Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

Inland. 
— Von den zwei Soldaten, die der 
Kaiser nach Friedrichsruh mitgebracht, 
trug einer die alte noch gebräuchliche feld 
marschmäßige Ausrüstung, jedoch mit den 
jetzt- eingeführten Schießschnüren, während 
der andere die neue angelegt hatte- Der 
Kragen des Rockes ist vorn offen und klappt 
zu beiden Seiten ähnlich wie beim Civil- 
rock herunter, so daß dem Träger die Be 
wegung des Kopfes sehr erleichtert ist- Auf 
den Tournister ist ein grauer Feldmantel 
und auf diesen ein braunes, wasserdichtes 
Zelttuch, sowie der Kochkessel aufgeschnallt. 
Die Sohlen der Stiefel sind mit Alumi 
niumnägeln beschlagen, 
— Die Angabe der „Voss. Ztg." 
über die Aeußerung Miguel's in Be 
treff der Handelsvertragspolitik wird im 
„Volk" bestätigt- Nach diesem konservativen 
Blatte soll der authentische Wortlaut 
der Aeußerung des Ministers Miguel 
beim Festmahl des Brandenburgischen Pro 
vinziallandtages gelautet haben: 
„Die Konservativen müßten 
die größten Esel sein, wenn sie 
den russischen Handelsvertrag annehmen 
wollten." 
Die Aeußerung sei so nahe dem Kaiser 
erfolgt, daß der Kaiser sie unbedingt hätte 
hören müssen- Die „Voss. Ztg." theilt mit, 
daß Mittheilungen von anderer Seite im 
Wesentlichen ihre ersten Nachrichten bestä 
tigten. Darnach habe sich Herr Miguel 
dahin geäußert, daß, wenn die Agra 
rier konsequent bleiben wollen, sie 
Mann für Mann gegen den Vertrag 
stimmen müssen. 
— Eine Anzahl von konservativen 
Reichstagsabgordneten hat, wie das 
„Volk" erfahren hat, in Konsequenz einer 
auf dem Diner des Ministerpräsidenten 
Grafen Eulenburg gethanen Aeußerung des 
Kaisers ihr Abschiedsgesuch als Offi 
zier der Reserve oder der Landwehr 
eingereicht- Sie haben es damit begründet, 
daß sie nach jener Aeußerung des Kaisers 
ihre parlamentarischen Pflichten mit ihrem 
Verhältniß zur Armee nicht mehr in Ein 
klang zu bringen vermöchten. 
Die deutsch-hannoverschen Reichstags 
abgeordneten, bekanntlich sämmtlich 
Großgrundbesitzer, werden nach der 
„Köln. Volksztg." einmüthig für den rufst 
schen Handelsvertrag stimmen, weil sie den 
Nachtheil, den derselbe der Landwirthschaft 
bringen werde, für zu gering achten, um 
deshalb unsere politischen Beziehungen zu 
Rußland durch Ablehnung des Vertrages 
zu verschlechtern. 
— Gutem Vernehmen der „Post" nach 
dürfte es jetzt feststehen, daß die preußischen 
Staffeltarife für Getreide und 
Mühlenfabrikate aufgehoben werden 
— Der „Voss. Ztg." zufolge finden die 
in Lchrerkreisen bestehenden Wünsche, 
daß den Elementarlehrern einjährig-freiwil 
liger Militärdienst gestattet wird, die Zu 
stimmung des Unterrichtsministeriums- 
Wegen der Aenderung der Seminarkurse 
und anderer, auch finanzieller Schwierig 
keiten, ist eine endgültige Regelung in 
naher Zeit noch nicht möglich- Demnächst 
stehen kommissarische Berathungen in dem 
Ministerium bevor. 
Berlin, 27. Febr. In der verflossenen 
Nacht drangen zwei Männer in die Be 
hausung der in der Landsberger Allee 
wohnenden Händlerin Körber, er 
drosselten deren 80jährigen Vater und 
ließen sie selbst anscheinend erwürgt zurück. 
