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vierteljährlich 2 Ji.—, frei ins Haus geliefert
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für Auswärtige, durch die Post bezogen
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AeUestes und gelegenstes Klatt im Kreise Uendsvurg.
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
87ster Jahrgang.
Bei Betriebsstörungen
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
Als Beilagen
werden dem Blatt „Der Landwirth" sonne das
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegeben.
3000 Abonnenten.
Wo. 39.
Donnerstag, öen 15. Aebruar
1894.
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Morgen- Depeschen.
Berlin, 14. Febr. Die Meldung, tzer
Kronrath, der gestern stattfinden sollte, «der
abbestellt wurde, werde morgen zu «ner
Sitzung zusammentreten, wird der .„Voss.
Ztg." als unzutreffend bezeichnet. Die
Sitzung ist bis auf weiteres, ohne daß ein
bestimmter Termin ins Auge gefaßt wäre,
verschoben worden.
Berlin, 14. Febr. Beim gestrigen par-
lamentarischen Diner, welches der Minister
präsident Gras Eulenbnrg gegeben bat,
blieb der Kaiser von 7 Uhr Abends bis
12^/4 Uhr Nachts. Nach Aufhebung der
Tafel wurden Gruppen gebildet und der
Kaiser zog sich mit einem Theil der -Ge
sellschaft in eine besondere Gruppe zurück.
Hier wurden verschiedene Themata ange
schlagen, auch Politik berührt. Der Kaiser
trug seine Ansicht über die Zdee vor, ein
allgemeines Kanalnetz über ganz Deutsch,
land auszudehnen, stützte dieselbe mit
statistischen Angaben und leitete für die
Zukunft aus der Verwirklichung dieser Idee
die Berechtigung her, die Staffeltarife ent
behrlich zu machen. In diesem Zusammen
hang wurden Gründe und Gegengründe
bezüglich der Aufhebung der Staffeltarife
vorgetragen.
Berlin, 14. Febr. In parlamentarischen
Kreisen glaubt man, daß der Eisenbahn-
minister Thielen die Aufhebung der
Staffeltarife zum Anlaß feiner Demission
nehmen wird.
Berlin, 14. Febr. Wie die „Rat. Ztg/'
Zuverlässig erfährt, hat das preußische
Staatsministerium nunmehr beschlossen, in
Berücksichtigung der sowohl aus den preu
ßischen westlichen Provinzen, als aus Süd-
deutschland geltend gemachten Beschwerden
auf die Staffeltarife zu verzichten.
Breslau, 14. Febr. Die Tiefbausohle
auf der oberschlesischen Cleophasgrube ist
infolge des Platzens eines Rohres bei der
Wasserhaltungsmaschine ersoffen. Das
Wasser steigt rapid.
Königshütte, 14 Febr. Vergangene Nacht
wurden auf dem Schachte Königsgrube durch
herabfallende Kohlenmassen zwei Bergleute
getödtet und einige schwer verletzt.
Paris, 14. Febr. Die Jdendität des
Attentäters vom Cast Terminus ist trotz
ver eifrigsten Nachforschungen der Polizei
noch nicht festgestellt. In dem Hemd und
dem Unterbeinkleid des angeblichen Breton
befinden sich die Initialen Vaillants „A. V."
eingezeichnet. Erkundigungen in Marseille
haben ergeben, daß im Jahre 1892 ein
Anarchist Breton daselbst gewohnt habe,
welcher Kellner gewesen sei und seine
Stellungen stets wegen seines brutalen
Wesens verlassen mußte.
Warschau, 14. Febr, Gestern wurden
sämmtliche Mitglieder der Redaktion des
hiesigen Blattes „Glos", sowie -eines an
deren politischen Blattes, verhaftet. Es
svll eine große nihilistische Gesellschaft ent
deckt morsten sein, was zu den Verhastun
gen und Haussuchungen Veranlassung ge-
geben. Die Jnhaftirungen katholischer
Priester, welche beschuldigt werden, für die
Losreißirng Polens von Rußland zu agi-
tiren, iverden gleichfalls fortgesetzt.
