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Mo. 3.
Donnerstag, öen 4. Januar
1894.
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Morgen-Depeschen.
__ Berlin, 3. Jan. Von unterrichteter
Seite theilt man uns mit, daß die Vor
gänge in Kamerun zu verhindern gewesen
wären, wenn das dort stationirte Kriegs
schiff „Hyäne" Kamerun nicht verlassen
hätte. Ein Theil der meuterischen Daho-
meyleute war s. Zt. durch Herrn v. Graven-
reuth aus der Gefangenschaft befreit und
ausgelöst worden. Diese sollten nun die
Freikanfssumme in Kamerun abverdienen.
Während nun den anderen ihr Sold regel
mäßig ausbezahlt wurde, hielt man den
Freigekauften den Sold zurück. Ueber
diese Handlungsweise geriethen die Neger
in Unwillen und verlangten die Auszahlung
ihres Lohnes. Die Gährung kam zum
Ausbruch, als sich die „Hyäne" von Ka
merun entfernt hatte; der Gerichtsassessor
Riebow fiel den Schwarzen als erstes
Opfer in die Hände. Es wird beabsichtigt,
Herrn Lieutnant Morgan oder Herrn von
Stetten an Stelle des jetzigen Gouverneurs
nach Kamerun zu senden.
Berlin, 3. Jan. Wie wir hören, wird
Professor Eulenburg-Berlin an Stelle des
verstorbenen Sanitätsraths Guttmann die
Leitung der „Medizinischen Wochenschrift"
übernehmen.
Ratibor, 3. Jan. Die hiesige Kauf
mannschaft beschloß, für den russischen
Handelsvertrag und gegen die Stempel-
quittungssteuer einzutreten.
Sagan, 3. Jan. Die schwarzen Pocken
greifen immer weiter um sich. Neuerdings
sind in Zessendorf einige Todesfälle an
schwarzen Pocken vorgekommen.
Neustadt, Oberschlesien, 3. Jan. Die
Genickstarre tritt im hiesigen Kreise epi-
demisch auf.
München, 3. Jan. In die Klinik wurde
heute ein junger Grieche eingeliefert, der
am Sylvesterabend aus Uebermuth zwölf
Zwanzigmarkstücke verschluckt hatte.
Der Zustand des jungen Mannes ist nicht
unbedenklich.
Paris, 3. Jan. Das Geschworenen
gericht zur Aburtheilung Vaillants ist zu
sammengesetzt aus 22 Händlern, 5 Schlach
tern, 20 Handelsleuten, 5 Großbesitzern
und Rentnern, 3 Ingenieuren, 2 Archi
tekten, einer früheren Magistratsperson,
einem Bankier, einem Notar, einem Che
miker, einem Bureauchef, einem Bauunter
nehmer, einem Laudwirth, einem Munizi
palrath, einem Professor und einem Arzt.
Der Bankier ist der Baron James Roth
schild.
Madrid, 3. Jan. Der in Saragossa
verhaftete Anarchist Salvador Franch
hat eingestanden, daß er allein der Ur
heber des im Teatro Liceo aus
geführten Attentats war. Der Zu
stand Salvador's, der sich eine Kugel in
den Unterleib geschossen hat, ist sehr be
denklich.
Madrid, 3. Jan. Durch Haussuchungen
bei Anarchisten wurden Korrespondenzen
entdeckt, welche ergeben, daß in Saragossa,
Valladolid, Xercs, Barcelona, San Seba
stian und Toledo anarchistische Geheimver
bände bestehen, welche ihre Parole von
Madrid aus erlangen.
Budapest, 3. Jan. In einem Vororte
von Temesvar wurde das Haus eines
Werkmeisters mit Dynamit in die Lust ge
sprengt. Die Familie war zur Zeit der
Explosion vom Hause abwesend. Das Ge
bäude ist vollständig zerstört.
