Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 1)

. ' - . '•* W’,.- it . . .... . -- ' . - . - '. 
ti 
aor. 
:4s. _ 
e. bed. 
if. unt. 
:r eine 
tendsb. 
eine 
Wo? 
iendsb. 
s. 
f* 
jöaap. 
Ikskit 
iffr., 
ifter, 
f«s5> 
nd 3* 
j. unter 
ķîuche^ 
ocheşş 
e Etas! 
gegebck 
elfter, 
/I 
•>urf 
■5» Erscheint tügt'ich. VZ- 
eitblall. 
Bezugspreis: 
Vierteljährlich 2 JK.—, frei ins Haus geliefert 
2 Jl 15 Ķ 
für Auswärtige, durch die Post bezogen 
2 M 25 S) 
tuet. Postprosision rc., jedoch ohne Bestellgeld. 
Jnser-tionSpreiS: pro Petitzeile 15 
ArLtrstes nnd gelesen stes Klatl im Kreise Rendsburg. 
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
87ster Jahrgang. 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Als Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landwirth" soivie das 
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegeben. 
3000 Abonnenten. 
Wo. 48. 
Wontag, den 26. Iebruar 
1894. 
Morgen-Depesche». 
Berlin, 26. Febr. Der Kaiser fuhr heute 
Vormittag beim Reichskanzler Grafen Ca- 
privi vor, um denselben anläßlich seines 
heutigen Geburtstages zu beglückwünschen. 
Abends wird der Kaiser, wie schon gemel- 
bet, einer Einladung des Oberpräsidenten 
Dr. von Achenbach entsprechen und an dem 
Diner theiluehmen, welches vom branden- 
burgischen Provinziallandtage gegeben wird. 
Bei der Gratulation, welche der Kaiser 
dem Reichskanzler anläßlich dessen Gcburts- 
tages überbrachte, überreichte der Monarch 
ihm als Geburtstagsgeschenk einen Humpen 
und zwei Pokale aus grünem Glase, die 
für diesen Zweck nach den Intentionen 
des Kaisers hergestellt wurden. 
Berlin, 26. Febr. Die Abendgesellschaft, 
welche der Ministerpräsident des preußischen 
Staatsministeriums, Staatssekretär im 
Reichsschatzamt Dr. v. Boetticher, gestern 
gegeben hat, nahm einen anregenden Ber> 
lauf. Der Kaiser hatte das Fest mit seiner 
Gegenwart beehrt und verweilte auf dem 
selben einige Stunden bis 12 3 / + Uhr. Vor 
Beginn der Tafel unterhielt er sich mit 
verschiedenen Herren. Nach Aufhebung der 
Tafel wurden Gruppen gebildet. Der 
Kaiser besprach mit einzelnen Herren die 
verschiedensten Themate, u. A. auch politic 
sche Fragen. Er äußerte sich in wohl' 
wollendem Sinne über die Lage der Land' 
wirthschaft, streifte mancherlei Punkte auf 
dem laudwirthschaftlichen Gebiete und be 
tonte gleichzeitig die Nothwendigkeit der An 
nahme des deutsch-russischen Handelsver 
trages. — Wie die „Kreuz-Zeitung" 
meldet, kam der Kaiser im Verlaufe der 
Unterhaltung mit den Ministern auch auf 
die Sozialdemokratie zu sprechen. Nebenbei 
gab der Monarch der Meinung Ausdruck, 
daß die frühere gesetzliche Prügelstrafe doch 
sehr viele gute Konsequenzen gehabt hätte. 
Wie das Blatt ferner hört, fiel es allge 
mein auf, daß der Reichskanzler, mit dem 
der Kaiser nicht ganz so warm wie sonst 
zu verkehren schien, bereits nach 10 Uhr 
sich entfernte. — (Die Annahme liegt 
nahe, daß der Reichskanzler am Freitag 
Abend sich absichtlich vor dem Anbruch 
seines Geburtstages um die Mitternachts 
stunde entfernt hat. Red.) 
Berlin, 26. Febr. Die Centrumsfraktion 
des Reichstages hat am Freitag-Abend über 
die Stllungnahnie zum russischen Handels 
verträge berathen, die Entscheidung jedoch 
nach mehrstündiger Debatte noch ausgesetzt. 
Heute Abend wird eine zweite Fraktions- 
sitzung stattfinden, in welcher die Erörte 
terungen fortgesetzt werden sollen. 