London, 14. Febr. Meldungen -aus Rio
de Janeiro zufolge soll Präsident Peixoto
befohlen haben, den General Borboco zu
verhaften, weil er in dem Verdachte steht,
iin Norden Brasiliens eine unabhängige
Republik gründen zu wollen.
New-Aork, .14. Febr. Ein furchtbarer
Schneesturm wüthet ununterbrochen. In
Chicago liegt der Schnee meterhoch, sodaß
der Verkehr nahezu stockt.
? eutscher Reichstag.
49. Sitzung
Berlin, 14. Febr.
Fortsetzung der 2. Berathung der Anträge
Gröber, Rickert, betreffs Sicherung des
Wahlgeheimnisses.
Bei 8 11, Abgabe des Stimmzettels in sicherem
Umschlage schildert
Abg. V. Heere mann (Ctr.) schildert die Ge
fahren der Schmälerung des geheimen Wahlrechts
für das Rechtsbewußtsein des Volkes. Da.die bis-
herige Handhabung des Wahlrechts nicht immer
hinreiche, habe seine Parte: den vorliegenden An
trag gestellt.
Marquardsen (nat.-lib.) erklärt sich eben
falls für Einführung der Couverts.
Rickert (frs. Ver.) hält Couverts für keine
genügende Sicherheit; der springende Punkt sei
vielmehr, daß dem Wähler Gelegenheit gegeben
werde, einen ihm etwa übergebenen Wahlzettel
unbeobachtet zu vertauschen.
Der Paragraph wird angenommen.
8 11b will die Einführung eines Jsolirraumes.
Abg. Bass er mann (nat.-lib) beantragt die
Streichung des Paragraphen.
Marquardsen meint gleichfalls, man solle
sich mit den Couverts begnügen.
Barth (frs. Ver.) legt solchen Werth auf den
Jsolirraum, daß ohne diesen das Gesetz zwecklos
sei, auch
Abg. Auer (Sozialdem.) meint, ohne den
Jsolirraum würde der gegenwärtige Zustand »och
verschlechtert.
Nach längerer Debatte wird unter Ablehnung
des Antrages Bassermann Paragraph 11 d un
verändert angenommen.
Der Rest des Antrags Grober-Rickert wird
wesentlich unverändert angenommen.
Es folgt der Antrag Schröder auf Abänderung
des Artikels 61 des Handelsgesetzbuchs, betreffend
Kündigungsfrist und Zeugnisse, °
Abg. Siņger beantragt dazu die Einführung
einer Minirnal-Kündigungsfrist von 4 Wochen.
Nach Beendigung der erste» Lesung tritt das
Haus sofort in die zweite ein, vertagt jedoch bald
darauf die. Weiterberathung.
Anstand.
Außereuropäische Gebiete.
Die Stadt Chicago leidet noch immer
entsetzlich unter den üblen Nachwehen der
Weltausstellung. 175 000 Menschen liegen
arbeitslos auf der Straße. Die Zahl der
Verbrechen wächst gewaltig.
Nach einer Meldung der „World" aus
San-Salvador legte General Ortez, der
nicaraguanische Befehlshaber, gestern Bresche
in die Vertheidigungswerke Tegucigalpas
und lieferte eine Schlacht. Hundert Sol
daten find getödtet, viele verwundet.
Ortez nimmt den Sieg für sich in An
sgruch.
Ueber die Zustände in Südwestafrika
entwirft ein im „Volk" veröffentlichter Brief
eines dortigen Ansiedlers ein wenig schmeichel
Haftes S3tsb. Es heißt darin: „Witboi ist
so frisch, wie er nur je war, und hat uns
schon mehr Schaden zugefügt, als wir ver
tragen können. Es wurden Unterschriften
zu einer Adresse gesammelt, die die Be
seitigung des jetzigen Regierungssystems
verlangt, d. h. des Hauptes desselben, des
Majors Francois. Die Truppe zieht öfter
aus, kommt aber jedesmal bald und ohne
Erfolg wieder! Die Mannschaften sind be
reits übel gelaunt — wie sollte es auch
anders sein? Pferde sind nicht da — die
der Truppe hat alle Witboi — und das
Schnhwerk der Leute ist unter allem Hunde,
viele tragen zum Marschiren Reitstiefeln!
