die Entdeckung der verschwundenen Post.
In einer menschenleeren Gegend stieß man
auf einen zusammengewehten Schneehügel,
der seiner Form nach verdächtig erschien.
Man schaufelte darauf los und fand auch
die Post mit dem auf dem Bock des
Gefährtes zufammengekauerten Postknecht.
Es ergab sich, daß der Postillon von einem
heftigen Schneesturm ereilt, den Weg in
der Dunkelheit verloren hatte und endlich
willenlos und durch Kälte und Müdigkeit
benommen, auf seinem Bock eingeschlummert
war. So wurde das ganze Gefährt und
er selbst nach und nach vom Schnee verweht,
und unter dem hoch aufgethürmten Schnee-
Hügel verbrachten Mensch und Pferde drei
Tage. Der Postillon lebt noch, doch sind
ihm Gesicht, Hände und Füße arg erfroren,
sodaß sein Leben in Gefahr schwebt.
Eine besondere „Eisbahn" ist nach
einer Meldung des „Hamb. Corr." aus
Saratow auf der Wolga hergestellt worden:
Ueber das Eis der Wolga ist ein
Schienengeleise gelegt, von Saratow
bis Pokrowskaja-Vorstadt, dem Ausgangs
punkt der im Bau befindlichen Pokrows-
kaja-Ural'Eisenbahn. Der Versuch des Be
fahrens der Eifenbahnstrecke auf dem Eise
soll gelungen sein und hoffen lassen, daß
auch für künftige Winter eine ununter
brochene Verbindung nach den Gebieten
jenseits der Wolga über das Eis herge-
stellt werde.
England.
London, 8. Fcbr. Der sogen. Ordner
der Arbeitslosen, die sich alltäglich auf dem
Tower-Hügel versammeln, der Sozialist
Willianis, ist seit dem Zusammenstoß mit
der Polizei am letzten Sonnabend noch wü
thender geworden und setzt seine Brandreden
in Gegenwart der ihn beobachtenden Schutz
leute ungestört fort. Am Montag erklärte
er, das nächste Mal würden die Arbeits
losen nach dem Trafalgar Square trotz des
Verbotes der Polizei durch Fleetstreet und
den Strand gehen. Brauche die Polizei
Knüppel, so würden die Arbeitslosen Che
mikalien benutzen. Und sie wären ent
schlossen, es zu thun und die Polizei mit
der chemischen Packetpost in den Himmel zu
senden. Riesiger Beifall belohnte diesen
catilinarischen Satz. Die „Times" fragen:
„Will der Minister des Innern Asquith
noch immer seine meisterhafte Unthätigkeit
fortsetzen? Worauf wartet der Mann denn
eigentlich? Ist es erst nöthig, daß einige
Läden im Strand geplündert und einige
friedliche Bürger verstümmelt !und getödtet
werden, bis er einsieht, daß sein Vorgänger
weiser war, wenn er keine Kundgebungen
auf dem Trafalgar Square erlaubte? Die
nende Frau Berry ihren 19jährigen
Sohn William erschlagen. Der
junge Mann war von der Arbeit zurück-
gekehrt und hatte einige Lebensmittel mit-
gebracht, die er seiner Mutter gab. Die
Letztere, wahrscheinlich stark betrunken, warf
ihm dieselben vor die Füße, weshalb der
Sohn ihr Vorwürfe machte. Die Mutter
gerieth darüber in Wuth, ergriff eine
eiserne Schaufel und schlug William über
den Kopf. Der junge Mann fiel bewußt
los auf ein Bett. Die Mutter nahm keine
weitere Notiz davon. Am Sonntag aber
kam die Geliebte Williams, um den Letz
teren zu besuchen. Da sie keine Antwort
erhielt, als sie an das Zimmer klopfte,
trat sie ein und fand ihren Verlobten mit
dem Tode ringend. Wenige Stunden nach-
her verschied er, ohne das Bewußtsein
wieder erlangt zu haben. Am Sonntag
Abend wurde die Mutter verhaftet.
London, 6. Februar. In Birkenhead
feuerte gestern ein Bruder auf seine
Schwester, gerade als sie zu ihrer
Trauung die Kirche betreten wollte. Der
Schuß verfehlte glücklicherweise sein Ziel,
worauf der Bruder den Revolver gegen
sich richtete und sich gefährlich in der Brust
verletzte. Und was war die Ursache?