Wien, 26. Febr. Bei der heutigen Skon 
trirung der Staatsschuldenkasse ergab sich 
ein Fehlbetrag von 50000 Gulden. Der 
Kassirer Ferles ist geflohen. 
Adbazia, 26. Febr. Der deutsche Kaiser 
hat auf drei Monate Arthur Renards 
neue Jacht „Christable" gemiethet, welche 
bereits Anfang März nach Fiume abdampft. 
Für die Kaiserin, die mit großem Gefolge 
eintreffen soll, ist die Villa Angiolina ge- 
miethet worden. Außerdem ist für das 
Gefolge ein Theil des Hotels „Quernaro" 
und die neue Villa Friedrich Schülers her 
gerichtet. Die Miether, welche die Aparte 
ments bNher bewohnten, müssen diese bis 
zum 5. März räumen. — Wie hier ver 
lautet, wird der Zar, trotzdem ihm die 
Aerzte große Schonung empfahlen und von 
jeder größeren Reise abriethen, doch noch 
nach hier kommen und sollen bereits Um 
fragen wegen der Wohnungsräume stattge- 
funden haben. 
Rom, 26. Febr. Die „Times" melden 
aus Rom, daß Crispi fest entschlossen sei, 
sich völlig übereinstimmend in den Reform 
plänen Sonninos zu erklären. Falls die 
Kammer diese Projekte ablehnen sollte, 
werde Crispi das Parlament auflösen. 
Petersburg, 26. Febr. Wie verlautet, 
will Rußland den Handelsvertrag mit Italien 
kündigen, weil die Einfuhrzölle auf Getreide 
seitens der italienischen Regierung erhöht 
worden sind. 
Marseille, 26. Febr. Bor dem Polizei- 
kommissariat wurde hier gestern eine Bombe 
gefunden. Außerdem hat man verschiedene 
Sprengstosfe, die bei mehreren Arbeiter» 
vorgefunden wurden, beschlagnahmt. 
London, 26. Febr. Während des Be 
gräbnisses Bourdins versuchte die sich in 
großer Zahl angesammelte Volksmenge die 
den Zug begleitenden Anarchisten zu ver 
treiben und machte sich namentlich große 
Erregung gegen die ausländischen Anar 
chisten geltend. Die von der Beerdigung 
zurückkehrenden Anarchisten wurden mit Knüt 
teln und Steinwürfeu von der erregten 
Menge angegriffen. Die Angegriffenen 
flüchteten in das Lokal des Autonomieklubs; 
die Verfolger zerschlugen die Fensterscheiben 
des Klubgebäudes. Weitere Demonstrationen 
wurden durch das Einschreiten der Polizei 
verhindert. 
London, 26. Febr. Wie aus Bueuos- 
Ayres gemeldet wird, sollen in Bahia 
schwere Ereignisse bevorstehen. Unter den 
Truppen des Regierungs-Geschwaders soll 
eine Meuterei ausgebrochen sein, während 
die Insurgenten im Süden erfolgreich vor 
dringen. Da das Papiergeld im Werthe 
immer tiefer sinkt, befürchtet man eine Fi 
nanzkrisis. 
Ausland. 
Newyork, 22. Febr. Erastus Wiman, 
ein bekannterSchriftsteller undRedner, welcher 
bisher für einen Millionär gehalten wurde, 
ist unter der Anklage, 229,080 Dollar 
unterschlagen zu haben, verhaftet worden 
Derselbe war angeblich Theilhaber der 
Firma Dun, Wimann u. Company, in 
Wirklichkeit aber ein nur Angestellter der 
selben. Wimann selbst behauptet, der 
Grund der Verfolgung sei die Furcht vor 
einem kaufmännischen Konkurrenzunter 
nehmen, welches er ins Werk habe setzen 
wollen. 
Port Louis, 23. Febr. Ueber die Insel 
Mauritius ging gestern wiederum ein hef 
tiger C y e l o n, der großen Schaden an 
richtete. Bei Port Louis stürzte eine 500 
Fuß hohe Eisenbahnbrücke in dem 
Augenblick, als ein Zug darüber fuhr, in 
die Tiefe. 
Ķutzlsnd. 