— Doch nun bitte ich Dich, sage mir doch
einmal, wie nennt man das bei Euch, wenn
Jemand einem Andern etwas verkauft, was
er gar nicht besitzt? Hat uns die verehrte
Kolonialgcsellschaft nicht Farmen verkauft?
War uns nicht zugesichert, wir könnten sie
sofort beziehen? Sollte nicht Friede im
Lande sein? Wo sind die Farmen? Keiner
weiß es! Ausgemessen ist erst eine, ganz
in der Nähe Windhoeks, für einen Herrn
Mittelstedt. Die ist aber so, daß ich dafür
danke — Felsen und Klippen kann ich zu
Hanse billiger haben; das Weideland, d. h.
das zum Weiden brauchbare — ist nicht
der Rede werth. Und sollen denn alle
Ansiedler ganz in der Nähe Windhoeks —
zu ihrer eigenen Sicherheit — Farmen be
kommen? Das würde doch etwas eng wer-
den! Die einzige verausgabte Farm ist
natürlich auch nicht von dem Eigenthümer
bezogen, da er es eben des Krieges wegen
nicht kann. —"
Mußlccnd.
Aus Sebastopol wird russischen Blättern
über einen sensationellen Selbstmord tele
graphirt. Die junge Gattin des dortigen
Bizeconsnls von England, Sir Edward
More, hat aus unbekannten Gründen vor
einigen Tagen einen Selbstmord verübt,
indem sie sich in ihrem Boudoir erhängte.
Der wegen Spionage verurtheilte russische
Oberstleutnant Grigoriew in Odessa ist be
reits hingerichtet worden. Aus seinen be
schlagnahmten Papieren soll hervorgegangen
sein, daß Grigoriew seit mehr als zwei
Jahren Spionendienste für eine ausländische
Macht versehen und -dafür 24 000 Frcs.
jährlich erhalten habe. Es sei auch er
mittelt worden, daß während des ver
gangenen Sommers Grigoriew in Abwesen
heit des Regimentschefs ein versiegeltes
Packet eröffnet habe, was vorschriftsgemäß
nur zur Kriegszeit geschehen darf. Dieses
Packet enthielt nähere Angaben über Mobili
strung und Bewegungen der Truppen.
Ausnahmsweise befanden sich in dem Packet
wie in allen denen, die an Regimenter an
den Grenzen gegen Rumänien, die Buko-
Ivina, Galizien und Preußen gerichtet sind,
auch Angaben über die Punkte, welche die
russischen Truppen vorkommenden Falls
zum Einmärsche nach Rumänien, der
Bukowina u s. w. benutzen würden, ferner
auch detaillirte Skizzen und Pläne der
österreichischenBefestigungen an der galizischen
Grenze, schließlich die ausführlichsten Pläne
der rumänischen Befestigungen.
Italien
Ein geheimnißvolles Verbrechen
wurde am Sonntag im Teatro Munizipale
zu Modena verübt. In dem Theater war
Maskenball, an welchem auch der 19jähr.
Filiberto Medici theilnahm. Das Theater
war übervoll. Während Signor Medici
im dichtesten Gedränge mit einer unbe
kannten Maske tanzte, muß er in die
linke Brust einen Dolchstoß empfangen
haben. Die Waffe drang dem jungen
Manne in das Herz, er stürzte nieder und
blieb sofort todt. In der Aufregung und
dem Gedränge, welches entstand, gelang es
der Maske, mit welcher Medici getanzt
hatte, zu entschlüpfen. Die Polizei hat
zehn junge Mädchen verhaftet, welche auf
dem Balle eine ähnliche Maske trugen,
wie die muthmaßliche Mörderin. Die
öffentliche Meinung geht aber dahin, daß
sich unter der Maske ein Mann verborgen
hätte und daß die Mordthat aus Eifersucht
verübt worden sei.
Dänemark.
