Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

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Hause anwesend, nur hatten sie sich bei 
der Abstininiung entfernt. Eine gewisse 
Erregung herrschte wohl unter den Abge- 
ordneten, sie hatte jedoch nur indirekte Be- 
ziehungen zu dem Tagesthema. Der pol' 
nische Führer v. Koscielski hatte sein Man 
dat niedergelegt und es hieß erst, die Polen 
hätten beschlossen, gegen den Handelsver- 
trag zu stimmen. Es stellte sich aber bald 
heraus, daß gerade das Gegentheil der 
Fall ist und daß Herr v. Koscielski, der 
den Spottnamen Admiralski führt, der 
deutschen Marine sein Mandat zum Opfer 
gebracht hat. Auch der Austritt des Gra 
sen Dönhoff aus der konservativen Fraktion 
verursachte eine gewisse Aufregung. 
Die zweite namentliche Ab 
stimmung zum Handelsvertrag fand in 
der Sitzung am Dienstag statt, und zwar 
über den Antrag der Konservativen, den 
Roggenzoll auf dem bisherigen Satz von 
5 Mark zu belassen, also Rußland nicht 
die Meistbegünstigung des an den übrigen 
Grenzen geltenden Zollsatzes von 3,50 Mk. 
zuzugestehen. Der Antrag der Konserva- 
tiven wurde mit 205 gegen 151 Stimmen 
abgelehnt. Drei Mitglieder enthielten sich 
der Abstimmung. Abgesehen von den letz' 
teren nahmen also 10 Mitglieder mehr an 
der Abstimmung Theil als am vorigen 
Sonnabend (200 gegen 146) über den 
Art. 1 des Handelsvertrages. Es wurden 
5 Stimmen mehr zu Gunsten des Handels 
Vertrages und 5 Stimmen mehr in der 
Opposition abgegeben. 
Die drei Abgeordneten, welche sich der 
Abstimmung ausdrücklich enthielten, waren 
Pfarrer Colbus (für Saargemünd-Forbach), 
Erzpriester Küchly (für Saarburg-Salzburg) 
und Neumann (für Bolchen-Diedenhofen). 
Die genannten drei elsässischen Abgeord 
neten hatten an der Abstimmung am Sonn 
abend nicht theilgenommen. 
Von denjenigen Abgeordneten, welche 
außerdem am Sonnabend fehlten, nahmen 
diesmal an der Abstimmung theil und 
stimmten im Sinne des Handelsver- 
ira gs die 
Abgg. Bock-Gotha (Soz.), Dr. Bostetter 
(Elsässer), Brandenburg (Ctr.), Dreßler 
(nl.), v. Dziembowski (Pole), Enneccerus 
(nl.), Köpp (Freis. Vereinigung), Lenzmann 
(Freis. Volksp.), Marke (Ctr.), Pachnicke 
l amerikanischen Leuchtthurmkommisston ernst 
lich bedroht» von jetzt an des Lichtes be 
raubt zu werden, unter dem Vorgeben, daß 
sie das Meer nur sehr unvollkommen er 
hellt. Außerdem hat der Sekretär des 
Schatzes, Carlisle, an den Vorsitzenden der 
Kammer einen Brief geschrieben, in wel 
chem er den Antrag stellt, daß der Kredit 
von 10000 Dollar, der zur Speisung der 
Laterne auf der Statue der Freiheit eröff 
net wurde, unterdrückt werde. Die Lootsen 
des New-Iorker Hafens haben jedoch die 
Vertheidigung der Freiheit übernommen 
und erklären, daß ihr Licht für die Schiff 
fahrt unerläßlich sei, und man meint, daß 
die Vertreter Newyorks im Kongresse den 
Vorschlag Carlisle's energisch bekämpfen 
werden. 
Italien. 
Rom, 13. März. Der „Folchetto" 
meldet, daß der Vizekassirer des 
Peterspfennigs nach Veruntreuung von 
400000 Lire geflohen sei. Der Vatikan 
zaudere, die italienische Polizei zur Ver 
folgung des Diebes aufzufordern. 
