Neàķuraer
S©. 65.
Sonnabend, den 17. Wärz.
Kriminal Novelle von Gustav Höcker.
„Bon welcher Nacht sprechen Sie denn,
Kandier?"
„Bon der Nacht, wo Ihre Mutter —"
Um kein überflüssiges Wort sprechen zu
müssen, deutete der Kranke, dem das Reden
immer schwerer fiel, nach seiner Kehle.
„Wo meine Mutter ermordet wurde?"
frug Rudolf ungläubig.
„Ja."
„Kandier, sind Sic auch bei sich? Sprechen
Sie nicht im Fieber? Sie haben sa selbst
bei Ihrer gerichtlichen Vernehmung ausgesagt,
Sie waren in jener Nacht zu Hause gewesen."
„Ich log! — Hätte ich's zugegeben, so
wäre man hinter mein Handwerk gekommen.
— Ein böses Gewissen sicht überall den
Verrath lauern. — Lieber legte ich falsches
Zeugniß ab — und stürzte einen armen
Teufel ins Unglück. — Habe aber auch
keine Ruhe mehr gehabt, bei Tag und Nacht."
„So hätte Züllicke also bei seiner Ber-
nehmung die Wahrheit gesprochen?" frug
Rudolf wie betäubt. „Die volle Wahrheit?"
„Ja."
„Er sei bald nach 10 Uhr vom Hanse
weggegangen, behauptete er, und habe sich im
Walde verirrt."
„Wie wäre er sonst ans Grüne Kreuz ge
kommen?" nickte Kandler.
„Als er Sie am Kreuz getroffen haben
will," fuhr Rudolf fort, sich alle Umstände
in Erinnerung zurückrufend, „sei es nach seiner
Uhr ein viertel nach zwölf gewesen."
„Auch nach meiner Uhr."
„Auf geradem Wege hat man von hier
aus bis ans Kreuz eine gute Stunde zu
gehen —"
„Am hellen Tage sogar — und man muß
tüchtig ausgreifen," bestätigte der Schmugler.
„Wenn er nach vollbrachtem Morde eine
Viertelstunde nach Mitternacht hätte an der
Stelle sein wollen, wo Sic ihn gesehen und
gesprochen haben —"
„So hätte er Flügel haben müssen," er
gänzte Kandler und begann gleich darauf
wieder vor Schmerz zu wimmern.
„Mein Gott!" rief Rudolf, als der Kranke
still geworden war, „so wäre ja Züllickc's
Unschuld erwiesen, denn wenn er um jene
Stunde mit Ihnen an jenem fernen Orte
sprach, so muß er schon längst unterwegs
gewesen sein, als der Mord geschah; den
übrigen Theil der Nacht verbrachte er nach
gewiesenermaßen in Salitz, und um elf Uhr
hat meine Mutter noch gelebt. Weiß Ihre
Frau auch um diese Begegnung am Grünen
Kreuze?"
„Hätte ich's ihr gesagt," stöhnte der
Schmuggler, „so hätte sie den Mund gewiß
nicht gehalten, — und wenn mich's — auf's
Schaffst gebracht hätte, — denn sie haßt
die Neue wie Gift."
„Welche Neue?"
„Nun — wie heißt denn Die mit der
kleinen Hand? — Wie sie heißt, frage ich!"
Diese Worte waren in ungeduldig herrischem
Tone und mit heiserer Stimme hcrausgestoßcn
worden. Fiebcrglnt leuchtete unheimlich aus
den Augen des Kranken. Er begann irre
zu reden.
Rudolf erhob sich und entriegelte die
Thüre.
„Gehen Sie hinein zu Ihrem Manne,"
sagte er zu Jette, die draußen im Finstern
wartete, dann stürmte er davon . . .
IX.
Rudolf's Verdacht, welcher am Hochzeits
tage in ihm aufstieg, war halb und halb wieder
eingeschlafen gewesen. Die Gründe weiche
dcr^ Vater dagegen anführte, hatten nach
ruhiger Aeberlegung auch bei bent jungen
Manne Eingang gefunden.
Wie konnte sich auch unter dieser hold
seligen Hülle die schwarze Seele einer Mmchcl-
mörderin bergen? Wie hätten diese zarten,
kleinen Hände die würgende Schlinge um den
Hals seiner Mutter legen können! Wie konnte
unter diesem schönen, ruhiger Antlitz das Be
wußtsein einer so grausigen That wohnen?
Nur das getrübte Urtheil über die ehemalige
Geliebte, die sein Herz so schwer verwundet
hatte, mußte ihn zu jenem unwürdigen Ver
dachte verleitet haben. Mit solchen Gründen
hatte Rudolf in den letzten Wochen seinen
Argwohn zum Schweigen gebracht.