Weil sich die Schwester geweigert hatte,
bei dem Wagenvermiether, bei welchem ihr
Bruder angestellt war, die Hochzeitskutsche
zu bestellen.
Inland.
Berlin, 8. Febr. Wie die „Börsen-Ztg.
hört, ist dem Besuche des Kaisers in
Friedrichs ruh in den ersten Tagen der
nächsten Woche bestimmt entgegenzusehen.
Fürst Bismarck befindet sich im besten
Wohlsein.
Berlin, 8. Febr. Die „Krzztg." _ hat
fälschlich berichtet, daß der Kaiser auf die
Ansprache des Herrn v. Levetzow nichts
erwidert hat. Die Erwiderung des Kaisers
auf diese Ansprache lautete wörtlich wie
folgt:
„Ich bin weit davon entfernt, aus die
Ueberzeugung eines Einzelnen einwirken
zu wollen; aber Sie müssen doch klar
darüber werden, wie der Kaiser von
Rußland diese Dinge auffaßt. Er würde
es garnicht verstehen können, wie Leute,
welche bei Hofe ein- und aus
gehen, welche meine Uniform
tragen, in einer Sache gegen mich
stimmen, welche von so weittragender
Bedeutung ist."
Ueber die Rede des Präsidenten
v. Levetzow bei dem parlamenta
hit vem Jtruuayiu «iļuuu; tu»u»iu , ~ f f ._
Reben des Sozialisten Williams sind un- rischen Dinerrndem:Rerchskanzlerpalar
frhsimmf+ptt wird der ..Köln. Volksztg. aus Berlin
mittelbar Anreizung zu den schlimmsten
Verbrechen. Der bloße Umstand, daß er
vollständig ungestraft solche Aeußerungen
fallen lassen kann, wird früher oder später
beklagenswerthe Folgen haben, welche ^ die
Behörden zu verhindern trachten sollten."—
In einer am Dienstag in Tower-Hill unter
Leitung des sozialdemokratischen Verbandes
veranstalteten Versammlung der Arbeits
losen erneuerte John Williams die Dro
hungen und kündigte die Absicht an, sich
an die Spitze einer Kundgebung zu setzen
und über Fleetstreet und den Strand nach
Trafalgar Square zu marschiren. Falls
sich die Polizei mit Gewalt dem widersetzen
sollte, würde man gegen sie Sprengstoffe in
Anwendung bringen.
London, 6. Febr. In der Nacht vom
Sonnabend auf den Sonntag hat eine in
Springegardens zu Wandsworth-road woh-
oerstorbenen Prinzen, das nun in Rolf's
Zimmer neben dem Schreibtisch seinen Platz
fand.
„Möchtest Du sie nicht begleiten, Kmd?
fragte Rolf seine Frau, als sie der Reisen
den gedachten, „Du hast noch so wenig von
der Welt gesehen."
„Nein, Rolf," antwortete sie ehrlich, „ich
möchte erst so recht unseres stillen Glückes
froh werden."
Er drückte sanft ihren Arm und sie gmgen
langsam in's Haus zurück; im Vorüberschrei
ten brach die junge Frau einige Zweige
blühenden Flieders.
„Für Prinz Sascha's Bild," sagte sie.
Mit geschickten Händen befestigte sie dann
die schweren duftenden Blüthendolden an dem
vergoldeten Barockrahmen, während Rolf am
Fenster lehnend ihr zusah Plötzlich Ri ihrer
Beschäftigung innehaltend brach sie in Thränen
aus und warf sich an seine Brust, er legte
zärtlich die Arme um sie.
„Magelone — Kleinstes, warum weinst
Tu so?"
„Ach, Rolf, ich muß wieder daran denken,
wie alles hätte kommen können und wie
gnädig, über Verdienst gnädig der liebe Gott
es mit mir gemacht hat. Du lebst, mein
Rolf, Du lebst und ich darf an Deiner
Seite leben, ich, die — —"
„Pst! still, Kleinstes, und keine Thränen
mehr; bedenke doch, morgen kommen die
guten Tanten zum Pfingstbesuch; wenn Dn
aber heute so weinst, hast Du am Ende
morgen rothe Aeugelein, und die alten -van-
ten denken, ich bin der grausamste Haus
tyrann, den die Erde trägt. Wir wollen
dem lieben Gott danken; aber wir wollen
es mit hellen Augen und einem fröhlichen
Herzen thun."