Rom, 13. März. Die Polizei glaubt 
den Urheber des Bombenattentats in 
der Person des achtzehnjährigen Anarchisten, 
Milchhändler Vincenzoni, entdeckt zu haben, 
Holland. 
Rotterdam, 13. März. Eine gewaltige 
Feuers b run st hat das obere Stockwerk 
des neuen Rotterdam'schen Courantgebäudes 
zerstört. 
Frankreich. 
Ein Raubmord ist am Sonnabend nach 
Meldungen aus Grenoble im Presbyterium 
von St. Peter in Cherennes ausgeführt 
worden. Die Dienerin des Pfarrers und 
eine andere Frau wurden ermordet auf 
gefunden. Die Mörder raubten 10 000 Fr. 
in Werthpapieren. 
Serbien. 
~ Belgrad, 13. März. Auf der jüngsten 
Soiree der russischen Gesandtschaft entstand 
zwischen einem vornehmen Serben und 
russischen Diplomaten ein Konflikt, welcher 
ein Duell veranlaßte. 
- Heute begann die Schlnßverhandluug 
wegen der Stempelmarkendefraudation im 
Ministerium. Zwölf Personen sind an 
geklagt. 
(wildlib.), Reichert (Ctr.), Spahn (Ctr.), 
Wattendorf (Ctr.), Dr. von Wolszlegier 
Gilgenberg (Pole), zusammen 14. 
Dagegen haben von denjenigen Abgeord 
neten, welche an der Abstimmung am Sonn 
abend nicht theilnahmen, diesmal folgende 
im Sinne der Opposition gegen den Han 
delsvertrag gestimmt: Aichbichler (Centr.), 
Eck (Ctr.), Haag (Deutsche Volksp.), Hart 
(Ctr.), Graf v. Kanitz-Podangen (kons.), 
Keßler (Ctr.), v. d. Osten (kons.), Pezold 
(Ctr.), Steppuhn (kons.), Stroh (kons.), 
v. Strombeck (Ctr.), Strzoda (Ctr.), Zim 
mermann (Antis.), im Ganzen also 13. 
Es haben an keiner der beiden nament 
lichen Abstimmungen zum Handelsvertrag, 
außer den drei elsässischen Abgeordneten, 
welche sich in der Sitzung am Dienstag 
ausdrücklich der Abstimmung enthielten, 
folgende Abgeordnete theilgenommen: Bauer- 
ineister (frets.), Engels (Oberbergrath und 
freis.), Fritzen (Centr. krank), Gescher (kons. 
und Landrath), Haas (Els.), Humann (Ctr.), 
Joest (Soz.), v. Kalckstein (Pole), Graf 
v. Kanitz-Schlochau (kons. und Vize-Ober- 
Zeremonienmeister), Dr. König (Antis.), 
Lerzer (Ctr.), Leuß (Antis.), Metzger (Soz.), 
Pflüger-Württemberg (Volksp. krank), Preiß 
Inland. 
Ms.), Dr. Simonis (Els.), Stadthagen (Soz. 
im Gefängniß), Steinmann (Regierungs- 
Präsident, krank). 
— Von den schleswig - holsteinischen 
Reichstags - Abgeordneten haben für den 
russischen Handelsvertrag gestimmt: 
Johannsen, Jebsen, Lorenzen, Feddersen, 
Thomsen, Legten, Frohme; dagegen haben 
gestimmt Graf v. Moltke, Graf v. Holstein, 
Graf v. Bernstorff. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Rio de Janeiro, 12. März. Ein Dekret 
der Regierung fordert die Bürger auf, die 
Stadt und die treu gebliebenen Forts zu 
verlassen, bevor das Bombardement auf 
das Jnsurgentengeschwader, das Fort Ville- 
gaignon und die Cobra-Jnsel beginnt. Die 
Schiffe Peixotos nähern sich der Stadt. 
