei- 
sein des Oberregiernngsraths v. Bischofs- 
Hausen ein Uebereinkommen dahingehend 
erzielt, daß der Bürgermeister bis späte- 
stens zum 1. Juli d. I. sein Amt quittirt 
gegen Bezug einer Pension von 2000 Ji 
jährlich. Sofort nach dieser Vereinbarung 
haben jedoch die Freunde des Hrn. Engel 
eine Bewegung in Szene gesetzt, welche be- 
zwecken soll, den Abgang desselben zu hinter 
treiben. Den Bürgern wird vorgestellt, 
daß diese Pension, die in Wirklichkeit nur 
ca. 10 pCt. der Staatssteuern ausmacht, 
die Steuern ungeheuer steigern werde, und 
allerlei andere Gründe werden in Umlauf 
gesetzt, die geeignet sind, ängstliche Ge 
müther zu beunruhigen. Wie es scheint, 
haben sich denn auch recht Viele durch die 
im Hintergründe winkenden angeblichen 
Mehrausgaben verleiten lassen, eine. an 
die Regierung gerichtete Petition zu unter- 
zeichnen, denen es heute vielleicht schon 
klar ist, daß sie durch derartige Maßnahmen 
nur gegen die eigene Selbstverwaltung agi- 
tiren. Die Majorität der Stadtvertretnng 
sieht diesem Treiben, mit Rücksicht auf die 
ihr gewordenen Erklärungen des Re 
gierungsvertreters mit größter Ruhe zu. 
^ (K. Z-) 
Der Dichter Claus Groth begeht am 
24. April d. I. seinen 75. Geburtstag. 
Der in Kiel neugegründete Schriststeller- 
und Journalisten-Verein, dessen Mitglied 
Professor Groth ist, beabsichtigt, anläßlich 
des Geburtstages des Dichters eine größere 
Feier zu veranstalten. 
Auf Amrum hat man jetzt mit dem 
Bau der neuen Landungsbrücke bei dem 
Hasenort Steenodde begonnen. Ein Ge 
such von reichlich 20 Einwohnern, die Brücke 
Seit letzter Woche ist in Hamburg eine im Interesse der Schifffahrt etwas weiter 
Verkaufsstelle für australisches Fleisch ein- nach Süden zu verlegen, hat man unbe- 
gerichtet, welche eine kaum glaubliche Fre- rücksichtigt gelassen, 
qnenz hat, die Leute stehen stundenlang Das vor einigen Jahren nenerbaute 
bis auf die Straße hinaus, um abgefertigt Holel der Frau Wittwe Braasch am 
Wohle Deutschlands, dem Vaterlonde dannßen des Ortes. 
zu werden. Das Fleisch wird in gefrorenem 
Zustande eingeführt und ist vorzüglich billig. 
Es ist nur die Frage, ob die Verkaufsstelle 
ini Stande ist, regelmäßig zu liefern. 
In Hamburg verstarb dieser Tage ein 
bekannter Fettwarenhändler Namens Schu- 
back, der nach seinem äußerem Auftreten 
und seiner ärmlichen Kleidung allgemein 
für einen sich nur kümmerlich ernährenden 
Mann galt. Bei Ausmachung seiner 
Hinterlassenschaft fand man in einer Kom- 
mode an 500 000 Mk in Obligationen, 
Papieren und Gold. Die Erben sind ver 
mögende Verwandte auf dem Lande. 
Ein ganz bedeutender Werthdiebstahl ist 
bei einer vor dem Dammthor in Hamburg 
wohnenden reichen Wittwe ausgeführt wor 
den. Dieselbe ließ zur Anzeige bringen, 
daß ihr ca. 400000 Jt theils in baarem 
Gelde, theils in Werthpapieren entwendet 
worden seien. Polizeilicherseits sind alle 
Hebel in Bewegung gesetzt worden, um des 
Thäters bezw. der Thäter habhaft zu 
werden. 
Friedrichsruh, 17. März. Frau Dory 
Burmeister-Petersen, Hofpianistin des 
Herzogs von Sachsen Coburg-Gotha, hatte 
dieser Tage die Ehre vor dem Fürsten und 
der Fürstin Bismarck zu spielen. Der 
Fürst schenkte der Dame sein Bildniß mit 
eigenhändiger Unterschrift und die Fürstin 
bat sie um Einzeichnung in das Auto- 
graPhen-Album der fürstlichen Familie. 
