den letzten Tagen zur Kaiserin berufen, die
ihn bat, eine kleine Gelegenheitsdichtung
für die Prinzen in Scene zu setzen, wobei
das militärische Jubiläum in erster Linie
berücksichtigt werden sollte. Herr Keßler
ist der Hauspoet der kaiserlichen Familie
und hat eine starke poetische Ader. Er
sattelte also schleunigst den Pegasus und
konnte der Kaiserin noch am selben Tage
die gewünschte Dichtung überreichen. Die
Prinzen waren darin als Vertreter der
einzelnen Leibregimenter gedacht und es
wurden in dem Pocni die Glanztage dieser
Truppentheile sinnreich mit dem Jubiläum
verknüpft. Nun wurden schleunigst die
Uniformen für die Prinzen beschafft. In
zwischen lernten die Letzteren eifrig und bei
ihrer schnellen Fassungsgabe hatten sie sich
die Verse bald eingeprägt. Am Morgen
des Geburtstages kamen sie im Glanz der
neuen Waffenröcke stolz anmarschirt und
führten ihre Aufgabe in so reizender Weise
durch, daß der Kaiser vor väterlicher Freude
strahlte. Nicht minder glücklich war die
Kaiserin, daß ihre Ueberraschung so trefflich
gelungen war.
Berlin, 5. Febr. Das Diner bei dem
Reichskanzler Grafen Caprivi nahm
einen lebhaft angeregten Verlauf. Der
Kaiser erschien vor 7 Uhr und blieb bis
nach 11 Uhr. Beim Cercle zeichnete er
den Frhrn. v. Huene besonders aus, auch
wurden ihm verschiedene neue Abgeordnete
vorgestellt. An der Tafel saß neben dem
Kaiser rechts der Ministerpräsident Graf
Eulenburg, links v. Bötticher, ihm gegen
über der Reichskanzler und nebenan Fürst
von Fürstenberg, dann Fürst Ferdinand
v. Radziwill, der Präsident des Reichstags,
^ sowie der des Landtags und ferner die
sämmtlichen Staatssekretäre, ferner ver
Bicepräsident v. Buol und Abgeordnete
aller Parteien, darunter Graf Dönhoff,
Holleufer, Pohlmaun, Uhden, Stumm,
Krupp, Mollke, Hammacher, Müller,
Paasche, Barth, Rickert, Prinz Arenberg,
Ballestrem, Koscielskh und Komerowsky.
Nach der Tafel fand eine lebhafte Unter
haltung mit verschiedenen Abgeordneten über
den russischen Handelsvertrag statt, der vom
Kaiser warm empfohlen wurde, ferner sprach
er sich über die Kolonialpolitik aus. Der
Kaiser unterhielt sich dann noch mit dem
Staatssektetär v. Stephan.
— Es scheint kein Zweifel mehr darüber
zu bestehen, daß der deutsch-russische
Handelsvertrag, nachdem in den letzten
Tagen die noch vorhandenen kleinen
Differenzen behoben worden sind, entweder
schon unterzeichnet ist oder doch seine Unter
zeichnung unmittelbar bevorsteht. Nach
den Mittheilungen, die in parlamentarischen
Kreisen umgehen, ist das erstere sogar
wahrscheinlich, und es darf soniit für die
allernächsten Tage der Veröffentlichung des
Tarifs im „Reichsanzeiger" entgegengesehen
werden.
— Mit der Wiederherstellung des
Deutschen Bauernbundes im Gegensatz
zum Bund der Landwirthe soll es
Ernst werden. In dem Programm wird
dieser Schritt damit begründet, daß „das
aggressive Vorgehen des Bundes der Land-
Wirthe die Harmonie, die der alte Bauern
bund zwischen Klein- und Großgrundbesitz
geschaffen und berechtigtes Mißtrauen in
Stadt und Land gegen den Großgrundbesitz
(vertreten durch den Bund der Landwirthe)
von Neuem hervorgerufen habe." Der
Bauernbund bezweckt vor Allem „Erhaltung
und Förderung des bäuerlichen Grund
besitzes, sowie des produzirenden Mittel
standes."