Nach Meldungen, die dem Staatsdeparte 
ment aus Rio de Janeiro zugegangen sind, 
hat sich Admiral da Gama an Bord eines 
portugiesischen Schiffes begeben und Peixoto 
mitgetheilt, er und seine Anhänger seien 
bereit, sich zu ergeben, wenn ihnen Schutz 
zugesagt werde. 
Ncwhork, 12. März. Edison hat sein 
Kinetoskope, einen Apparat zum konti- 
nuirlichen Photographiren von in Bewegung 
befindlichen Gegenständen weiter vervoll 
kommnet. Die erzielten Augenblicksphoto 
graphien können so schnell gemacht werden, 
daß zwischen zwei der Zeit nach hinter- 
einander folgenden kein Unterschied entdeckt 
werden kann. Ein deutscher Kraftmensch 
Sandow, wie er seine Athletenkunststücke 
produzirt, hat Edison neulich vor einer ge- 
ladenen Gesellschaft als Objekt gedient. 
Bartholdi's Kolossalstatue der Freiheits- 
göttin, die während der Nacht die Rhede 
von Nrwyork erleuchtet, wird von der 
Berlin, 13. März. Zu dem heutigen 
Diner bei dem Finanzminister Miguel 
erschien der Kaiser um 7 Uhr. Unter 
den Geladenen befanden sich hohe Rcichs- 
und Staatsbeamte, Parlamentarier, dar 
unter Freiherr v. Erffa-Wernburg, v. Ben- 
ningsen, Hobrecht und Freiherr v. Buol- 
Berenberg. 
Berlin, 13. März. Der Präsident des 
Oberkirchenraths, Wirkt. Geheimer Rath 
Dr. Barkhausen, ist aus Allerhöchstem 
Vertrauen auf Lebenszeit in's Herrenhaus 
berufen. 
— In parlamentarischen Kreisen ver 
lautete heute, daß Herr v. Koscielski 
beabsichtige, bei der Neuwahl im 4. Brom 
berger Wahlkreise, den er früher vertreten, 
wieder zu kandidiren, um so ein zustimmen 
des Votum seiner Wähler zu seinem Ver 
halten im Reichstage zu erlangen. 
— Am 16. und 17. finden hier Be 
sprechungen von Arbeitgebern und Arbeit 
nehmern, Vertretern der Glas-Industrie, 
mit den Delegirten des Reichsamts des 
Innern und des Handelsministeriums über 
die für diesen Gewerbezweig ausgearbeiteten 
Bestimmungen, betreffend die Sonntags 
ruhe statt. 
— Es wird, wie dem „Hamb. Korr." 
offiziös mitgetheilt wird, der Entwurf 
eines Gesetzes über die Verhält 
nisse der Binnenschifffahrt gegen 
wärtig im Justizausschuß des Bundesraths 
durchberathen. Es sei nicht ausgeschlossen, 
daß die Vorlage noch an den gegenwärtigen 
Reichstag gelangt. 
— Nach einem Antrage des Reichs 
kanzlers an den Bundesrath sollen 22 
Millionen Mark in Silbermünzen 
—- 11 Millionen in Fünfmarkstücken, 7 
Millionen in Zweimark- und 4 Millionen 
in Einmarkstücken .— geprägt werden und 
zwar mit Rücksicht auf den schon seit län 
gerer Zeit in den sächsischen und den rhei 
nisch-westfälischen Jndustriebezirken hervor 
getretenen Mangel an größeren Silber- 
scheidemünzen. Auf Grund des Art. 4 des 
Münzgesetzes und unter Berücksichtigung der 
letzten Volkszählung ist diese Prägung zu 
lässig. Die Maßregel scheint zu beweisen, 
daß man im Reichsschatzamt an eine Um 
prägung der Reichssilbermünzen in Berück 
sichtigung des Sinkens der Silberpreises 
nicht denkt. 