Ende.
wird der „Köln. Volksztg." aus Berlin
berichtet: Herr v. Levetzow, welcher dem
Kaiser ungefähr gegenüber saß, schlug einen
ungleich entschiedeneren Ton -als Herr
v. Komierowski an, um seine Bedenken
gegen den Vertrag zum Ausdruck zu brin
gen, sodaß seine Stimme, trotz den
Klängen der Musik, welche ununter
brochen spielte, auch in den Neben
räumen gehört wurde. Man eilte in
möglichst unauffälliger Weise herbei, um
etwas zu erlauschen und überhaupt Zeuge
des Vorganges zu sein. Herr v. Levetzow
hatte sich, entgegen der Gewohnheit der
übrigen Theilnehmer an der Unterhaltung,
erhoben und schilderte unter lebhaften
Handbewegungen die mißliche Lage der
Landwirthschaft, welche in der Gesetzgebung
im Allgemeinen und insbesondere in den
Handelsverträgen zu kurz gekommen sei.
Es sei eine längere, wohlgesetzte Rede ge
wesen, welche der Reichstagspräsident Herr
v. Levetzow und zwar mit einem an ihm
sonst nicht oft beobachteten Feuer-
eifer hielt; wenigstens auf dem Präsidial
stuhl im Reichstage erscheint Herr v. Se
vetzow eher als die vollendete Ruhe und
Gelassenheit, es sei denn, daß Sozialdemo
kraten oder Antisemiten ihm das Leben
sauer machen.
Die Berliner Bismarck - Korre
spondenz in der „Münch. Allg. Ztg."
feiert Herrn v. Levetzow wegen seines
„Mannesmuthes vor Königsthron
neu", den er bei dieser Gelegenheit be
kündet hätte und beklagt es, daß die Zei
tungen darüber noch nicht berichteten.
Inzwischen aber ist der Bericht durch
die „Krzztg." erfolgt; daß andere Zeitungen
nicht früher darüber berichteten, soll, wie
man hört, darin seinen Grund haben, daß
die anwesenden Reichstagsabgeordneten über
eingekommen waren, über das Auftreten
des Herrn v. Levetzow nichts in die Oeffent
lichkeit gelangen zu lassen.
ir unsererseits schätzen gewiß
den „Mannesmuth vor Königs
thronen" und sind auch der Meinung,
daß, wenn sich die Sitte einbürgert, ge-
wissermaßen die erste Lesung von Regie:
rungsvorlagen bei parlamentarischen Diners
vorzunehmen, offene und entschiedene Gegen-
reden unter allen Umständen am Platze
sind, mögen sie nun von konservativer
Seite oder in andern Fällen von liberaler
Seite ausgehen. Nur meinen wir, daß es
nicht gerade die Sache des Reichstags
Präsidenten ist, solche Opposition zu mar-
kiren. Denn der Präsident des Reichstags
vertritt bei solchen Gelegenheiten die
Gesammtheit des Reichstags. Im
vorliegenden Falle läßt sich nicht einmal
behaupten, daß der Präsident des Reichs
tags sich für sein Auftreten aus die Zu-
timmung der Mehrheit des Reichstags
'tützen konnte.
Die Lage hat sich heute so zuge
spitzt, so telegraphirt man offiziös der
„Köln. Ztg." aus Berlin, daß auf eine
Verwerfung des Vertrages nur
mit einer Auflösung des Reichs
tags geantwortet werden kann, und
da die Konservativen sehr wohl wissen,
daß sie, wenn die Regierung sie nicht
unterstützt oder gar in entschiedener Weise
bekämpft, eine furchtbare Niederlage er
leiden werden, so werden sie sich zehnmal
überlegen, ob sie die Existenz der Partei
aufs Spiel setzen sollen.
— Wie verlautet hat sich ein Komitee
von ca. 200 namhaften Industriellen
aus allen Theilen Deutschlands ge
bildet, welches beabsichtigt, in nächster
Zeit eine Versammlung von Vertretern
der gesammten deutschen Industrie
und Gewerbethätigkeit nach Berlin
zu berufen, um in der Frage des russischen
Handelsvertrages Stellung zu nehmen
Berlin, 8. Febr. Der deutsch-russische
Handelsvertrag ist gestern paragraphirt
worden. Die Unterzeichnung wird wahr
scheinlich am Sonnabend stattfinden.