Rom, 3. Jan. Aus Anlaß der jüngsten
Vorgänge in Palermo ist es zweifelhaft
geworden, ob Crispi seinen Plan, nach
Sizilien zu reisen, ausführt. Die „Trt
buna" sagt, die letzten Unruhen hätten bei
der Bevölkerung großen Schrecken hervor
gerufen, und sie warne die Regierung vor
einer Schwäche gegenüber den Tumultanten.
(Siehe unter Italien. Red.)
Turin, 3. Jan. Neun hiesige Touristen
beabsichtigten, am Neujahrstage die über
4600 Mtr. hohe Spitze „Punta di Grippi"
des Monte-Rosa zu besteigen. Die Führung
hatte Lieutnant Giani übernommen. Nach
längerem Marsche brach ein furchtbarer
Schneesturm über die Touristen herein;
vier derselben konnten noch glücklich die
Margherita-Schutzhütte erreichen. Bei der
bald entsendeten Hülfe fand man Lieutnant
Giani erfroren als Leiche vor, weitere vier
Touristen waren halb erfroren. Die Ver
unglückten dürften kauni am Leben zu er
halten sein.
Fmknilh n ftr MnAà
Scheinbar stark und zufrieden, gefürchtet
und beneidet ist die französische Re
publik in das neue Jahr eingetreten.
Aber unter der glänzenden Oberfläche ber
gen sich bedenkliche Schattenseiten. Die
Huldigungen für den russischen Despotis
mus und das Wiederaufkommen des Na
poleon-Kultus zeigen, daß das Gefühl
republikanischer Freiheit und Würde keine
Fortschritte macht; der bedeutende Rückgang
der Handelsbewegung als Folge der Me-
line'schen Schutzzollpolitik und das Vor
handensein eines schwebenden Defizits von
mehreren hundert Millionen bei einer
Staatsschuld von 32 Milliarden und
einem Jahresbudget von 3'/ 2 Milliarden
beweisen, daß die Republik auch in ma
teriellcr Beziehung nicht im Fortschreiten
begriffen ist. Dazu kommt der Anarchismus
Man hat ihn anfänglich als etwas 3«
fälliges, Oberflächliches betrachtet; allinäh
lich aber hat es sich herausgestellt, daß er
in der französischen Gesellschaft tiefe Wur
zeln und eine unheimliche Verbreitung hat.
Freilich nicht blos in der französischen
Gesellschaft. Es ist eine eigenthümliche
Erscheinung, daß der Anarchismus seine
meisten Anhänger in romanischen Ländern
Ejat: in Italien, in Spanien und in Frank-
reich. In diesen Ländern hat man eben
den geringsten Einblick in die Gesetze der
Natur und der Gesellschaft, die geringste
Achtung von der anhaltenden Arbeit im
Dienste des Gemeinwohls, dafür aber um
so mehr Vertrauen in die Macht einzelner
Personen und in die Wirkung recht aus
fälliger Thaten. Das gilt namentlich für
Frankreich mit seinen revolutionären Tra
ditionen. Aber während es sich früher um
wirkliche Thaten handelte, arbeiten die
modernen Revolutionäre mit verbrecherisch-
verrückten Streichen, blos um Schrecken zu
verbreiten, der dann das fruchtbare Feld
abgeben soll, aus dem eine bessere und
gerechtere Gesellschaft emporzuwachsen hat.