— Der neue Dowe'sche Panzer ist 
von dem Erfinder am Montag einer kleinen 
Zahl geladener Gäste vorgeführt. Herr 
Dowe gab jedoch keine näheren Aufklärungen 
über die Art der Verbesserung seiner Pan 
zerung und erzählte nur, er sei bei seiner 
ersten Erfindung von Anderen ausgebeutet 
worden und es stände deshalb ein großer 
Sensationsprozeß bevor. Für den 
Werth seiner neuen Erfindung geben die 
von ihm angestellten Proben noch keinen 
richtigen Anhalt. Er gab auf einen ver 
hüllten Gegenstand, den er als die neue 
Panzerung bezeichnete, mit dem Modell 88, 
Modell 71 nnd mit einer Scheibenbüchse 
eine Anzahl von Schüssen ab und zeigte 
zum Schluffe, daß keiner davon die hintere 
Leinwand durchbohrt hatte. Es war jedoch 
nicht zu ersehen, von welchem Gewehr die 
Schüsse getroffen hatten. Man wird also 
jedenfalls weitere genauere Proben ab 
warten müssen, bevor man ein sicheres Ur 
theil fällen kann. 
Zur Begründung einer Gesellschaft 
für vegetarische Kultur haben bis 
jetzt Aklionaire im Ganzen 15 000 Mk. 
gezeichnet. Die Gesellschaft soll in größeren 
und mittleren Städten die Errichtung von 
vegetarischen Restaurants und womöglich 
später auch von vegetarischen Hotels, Som 
merfrischen und Cafts in schönen Gebirgs- 
gegenden oder am Meere vornehmen, ferner 
Kochschulen zur Ausbildung der ziemlich 
gesuchten vegetarischen Köchinnen begründen. 
Man hofft, im Lause des bevorstehenden 
Sommers mit den Ausführungsarbeiten 
beginnen zu können. 
Berlin, 13. März. Die Abgg. König, 
Zimmermann und Gen. (Reformpartei) 
haben im Reichstage den Antrag gestellt, 
die verbündeten Regierungen aufzufordern, 
einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach für 
staatliche Betriebe die Gründung von 
C onsumvereiuen und Verkaufsge 
nossenschaften verboten wird und die 
schon bestehenden Consumvereine oder Ver 
kaufsgenossenschaften solcher Betriebe auf 
gehoben werden. — Wir bedauern es sehr, 
daß dieser Antrag nicht von freisinniger 
Seite gestellt ist und daß die antisemitische 
Partei diesen volksthümlichen Antrag stellen 
mußte. 
Berlin, 13. März. Prozeß P l a ck- 
SchweinHagen. Bei Beginn der heuti 
gen Verhandlung erklärt Schweinhagen, 
daß er gegen den Finanzminister Dr. Mi 
guel Widerklage wegen verleumderischer 
Beleidigung zu erheben gedenke. Miguel 
als Zeuge vernommen erklärt, in den 
Jahren 1869 bis 1873 als Geschäftsin 
haber der Disconto-Gesellschaft nicht acht 
Millionen, sondern nur 1,350,000 Mark 
als Geschäftsantheil erhalten zu haben. 
Spekulationsgeschäfte habe er nie gemacht, 
rumänische Eisenbahnactien habe er nicht 
für sich gezeichnet, sondern für solche In 
haber, die ihre Obligationen in Aktien 
verwandeln wollten. Sein Eid im Pro 
zesse Gehlsen habe den Thatsachen entspro 
chen. Der Vorsitzende erklärte, die Akten 
contra Gehlsen seien verschwunden. Mi 
guel gab hierauf aus einem vorhandenen 
Stenogramm über den Prozeß Gehlsen 
seine damalige Zeugenaussage wieder und 
gab eine ausführliche Darstellung der ru 
mänischen Eisenbahn-Angelegenheit. Justiz 
rath Munckel, seiner Zeit Vertheidiger 
Gehlsens, erklärt die Darstellung Miguels j 
über seinen damaligen Eid für zutreffend. 