Die Körber kam wieder zu sich. Alle 
Baarmittel fehlen. Es wird vermuthet, 
daß einer der Raubmörder der von der 
Körber getrennt lebende Gatte fei. 
Berlin, 26. Februar. Die heute Abend 
von den Sozialdemokraten einberufene 
Versammlung war überfüllt; Tausende von 
Studenten fanden keinen Eintritt, weil 
der Saal schon von Arbeitern besetzt war. 
Es sprachen von den Sozialdemokraten 
Dr. Lux und Dr. Zadock, ihnen traten 
einige Studenten und Antisemiten entgegen. 
Sozialistische Studenten sprachen nicht. 
Die Versammlung war sehr unruhig und 
verlief ohne Beschluß- Die deutschen Stu 
denten werden eine eigene Versammlung 
berufen und dazu Zadok und Lux zur Dis 
putation einladen. 
- Am Sonntag Vormittag wurde ein 
sozialdemokratisches Flugblatt in Tausenden 
von Exemplaren unter den Bewohnern des 
6. Berliner Wahlkreises vertheilt, welches 
über 9 größere Wirthschaften des Nordens 
die Sperre verkündet, weil deren Inhaber 
angeblich ihre Räume nicht zu sozialdemo 
kratischen Versammlungen hergegeben haben. 
Aus Gera berichtet man der „Geraer 
Zeitung", daß am Sonnabend die neun 
zehnjährige Tochter eines bayerischen Han 
delsmannes vom hiesigen Bahnhof spurlos 
verschwand. 
Auf sonderbare Weise ums Leben 
gekommen ist in Frankfurt a. O- ein 
Offizierbursche- Er wollte sich kürzlich in 
den Keller eines Hauses in der Bahnhof 
straße begeben. Als er im Begriffe war, 
die Kellertreppe hinabzusteigen, warf ein 
im Keller befindliches Dienstmädchen ein 
altes Regenschirmgestell aus dem Keller 
hinaus. Dieses flog dem Burschen so un 
glücklich ins Gesicht, daß eine der Stahl 
stangen ihm in die Nase fuhr und in das 
Gehirn eindrang- Der Verletzte mußte 
schleunigst nach dem Lazareth transportirt 
werden, wo er an den Folgen der Ver 
letzungen verstarb. Am Sonntag wurde 
er zu Grabe getragen. 
Lübeck, 26. Febr. Der hiesige Reichs- 
yerein, welcher über 1500 Mitglieder zählt, 
hat den Beschluß gefaßt, am 1. April in 
Friedrichsruh zur Feier des Geburtstages 
des Fürsten Bismarck einen Fackelzug 
zu veranstalten. 
+ Hamburg, 27. Febr. Zu dem gestern 
bereits telegraphisch gemeldeten großen 
Feuer der zwei großen Oelfabriken in 
Rothenburgsort ist noch hinzuzufügen, daß 
der Schaden ein totaler genannt werden 
muß. Es sind daran folgende Gesellschaften 
betheiligt: Preuß. National-Bersicherungs- 
Gesellschaft mit 300 000 Mk., Magdeburger 
Feuerversicherungs-Gesellschaft mit 300 000 
Mark, die Aachen-Münchener Feuerver 
sicherungs-Gesellschaft mit 450 000 Mk. 
und die Kölnische Feuerversicherungs-Gesell 
schaft mit 250 000 Mk. Die Feuersbrunst 
gewährte einen schauerlich schönen Anblick, 
nicht allein durch die himmelhoch lodernden 
Flammen, sondern auch dadurch, daß die 
in Brand gerathenen Palmkörner und das 
Getreide einen wahren Feuerregen über 
einen weiten Umkreis ergossen. 
Hambnrg, 27. Febr. Das preußischer- 
seits erlassene Ein- und Durchfuhr 
verbot von Wiederkäuern und Schweinen 
aus Schweden ist durch Senatsbeschluß 
auch auf den Hamburgischen Staat ausge 
dehnt worden. 
Provinzielles. 