Provinzielles. 
Altona, 19. März. Seit Sonnabend 
voriger Woche ist der 16jährige Sohn eines 
in der Gr. Gärtnerstraße wohnenden Ge- 
schäftsmannes verschwunden. Er war Gym- 
nasiast und anstatt von der Schule nach 
Hause zurückzukehren, verließ der junge 
Mensch Altona. Zu erwähnen ist, daß er 
bei der Versetzung nicht hat berücksichtigt 
werden können. Die unglücklichen Eltern 
erhielten am Sonntag einen Brief von dem 
Sohne, indem dieser schreibt, daß er ans 
Scham über sein Zurückbleiben in der Klasse 
nicht nach Hause zurückkehren werde. Zum 
Schluß bittet er, nicht nach ihm zu for 
schen, da dieses doch zwecklos wäre. 
In Kaltenkirchen strikt seit dem 4. d. 
Mts. der dortige Laternenanzünder und 
weigert sich, die Laternen fernerhin anzu 
zünden. Da die Beleuchtungs-Commission 
noch keine andere Person mit der Ausfüh 
rung dieses Geschäftes betraut hat, herrscht 
nächtlicher Weile seit etwa 8 Tagen eine 
recht gemüthliche Dunkelheit in den Stra- 
Ugleisee wurde für 40000 „a. an den 
Landmann Grimm in Krummsee verkanft. 
Am Dienstag-Morgen kam in BanneS- 
dorf in Fehmarn ein Feuer zum Ausbruch, 
wodurch 3 Gebäude eingeäschert wurden. 
Das Feuer brach aus in der von dem 
Fischer Klüver und dem Arbeiter Rickert 
bewohnten Käthe, ergriff dann die Scheune 
des Gastwirihs Albert und zuletzt die von 
den Arbeitern Harloff und Moll bewohnte 
Dvppelkathe. Alle Gebäude waren mit 
Stroh gedeckt und sind total eingeäschert. 
Das Feuer ist dadurch zum Ausbruch ge- 
komnien, daß in der Klüver'schen Wohnung 
Zeug zum Trocknen an den Ofen gehängt 
war; die allein im Hause befindlichen 
Kinder konnten das Feuer nicht löschen, 
als andere Hülfe kam, war es bereits 
zu spät. 
O Ankrug, 17. März. Am Dienstag wurde 
von der Strafkammer des Amtsgerichts 
Itzehoe der Arbeiter Durchholz aus Brock- 
stedt zu 1 Jahr Gefängniß und ein Ar 
beiter aus Sitzen zu 4 Wochen Gefängniß 
verurtheil, beide wegen gefährlicher Körper 
verletzung Ersterer hatte nach dem Ver 
lassen einer dortigen Gastwirthschaft mit 
verschiedenen Knechten Streit erhalten, in 
dessen Verlauf er ein Messer gezogen/mit 
welchem er einen Knecht in den Arm und 
einen andern Knecht in Arm und Kopf 
gestochen Hat, letzterer ist beim Kartenspiel 
im Hanse eines dortigen Hökers mit einem 
anderen Arbeiter in Streit gerathen und 
hat denselben dann mit einer Scheere ver 
letzt. 
—u. Jevenstcdt, 19. März. Am gestrigen 
Palmsonntag wurden in hiesiger Kirche 
durch Herrn Pastor Gleiß 86 Kinder kon- 
firmirt, 42 Knaben und 44 Mädchen. Die 
Sitte der Beglückwünschung zur Konfirma 
tion hat hier noch nicht in der Weise an 
Boden gewonnen, daß man sie geradezu 
als Unsitte bezeichnen kann. 
O Rendsburg, 18. März. Der Han - 
delsvercin hat dieser Tage für das pro- 
jektirte Sonntagsheim eigene Räum 
lichkeiten erworben, welche bereits Mitte 
April in Benutzung genommen werden 
können. Dieselben umfassen die erste Etage 
des Hauses Nienstadtstr. 212 und enthalten 
außer einem passenden Versammlungs- und 
Restaurations-Raum noch Lesezimmer und 
Spielzimmer. Der Handelsvercin wird 
demnach davon absehen können, die von der 
Loge Nordstern für denselben Zweck freund 
lichst angebotenen Räume noch erst zu be 
ziehen.
	        
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