Angeklagter Plack erklärte, gewisse bei den 
Akten befindliche Briefe Miguels wurden 
nachträglich gefertigt. Der Vorsitzende er 
theilt ihm hierfür einen Verweis. Miguel 
rechtfertigt sodann die Zinsforderungen der 
Diskonto-Gesellschaft an die rumänischen 
Eisenbahnen und fährt fort, ein Mann 
von der Qualität des Angeklagten könne 
ihn in seiner Ehre nicht kränken, er stellte 
den Strafantrag nur, weil er dies seiner 
Stellung schuldig sei und das mehr und 
mehr aufkommende System der gewerbs 
mäßigen Verleumdung für überaus gefähr 
lich halte. 
Berlin, 13. März. . Prozeß Plack- 
Schweinhagen. Im weiteren Verlaufe 
der Sitzung erklärt Miguel, er habe bei 
dem Verkauf der Braunschweigischen Eisen 
bahn nicht mitgewirkt. Schweinhagen zieht 
seine bezügliche Behauptung zurück. Miguel 
theilt mit, Schweinhagen habe vom Ge 
fängniß aus um Zurückziehung des Straf- 
antrages gebeten. Er habe aber trotzdem 
auf seinen Antrag beharrt, um ein Exempel 
zu statuiren. Die Behauptung in der 
Broschüre, bei uns exiflire eine Alt jüdische 
Nebenregierung, sei zu albern, um darauf 
zu antworten. Plack richtet an Miguel 
zahlreiche Fragen, wobei er vom Vorsitzen 
den wegen ungebührlichen Benehmens ver 
warnt wird. Miguel chrrakterisirt die 
Raffinirtheit Plack's, der der Berather 
Ahlwardt's in der Reichstagsaffaire ge 
wesen sei. Miguel wurde hierauf entlassen. 
Schließlich wurde die Gründung der preußi 
schen Central-Bodencredit'Gesellschaft be 
sprochen. Nach Vernehmung mehrerer Sach 
verständiger darunter Diest-Dabers wurde 
die Sitzung vertagt. 
Die Einführung einer kommunalen 
B i er st e u e r in Spandau hat die Regierung 
nicht genehmigt, weil die Unterscheidung 
in den Steuersätzen für das im Stadtbezirk 
gebraute Bier mit 45 Pfg. und das von 
außerhalb eingeführte Bier mit 65 Pfg. 
pro Hektoliter nicht zulässig sei. 
Hannover, 13. März. Der „Hannov. 
Courier" erklärt das neuerdings wiederum 
verbreitete Gerücht von der bevorstehenden 
Demission des Oberpräsident Dr. v. Ben 
nigsen für unbegründet. 
Uelzen, 12. März. Der Kaufmann K 
Hierselbst hat im vorigen Jahre an seine 
Kunden, welche im Laufe eines Monats 
für mindestens 3 Mk. bei ihm kauften, 
insgesammt 1000 Loose ausgegeben und 
dann 500 Gegenstände aus seinem Laden 
zu Weihnachten verloost. Er hat die Loose 
ohne besondere Bezahlung statt des bei 
Baarzahlung sonst häufig gewährten Ra- 
batts gegeben und die Gewinnliste veröffent 
licht. Er wurde wegen nicht genehmigter 
öffentlicher Ausspielung beweglicher Sachen 
angeklagt und dieser Tage von der Straf 
kammer zu Lüneburg zu 100 Mk. Geld 
strafe verurtheilt. 
Der Landrath des Kreises Weener er 
läßt eine Polizeiverordnung, be 
treffend Verminderung der Sperlinge. 
An Sperlingen oder Sperlingsköpfen hat 
jährlich in der Zeit vom 1. Dezember bis 
zum 20. Januar an die Gemeindebehörden 
zu liefern: jeder Landwirth, welcher 25 
Hektar oder mehr Land bewirthschaftet, 
8 Stück, der 12—25 Hektar bewirthschaftet, 
4 Stück, der 1—12 Hektar bewirthschaftet, 
2 Stück. — Und wer vertilgt im Sommer 
die Raupen? 