Einer Petersburger Meldung zufolge wird 
im russischen Finanzministerium für den 
Reichsrath statt des bisherigen Entwurfes 
einer Regelung der Beitragspflicht der Ge 
Werbeunternehmer für die Arbeiterkranken- 
versicheruug ein neuer Gesetzentwurf 
vorbereitet, welcher die Arbeiter-Kran 
ken- und Unfallversicherung, sowie 
die Sicherstellung von Arbeiter-Jnvaliditäts- 
bezügeu in umfassender Weise zur Durch- 
führung bringen soll. 
England. 
London, 23. Febr. Die britische Bark 
„Montgomery Castle", von Newyork nach 
nach Java bestimmt, lief mit fortgespül- 
ten Deckgegenständen und Booten, 
sowie sonstigen Deckbeschädigungen in Fayal 
ein. Acht Personen, darunter sämmtliche 
Offiziere, sind ertrunken. An Bord befand 
sich Niemand mehr, der fähig war, die 
Leitung des Schiffes zu übernehmen. 
Frankreich. 
Paris, 24. Febr. Prozeß Leauthier. 
Der Staatsanwalt beantragte die Todes 
strafe und sagte, die Anarchisten könnten 
sicher sein, daß wir nach jedem Verbrechen 
erbarmungslose Bestrafung fordern. Wir 
iverden sehen, mit ihnen fertig zu werden. 
Der Vertheidiger stellte Leauthier als 
naiven, durch anarchistische Theorien ver 
wirrten Menschen dar. Leauthier verlas 
eine lange Abhandlung, die anarchistische 
Theorien auseinandersetzt und die Gesell 
schaft und die Regierung beschimpft. Er 
schloß I Ich könnte vor einem Kinde weinen 
und werde vor Eurer Guillotine lächeln, 
hurrah die soziale Revolution. Die Jury 
bewilligte ihm mildernde Umstände, was die 
Unzufriedenheit des Publikums erregte. 
Leauthier wurde zu lebenslänglicher Zwangs 
arbeit vei urtheilt. Nach Verlesung des 
Urtheils rief er aus: „Es lebe die Anar 
chie." Das Auditorium zischte ihn aus. 
Paris, 24. Febr. Der Kammerpräsident 
erhielt mehrere Drohbriefe. Ein heute an- 
gekommener war mit mit schwarzem Pulver 
gefüllt und wurde dem Munizipal-Labora- 
torium übergeben. 
Paris, 24. Febr. Henry gestand, der 
Urheber der Explosion in der Rue de Bons 
Enfants gewesen zu sein und behauptet ohne 
Komplizen gehandelt zu haben. 
Die erste Höllenmaschine in Paris 
kam im Jahre 1587 zur Anwendung. Ein 
Mann aus der Normandie schickte an einen 
Pariser, den er als den Liebhaber seiner 
Schwester betrachtete, eine Kiste. Dieselbe 
sollte angeblich ein werthvolles Geschenk 
für sie enthalten, enthielt in Wirklichkeit 
aber 36 vollgeladene Doppelläufe, die derart 
angeordnet waren, daß sie sich beim Oeffuen 
der Kiste sämmtlich entladen sollten. Der 
Empfänger kam indessen mit leichten Ver 
letzungen davon, während der entdeckte Ab 
sender den Tod durchs Rad erleiden mußte. 
Oesterreich. 
Wien, 25. Febr. Bei der Staatsschulden 
kaffe ist ein großer Unt er sch leis entdeckt 
worden. Heute Nachmittag wurde eine 
Revision der Kasse vorgenommen. Der 
revidirende Beamte wollte eine Part hie 
Geldsäckchen, welche 150 000 Gulden 
in Zwanzigmarkstückeu enthalten sollten, 
prüfen. In diesem Augenblick ergriff der 
Hauptkassirer, Adolf Ferles, aus dem 
Amtszimmer die Flucht, die Prüfung ergab, 
daß die Säckchen Zwanzighellerstücke an 
statt Zwanzig mark stücke enthielten. Die 
Höhe des Fehlbetrages ist noch nicht fest 
stehend, jedenfalls aber sehr groß. Ferles ist Be 
sitzer mehrerer Dekorationen, Oberkomman- 
dant der Vereinigten Wiener Veteranen 
korps, seine Frau betreibt ein elegantes 
Ringstraßeukaffee. Der Flüchtling ist bis 
her nicht aufgefunden, er war Geldgeber 
des kürzlich bankerott gewordenen Cirkus 
Angeli. Die Gerüchte, daß er Selbstmord 
verübt hätte, sind noch unbestätigt. (S. auch 
unter Morgen-Depeschen.) 