Das Geständniß des sterbenden Schmugglers
aber warf das Gebäude dieser Selbstbe
schwichtigung wie ein leichtes Kartenhaus
über den Haufen. Der Mann, der im
Kerker seinem Urtheil entgegenbangte, war
unschuldig. Die Vorkommnisse am HochzeitS-
morgen bei Tante Sophie's Ankunft und
deren verrätherischcs Tuch wiesen, in Zu
sammenhang niit dem eben Gehörten gebracht,
mit furchtbarer Deutlichkeit darauf hin, daß
Flora mit raffinirter Berechnung aller Um
stünde, welche sie dabei begünstigten und sic
über jeden Verdacht erheben mußten, die ent
setzliche That an der Mutter begangen,
deren Stelle sie jetzt mit eherner Stirn ein
nahm.
Mit diesen Gedanken eilte der junge
Mann nach Hause und klopfte oben an die
Thür des Wohnzimmers.
Der süße Wohllaut der Stimme, welche
„herein" rief, durchzuckte ihn: cs war die
Stimme Flora's. Er trat ins Zimmer,
wo er beim Schimmer der Lampe die junge
Frau allein fand.
„Ich suche den Vater," sagte er nach
kurzem Gruß.
„Er ist ausgegangen," antwortete Flora,
die sich erhoben hatte und dem Stiefsohne
einige Schritte entgegen kam.
„Wo bist Du gewesen, Rudolf?" fragte
sie beftemdet. „Du siehst so bleich, so ver
stört aus, als wäre ein Unglück geschehen."
„Ich komme eben von einem Sterbenden."
„Wer liegt denn im Sterben?" wollte
Flora wissen.
„Kandler," antwortete Rudolf.
„Jctte's Mann? Steht er Dir so nahe,
daß Dich das so erschüttern kann?"
„Nah oder fern, cs ist etwas tief Ergrei
fendes, wenn man ein Menschenleben zu
Ende gehen sicht. Zwar giebt cs auch
Ausnahmen, — es giebt Leute, welche mit
kaltem Blute an einem Sterbelager stehen —"
„Zum Beispiel die Aerzte," warf Flora
dazwischen.
„Ich gehe noch weiter; cs giebt sogar
Menschen, welche mit gewaltsamer Hand
einem Andern dieses Ende bereiten — zum
Beispiel die Mörder!"
Er heftete bei diesem Worte seinen Blick
durchdringend auf Flora. Sie zuckte zusam
men. Bor jedem Andern würde sic einen
solchen Blick, der dem ^vorausgegangenen
Worte die Bedeutung eines direkten Vor
wurfs gab, mit jener ehernen Ruhe hinge
nommen haben, welche die Herrschaft über
ihre Mienen ihr jederzeit verlieh, — der gc-
heimnißvollen Gewalt aber, die der ehemalige
Geliebte auf sie ausübte, vermochte sie nicht
zu trotzen.
Sic fühlte die Nothwendigkeit, ihm ihre
vorübergehende Bewegung zu erklären.
, „ES scheint leider wahr zu sein, daß
Liebe und Haß dicht beieinander wohnen,"
sagte sie. „So hat sich auch das warme
Gefühl für die Geliebte in Dir zum Hasse
gegen die Stiefmutter verwandelt. Das
mußte ich schon am Morgen meiner Hoch
zeit erfahren, denn cs entging mir nicht,
welche schwarze Gedankcnreihc Tante Sophie's
mittheilsame Zunge und ihr unglückseliges
Halstuch in Dir hervorgerufen hatten."
„O, daß ich Dich hassen könnte!" cnt-
gegncte Rudolf im Tone der Sclbstanklage.
„Wenn ich das könnte, so hätte ich Dich
vielleicht an jenem Morgen mit meinem
Vater nicht an den Traualtar treten lassen.
Aber noch hielt mich der Zauber, mit dem
Du mein armes Herz umstrickt hast, so ge--
fangen, daß ich mich zwang, lieber gut von
Dir zu denken, als Dir das Schlimmste zu
zutrauen."
(Fortsetzung folgt.)
Vermis chtcs.
Die reichsten Minister Europas. Vor
etwa zwei Jahren waren diese der Marquis
Salisbury, dem man ein Jahreseinkommen
von 80 000 Pfd. Sterl. zuschreibt, und der
italienische Marchese Rudini, der auf 200
Millionen Lire geschätzt wird. Seither sind
beide Staatsmänner indessen von den Ge
schäften zurückgetreten, und es ist jetzt un
bestimmt, welches die reichsten Minister
Europas sind. Ein Kenner derartiger Ver
hältnisse schreibt nun: „Die sämmtlichen
deutschen, österreichischen und ungarischen
Minister sind von vornherein von der Liste
zu streichen. Unter ihnen dürften die ver-
mögensten Fürst Windischgrätz und Graf
Czaky sein; aber auch diese beiden sind
nicht reich in dem Sinne, in dem in sol
chen Kreisen Vermögen taxirt wird. Sehr
reich sind von den englischen Ministern
drei: Lord Rosebery (durch Erbschaft seiner
Frau, die ihm die Hälfte ihres Vermögens
hinterließ), Lord Spencer, der erste Lord
der Admiralität, und vor Allem Lord Ri-
pon, der Colonialminister, der 100000
Pfd. Sterling jährlich „schwer" sein soll.
Er dürfte der reichste Minister Europas
sein. Sehr reich ist der Herr Casimir-Pe-
rier; auch Crispi gilt für einen mehrfachen
Millionär.