Die Huf beschlagschule in Altona 
scheint unter der allgemeinen Geschäfts- 
losigkeit der Fuhrwesen und Baugeschäfte 
ebenfalls zu leiden. Die Zuführung der 
Pferde zur Hufbeschlagschule ist geringer 
geworden und so ist die Einnahme an Be 
schlaggeldern, welche im laufenden Jcchre 
noch mit 18 000 Mk. im städtischen Budget 
figurirt, für das Jahr 1894 95 nur auf 
13 000 Mk. veranschlagt worden. 
Jn Kiebitzreihe ertrank ein, damit wir nicht verbrannten. 1% bis 2 
chlittschuhlaufen, ebenso einer Stunden haben wir mit sechs Mann in 
diesem Loch gesessen, nicht größer, als daß 
ein Bett drin stehen konnte. Die Luft 
war zuletzt aber dermaßen schlecht, daß die 
tearinlichte uns beinahe verlöschten. Die 
Hitze wird ziemlich 90 Grad oder noch et 
was darüber gewesen sein. Den Kopf 
kühlten wir uns beständig mit etwas Salz 
wasser, das noch im Eimer stand. Gegen 
12 Uhr kamen wir heraus, aber schrecklich 
war alles anzusehen. Trotzdem ich über 
Leichen in der elektrischen Maschine weg 
gekrochen war, habe ich doch keine gesehen. 
Erst auf dem Panzerdeck sah ich, daß selbst 
schon eine ganze Anzahl Todter beisammen 
war, und zwar waren es diejenigen, welche 
im Panzerdeck, also über der Maschine, 
verbrannt waren. Die Leichen sahen ganz 
entsetzlich aus. Dem einen Werftarbeiter, 
der neben dem Wassersammler lag, hing 
das Fleisch in Fetzen vom Körper, beim 
Anfassen blieben Arme und Beine rc. liegen. 
Der Heizer R. im Backbord der elektrischen 
Maschinen hatte seine Augen im Munde, 
Oberheizer G. daselbst brach buchstäblich 
in der Mitte durch rc. Von den acht 
Schwerverwundeten spuckte einer, Heizer 
P-, seine Zunge und seine Zähne aus. 
Derselbe ist auch schon aus dem Transport 
gestorben." 
Schleswig, 27. Febr. Dieser Tage hat 
sich auf dem Wege von Ellingstedt nach 
Gr.-Rheide ein schrecklicher Unglücksfall 
ereignet. Die Abnahmeleute Jürgen Nie 
mann und Frau lvaren von Ellingstedt mit 
einem fünfjährigen Enkel nach Gr.-Rheide 
gefahren, um dort ihre Kinder zu besuchen. 
Der Weg, der längs eines Dammes führt, 
hat zu beiden Seiten ziemlich hohe Bö 
schungen, an deren Fuß breite und tiefe 
Wassergräben sich hinziehen. Auf der 
Rückfahrt auf diesem Wege, ungefähr um 
Elmshorn 
Knabe beim 
in Pinnebergerdorf. 
Kiel, 27. Febr. Ein junger Oldenbur 
ger, einer von den weniger Ueberlebenden 
vom Maschinenpersonal S. M. Panzerschiff 
„Brandenburg", der Sohn des olden- 
burgischen Landtagsabgeordneten und Ge 
meindevorstehers Feldhus, aus Zwischen 
ahn, hat an seinen Vater einen Brief mit 
der Beschreibung der Katastrophe gesandt. 
Der erst 19 Jahre alte Feldhus, der auf 
dem Schiff als einj.-freiw. Maschinisten 
maat dient, schreibt, wie wir dem „Oldbg. 