Prag, 24. Febr. In der großen 
Schöllerschen Zuckerfabrik in Czakowitz 
brach ein verheerender Brand aus. Die 
Würfelzucker - Abtheilung ist vollständig 
niedergebrannt; jetzt versucht man, das 
Feuer zu lokalisiren. Die Fabrik ist im 
Ganzen für 6 Millionen beim Assekuranz- 
Verein der österr.-ungar. Zuckerfabriken 
versichert. (Nach einer Depesche des 
Wolff'scheu Tel.-Bureaus sind 30000 
Meter-Ceutner Zucker vernichtet und beträgt 
der Schaden ea. 1 Million.) 
Italien. 
Die italienischen Zeitungen besprechen 
die neuen Steuervorschläge der Regierung 
und stöhnen Ach und Weh wegen der Höhe 
der neu aufzubringenden Abgaben. Es 
fehlt gar nicht an Journalen, welche am 
liebsten Alles den fremden Staatsgläubigern 
aufhalsen möchten und von einem halben 
Staatsbankerott sprechen. Dahin wird es 
natürlich nicht kommen, immerhin hat die 
vom Finanzminister vorgeschlagene Zinsen 
reduktion der italienischen Staatspapiere 
auch in Deutschland keinen guten Eindruck 
gemacht. 
Inland. 
Die „Kreuzztg." weiß zu berichten, 
daß der Kaiser mit großer Zuversicht auf 
Annahme des russischen Handelsvertrages 
im Reichstag bei der Abendgesellschaft im 
Palais des Herrn v. Boetticher rechnete, 
daß aber Freih. v. Stumm vor allzu 
großem Optimismus warnen zu 
sollen glaubte. — Wir halten diese 
Warnung für unzutreffend. Der Handels 
vertrag wird sicher, wenn auch mit kleiner 
Minorität, angenommen werden, weil die 
Konservativen es auf eine Reichstagsauf 
lösung nun und nimmermehr ankommen 
lassen werden. 
— Aus einem Schreiben des Centrums 
abgeordneten Metzner in Sachen des 
russischen Handelsvertrages wird 
geschloffen, daß er sein Mandat niederlegen 
wolle. Der Centrumsabgeordnete Fritzen, 
welcher Anfangs dieses Monats lebensge 
fährlich erkrankte, ist jetzt wieder völlig 
genesen. 
— Gegen den Bund der Landwirthe 
wird die Opposition in den Reihen der 
konservativen Bauern immer lebhafter. Der 
Vorstand des wieder ins Leben getretenen 
ÜH8 (sein leimt eüips Spiefrrs. 
12) Erzählung von Otto Trendies. 
Frau Werner hatte mit raschen Schritten 
den Weg zur Armenkasse eingeschlagen. Bald 
war sie zur Stelle und der Vorsteher fragte 
sie, was sie so früh und an einem Sonntage 
zu ihm führe, au welchem er sonst gewöhnlich 
keine Bittgesuche entgegen zu nehmen pflege, 
denn nach der dürftigen Kleidung zu schließen, 
glaubte er eine Bittstellerin vor sich zu haben. 
ivrau Werner erwiderte darauf, daß sie 
nicht gekommen sei um Unterstützung zu bitten, 
sondern nn Gegentheil um Geld für die 
Armenkasse abzuliefern. 
„Das ist sehr löblich, liebe Frau und 
macht ihrem Wohlthätigkeitssinn alle Ehre - 
um so mehr, als sie die Gabe, ihrem Aenßern 
nach zu urtheilen, nicht vom Ueberflnß 
spenden scheinen." 
„O nein, das gewiß nicht; ich bin selbst 
arm", erwiderte Frau Werner und schüttete 
dabei den Inhalt ihrer Handtasche auf den 
Zahltisch. 
Der Vorsteher blickte erstaunt bald auf die 
Summe Geld, die nun vor ihm lag, bald 
auf Frau Werner. 
„Und all das Geld wollen Sie der Armen 
kasse überweisen?" fragte er endlich. 
„Ja, haben Sie die Güte mir einen 
Empfangsschein darüber auszustellen." 