Kopenhagen, 12. Febr. Die Leiter der
neuen agrarischen Bewegung haben
jetzt eine entschieden oppositionelle Haltung
gegenüber der Regierung eingenommen.
Dieselben haben eine Adresse an den Reichs
tag gerichtet, worin sie die „provisorischen
Zustände" scharf kritisiren und den Wunsch
äußern, daß es bald gelingen möge, den
politischen Streite zu beendigen. Wohl
hat der Präsident des Agrarvereins später
versucht, diese Aeußerungen abzuschwächen,
seine Erklärung ist jedoch in so unbe
stimmten Ausdrücken abgefaßt, daß sie Nie
manden befriedigt hat. Sehr bemerkens-
werth ist auch ein Artikel im offiziellen
Organe der Agrarier, worin erklärt wird,
daß die Agrarier sich bestreben werden, sich"
die Mehrzahl der Sitze im Landsthing zu
sichern. Im September müssen nämlich 26
neue Landsthingsmänner gewählt werden,
und die Agrarier wollen in 23 Landkreisen
ihre Kandidaten aufstellen.
Oesterreich.
Prag, 14. Febr. (Omladinaprozeß).
Der Staatsanwalt beantragte 14 Ange-
klagte wegen Hochverraths, 40 ivegen Ruhe-
störungsverbrechen und die Uebrigen wegen
Geheimbündelei zu verurtheilen.
Frankreich.
Paris, 15. Febr. In demselben Augen
blicke, wo ein neues Dynaniit-Attentat ganz
Paris in Aufregung versetzt, wird der im
Grabe ruhende Vaillant in einer Weise
gefeiert, daß man wirklich an dem ge
sunden Menschenverstand verzweifeln könnte.
Die Polizei wacht zwar streng darüber,
daß die angekündete Absicht, einige mit de-rr
IN v0§
:s zui"
, Küche,
rbe und
möbli^
ff «er
Uns llem leßiii eines Spielers.
4) Erzählung von Otto Trendies.
ņ Ein Geräusch wurde an der Thür hörbar,
der Meinung, Krajewski käme zurück,
'.rich die Gruppe, die sich um den Berliner
gebilbet hatte, auseinander. Statt des Er
warteten trat ein Kellner herein. Er trug
ein Tablett, worauf mehrere Flaschen Sclter-
wasser standen.
Stumme Pause, während welcher der Kellner
Flaschen und Gläser auf den Tisch stellte.
Wieder crgrrff der Berliner zuerst das
Wort: „Hat der Baron bat für uns bestellt?"
fragte er den Kellner. „Jawohl," erwiderte
dieser. „Der Baron meinte cs würde Ihnen
gut thun."
Da hat fich der Herr Baron aber sehr
geirrt, so weit sind wir noch lange nicht.
Warten Sie nur einen Ogenblick, er wird
wohl gleich Einkommen und wir werden ihm
seinen Irrthum uffklären."
„Da würde ich vergebens warten," sagte
der Kellner, „der Herr Baron ist nicht mehr
hier."
„Nicht?!" — erscholl es von Allen, mit
silier Stimme, wie ans einem Munde.
Der ahnungslose Kellner wurde durch
dieses unerwartete Tutti nicht wenig erschreckt.
Er wich einen Schritt zurück und sagte zö-
Zklnd, daß der Herr Baron seine Rechnung
prahlt hätte und in einer, zufällig vorüber-
ainmcnden Droschke fortgefahren sei.
Abermalige Pause allgemeinen Erstaunens.
Auch der sonst so zungenfertige Berliner
.,/r sprachlos geworden und warf sich der
Ş ņge nach auf's Sopha. Der gewitzte
Offner blickte in die finstern Mienen der An
wesenden und ihm ging rein Licht auf. Um
ganz klar zn sehen, zog er ein beschriebenes
Blatt Papier hervor und indem er es au'
den Tisch legte, sagte er: „Bitte, hier ist
auch die Rechnung." Diese, etwas scharf
betonte Aeußerung des Kellners, schnellte den
Berliner wieder vom Sopha empor. Mit
einem Satz stand er auf den Beinen und vor
dem immer Heller sehenden Kellner.