General-Anzeiger" entnehmen, u. a. Fol 
gendes: „Am 16. Febr. 10.20 Vormit 
tags stand ich, da ich Wache hatte, mit 
Obermaschinistenmaat Banck, Maschinisten 
maat Meyer, Herrn Ingenieur Möhmking 
und Herrn Maschinisten Stephany unten 
in der Backbordmaschine. Plötzlich hörten 
wir einen ganz dumpfen Knall, und im 
selben Augenblick war unsere Maschine 
voll Dampf. Ingenieur Möhmking und 
Maschinist Stephany springen zum Ventil 
und Obermaschinistenmaat Banck stellt den 
Telegraphen auf „Halt". Ich gehe nach 
vorn, um die Luke nach der elektrischen 
Maschine zu öffnen. Kaum war ich damit 
fertig und schickte mich an, hindurch zu 
kriechen, so bekam ich von dem Werkmeister 
K. einen Stoß, daß ich eine Etage tiefer 
falle. Der Werkmeister kletterte in die 
elektrische Maschine, wo er nachher todt 
aufgefunden wurde. Der Fall war mein 
Glück. Ich ging bis zur nächsten Schott 
wand voraus und sah, daß der Backbord 
storeraum auf war, woselbst ein Heizer 
drin saß, der noch von nichts wußte. 
Ich versuchte dann den Niedergang in 
Schott 31 dicht zu machen, traf dabei noch 
zwei Werftarbeiter, die ich in den Store- 
raum schickte. Wie ich bei der Schottthür 
bin, kommt noch Ingenieur Möhmking an, 
derselbe rief, daß er nicht in die elektri 
schen Maschinen kommen könne. Erst auf 
meinen Ruf ließ er sich die Treppe herun 
terfallen, und zog ich ihn dann halbwegs 
hin nach Schott 37, wo der Eingang zu 
Storeraum (Maschinenvorrathsraum) war 
Noch einmal ging ich dann nach Schott 
31 zurück, aber umsonst; die Thüre ließ 
sich nicht schließen, weil ich wegen der 
Hitze oben nicht aushacken konnte. In 
diesem Augenblick fiel gerade ein Werftar 
beiter mit den Armen und dem Kopf durch 
die Thür und schrie ganz kläglich um 
Rettung; ich erfaßte den Mann, um ihn 
herunterzuziehen, erreichte jedoch nur, daß 
ich ihm die ganze Haut vom Ellbogen an 
abstreifte, auf ein erneutes Zufassen ge 
8 Uhr Abends, als es ziemlich dunkel war, 
schlug das Fuhrwerk, das auf die Böschung 
gerathen war, um, und alle drei Insassen 
stürzten in den Seitengraben. An die 
Rettung des Kindes war bei der Dunkelheit 
und da auch die beiden Alten sich nicht 
herausarbeiten konnten, nicht zu denken, 
leider mußte es ertrinken. Zwei Stunden 
mußten sie in dieser Lage verharren, wobei 
die Frau mit Hülfe des Muffes den Mund 
über Wasser hielt. Da erschien etwa um 
10 Uhr das Fuhrwerk eines Hökers aus 
Gr.-Rheide, der die Lage der Verunglückten 
trotz der Dunkelheit erkannte. Seinen Be 
mühungen gelang es, sie aufs Trockene und 
dann nach Ellingstedt zu bringen. Beide 
Eheleute schwebten am anderen Tage noch 
in Lebensgefahr, doch ist Hoffnung vorhan- 
lang es mir endlich, den Halbverbrannten den, daß sie am Leben bleiben 
herunterzureißen und ebenfalls nach dem 
Storeraum zu schleppen. Unterwegs rief 
ich noch nach Banck, Meyer und Petri, 
erhielt aber keine Antwort mehr. Das 
alles war das Werk weniger Secunden, 
die Opfer müssen eines sehr raschen Todes 
gestorben sein; denn die meisten lagen wo 
sie gestanden hatten. Wie wir eine Zeit 
lang im Storeraum saßen, fing ich an, 
mit einem Hammer gegen die heißen Schott 
wände zu klopfen. Kurze Zeit darauf er 
hielten wir vom Steuerbordstoreraum die 
Antwort, daß wir aufmachen sollten, weil 
der ganze Raum voll Dampf wäre; er 
selber, Oberfeuermeisters-Maat Herre und 
Oberheizer Bölsch wären halb verbrannt 
und über ihnen lägen schon 3 Todte. Von 
Herre wurden wir auch gewahr, daß in 
der Steuerbordmaschine das Rohr geplatzt 
war, und nicht, wie wir glaubten, in der 
Backbordmaschine. Der Dampf füllte auch 
unseren Raum und zwar durch den Venti- 
lationsschacht; rasch zogen wir uns Bluse 
und Hemd aus und hinein in den Schacht, 
niüssen." „Ach Herr Doctor, wenn Sie das 
thäten," bat Frau Schmidt. „Mein Mann 
muß ja wieder in den Dienst und allein 
fürchte ich mich." 