— Graf Herbert Bismarck nebst Ge
mahlin sind heute Vormittag hier einge
troffen. Ferner ist Graf Wal der see auf
Urlaub hier angelangt.
— Die Stempel st eu er kommission
des Reichstages nahm einstimmig den
Antrag Gröber, Wetteinsütze bei Pferde
rennen wie Spieleinlagen zu behandeln, an
und lehnte die Anträge Singer auf Erhö
hung des Steuersatzes um 50 pCt. und
Richter, auf eine Erhöhung um 20 pCt.
ab, nahm jedoch eine Erhöhung um 10
pCt. an.
— Die „Fr. Ztg." schreibt: Der Air
trag Kardorfs (gleitende Zollskala gegen
Rußland und Oesterreich-Ungarn) ist den
Reichstagsabgeordneten Montag-Abend nur
als Drucksache und ohne Nummer und allein
mit der Unterschrift von Kardorff's zuge
gangen. Man will offenbar zunächst mög
lichst viele Unterschriften für den Antrag
sammeln, um mit der Gesammtheit dieser
Namen als Phalanx gegen den russischen
Handelsvertrag zu demonstriren. Sodann
soll versucht werden, den Antrag alsbald
auf die Tagesordnung des Reichstages zu
bringen, und zwar außerhalb der Reihen
folge der Initiativanträge. Dazu ist ein
Mehrheitsbeschluß des Reichstages erforder
lich. Ein solcher Beschluß würde einer
Vorabstimmung über den Handelsvertrag
selbst gleichkommen. Wer auch nur ent
lernt eine allgemeine und allseitige Dis-
kussion über den russischen Handelsvertrag
wünscht, kann nicht zugeben, daß ein ein-
zelne Seite der in Betracht kommenden
Fragen im Anschluß an den Antrag von
Kardorff vorab erörtert wird. Man darf
gespannt sein, ob der Abg. von Kardorff
in einer der nächsten Sitzungen bei der
Festsetzung der Tagesordnung den Versuch
machen wird, den Antrag zur Abstimmung
zu bringen.
— In der Sitzung der mirths cha ft-
lichen Vereinigung sagte gestern, nach
dem Bericht der „Kreuzztg.", der antisemi
tische Abg. Graefe folgendes: „Es sei
traurig, daß uns der neue Kurs bereits
o weit gebracht haben sollte, daß Deutsch
land vor Rußland zu Kreuze kriechen
müsse. Es werde uns immer ein Krieg
mit Rußland an die Wand gemalt. Das
Bangemachen sei ein überwundener
Standpunkt." An welche Adresse diese
Worte gerichtet sind, kann Niemandem
zweifelhaft sein. • ,
Berlin, 8. Febr. In der heutigen Sr
tzung der Reichstagsbudgetkommis
sion besprach Prinz Arenberg bei dem
Etat für Kamerun die dortigen Vorgänge
und Leist's Bericht. Er übergehe die Auf-
landsgründe, an dem zweifellos Unmensch
liche Grausamkeiten Schuld seien. Nicht
nur sei Leist's Verbleiben auf dem Posten
unmöglich, sondern Leist sei strafbar wenn
ihn nicht bedeutende Gründe entschuldigten.
Der deutsche Name sei durch das Vorgehen
geschändet. Geheimrath Kays er erwidert,
er wolle nichts beschönigen und nichts ver-
ichweigen, doch weitere Nachrichten seien
noch nicht eingegangen. Anfänglich habe
man die Vorgänge für unmöglich gehalten.