Unter Ausschluß der Oeffentlichkeit hatte 
sich in Bochum vor der Strafkammer die 
vierzehnjährige Dienstmagd Maria 
Hünes von Höntrop wegen — Majestäts 
Beleidigung zu verantworten. Die Ange 
klagte hatte anläßlich der Beerdigung des 
Bürgermeisters eine unpassende Aeußerung 
gethan, die von einem Commis flugs der 
Behörde brühwarm mitgetheilt wurde. Der 
Gerichtshof erkannte mit Rücksicht auf die 
Jugend der Angeklagten, und daß sich ein 
vierzehnjähriges.Kind der Tragweite einer 
solchen Aeußerung nicht bewußt sein könne, 
auf einen Verweis. Der Vertheidiger der 
Angeklagten gab, nach der „Wests. Vztg.", 
mit Recht seiner Verwunderung darüber 
Ausdruck, daß ein Mann ein — Kind 
wegen einer solchen unbewußten Aeußerung 
denunziren könne. 
Koburg, 13-. März. Dem Mörder 
des Bahnkassirers Hell mund ist man auf 
der Spur. Der Staatsanwalt hat einen 
Steckbrief wegen Mordes gegen den vor 
Kurzem aus dem Zuchthaus zu Maßfeld 
entlassenen früheren Kellner Stephan 
erlassen. 
Gotha, 12. März. Der Redakteur Bos- 
hardt ist flüchtig und wird steckbrieflich 
verfolgt. — Hierzu wird von anderer 
Seite noch folgendes gemeldet: Der bis 
herige Redakteur des hiesigen freisinnigen 
Gothaischen Tageblattes, Carl Boshardt, 
ist seit gestern „verreist". Da gegen ihn 
bereits auf acht Monate Gefängniß wegen 
Beamtenbeleidigung rechtskräftig erkannt ist, 
über weitere elf Monate Gefängniß die 
Entscheidung des Reichsgerichts noch aus 
steht, und außerdem noch sechs oder sieben 
Beleidigungsprozeffe gegen ihn schweben, 
er sich auch hier bei einzelnen Bekannten 
formell verabschiedet hat, so glaubt man, 
daß er sich ins Ausland flüchtete. 
Der ermordete Pserdebahnschaffner 
in Dresden scheint das Opfer eines mit ■ 
Liebeshäudeln zusammenhängenden Rache- 
aktes geworden zu sein, der eigentlich nicht 
ihm, sondern einem ihm ähnlich sehenden 
Schaffner gegolten hat. Als dringend ver 
dächtig ist ein Schlosser verhaftet. 
Zwei schwarzgekleidete Mädchen, 
die sich zusammengebunden hatten, stürzten 
sich am Dienstag-Abend in Biebrich von 
der Dampferlandungsbrücke in den Rhein. 
Im Wasser begannen sie um Hülfe zu 
rufen, konnten aber bei der Dunkelheit 
nicht mehr gerettet werden. Ein Schiffer 
Keil landete sie beide, aber todt. Die eine 
hatte einen Postschein aus Wiesbaden in 
der Tasche. Es hat sich jetzt herausgestellt, 
daß die ertrunkenen Mädchen aus Wiesbaden 
sind; eine die Tochter eines Bäckers, die 
andere die Tochter eines Schutzmannes. 
Als Grund des Selbstmordes wird Liebes 
kummer angenommen. Beide Mädchen 
waren als schön bekannt. 
Mannheim, 13. März. Der Wein- 
kommissionär Wilhelm Müller von Neuß- 
bach ertränkte sich hier im Rhein in Folge 
großer Verluste, die er bei dem Konkurs 
Feiß-Mußbach erlitten. 
Stuttgart, 13. Mär. In der heutigen 
Abendsitzung der Kammer wurde einstimmig 
die Nothstandsvorlage, betreffend die Be 
willigung von 410000 Mark zur Unter 
stützung von Gemeinden einzelner 
nothleidender Landwirthe genehmigt. 