An den Gründen, eine solche bessere und
gerechtere Gesellschaft zu wünschen, fehlt
es auch nicht; aus ihr schöpft dann der
Anarchismus eine Art idealer Rechtferti
gung. Die dritte Republik hat es leider
versäumt, diese Quelle des Anarchismus
zu verstopfen. In den Pariser Blättern
kann man gegenwärtig jeden Tag lesen,
daß Leute verhaftet werden, die auf den
Straßen die Anarchie hochleben ließen oder
mit Steinwürfen Attentate aus die Schau
fenster verübten. Hintennach stellte es sich
heraus, daß es Arme, Elende und Arbeits
lose sind, die auf diesem Wege sich die
Wohlthat der Wärme, der Nahrung und
des Bettes einer Gefängnißzelle verschaffen
wollten. Die Vorgänge sind typisch für
den Anarchismus und seine Quellen. Der
Senator Rane hat dieser Tage der gegen
wärtigen Generation den Vorwurf gemacht,
daß sie den Staatsstreich vergessen habe
und sich wieder nach einem Tyrannen
sehne. Im „Radical" antwortet ihm sein
alter Freund Tony Revillon, es möge etwas
Wahres daran sein, aber Ranc habe diel schützt glauben, und von Seiten der Armen
Hauptursache der heutigen Bewegung über-
sehen. „Es giebt zwei Tyranneien", fuhr
dann Revillon fort, „die furchtbarer sind
wie die Tyrannei der Bonaparte: die
Untvissenheit und dieArmuth
Die Republik hat ihr Möglichstes gegen
die Unwissenheit gethan, was hat sie gegen
die Armuth gethan? Hundert Jahre nach
der Revolution besitzen 350 000 Familien, zu
sammen weniger als 2 Millionen Individuen,
die Hälfte Frankreichs, welches eine Bevöl
kerung von 36 Millionen aufweist. Für diese
Aristokratie des großen Grundbesitzes und
des Reichthums sind alle unsere Gesetze
geschaffen, von den Erbschaftsgesetzen an
bis zu denen, ivelche die Verzehrssteuern
vertheilen. Für diese Aristokratie hat man
die Zolltarife erhöht und schickt man Sol
daten auf die Schauplätze der Arbeitsaus
stände. Diese Aristokratie liefert die Magi
stratur, welche zu Gerichte sitzt, und die
Generale, welche die Armeekorps befehligen.
Ihr Einfluß, der stärker ist als das allge
meine Stimmrecht, herrscht fast unbeschränkt.
Wie soll angesichts einer solchen ungleichen
Vertheilung des Reichthums und der
Macht die Masse der Enterbten und der
Besoldeten nicht die Masse der Unzu
friedenen werden? Unter diesen Unzufrie
denen hat der Cäsarismns immer seine
ersten Rekruten geworben. Er verspricht
den Unglücklichen, welche immer geneigt
sind, zu glauben, was sie hoffen, Wohl
stand und Gerechtigkeit, weil man in dem
Wahne lebt, alle Welt glücklich, d. h. in
niodernem Sinne reich machen zu können.
Die unermeßliche Sehnsucht nach
Reichthum ist d ie Mutte r des Anar
chismus. Aber es giebt keine Welt, die
nur Reiche trägt. Die Sucht darnach ist
ein Phantom, welches nie Gestaltungskraft
gewinnt. Als einst Moses mit den Ge
setzestafeln des alten Bundes Israel vom
Berge Herabstieg, fand er das Volk tanzend
um das goldene Kalb und dem Gotte
Moloch alle Habe opfernd. Sv auch heute
bei der Christenheit, dem geistigen Israel.
Der Tanz um das goldene Kalb hat schon
lange begonnen und dem Moloch des
Militarismus opfert das Volk seine Habe.
Es ist Thatsache, sagte die „Frkf. Ztg.",
daß gegenwärtig auf zwei Seiten stark
daran gearbeitet wird, die französische
Republik zu untergraben: von Seiten der
Reichen, die unter einem starken Cäsar
sich und ihre Klasseninteressenten besser
gegen Sozialismus und Anarchismus ge-
und Elenden, denen die Republik ihre Ver
sprechungen nicht gehalten hat. Unter
diesen Umständen spielt der Anarchismus
eine zweideutige und zweischneidige Rolle.