Sollten sich die englischen Berichte von
der Peitschung der 20 Dahomeyweiber in
Gegenwart ihrer Männer oder Aehnliches
bewahrheiten, so würde Leist der strengsten
Ahndung nicht entgehen. Es sei sofort ein
Beamter zur Untersuchung der Thatsachen
nach Kamerun entsandt worden. — Abge-
ordneten Bebel erklärt, seit 10 Jahren
habe kein Fall eine so allgemeine Entrü-
stung erregt. Er erbitte Aufschluß, ob es
zulässig sei, deutsche Marinesoldaten, ohne
sie zu fragen, nach Kamerun zu komman-
diren, wo die Gefahren des Klimas und
solche durch andere Umstände verursachte
besonders groß seien. Geheimrath Kays er
antwortet, die Dahomeher seien fslittļIw 8»'
kauft worden, aber sofort, als die Nach
richt nach Deutschland gekommen sei, Ware
Ordre gegeben, sie freizulassen, keiner aber
sei zurückgekehrt. Die Dahomeher seien
wie andere Soldaten behandelt, nur se
ihnen der Sold in natura geliefert. Die
Marinesoldaten seien nicht gezwungen, nach
Kamerun zu gehen, sondern meldeten sich
reiwillig. Abg. Richter meint, von einer
Freiwilligkeit könne nicht die Rede sein, es
«ei bedenklich, jetzt aktive Mannschaften
nach den Tropen zu kommandiren. Es
handle sich doch nur um einen internen
Streit in den Colonien. Die Weiterbera-
thung findet am Freitag statt.
— Für die Ratifikation des russisch
deutschen Handelsvertrag s ist eine
Frist vereinbart worden, welche mit dem
20. März abläuft, danach muß also der
Reichstag bevor die Osterferien beginnen,
über den Handelsvertrag auch in dritter
Lesung abgestimmt haben.
— Ueber die Sendung des kaiserl.
Flügeladjutanten Grafen Moltke nach
Friedrichsruh werden nachträglich noch
einige interessante Einzelheiten mitgetheilt:
Der Flügeladjutant hatte vom Kaiser den
Befehl, das Ziel der Reise, sowie die
Sendung an den Fürsten unter der strengsten
Verschwiegenheit auszuführen. Graf Moltke
bestieg deshalb in Berlin auch nicht den
Hamburger Courierzug, sondern löste sich
ein Billett für einen Lokalzug nach Witten
berge. In Wittenberge wartete er den
Hamburger Courierzug ab und ließ sich,
als er diesen bestiegen und der Zug bereits
wieder auf der Fahrt begriffen war, den
Zugführer in's Coupee rufen. Zu diesem
wendete er sich mit den Worten: „Im
Namen Sr. Majestät des Kaisers befehle
ich Ihnen, in Friedrichsruh halten zu lassen
und über diesen Befehl absolutes Schweigen
gegen Jedermann zu wahren." Hierauf
notirte sich Graf Moltke den Namen des
Zugführers und des verantwortlichen
Maschinisten und entließ den etwas ver
dutzten Beamten. Als er mit seiner Mission
vor den Fürsten trat, zitterte eine starke
innere Bewegung über die Gesichtszüge
des alten Kanzlers, die jedoch nur einen
Augenblick bemerkbar wurde. Im nächsten
Moment war der Fürst schon wieder der
unerschütterliche Staatsmann, der die über-
wälligende Botschaft seines Kaisers mit der
scheinbar ruhigsten Miene von der Welt
las und den Grafen Moltke mit so ge
lassener Höflichkeit als Gast behandelte,
als ob dieser mit einer längst erwarteten
Meldung vor den Fürsten getreten wäre.
Berlin, 8. Februar. Zur politischen
Bedeutung des Bismarcktages schreibt die
dem Fürsten Bismarck nahestehende Wochen-
schrift „Die Zukunft" in einem leitenden
Artikel: „Bismarck im Schloß" u. A. Fol
gendes: „Wie die Ordre, welche die (mili
tärische) Auszeichnung (des Fürsten Bismarck
beim Scheiden aus dem Amte) so trug auch
jetzt die gnädige Einladung zu einem mili
tärischen Feste'die Unterschrift des Königs
von Preußen, die damit unzweideutig aus
gedrückt hat, daß er an seinem Ehrentage
auf das Erscheinen des Generaloberst be-
onderen Werth legte .... Der Kriegs
herr empfängt den Inhaber der höchsten
militärischen Ehrenstellung als Gast; er
erweist ihm die gnädigsten Auszeichnungen
und nimmt im engsten Familienkreise mit
ihm das Frühstück ein; der Gast nimmt
die Meldungen der Offiziere des Regiments
entgegen, zu dessen Chef er ernannt worden
i't/er darf den König von Sachsen, einen
erlauchten Kriegskameraden, bei sich begrüßen
und hat die Freude, an dem rein militäri
schen Diner später auch seine Söhne theil-
nehmen zu sehen. Politische Erör-
terungen haben im Verkehr des Kriegs-
Herrn mit seinem Generaloberst keinen
Platz ..." — Was in der That mit dem
„Bismarcktage" erreicht sei, stellt das Blatt
schließlich dahin fest: „Im deutschen Reich
st Alles unverändert geblieben, nur der
reilich allein schon gefährliche Schein einer
persönlichen Verstimmung ist beseitigt und
)ie Bahn ist frei für den Rath Suchenden
wie für den, der Rath zu ertheilen. für
nöthig hält. Darin liegt der wichtigste
Werth der festlichen Stunden ..."