„Dazu haben Sie keinen Grund, Werner 
thut keinem Kinde etwas. Aber es muß 
etwas für ihn geschehen. Ja ja, ich werde 
für ihn sorgen so bald wie möglich. Be 
ruhigen Sie sich also, liebe Frau Schmidt 
und halten Sie sich tapfer. „Adieu." Er 
drückte noch Beiden ermunternd die Hand, 
ging die Treppe hinab, bestieg seinen Wagen 
und fuhr im raschen Trabe davon. Schmidt 
steckte den Todtenschein und die Quittung zu 
sich und machte sich sofort auf den Weg zur 
Armenkasse. 
Hier erzählte er dem Vorsteher das traurige 
Ereigniß, und nachdem sich dieser in Werner's 
Wohnung persönlich von dem Unglück über 
zeugt hatte, zahlte er die Summe ohne 
Widerrede zurück. 
So ging der Wunsch der armen Verstor 
benen, daß das Geld denen zu Gute kom 
men sollte, die von dem unredlichen Erwerb 
desselben nichts wußten, an ihr selbst in Er 
füllung. Der Tag ihrer Beerdigung kani. 
Fränzchen war krank, sehr krank; sie lag 
in heftigem Fieber und phantasirtc. Und als 
ihre Mutter weggetragen wurde zur letzten 
Ruhe, lachte sie laut auf und klatschte in 
die Händchen. Es war herzzerreißend. Oder 
war das Kind glücklich? War es im Geiste 
schon mit der verreint, von der es sich nicht 
trennen wollte? Und jauchzte seine Seele 
auf im Gefühle seliger Freude? 
Werner war noch im Hause. Sein Geistes 
zustand ließ keinen Zweifel mehr aufkommen, 
aber dessen, was jetzt vorging, schien er sich 
bewußt zu sein. Doch kein Laut der Klage 
kam über seine Lippen, er weinte auch nicht. 
Sill folgte er dem Sarge, still und allein; 
denn außer ihm wäre Frau Schmidt wohl 
nur noch die Einzige gewesen, welche der 
Verstorbenen die letzte Ehre gegeben hätte, 
doch sie mußte bei dem kranken Kinde bleiben. 
Das war ein kleiner Leichenzug, der sich 
nach dem Kirchhofe bewegte. Bald war der 
Sarg hinabgesenkt und der Hügel aufgewor 
fen. Der Todtengräber betete das Vaterun 
ser, dann ging er fort. Die Männer, die 
ihm bei der ernsten Arbeit geholfen hatten, 
folgten ihm. Werner blieb allein zurück. 
Er setzte sich auf das Grab und pflückte die 
Blätter von dem Kranze, den er mitgebracht 
hatte und legte sie spielend neben sich auf 
den Grabhügel; aber der Wind wehte scharf 
und trug die Blätter wirbelnd davon. Er 
aber pflückte spielend weiter, bis der Kranz 
entblättert war, dann legte er ihn auf das 
Grab. 
Es war dunkle Nacht geworden und der 
Unglückliche kauerte noch auf derselben Stelle. 
Jetzt begann es zu regnen und der Wind 
peitschte ihm die kalten Regentropfen in das 
Gesicht, daß er erschreckt auffuhr. Er erhob 
sich und versuchte vorwärts zu schreiten, aber 
er vermochte es nicht. Einen Augenblick 
stand er aufrecht im strömenden Regen, dann 
Packte ihn der Sturm, daß er taumelnd hin 
und herschwankte, bis die erstarrten Glieder 
ihn nicht mehr trugen und er lautlos auf 
dem Grabe zusammenbrach. 
Fränzchen war aus ihrer Fieberphantasie 
nicht wieder zur Besinnung gekommen. 