„Sehr gern. Doch muß ich Sic bitten, 
mir zu sagen, wie Sie zu dem Gelde gekommen 
sind und was Sie veranlaßt, eine so große 
Summe fortgeben zu wollen. Sie sind arm, 
wie Sie vorhin selbst zugestanden, und werden 
begreifen, daß mir ihr Vorhaben höchst auf 
fallend erscheinen muß." 
Frau Werner sah das ein und fand das 
Verlangen des Vorstehers ganz gerechtfertigt; 
und obwohl es ihr peinlich war, einen Fremden 
in ihre Familiengeheimnisse einzuweihen und 
besonders, weil sie dadurch ihren Mann an- 
zuktagen gezwungen war, so erzählte sie doch 
kurz was der Vorsteher von ihr verlangte. 
Dieser hatte mit großer Theilnahme zuge 
hört, dann erwiderte er: „Wenn Ihr Mann 
Ihnen auch die freie Verfügung über das 
Geld zugestanden hat, wie Sie sagen, so hat 
er keinesfalls daran gedacht, daß Sie es zu 
diesen Zwecken verwenden könnten; Sie werden 
sich Aerger und Verdruß bereiten und ich 
rathe Ihnen, liebe Frau, von ihrem Vorhaben 
abzustehen. 
„Unter keinen Umständen!" erwiderte Frau 
Werner entschlossen. „Ich nehme das Geld 
nicht wieder nach Hause. Für meine Hand 
lungsweise will ich alles über mich ergehen 
lassen, will ich alles von meinem Mann er 
tragen, wenn ich ihn nur dadurch bewege dem 
Spiele zu entsagen." 
„Und glauben Sie, das durch ihr Vorhaben 
zu erreichen?" fragte der Vorsteher un 
gläubig. 
Werŗ. r,0ffC e§ mit Ģott," sagte Frau 
iliach kurzem, ernsten Schweigen nahm 
das Wort. " ' 
er 
»Nun gut, ich will Ihnen in ihrem löb 
lichen Vorsatz nicht hinderlich sein, liebe Frau. 
Sie deponiren das Geld bei mir und ich 
stelle Ihnen eine» Empfangsschein darüber 
aus. Sollten Sie daun andern Sinnes 
werden, so steht Ihnen die Summe jederzeit 
zur Verfügung." 
„Das wird nie geschehen! Ich will mit 
dem Gelde nichts mehr zu schaffen haben," 
entgegncte sie bestimmt und mit sichtlichem 
Widerwillen. 
Darauf zahlte der Vorsteher das Geld nnd 
stellte über den Empfang eine Quittung in 
der besprochenen Form aus. Frau Werner 
nahm dankend das Papier und wollte sich 
entfernen. 
„Geben Sie mir ihre Hand, liebe Frau; 
Sie sind brav und gut. Möge Gott ihr 
Vorhaben segnen." Mit diesen Worten ge 
leitete er sie zur Thür. Ein stummer Hände 
druck, ein thränenfeuchter Blick dankten ihm 
für die ermuthigenden Worte, deren die arme 
Frau so sehr bedurfte. 
Werner hielt immer noch die Zeitung in 
der Hand, er hatte den Artikel über Krajcwski 
wieder und wieder gelesen, llud so viel 
Mühe er sich auch gab, sich in ein besseres 
Licht zu stellen,, das Eine war doch nicht 
wegzuleugnen, daß sein Thun und Treiben 
ebenfalls ein verbotenes, ein strafbares sei. 
Ja, die Befürchtung (stieg in ihm auf, daß 
die Polizei auch ihn vielleicht schon als Spieler 
kenne, daß man auch ihn schon mit scharfen 
Augen beobachtete und ihm war, als ob 
plötzlich eine Ceutnerlast seine Brust bedrückte. 
Wüthend warf er die Zeitung von sich 
und ging unruhig im Zimmer auf und ab, 
dann setzte er sich nieder, stützte den Kopf in 
beide Hände und verfiel in dumpfes Brüten. 
Fränzchen hatte den Vater ängstlich be 
obachtet und nicht gewagt sich zu rühren. 