— Der Gesetzentwurf über die Land-
Wirthschaftskammern findet in der „D.
Landwirthsch. Ztg." die härteste Verurtei
lung. Der Entwurf habe auf's äußerste ent
täuscht. Mit keiner Silbe gedenke ein
Paragraph des Landarbeiters. Schon der
Paragraph 6, der die Wahlberechtigten
aufzählt, mache das Gesetz unannehmbar.
Würde das Gesetz angenommen, so würde
es zu denselben Kämpfen zwischen den
Grundbesitzern und ihren Arbeitern führen,
wie in dem Bergbau, der Industrie und
dem Handel, wo durch die Ausstände Hun
derttausender von Arbeitern dem National
wohlstand Milliarden verloren gehen, die
Familien in Noth und Elend gerathen und
die kleinen Revolutionen seit Jahrzehnten
andauern, weil die Arbeiter ihre Interessen
in der Gesetzgebung nicht gewahrt sehen.
Es heißt dann weiter: „Da dieser Ent
wurf nur die Interessen der Grundbesitzer
und Pächter vertritt, so werden die Land
wirthschaftskammern in der ländlichen Be
völkerung berechtigte Beunruhigung, ja
bald dieselben Ausstandsrevolutionen her
vorrufen, wie in den anderen Gewerben,
da die Arbeiter durch das Gesetz geradezu
ausgeschlossen werden von der Möglichkeit
auf, ihre Augen standen voll Thränen, und
bittend legte sie ihre gefalteten Hände auf
seinen Arm:
„Prinz Sascha, lieber Prinz Sascha, Sie
sind gut und edel, und es wird mir sehr
schwer, Ihnen weh zu thun, aber ich denke,
wenn Sie erst alles wissen, dann werden Sie
mich einerseits verstehen, andererseits mich
aber auch nicht mehr lieb haben, und dadurch
werden Sic leichter darüber hinwegkommen,
mich aufzugeben."
(Forffetzung folgt.)
zur Wahrung ihrer Interessen. Solches
war bis dahin ohne -Organisation still
schweigend, der Entwurf spricht aber es
gerade aus. Denn wie ein rother Faden
ziehen sich durch die Redaktion desselben
als maßgebende Faktoren: Gutsbesitzer,
Grundsteuer, Landrath, Gemeindevorsteher."
Nachdem dann diese Sätze weiter durch
Auszüge aus dem Entwürfe belegt sind,
wird bemerkt: „Dieser kurze Auszug aus
dem Entwürfe wird genügen, um jedem
unbefangenen Politiker die Ueberzeugung
zu geben, daß es sich hier um einen zweiten
bureaukratischen Verwaltungskörper in den
ländlichen Kreisen handelt und daß die
Landwirthschaftskammer einen zweiten
Kreisausschuß und einen zweiten Kreistag
darstellen wird, unter Vorsitz des Land
raths als Interessenvertretung des Grund
steuerreinertrages. Was würden wohl die
Stände der Industriellen, der Handwerker
und Handelsleute sagen, wenn man ihnen
die Zumuthung machen sollte, sich in dem
Rahmen nach Maßgabe ihrer Steuern unter
Vorsitz ihrer Bürgermeister als wirthschaft-
liche Interessenvertretung zu organisiren?"
Berlin, 5. Febr. Unter zahlreicher Theil
nahme von Delegirten aus allen größeren
Städten Deutschlands, zu denen sich Ver--
treter der Reichsregierung, der einzelstaat
lichen Ministerien und städtische Behörden
gesellten, fand vorgestern und gestern der
erste deutsche Kongreß für Jugend-
und Volksspiele statt. In lebhafter
Debatte, welche Begrüßungsreden der Mi
nister Bötticher und Bosse einleiteten, wurde
der einzige Punkt der Tagesordnung, „die
Bedeutung der Jugend- und Volksspiele
vom Standpunkte der nationalen Wohl
fahrt" behandelt und eine Resolution zu
Gunsten der Pflege der Jugendspiele auch
für Mädchen im Anschluß an den Turn
unterricht angenommen. — Die Sozial -
demokraten verhängten gestern in einer
großen Volksversamnilung einen einjährigen
Boykott über die beiden großen Versamm
lungslokale Buggenhagen und Sanssouci,
welche für dte Arbeitslosen-Versammlungen
verweigert worden waren. — Den „Neuest
Nachr." zufolge will die Reichsregierung
das schon 1879 vorgelegte Gesetz, betr. das
Faustsandrecht für Pfandbriefe und
ähnliche Schuldverschreibungen wieder ein-
bringen.