Es mag ja Leute geben, die hoffen, durch
ihn die Republik zu Werken des Friedens
und der Gerechtigkeit zwingen zu können,
aber der wirkliche Erfolg wird der sein,
daß dem Cäsarismus in die Hände ge
arbeitet wird. Wenn der sozialreforma-
torische Geist nicht im Volke steckt, kann
ihn auch die Republik nicht haben und
kann er noch viel weniger durch anarchistische
Attentate erzwungen werden. Aber eben
sowenig können Haussuchungen, Verhaf
tungen und Verurtheilungen, auch wenn
sie in die Tausende gehen, etwas nützen.
Man hat - es mit Strömungen zu thun,
die ihre Macht aus realen Zuständen her
leiten, die man also mit der Polizei nicht
wirksam bekämpfen und nicht ändern kann.
Aus der Neujahrsansprache des Präsidenten
Carnot, die so eindringlich den Völker
frieden und die Volkerwohlfahrt predigt,
darf man wohl eine ernste Mahnung an
die Franzosen herauslesen. Die Franzosen
hätten alle Ursache, sie zu beherzigen;
sonst könnte das neue Jahr für sie an
Ueberraschungen noch reicher werden als
das alte war.
In gewissem Sinne hat das ungeschriebene
Bündniß zwischen Rußland und Frankreich
die Wirkung, daß revanchelustige Elemente
in Frankreich durch die Rücksicht auf den
russischen Freund mehr noch als durch die
Furcht vor der Schärfe der deutschen
Waffen gezügelt werden.
Daß Frankreich bei dieser Sachlage der
Versuchung, einen neuen Krieg mit Deutsch
land vom Zaune zu brechen, nicht so leicht
erliegen wird, ist für uns erfreulich.
Bedenklich könnte die deutsch-französische
Frage nur iverden, wenn Rußland Anlaß
erhalten sollte, wieder einmal aktive Orient
politik zu treiben. Aber wie die Verhält
nisse in der Türkei und vor allem auf der
Balkanhalbinsel sind, ist eine solche Even
tualität zur Zeit nicht in Sicht.
ZkiàMimk» m Màà
„Nordd. Allg. Ztg.": „Und wie in
der Richtung der Verstärkung unserer
Wehrkraft wurde auch noch in mancher
anderen im Reiche wie in den Einzelstaatcn
so viel gemeinsame Reformarbeit aller be
rufenen Faktoren gefördert, daß auch dieser-
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Roman von B. von der Lancken.
Nun kam für die Hklldringer wieder eine
stille Zeit. — Magelonc korrespoudirte wie
in früherer Zeit mit Rolf, ja fast noch eifriger,
sie schien in jedem Briefe irgend etwas Be
sonderes zu erwarten und wußte doch nicht
recht, was. Ob Rolf nie mehr mit seinem
Freund Gaston zusammen war? Früher
hatte er seinen Namen öfter erwähnt, weshalb
jetzt wohl nicht mehr? Im nächsten Briefe
wollte sie danach fragen. Diese Frage blieb
ihr erspart. Rolf's nächstes Schreiben ent
hielt nämlich folgenden Passus:
„Gestern nach langer Zeit war ich mal
wieder bei Gaston Preuß. Er hat eine ele
gante Garyouwohuung bezogen und ist der
Löwe des Tages."
Mag klone frfjütteltc den Kopf; der letzte
Ausdruck war ihr nicht ganz verständlich.
Sie beschloß, den Onkel danach zu fragen.
Karl Friedrich von Belten antwortete ihr da
rauf mit gutmüthigem Spott:
„Löwen des Tages nennt man gewöhnlich
solche Leute, die sich's viel Geld und Zeit
kosten lassen, damit überall von ihnen ge
sprochen wird."
Im Grunde war das junge Mädchen durch
diese Definition noch nicht ganz befriedigt
und sie schrieb an Rolf:
„Erzähle mir doch gelegentlich mal mehr,
wie es Herrn von Preuß geht und ob er
noch immer seine Löwenrolle spielt. Onkel
sagt, daß dazu viel Geld gehöre, und Du
hast mir doch mal erzählt, Herr von Preuß
hat kcins, so bin ich sehr neugierig, wie er
das anfängt und ob er damit zu Stande
kommt."