Frau Schmidt hatte die kleine Kranke nur 
wenig Minuten unbeobachtet gelassen. Sie 
war an's Fenster getreten und hatte dem 
Sarge nachgeblickt, als sie an das Bettchen 
zurückkehrte, war das Kind bereits der Mutter 
gefolgt. Ruhig lag es da, wie im süßen 
Schlummer, ein seliges Lächeln aufseinen ver 
klärten Zügen. 
Werner war ängstlich vermißt worden. Es 
wurden Boten nach ihm ausgeschickt, aber 
man fand ihn nicht denn Niemand dachte 
daran, ihn in der stürmischen, finsteren Nacht 
auf den Kirchhof zu suchen. 
Als am andern Morgen die Sonne auf 
ging und ihre matten Strahlen zitternd über 
die Gräber glitten, fanden sie einen todten 
Mann. Seine Arme umklammerten den 
frischen, Grabhügel auf dem er lag, als wäre 
sein letzter Wunsch gewesen: vereint, versöhnt 
mit der zu sein, die da unten ruhte, die im 
Leben soviel durch ihn gelitten hatte. 
Und bald ruhten sie vereint unter einem 
Hügel, Vater, Mutter und Kind, wo die 
Leidenschaften schweigen, wo kein Kummer das 
Herz bedrückt. 
Und wenn Frau Schmidt die gute Nach 
barin hinausging, um das Grab zu schmücken, 
wie sic das alljährlich am Todtenfcst zu thun 
gewohnt war, dann mußte sie immer wieder 
mit Thränen im Auge an diese kleine Familie 
denken, die nicht so glücklich war, bis ein böser 
Dämon sich bei ihr einschlich, ihr Glück zer 
störte und sie zu Grunde richtete: „Der 
Dämon des Spielers." 
Ende. 
Plön, 26. Febr. Im Trentsee bei Timm- 
dorf brachen gestern 2 Knaben von 10 und 
12 Jahren auf dem dünnen Eise ein und 
ertranken. Zwei ältere Leute, welche den 
Knaben zu Hülfe eilten, brachen ebenfalls 
ein und konnten nur mit genauer Noth 
gerettet werden. 
Neumünster, 27. Febr. Unter dem Vor- 
sitz des Herrn Hölck-Kiel fand gestern im 
Bahnhofshotel einer außerordentliche G e n e - 
ralversammlung des schleswig-hol 
steinischen l an dwirths cha ft lichen 
Generalvereins statt. Bon 78 Ver 
einen waren 125 Delegirte vertreten. Von 
der Regierung waren Oberpräsidialrath 
Hagemann und Geheimer Regierungsrath 
Petersen-Schleswig entsendet. Es handelte 
sich um Stellungnahme zu dem Gesetzent 
wurf, betreffend Einrichtung von Land 
wirthschaftskammern. Zu diesem Ber- 
handlungsgegenstande hatte die Direction 
des Generalvereins nachstehende Resolution 
unterbreitet: 1) Die Ereichtung von Land 
wirthschaftskammern wird den schleswig 
holsteinischen Landwirthen willkommen sein, 
insoweit sie dazu führt, den Einfluß unserer 
Landwirthschaft auf Gesetzgebung und Ver 
waltung zu erhöhen, sowie die Geldmittel 
zu einer kräftigeren Forderung des land 
wirthschaftlichen Gewerbes zu vermehren. 
Dabei wird auf die Mitwirkung zur Aus- 
bildung eines neuen Agrarrechts ein erheb 
liches Gewichtnicht gelegt, weil die agrarischen 
Verhältnisse der hiesigen Provinz einer ein 
greifenden Veränderung nicht bedürfen. 2) 
Die geplante neue corporative Organisation 
des landw-irthschaftlichen Berufsstandes ist 
aber diesseits nur unter der Voraussetzung 
zu befürworten, daß dadurch das hier reich 
entwickelte und segensreich wirkende land- 
wirthschaftliche Vereinswesen nicht beein- 
trächtigt wird. Deshalb wäre die Land- 
Wirthschaftskammer mit den bestehenden land- wieder 
wirthschaftlichen Spezialvereinen in möglichst 
enge Verbindung zu bringen. 3) Wenn es 
nicht thunlich erscheint, das Wahlrecht den 
bestehenden örtlichen landwirthschaftlichen 
Vereinen oder neu zu bildenden landwirth 
schaftlichen Kreisvereinen zu übertragen, ist 
jedenfalls das vorgesehene Wahlverfahren 
wesentlich zu vereinfachen und namentlich 
das active Wahlrecht den hiesigen Verhält 
nissen entsprechend, nicht in dem beabsich 
tigten Maße einzuschränken und abzustufen. 