Sie athmete erleichtert auf, als die Mutter 
in's Zimmer trat; diese blickte erstaunt auf 
ihren Mann, den sic schlafend wähnte, und 
Fränzchen bedeutete ihr durch einen vielsagen 
den Blick auf den Vater und mit entsprechender 
Handbewegung, daß es nicht gut mit ihm 
stehe. I 
Der Muth der armen Frau sank, denn 
zu dem, was sie ihrem Manne zu eröffnen 
hatte, paßte die Stimmung nicht, in welcher 
er sich jetzt befand. Er saß noch immer mit 
geschlossenen Augen und beängstigende Ge 
danken schienen ihn zu quälen, denn seine 
Brust bewegte sich in tiefen, schweren Athem 
zügen und er murmelte unverständliche, ab 
gebrochene Worte durch die Zähne. 
Die Frau ging zu ihm heran, und indem 
sie ihre Hand auf seine Schulter legte, sagte 
sic leise: „Werner, schläfst Du?" 
Dieser fuhr entsetzt auf, denn er hatte von 
Verhaftung und Gefängniß geträumt und 
glaubte, die Hand der Gerechtigkeit läge sich 
schwer auf seine Schulter. „Wer ist da? 
kind was will man von mir?" stieß er 
angstvoll und mit verstörten Blicken heraus. 
Dann, als er seine Frau vor sich sah, faßte 
er sich und sagte mürrisch: „Warum schleichst 
Du auch so leise herein und schreckst mich 
aus meinem Schlaf?" 
„Wenn Du schlafen wolltest," erwiderte 
die Frau begütigend, „warum bliebst Du 
denn nicht in deinem Bette? Eben, weil 
ich das glaubte, bin ich so geräuschlos, wie 
möglich hereingekommen, um Dich nicht zu 
stören und fand Dich zu meiner Verwunderung 
hier eingeschlafen in so unbequemer Lage, das 
thut mir leid." „Du hast Recht, liebe Frau. 
Sei mir nicht böse, wenn ich Dich hart an 
ließ, aber ich bin heute sehr verdrießlich." 
„Das macht die durchwachte Nacht, lieber 
Mann," erwiderte sie mit sanftem Borwurf, 
„gieb Acht, Du wirst Dich krank machen, 
wenn Du es nicht gar schon bist." „Nein, 
darüber sei ohne Sorge. Mein Unbehagen 
liegt in meiner Stimmung, und damit ich 
besserer Laune werde, wollen wir einmal 
zusammen überdenken, wie und wozu wir 
unser Geld am besten verwenden werden." 
Damit hatte Werner das Thema selbst 
zur Sprache gebracht und die Entscheidung 
war schneller an die Frau herangetreten, als 
sie es erwartet, wohl auch gewünscht hatte. 
Es überkam sie eine Bangigkeit, die sie kaum 
bemeistern konnte, denn jetzt, im entscheiden 
den Augenblick, trat ihr das Gewagte ihrer 
Handlungsweise erst ganz vor Augen. Mit 
Mühe suchte sie sich zu fassen, dann begann 
sie, mit vor Erregung zitternder Stimme: 
„Lieber Mann, höre mich ruhig an. Als 
Du mir das Geld gabst, hast Du mir die 
Verwendung desselben nach meiner besten 
Einsicht überlassen. Du hast es im Spiele 
gewonnen und so viele Thränen, wie ich um 
das geweint habe, was Du von deinem schwer 
verdienten Lohn, was Du van unserm Er- 
sparniß am Kartentisch verloren hast, ebensoviel 
bittre Thränen unglücklicher Mütter, hungern 
der Kinder, haften gewiß auch an Deinem 
gestrigen Gewinn. Es ist Sündengeld, wel 
ches keinen Segen bringt, welches uns nicht 
zu Gute kommen darf. Könntest Du Dich 
an eine Mahlzeit setzen und sie mit Behagen 
genießen, die ich von dem Gelde bereitet 
hätte? Ich könnte es nicht und Fränzchen, 
unser liebes, unschuldiges Kind soll es nicht. 
Ich bin nur ärmlich gekleidet und das bedrückt 
mich gewiß, aber ich will gern damit zufrieden 
sein, denn ich kann jedem Menschen dabei 
offen und frei in die Augen sehen; in den 
schönsten Kleidern, die ich mir von dem 
Gelde kaufte, müßte ich mich schämen und 
die Augen niederschlagen. Du siehst nun 
wohl auch ein, lieber Mann, daß ich für 
uns von dem Gelde keinen Gebrauch machen 
kann. (Fortsetzung folgt.) 
"Mi; 1 «i 
- ■ 
I! - ! 
II. I'I: I 
i l 
á fl 
►I
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.