Das Weihnachtsfest war herangekommen
und Rolf von Velten wollte es in der
Heimath verleben. In einem vollbesetzten
überheizten Koupec dampfte er am Morgen
des zweiundzwanzigsten Dezembers von Berlin
ab. Eine innere Unruhe, wie er sie nie zu
vor bei der Rückkehrt nach Helldringen
empfunden, bemächtigte sich seiner, eine
Wiedersehens-Freudigkeit überkam ihn, die
ihn selbst überraschte, und je mehr er sich
dem Ziel seiner Reise näherte, desto öfter
fragte er den Schaffner, wie lange sie noch
bis Lamberg zu fahren hätten, obgleich er es
selbst ganz genau wußte.
Endlich fuhr der Zug in den kleinen Bahn
hof ein, auf dem sich der nahen Festtage
wegen ein ganz ungewöhnlich reges Leben
entwickelte. Abreisende und Ankommende
mischten sich durcheinander, Händedrücke, Um
armungen, Küsse wurden getauscht, und laut
dazwischen der einförmige Ruf der Postboten,
welche, die hoch mit Palleten beladenen zwei
rädrigen Karren langsam vorwärts schiebend
ihr: „Vorsicht" — „Vorsicht" — „Platz da"
den ihnen hinderlichen Meuschengruppen ent-
gcgenriefen.
Rolf's scharfe Angen hatten bald genug
eine zierliche Mädchengestalt unter der Menge
herausgefunden. Mit raschem Griff öffnete
er jclbst die Koupecthür, sprang heraus und
eilte auf sie zu.
„Lona, meine kleine Lona!"
»Rolf, guten Tag, Rölfchen!"
Wie sie ihn anlachte mit dem reizenden
Mund und den strahlenden Augen; er zog
ihren Arm durch den seinen und denselben
im Weitergehen fest an sich drückend, beugte
er sich zu ihr nieder und fragte halblaut:
„Nun, Kleinstes, wie geht's und wie sieht's
überhaupt in Helldringen aus?"
„O gut, sehr gut. Ich bin mit dem
Schlitten hergekommen."
„Famos, das soll eine herrliche Fahrt
werden."
Von dem Gepäckträger gefolgt, der den
eleganten Handkoffer und die Reiscdccke trug,
durchschritten sie die Halle des Bahnhofsge
bäudes, an dessen andere Seite das Hclldringcr
Fuhrwerk hielt, ein bequemer, nicht zu großer,
mit zwei prächtigen Braunen bespannter
Strohschütten, wie man sie im nördlichen
Deutschland meist auf dem Lande findet; der
alte bärtige Kutscher mit der Pelzmütze und
breitem Pelzkragen stand, die Leine haltend,
daneben.
„Ganden Dag ok, Korl, na wo geiht
Dic't denn?" fragte Rolf freundlich.
„Schönen Dank, jung Herr, ganz gaud.
Ik fall mi woll hinnen hen fetten, denn de
Herr will doch giern sülwst führen."
„Verstecht sik."
Rolf hob Magelone in den Schlitten.
Als er dann selbst neben ihr Platz genom
men und sie mit ritterlicher Sorgfalt warm
in die Decken eingehüllt hatte, ergriff er
Peitsche und Zügel, und unter fröhlichem
Schellengeläute fuhren sie durch's Städtchen
zum Thore hinaus in die schneebedeckte Winter
landschaft hinein. — Der Himmel war grau
und trübe.
Dat wat sniegen Warden, jung Herr",
meinte Karl, als ihm die ersten kleinen
Flocken auf die Nase fielen.
Diese Prophezeiung bewahrheitete sich.