— Kurze und bestimmte Auskunft ist
das, was alle Aerzte bei ihren Patienten
erstreben. Was der erste Arzt Rußlands,
Sacharjin, durch die hypnotisirende Macht
seiner Geheimnißthuerei erzielte, brachte
der in England unvergessene Dr. Abcrnethh
durch Grobheit z» Wege. Und dieses Ver-
fahren war so wirksam, daß auch diejenigen,
an denen cs noch nicht erprobt, die nur
davon gehört hatten, sich in seiner Sprech
stunde des Sprechens nach Kräften ent
hielten. Eines Tages kommt eine Dame
zu ihm, um. ihn wegen einer schweren
Wunde zu konsultiren, die ihr ein Hund
am Arm beigebracht hatte. Ohne ein
Wort zu sagen, entblößt sie den verwun
deten Arm und zeigt ihn dem Arzte.
Dr. Abernethy betrachtet ihn einen Augen
blick, dann fragt er: „Quetschung?" —
„Biß." — „Katze?" — „Hund." —
„Heute?" — „Gestern." — „Schmerz
haft ?" — „Nein." — So wortarm war
selbst unter seinen Patientinnen noch keine
gewesen, und er wandte ihr die sorgsamste
Behandlung zu. Nachts ließ der gute
Doktor Abernethy noch weniger gern mit
sich reden. Einmal steht er gerade im
Begriff, uni 1 Uhr Morgens (er war noch
um Mitternacht zu einem Kranken gerufen
worden) sich in's Bett zu legen, da klin-
gelt's wieder. „Was ist los?" schreit er
wüthend. — „Ach, Herr Doktor — ach,
Herr Doktor — rasch, rasch — mein Sohn
hat eine Maus verschluckt!" — „Zum
Donnerwetter, so soll er 'ne Katze fressen I"
Rust's, wirft das Fenster zu und legt sich
zu Bett.
Humoristisches. Bei der Revision einer
kleinen Postagentur unserer Provinz fragt
der Postinspektor den einzigen vorhandenen
biederen Landbriefträger: „Wer sind Sie?"
„Jk bin Bosselmanu." „So, da zeigen
Sie mal Ihre Tasche." (Es fehlt die vor-
schriebene Signalpfeife.) „Haben Sie denn
keine Pfeife? „En Piep? Nee, Herr Post-
entspektor, smöken dauh ik äiverhaupt rich.
~ Ņom Ordeusfcst. „Heute ist bei
Königs großes Essen" — pflegten die Ber
liner vor anno 48, als es noch so gemüth-
lich-altväterisch.familiär in der Residenstadt
an der Spree zuging, zu sagen, wenn der
große Tag erschienen ioar, an dem Staats
bürger und -Diener jeder Art in ihrer
Eigenschaft als Neudekorirte sich zuerst an
Bei Hals- nnd Luftröhren-
Katarrhen re.
sind die Johann Hoff'schen Malz-
extract-Fabrikate Jedermann unent
behrlich und bieten bewährte Hülfe.
An Herrn (?§.
38 Schauen burgerstrafte.
„Das Malzgesundheitsbier bekommt
„mir prachtvoll bei meinem
„Luftröhren Katarrh. Ich werde
„noch fortsetzen, es stärkt unge
„mein und kann es einem Jeden
„empfehlen; auch den Malzzucker
„kann ich nicht entbehren
Fräulein Lepa,
Kielerstraße 43, I.
Hamburg, 25. Novbr. 1893.
Concentrirtes Johann Hofs'sches
Malzcxtract und Brnstmalz-Bonbons
bei Lungenleiden.
Alleinige Verkaufsstellen in
Rendsburg bei Herrn
JP. N. Sibberl.
Wichtig
für
Land-
wirthe.
Pith marsch er
chneli-illastpulver
l\\\\\\\\\\
voll Apotheker Franz Block.
Um Pt erde, Schweine, Rindvieh und
Schafe in derHä 1 f te Zeit wie sonst zu mästen,
genügt 1 Esslöffel voll für Schweine u. Schafe,
2—3 Esslöffel voll für Pferde und Rindvieh von
d. Pulver täx'.ich unter d. gewöhnliche Futter
gemischt. Für die ganze Mast sind 10 K für
1 Rind od Pferd, 5 U für 1 Schaf od. Schwein
nothwendig Die Thiere werden frcssliistig,
»uhig, nicht leicht krank, fett und schwer.
Absolut unschädlich, der Erfolg ist wunderbar,
wie durch viele Anerkennungsschreiben erwiesen.
Preis 1 Marie pro 1 U. ZZZZ
Allein echt, wenn mit Apoth. Block’s
Garantie-Marke versehen.
Zu haben in den Apotheken.
ln Rendsburg: Sclsalier & Leiinert,
Altstädter Apotheke.
Berlin C, und
Spindlersfeld beiCoepenick.
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bei
JoLLaiiiicIi Wwe., Stegen.
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Elbe den Namenszug Gco Dötzer trägt,
serhältlich i. d. Garnison-Apotheke.
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