Beide Hände in den Taschen, dm Ober
körper nach vorne gebeugt, mit weit geöffne
ten Augen, fragte er, mehr schreiend, als
sprechend: „Bezahlt hat er ooch nich?"
„Nur seinen Part," erwiderte der Kellner,
der nun mit der Situation vollständig im
Klaren war. „Aber, da cs zu gleichen
Theilen geht," fuhr er, wie tröstend, fort,
„ist der Betrag für jeden Einzelnen am Ende
doch nur unbedeutend. Bitte also ergebenst."
Dabei legte er die flache Hand auf die Rech
nung und schob sie dem noch in derselben
Position verharrenden Berliner etwas näher.
Nun brach der Sturm bei den so schänd
lich Betrogenen, so boshaft Gefoppten jählings
Blut des „Märtyrers" getränkte H .''hşe
des Sarges wieder als Reliquie ans.
nicht ausgeführt wird, zeigt sick
aber von großer Nachsick • 'ìSir.i' 1
kommen in Equipagen -1..r,reu
und legen „Dvrnenkr iHf-V* nt der
Inschrift nieder: „ D e i n i *Ì b Tz r Erde,
Deine Seele dem Himmel, Dein Ge
denken mir!" Die „Libertaires" haben
einen Stein mit dem klassischen Spruch ge
setzt: „Omnia vinvit labor improdns!"
Wieder Andere drücken sich deutlicher ans:
„Wir werden Dich rächen!" Am gestrigen
Sonntag wallfahrteten Hunderte und aber
ìì.Ķàcr war mit einem Sprunge an
der Thür und hatte den Drücker erfaßt, um
nn äußersten Falle entschlüpfen zu können,
des Sprichwortes eingedenk: „Der Unschul
dige muß oft mit dem Schuldigen leiden "
Nur der Berliner hatte bald seine volle
Ruhe wiedergewonnen.
„Ruhig, Kinder!" rief er, von Einem zum
Andern eilend, „blamirt Euch doch »ich noch
doller, wie Ihr schon seid! Wat hilft dat
Schreien." Und energisch, aber mit unter
drückter Stimme, fuhr er fort: „Zeigen wir
doch nich dem dämligen Kellner, den der
Schreck über euer'n Mordspectakel wie'n
Schattenbild an die Wand geworfen hat, dct
wir uns über so'n erbärmlichen Lumpen, wie
dieser verdammte Pollak, dieser Krajewski is,
einen Ogenblick ärgern. Wir sind doch im
mer noch Männer, die »ff so'n Zauber
pusten können."
Diese drastische Rede hatte ihre gute
Wirkung. Ein paar unterdrückte Flüche,
einige geballte Fünfte in die Taschen und —
es wurde ruhig.
„Sie werden ihr Geld bekommen," wandte
sich der Berliner nun an den Kellner, welcher
immer noch den Drücker krampfhaft in der
Hand und mit den: Rücken fest an die Thür
gelehnt, einem Schattenbilde nicht unähnlich
sah. „Zehen Sie nur, wir werden erst
Kasse machen und dann die Angelegenheit
mit Ihnen in Richtigkeit bringen."
„Danke ergebenst! Und wie ich mir schon
zu bemerken erlaubte, es trifft auf den Ein
zelnen nur" — — „Schon gut! Schon gut!
Zehen Sie nur!" unterbrach der Berliner
mit erhobener Stimme den nun froh und
frei gewordenen Kellner, indem er ihm einen
Schritt näher trat. Dieser hatte blitzschnell
die Thür hinter sich.
„Wißt Zhr ooch, Kinder, wie man dat
nennt?" fragte der Berliner seine Kameraden,
als sic unter sich waren, „eenen Reinfall mit
Ucberfracht," gab er selbst mit Humor zur
Antwort.
Dieser rafsinirte Schwindler!" rief cm
Anderer, und indem er drohend die Hand er
hob, fuhr er fort: „Gnade ihm Gott, wenn
er mir 'mal unter die Hände kommt!"
„Da sei sicher vor," erwiderte der Ber
liner, „der ist für immer verduftet."