Im Laufe der Debatte konstatirte der Ju 
stizminister, daß 2753 Gnadengesuche für 
Waldfrevelstrafen eingelaufen seien, denen 
fast sämmtlich stattgegeben sei, 86 Prozent 
der erkannten Strafen wären nachgelöstem 
Wegen Verdachtes der Urkundenfälschung 
wurde der Bürgermeister und Landtags- 
candidat Zwich in Worndorf verhaftet. 
Seinen Tod fand gestern in Hamburg 
ein vierjähriges Kind, welches inAbwesenheit 
der Eltern sich einer schlechtverwahrten 
Branntweinflasche bemächtigte und daraus 
trank. Es stellten sich nach dem Genusse 
Krämpfe ein, denen das Kind trotz ärztlicher 
Hülfe erlag. 
Auf dem Wege zum Lübecker Bahnhof 
erschoß sich in Hamburg gestern in einer 
Droschke ein distinguiert auftretender Herr. 
Bei demselben aufgefundene Visitenkarten 
lauteten auf den Namen Freiherr v. B. 
Die Persönlichkeit ist indeß damit noch nicht 
festgestellt. 
Provinzielles. 
Altona, 13. März. Der Reichstags 
Abgeordnete Ahlwardt hielt gestern 
Abend in „Metscher's Gesellschaftshaus" 
eine Rede über „Der Antisemitismus im 
Lichte der Wissenschaft". Der mit stürmi 
schen Heil- und Hochrufen begrüßte Agitator 
präsentirte sich nach seinem 5 monatlichen Auf 
enthalt in „Plötzensee" im buchstäblichen 
Sinne echt „rosig". Seine körperliche 
Rundung hat nicht nur keinen Schaden er 
litten, sondern sogar noch an Umfang zu 
genommen. Die Eröffnung der Versamm 
lung erfolgte durch ein auf den Kaiser 
ausgebrachtes Hoch. Ahlwardt begann, 
ebenso wie gelegentlich seiner kürzlichen 
Anwesenheit in Altona, mit einer Vor 
stellung seiner Person, die vom „Fremden 
blatt" in ein wenig günstiges Licht gestellt 
worden sei. Er bekümmere sich darum 
nicht, und der ihm gewordene Empfang 
beweise, daß es noch Menschen gebe, die 
nicht auf dem Boden des „Fremdenblatts" 
stünden. Ahlwardt hielt dann den ange 
kündigten Bortrag, in dem selbstverständlich 
heftig auf die Israeliten gescholten wurde. 
Er bezeichnete eine durch das Gesetz, d. h. 
durch eine Majorität antisemitischer Abge 
ordneten im Reichstag zu ermöglichende 
Entfernung der Juden aus Deutschland 
als das einzig zu erstrebende Ziel der 
Antisemitischen Volkspartei. Nothwendig 
sei es jedoch, wenn man das erreichen 
wolle, eine Einigung in der Partei herbei 
zuführen. Die Gegend westlich der Oder 
sei bei der nächsten Reichstagswahl sicher 
für den Antisemitismus gewonnen. In 
den größeren Städten würde die Partei 
ebenfalls siegreich sein, sobald Einigkeit er 
zielt worden sei und ein volksthümliches 
Programm den Arbeiter der Partei zu 
führen. — In der dem Vortrage folgen 
den „freien Aussprache" nahm zunächst der 
Lehrer Schacht das Wort. Die Ausführ 
ungen des Redners gipfelten in der Forder 
ung Toleranz gegen die Juden zu üben 
und eine Verständigung mit ihnen herbei 
zuführen. Die Ausführungen Schacht's 
gingen meistens in dem Lärm verloren, der 
dadurch entstand, daß ein Theil der An 
wesenden den Redner niederzuschreien ver 
suchte, während der andere Theil der Ver 
sammlung bemüht war, die Opponenten 
zum Schweigen zu bringen. Ahlwardt 
antwortete dem Redner; er meinte, daß 
der Lärm wohl nur der Ausdruck des 
Hohns über eigene Irrthümer des Vor 
redners gewesen sei. — Schacht hatte u. A. 
behauptet, daß der Antisemit Redakteur 
Wald in einer Versammlung der hiesigen 
reisinnigen Volkspartei sich für eine Ver- 
-chmelzung der Juden und Christen durch 
Heirath ausgesprochen habe. Wald er 
klärte das für unwahr. In nicht miß- 
zuverstehender Absicht erzählte Wald, daß 
der Referent in jener Versammlung, Dr. 