Eine sehr lebhafte Debatte knüpfte sich 
an den Verhandlungsgegenstand. Man 
kann wohl annehmen, daß Gegner und 
Freunde der Landwirthschaftskammern in 
der Versammlung ungefähr in gleicher An 
zahl anwesend waren, denn die Beschlüsse 
von prinzipieller Bedeutung wurden meist 
mit schwacher Mehrheit gefaßt. Nach be 
endeter Debatte wurde der am weitesten 
gehende Antrag, die Direktion zu beauf 
tragen, beim Landtag um Ablehnung des 
Gesetzentwurfes auf Einrichtung von Land 
wirthschaftskammern zu petitioniren, mit 
geringer Mehrheit abgelehnt. Von der 
oben mitgetheilten Resolution wurde auch 
von Nr. 1 der zweite Absatz, von Nr. 2 
der zweite Satz und Nr. 3 ganz abgelehnt, 
das übrige angenommen; die Versammlung 
erklärte sich also für Landwirthsch aft s- 
kammern. Außerdem wurde noch eine 
Reihe von Anträgen gestellt und theils an 
genommen, theils abgelehnt, doch haben 
alle diese keine grundsätzliche Bedeutung, 
mit Ausnahme desjenigen, daß die Ver 
sammlung sich für fakultative, gegen 
obligatorische Einrichtung von Land 
wirthschaftskammern erklärte. Von Inter 
esse ist aus den angenommenen Anträgen 
noch, daß man wünscht, daß die Wahlen 
zu den Landwirthschaftskammern aus den 
landwirthschaftlichen Vereinen hervorgehen 
und daß auch die Pächter innerhalb der 
Gutsbezirke das aktive Wahlrecht erhalten. 
— Nach Erledigung dieses Hauptverhand 
lungsgegenstandes hielt noch Direktor Con- 
radi-Hohenwestedt einen Vortrag über seine 
nach Amerika ausgeführte Studienreise. 
552 Bon der Eider, 27. Febr. Die Be 
sichtigung der Eiderdeiche hat ergeben, daß 
zur Ausbesserung der Schäden, welche die 
letzten Stürme den genannten Deichen zu 
gefügt haben, Opfer erforderlich sein wer 
den, welche den Jahresertrag der zur Unter 
haltung der Deiche verpflichteten Ländereien 
übersteigen werden. Da in Folge dessen 
die betreffenden Interessenten schwer belastet 
werden, so ist angeregt worden, daß zur 
Unterhaltung der Stapelholmer Eiderdeiche 
statt der bisherigen Interessenten der bezüg 
lichen anliegenden Köge größere Deichver 
bände, ivenn möglich, mit Einschluß der 
Treeneniederung bis Hollingstedt hinauf, ins 
Leben zu rufen. 
X Jevenstcdt, 28. Febr. Die von der 
hiesigen Liedertafel gestern Abend veran 
staltete Maskerade war sehr stark besucht 
und nahm einen sehr schönen Verlauf. 