— Die antisemitischen Größen
Schwennhagenund Plack sucht die„Staatsb.-
Ztg." jetzt, allerdings vergeblich, von ihren
Rockschößen abzuschütteln und dieselben
jetzt als eine Art antisemitischer Lockspitzel
hinzustellen. Diese Anwandlung ist ihr
aber nur gekommen, weil sie aus der An
klageschrift gegen die beiden Patrone er
sehen hat, daß der Schriftsteller Rudolf
Plack nicht weniger als fünfmal wegen
Unterschlagung und Urkundenfäl-
chung mit Gefängniß, in einem Falle
sogar mit 6 Monaten und einjährigem
Ehrverlust, bestraft worden ist, und daß
auch der Schriftsteller Ludwig Schwein-
hagen, genannt Schwennhagen, zweimal,
einmal wegen Diebstahls mit einem
Tage Gefängniß bestraft ist. Die „Staatsb.-
Ztg." macht dabei das bezeichnende Ge-
ständniß, daß Personen niit einer ähnlichen
schmutzigen Vergangenheit auch heute noch
in der Bewegung stehen und sich sogar
darin hervorzudrängcn suchen. — Und
dieselbe „Staatsb.-Ztg." hatte noch vor
kurzem sich auf das Wärmste der genannten
beiden Ehrenmänner angenommen.
- Die „Staatsb. Z." berichtet folgen
den Vorfall, der sich in der Nacht zum
Sonnabend in einer hiesigen Gesellschaft
abgespielt haben und peinliches Aufsehen
erregen soll. In einem im Süden Ber
lins belegenen feinen Lokale wurde eine
Zusammenkunft abgehalten und man be
schloß, im Hinblick auf den Geburtstag
des Kaisers bis nach Mitternacht zu-
sanimenzubleiben. Mit dem Anbruch des
Sonnabends erhob sich einer der An
wesenden, um die Gesundheit des Kaisers
auszubringen. Während sich die Versam
melten von ihren Plätzen erhoben und in
das Hoch einstimmten, blieben ein sehr be
kannter hiesiger Künstler und ein Rechts
gelehrter auf ihren Plätzen sitzen. Natür
lich entstand allgemeine Aufregung, die sich
auch nicht legte, als die beiden Demon
stranten mit der Erklärung hervortraten,
daß sie die Versammlung eines Vereins
mit sehr freien sittlichen Grund
sätzen nicht für den passenden Ort hielten,
um die Gesundheit des Landesherrn zu
trinken. Es dauerte nicht lange, bis sich
die beiden Widerspenstigen nach einer-
herben Auseinandersetzung auf der Straße
wieder zusammenfanden. Die Angelegen
heit wird noch ein für die Oeffentlichkeit
bemerkbares Nachspiel zur Folge haben
— Die praktische Wirkung der
agrarischen Agitation gegen die
Goldwährung macht sich bereits in den
Kreditbeziehungen der Grundbesitzer geltend.
Aus dem Landkreise Königsberg erfahren
wir, daß die Verwaltung einer Stiftung
36 theils größeren, aber überwiegend klei
neren Besitzern, welche Stiftungskapitalien
geliehen erhalten haben, aufgefordert hat,
ausdrücklich sich zu verpflichten, das er
haltene Darlehen seiner Zeit in Gold zu
rückzuzahlen, widrigenfalls das Darlehens-
Verhältniß ihnen sogleich gekündigt werden
würde.