Leise und dicht huschte es in weichem, weißen
Gewirr über das Gefährt und seine Insassen,
über die Landstraße und Felder herab, die
sich öde und menschenleer vor ihnen ausdehn
ten. Nichts Lebendes weit nnd breit; nur
ein paar Krähen hockten auf den Bäumen
an der Chaussee oder auf einem Stein, der
hier und da aus dem Schnee hervorragte,
und strichen beim Nahen des Schlittens mit
schwerfälligem Flügelschlag dem nahen Kicfern-
walde zu. Aber so wenig heiter das Bild
auch war, das sich ihnen bot, die Beiden im
Schlitten merkten nichts davon. Rolf meinte,
die Flocken seien nie in so lustigem Wirbel
um ihn herumgetanzt wie heute, und Mage
lone nie so reizend gewesen wie jetzt in dem
dunklen Pelzmützchcn, das von Schnee
glitzerte und unter dem sich die goldblonden
Löckchen so muthwillig hervordrängten; er
konnte nicht anders, er mußte ihr irgend et
was Liebes sagen oder anthun.
„Frierst Du auch nicht, Kleinstes?" fragte
er fast zärtlich, liebevoll.
„Nein, Rolf, danke; o, wie besorgt Du
heute um mich bist."
Ein Moment war's, als ob ein flüchtiges
Roth über sein männlich schönes Gesicht
huschte.
„War ich denn nicht immer so, Lona?"
„Nicht ganz; aber freilich, in Berlin, im
Umgang mit den Damen der eleganten Welt,
lernt man ebenfalls galant sein." Er lachte.
„Glaubst Du, daß es daher kommt,
Magelonc — wirklich?" und er sah sie
plötzlich mit einem ernsten fragenden Aus
druck au, der sie momentan verwirrte. Bald
aber plauderte sie wieder in ihrer lustigen
übermüthigen Art und er hörte ihr zu.
Wie wohlthuend ihn ihre weiche Stimme
berührte, wie gern er ihr lauschte.
„Mein Lieber, nun rede Du endlich auch
mal ein Wort", rief endlich Lona und zupfte
ihn an der Spitze seines blonden Bartes,
und dann lachten und scherzten sie zusammen,
wie zwei Kinder, und der Schnee hüllte sie
in einen weißen prächtigen Mantel und die
Glocken des Schlittens tönten über die stille
Welt.
Kling — kling, kling, kling . . .
Es ist eine alte feststehende Thatsache, daß
ini Leben alles einmal ein jEnde nehmen
muß, mit unserem Wunsch oder gegen den
selben; das hatte Rolf bei der Reise von
Berlin zu seiner Freude erfahren, und das
erfuhr er jetzt abermals, nicht zu seiner
Freude. Diese Schlittenfahrt hätte seinet
wegen noch Stunden dauern können. Aber
Helldringcn kam endlich doch in Sicht, wenn
er auch die Braunen etwas langsamer gehen
ließ, sie bogen schließlich doch in den Hof
ein und hielten vor dem Herrenhause. Er
stieg aus, schüttelte sich den Schnee ab, faßte
Lona um die schlanke Taille und setzte sic
behutsam auf der obersten Treppenstufe
nieder.
„So, da wären wir. Guten Tag, mein
lieber Vater."
„Mein alt' guter Junge."
Vater und Sohn hielten sich umschlungen,
und cs wollte Rolf scheinen, als sei Ersterer
seltsam bewegt. Im Wohnzimmer streckte
Frau von Velten dem heimkehrenden Sohne
beide Arme entgegen, sich halb vom Sopha
aufrichtend.
„Mein lieber Rolf, wie ich mich nach
Dir gesehnt habe. Aber was für Kälte Du
mit hereinbringst. Verzeih, laß', bitte, meine
Hand los, ich leide heute wieder sehr. O,
Lona, tritt nicht mehr so laut auf."
Rolf kannte diese Art und Weise seiner
Mutter, er fühlte sich durch dieselbe weder
verletzt, noch wunderte er sich weiter.