Fränkel-Jena, den Antisemiten Dr. Böckel 
einen Lügner und Ahlwardt einen Lumpen 
genannt habe. Der Entrüstungssturm, der 
nunmehr losbrach, richtete sich gegen Schacht. 
Die Erregung drohte sich in Thätlichkeiten 
gegen Schacht zu äußern. Es kostete dem 
Vorsitzenden und Ahlwardt selbst einige 
Mühe, das zu verhindern Schacht er 
klärte darauf, daß Dr. Fränkel sich aller 
dings in erwähnter Weise so geäußert 
habe, daß aber F. selbst die Verantwortung 
dafür tragen müsse. Ahlwardt dagegen 
meinte unter dem tosenden Jubel seiner 
Getreuen, daß ein Jude ihn nicht beleidi 
gen könne. Zum Schluß wurde eine Re 
solution angenommen, durch die sich die 
Versammlung einverstanden mit den Aus 
führungen des Redners erklärte. Nach- 
Schluß der Versammlung fand ein Commers 
statt, an dem auch Frau Ahlwardt theil- 
nahm. 
Gestern entstand im städtischen Krau' 
kenhause in Altona in der Station für 
Brustkranke, zwischen einigen der Kranken 
ein Zwist, der sehr bald in Thätlichkeiten 
ausartete. Dieser Vorfall versetzte einen 
der Kranken in so große Aufregung, daß 
er sich eine Verletzung an der Pulsader des 
linken Armes beibrachte, die schweren Blut 
verlust zur Folge hatte. Es ist in dieser 
Angelegenheit eine Untersuchung eingeleitet 
worden. 
Die Altonaer Bank vertheilte 6 pCt. 
Dividende. 
Itzehoe, 12. März. Der hiesige Ritt 
meister a. D. Ottens, Mitbesitzer der 
hiesigen Cichorienfabrik, war in letzter Nach) 
gegen 1 fthx gus einer Faniiliengesellschaft 
heimgekehrt und zu Bett gegangen. Seiner 
Gewohnheit gemäß, im Bette zu lesest 
wird Herr Ottens aufgestanden sein, in 
der Wohnstube eine Stehlampe angesteckt 
und nach Büchern gesucht haben. Als 
die Haushälterin diesen Morgen um 7 Uhr 
das Zimmer betrat, >oar dieses nebst dein 
anstoßenden Zimmer voller Qualm, Teppich- 
Tischdecke und Tisch kohlten noch, die Steh' 
lampe lag umgestoßen auf dem Tische und 
war geschmolzen und Herr Ottens lag er 
stickt zwischen Sopha und Tisch als Leiche 
auf dem Fußboden. 
Schleswig, 13. März. Die einstimmige 
Wiederwahl . des Herrn Polizeimeisters 
Davids, bei einer verhältnißmäßig starken 
Wahlbetheiligung von 447 Bürgern, ist 
eine Vertrauenskundgebung, wie sie wşş 
selten einem Polizeiverwalter zu Theil ge' 
worden ist. Sie ist begründet in der 
Thatsache, daß unsere Polizeiverwaltung 
stets das Ziel verfolgt, den Bürger _ ä 11 
schützen und zu stützen, nicht ihn zu chika 
niren. Die Erkenntniß dieser Thatsache 
läßt die Hand der Polizei auch da, tv' 
sie für diesen oder jenen unliebsam eist 
greifen muß, milde und gerecht erscheinen-
	        
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