Zur Aufführung gelangten ein Zigeuner 
zug und eine Quadrille. Letztere war von 
Herrn Friseur Minge aus Rendsburg ein- 
studirt und fand ungemeinen Beifall. Auch 
an Einzelmasken aller Art war durchaus 
kein Mangel und für ländliche Verhältnisse 
wurde wirklich des Guten viel und reich 
lich geboten. 
ff- Rendsburg, 28. Febr. Die hiesigen 
Schneider gesellen sind in eine Lohn 
bewegung eingetreten, und den Meistern 
mit Neuforderungen gekommen. Vorgestern 
Abend fand in dem Blohm'schen Lokal in 
der Königstraße eine Versammlung -statt, 
in der jedoch eine Einigung mit den Meistern 
nickt erzielt wurde. Letztere sind den Ge 
sellen in vielen Fällen entgegengekommen, 
wollen sich aber nicht darauf einlassen, 
die Ueberstunden in der Weise zu bezahlen, 
wie von den letzteren gefordert wird. Die 
selben verlangen die Stunden von 7 bis 
10 Uhr Abends mit 35 Pf., von 10 bis 
12 Uhr mit 50 Pf. nnd von da an mit 
85 Pf. pro Stunde vergütet. Es ist wahr 
scheinlich, daß die Meister auch die Ueber- 
stundenpreise bewilligen werden, welche bis 
lang noch in Frage stehen. Die Sonntags 
und Ueberarbeit wurde von den Schneidern, 
bei denen sie besonders eingerissen war, 
sowohl von den Meistern als auch den 
Gesellen, zumeist als überaus lästig 
empfunden. 
«I a, —- 
Jahresversammlung 
des Haide - Kultur - Vereins in der 
Provinz Schleswig-Holstein. 
A Rendsburg, 28. Febr. 
Die Versammlung wurde um 11 Uhr Vormittags 
durch Herrn HM, früher Muggesfelde, jetzt Küb 
eröffnet Der Herr Obcrpräsident war leider 
durch Unwohlsein" am Erscheinen verhindert, wäh 
rend der Herr Regierungspräsident wegen dienst 
licher Angelegenheiten an der Versammlung nW 
theilnehmen konnte. Als Vertreter der Regierung 
war Herr Geh. Reg.-Rath Petersen erschienen, 
während die Provinz durch Herrn Landesdire-tol 
von Ahlefeld vertreten war. 
Hierauf wurde von dem Geschäftsführer des 
Vereins, Herrn v. John-Rendsburg, der Jahres- 
bericht für das verflossene Geschäftsjahr vorgelegt- 
Demselben entnehmen wir Folgendes: Die A»' 
spräche, welche an den Verein gestellt werden- 
wachsen von Jahr zu Jahr, doch nimmt leide 
die Mitgliederzahl nicht in gleichen! Maaße r' 
Bon den verdienten Männern, die einst den Ve>, 
ein gründeten, nurden letzterein alljährlich n>eh 
durch den Tod entrisfen. Doch treten in Z 
meisten Fällen die Erben und Besitznachfolge 
wieder an deren Stelle ein. Auch gelingt sil 
neue Freunde zu gewinnen, sodaß . 
Mitgliederzahl des Vereins sich im Großen Ulf- 
Ganzen stets ziemlich gleichbleibt. Die Sparkojl 
zu Glücksburg ist als unterstützendes Mltşş§ 
neu eingetreten. Dieselbe hat dem Verein 
1893 eine Zuwendung von 50 Mk. gemacht. *1\ { 
Hamburg sind für 1894 bereits weitere Mitglied 
gemeldet. Die Jahresrechnung schließt ab *L 
einem sehr kleinen Kassenbehalt, woraus zur ®ti 
nüge hervorgeht, daß die verfügbaren Mittel ° 
gesteigerten Anforderungen von Jahr zu ' 
weniger entsprechen. fiit 
Alle Baumschulen, welche der Verein bisher i 
eigene Rechnung führte, sind nunmehr aufgehod 1 
Nur von der Baumschule zu Drage sind >> ^ 
einige Pflanzen vorhanden. Dieselben werden 
der nächsten Pflanzperiode zur Verwendung 
langen. Der Zuschuß des Vereins beim Be» 
von Pflanzen aus Handels-Baumschulen js* f jti 
den hohen Pflanzenpreisen des Jahres l™. 
erheblicher geworden und übersteigt mit 
Betrage von UOO Mk. den Voranschlag uw y, 
Wesentliches. Die Baumschulen des ersten Sşş,.-, 
wig-Holsteinischen Waldverbandes zu How 
der Bewaldungsgenoffenschast zu Albersdorf
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.