„Sage das nicht," widerstritt ein Dritter;
BergundThalkommennichtzusammcn, aber —
„Aber hier kommen wir Alle zusammen,"
siel ihm der Berliner in's Wort, indem er
die bezeichnende Bewegung mit Daumen und
Zeigefinger machte, „hier muß vor allen
Dingen berappt werden." Dabei schlug er
mit der Hand auf die Rechnung, die bis jetzt
noch unbeobachtet auf dem Tische lag.
Diese Nothwendigkeit sah man ein und es
wurde berechnet wie viel auf den Theil zu
zahlen war.
„Ick habe keen Zeld mehr," sagte der
Berliner kleinlaut, „mir muß Werner punipcn.
Nicht wahr, Werner, Du läßt mir nicht in
die Tinte sitzen," fuhr er fort, indem er mit
den Angen suchend im Zimmer umher blickte.
Jetzt erst wurde Werner's Abwesenheit be
merkt, so sehr war Jeder mit sich selbst be
schäftigt gewesen.
„Ick sagte ja, Werner is der Vernünftigst
von uns Allen. Ick wette, der is mit'n
blauen Auge davon gekommen, der hat zur
rechten Zeit abgeschnappt. Aber egal! Et
wird sick wohl eene andere mitleidige Seele
finden, die mir unter die Arme greift."
lind so war es auch. Die gänzlich Ab
gebrannten borgten sich von denen, die
wenigstens noch etwas gerettet hatten, und so
kam der Betrag der Rechnung zusammen.
Za, der noble Berliner hatte sogar noch ein
Trinkgeld für den Kellner zusamniengebracht.
Dieser wurde hereingerufen und bezahlt. Nach
dem er dankend das Geld eingestrichen hatte,
fragte er schüchtern, indem er auf die Flaschen
deutete: „Und das Selterwasser?"
„Nehmen Sie nur gefälligst wieder mit,"
bedeutete ihn der Berliner. „Wasser kann
ich nich 'mal im Stiefel vertragen, viel
weniger im Magen." Mit diesem vulgären
Scherz war der Kellner entlassen.
Dieser packte schweigend auf und ging hin
aus, froh, daß sich dieses, anscheinend etwas
verfängliche Geschäft so schnell und glücklich
abgewickelt hatte.
„Na, nun können wir wohl nach Hause
jehen," sagte der Berliner mit Humor und
nahm seinen Hut. Die Andern hielt auch
nichts mehr zurück und sie folgten seinem
Beispiel.
Bevor sic das Lokal verließen, wandte sich
der wortführende Berliner noch einmal an
seine Freunde und sagte: „Kinder, bet wir
Alle heute Abend gründlich geleimt sind, steht
fest und Jeder wird sich dieses „gemüthliche
Abschiedsfcst" hinter die Ohren schreiben, ick
ooch, aber nich wegen der paar Dahler, die
ick verloren habe, da mache ick mir den
Deibel drauß. Aber, bet mir, mein richtigen
Berliner, so'n lumpiger Schwindelfritze, so'n
schäbiger Bauernfänger hat rinnfallcn lassen,
dct ärgert mir dermaßen, det ick mir die
Haare ccnzcln aus'n Kopp reißen könnte'
So, det wollte ick Euch blos noch sagen.
Und nu, gute Nacht!" Acrgerlich stülpte er
seinen Hut auf, und fort war er.
, ^?ìc klebrigen gingen auch. Zn rosen
farbiger Laune war keiner von ihnen. Doch
hatte dieser Abend Allen eine heilsame Lehre
gegeben, nur für Werner wurde er die Quelle
seines Elends, seines Unterganges.
Als Werner die Gesellschaft verlassen hatte,
war er anfangs wie träumend durch die
Straßen gegangen, doch nach und nach brachte
ihn die kühle Abendlnft zur vollen Besinnung
und der Verlust seines ganzen Wochenlohns
siel ihm jetzt schwer auf's Herz.
Daß seine Frau glauben würde, er habe
so lange in der Fabrik gearbeitet, konnte er
annebmen, denn es war noch nicht spät ge-