Berlin, 6. Febr. Die von der Stadt
beschlossene Anstellung des Gymnasiallehrers
Caspary ist, nach einem hiesigen Blatt,
vom Minister nicht bestätigt worden
Herr Caspary hatte, der „Voss. Z." zu
folge, unter Verleugnung seines jüdischen
Glaubens eine Anstellung in den russischen
Ostseeprovinzen erlangt, war nach einiger
Zeit dort entlassen worden und in großer
Noth gewesen, so daß die städtischen Be
hörden glaubten, wegen der Wissenschaft
lichen Befähigung des Mannes und weil
er den sittlichen Makel durch große Ent
behrungen gesühnt, seine Bewerbung nicht
abweisen zu sollen. Gegen diese Anstellung
hat der hiesige Gymnasiallehrerverein Front
gemacht, und es ist ihm gelungen, den
Minister zu veranlassen, die Bestätigung
zu versagen.
Herr Lorenz, welcher fur den neuen
konservativen Bauernbund als Führer in
Aussicht genommen war, hat einem Inter
viewer der „Kyritzer Ztg." gegenüber zu
gegeben, daß dieser Bauernbund bereits
im August 1893 wieder gegründet worden
ist. Auch wurde der Borstand in der
Weise gewählt, wie er jüngst im „Volk"
veröffentlicht wurde. Herr Lorenz wollte
aber nicht eher mit dem neuen Bund an
die Oeffentlichkeit treten, bis die Handels
verträge im Parlament erledigt, da er
voraussah, daß es mit dem »Bund der
Landwirthe" einen Kampf bis aufs Messer
geben und daß im Fall der Annahme der
Handelsverträge der „Bund derLandwirthe"
den „Bauernbund" dafür verantwortlich
machen würde, der ihm Knüppel in die
Beine geworfen hätte. Die beiden anderen
Direktoren und der Agitator Werner-Mar
burg aber waren anderen Sinnes und
verlangten baldige Inangriffnahme der
Thätigkeit. Wegen dieser Differenzen und
weil Herr Lorenz den Herrn Werner nicht
für die geeignete Kraft hielt, hat Herr
Lorenz den Vorsitz niedergelegt.
Lyck, 8. Febr. Die infolge Nichtillumi'
nirens am Geburtstage des Kaisers in der
Stadt gesammelten Spenden haben nach
der „Ostd. Volksztg." den Betrag vou
438 Mk. 25 Pf. ergeben, und diese sind
am 127 würdige hiesige Arme vertheilt.
Köln, 8. Febr. Der Fesselballon der
hiesigen Luftschifferabtheilung, welcher in
Folge Zerreißens des Taues weggeflogen
war, ist, wie die „Köln. Volksztg." meldet,
nach längerer Schleiffahrt bei Höxter ge
landet. Die beiden Insassen, zwei hiesige
Offiziere, haben keinen Schaden genommen-
Dresden, 8. Febr. Ein heutiges offizielles
Bulletin bezeichnet die Krankheit als
B l a s e n b l u t u n g, infolge deren der König
das Bett hütet. Er hat kein Fieber, sein
Zustand veranlaßt vorläufig keine ernste
Besorgniß, längere Schonung ist jedoch
nothwendig.
Dresden, 5. Febr. Die zweite sächsische
Kammer lehnte es ab, die Prügelstrafe
in den Schulen als Zuchtmittel zu be
seitigen. Die dahingehende Petition eines
hiesigen Arztes wurde nur von den So
zialdemokraten eifrig vertheidigt. Die erste
Kammer hat schon kürzlich den Beschluß
gefaßt, die Petition auf sich beruhen z»
lassen. Das wäre eine nette Sache, wen»
der Lehrer die Herren Jungens, die scho»
so wie so an Rohheit gegenwärtig ein
Uebriges leisten, wo es nöthig, nicht züchtige»
dürfte, gegen Mißhandlungen sind dieselbe»
so wie so gesetzlich geschützt.
In dem Briefkasten eines Postamtes
in Westfalen fanden sich, wie Sie „Deutschs
Postztg." mittheilt, kurz vor Weihnächte»
folgende, von Kinderhand herrührend«
offene Briefe vor, die wir wiedergeben-
An das libe Kristkiud im Himmel. Säbel
Helm Thurnüster Hotferd Brumkösel Hai»'
pelkerl Puffpuff eisenbahn Schaukelpferd
einen Griffel eine Schifertafel 1 Pina'
1 Trommel 1 Bilderbuch ein Hundeställke»
ein Husarenanzug ein Flozeped Adolf . -
Lides Kristkindchen. Brink mich ein«
Puppe einen Puppenwagen und noch meh«
Spielsachen meinen Prutter Adolv aiw
ädwas Großpappa mamma und Papp"
auch was und eine Schwester von de»
Klapper (stro) (stör) storch dises . (wüsÄ
wünsch ich mich Marie . . . (Die in U
gesetzten Wörter sind im Original durşş
trichen.)
In Delmenhorst hatte der Dirigent eşş
kleinen Ballkapelle, mit Namen Hunteman»,
während eines Tanzvergnügens Strei
mit einem jungen Mann aus Stenui»
dem Haussohn Schulenberg, bekomme»
Nachts auf dem Nachhausewege trafen ^
beide wieder. Huntemann und dessen W
gleiter, ein neunzehn Jahre alter Musik«
Engel, verfolgten den Schulenberg, trieb«-'
ihn in die Enge und jagten ihn auf ein«
Kamp. Dort schlug ihn Engel mit sein«»
eisernen Notenständer nieder; der Unglü»
liche war sofort eine Leiche. Die beşş
Musiker wurden alsbald verhaftet.
Aus Braunschweig wird geschrieben
Auf genossenschaftlicher Grundlage w»
hier eine Naturheilanstalt erricht«'
95 000 Mk. sind bereits vorhanden, f,
Arzt ist bei dem Unternehmen betheiliS ^
an dessen Spitze der Architekt Herr Gröl» ,
teht, ^welcher seit 3 Jahren ein reg
Vorstandsmitglied des 1. Vereins '
Naturheilkunde ist. Die leitenden Perso»
des Unternehmens sind Kaufleute, Fabrikan
""Einanderbarer Kauf ist dieser T-ķ
in Passau abgeschlossen worden. In et»
Wirthschaft verkaufte ein Gast einen
Kanarienvogel um 6 Meter Pfennige, wem
zu seiner nicht geringen Neberraschung J
Summe von nur 3 Mark 66 Pf. ergab«
während ihm zuvor ein viel höherer
trag geboten war. , (
Karlsruhe, 8. Febr. Die zweite Kan»» (
genehmigte den Bau der Bahn Krotzişş,
Staufen-Sulzburg, wodurch das Schw»',
välder Münsterthal dem Weltverkehr
chlossen wird. .
Erschossen hat sich, wie schon berichte ,
Mainz ein Oberprimaner, Namens Nass»» ,
weil er vom Maturitäts-Examen wegen »»,
laubter Hülfsmittel bei der griech»^,
Arbeit ausgeschlossen werden mußte. ^
Selbstmörder hinterläßt ein Vermöge» ^,
600000 Ji und hatte angeordnet, ly
Leiche verbrennen zu lassen. Das
in Heidelberg geschehen. Jetzt berichte» ,
„Frkf. Ztg.": Weil der Gymnasiast Nasi^
selbst Hand an sich gelegt hat, ist j
Krematorium zu Heidelberg die Leiches
Feuerbestattung nicht angenommen t» ß »jt
Sie wurde deshalb nach Gotha geb» şjj
Das Heidelberger Krematorium hat
unseres Wissens den Behörden geg«»F
statutarisch verpflichten müssen, die * e j
von Selbstmördern zur Verbrennung
zuzulassen. .