Durch eine falsch bestellte Depesche
ist vorige Woche in Dalldorf beziehungs
weise Birkenwerder eine Konfusion hervor
gerufen worden. Dem Einwohner B. in
Dalldorf war nämlich ein Telegramm zu
gestellt worden ungefähr des Inhalts:
„Onkel todt, Mittwoch Beerdigung, Ver
wandten Nachricht geben." Da dem B.
bekannt war, daß sein Schwager B. in
Birkenwerder vor einigen Wochen einen
Schlagansall erlitten, so bezog er die
Todesnachricht auf diesen. Mit zahlreichen
Verwandten begab er sich letzten Mittwoch
nach Birkenwerder, um dem Todten die
letzte Ehre zu erweisen. Als man aber in
feierlicher schwarzer Kleidung mit Todtcn-
kränzen im Hause des angeblich Verstorbe
nen anlangte, war die Verwunderung und
Verlegenheit auf beiden Seiten groß, da
man den als todt Beweinten verhältniß-
mäßig wohl vor sich sah. Die Sache fand
schließlich dahin ihre Aufklärung, daß die
fragliche Depesche aus Gumbinnen kani,
was übersehen worden war und statt nach
Dalldorf nach Thaldvrf bestimmt war.
Dadurcb, daß in Dalldorf zufällig ein
Adressat gleichen Namens wohnte, blieb
der Irrthum so lange unaufgeklärt.
Die Inhaberin eines Damenpensio
nats in Berliu, in dem Töchter aus den
besten Familien sich befinden, ist einer Lo
kalkorrespondenz zufolge wegen unbefugten
Betriebs der Schankwirths ch aft zur
Anzeige gebracht und bestraft worden. Sie
erhob vergeblich Einspruch dagegen und
hat einschließlich der Kosten 108 Mk. zu
zahlen. Bei den Zeugenvernehmungen soll
sich ergeben haben, daß das Pensionat ein
Stelldichein für die sog. Lebewelt Berlins
war. Ob sich an die Thatsache des mt-
befugten Schanks noch ein weiter greifendes
Gerichtsverfahren knüpfen wird, läßt sich
noch nicht übersehen.
Berlin, 4. Febr. Der amtliche Polizei-
bericht meldete jüngst, daß sich ein hiesiger
Beamter durch Erhängen das Leben
genommen habe. Wie der „Volksztg."
jetzt mitgetheilt wird, handelt es sich um
den Hülfsgerichtsvollzieher bei der Gerichts
kasse des Amtsgerichts I Hierselbst, Herrn
Sch., . dessen tragisches Ende allgemeines
Mitleid hervorruft. Sch. hatte bei einer
Wittlve, welche 7 Kinder zu ernähren hatte,
wegen Gerichtskosten zu pfänden. Als der
Beamte in die bescheidene Wohnung der
Wittwe eintrat, um seine Pflicht zu thun,
warf sich die Aermste demselben zu Füßen
und bat, ihr doch nicht das Letzte wegzu
nehmen, und in der That waren es nur
noch wenige Gegenstände, die zu pfänden
gewesen wären. Den Bitten der armen
Familie vermochte der gutherzige Mann
nicht zu widerstehen, und er erklärte die
Exekution hier fruchtlos. Auf irgend
welche Weise muß jedoch die vorgesetzte
Behörde erfahren haben, daß der Beamte
seine Pflicht verletzt habe und begab sich
in Begleitung des Sch. ein Inspektor zu
der Schuldnerin, wo man in der That
noch einige Möbelstücke fand, die» gesiegelt
hätten werden müssen. In der Angst, sein
Amt und seine Ehre zu verlieren, erhängte
sich der Aermste noch an demselben Abend
auf dem Dachboden seiner Wohnung. Die
Beerdigung des gutherzigen Mannes hat
unter sehr starker Betheiligung seiner
Kollegen und Vorgesetzten stattgefunden.
- Eine seltsame Aufschrift findet
man, einem hiesigen Blatte zufolge, auf
einem Geschäftsschild, das seit Kurzem an
einem Hause in der Brunnenstraße ange
bracht ist. Es ist dort zu lesen: „Bor
deaux-Wein- und Essig-Fabrik
von 36. £. . .
Halle, 2. Febr. Ein netter Theo
loge ist ein Herr Adolf H., der hier dem
Studium der Theologie obliegt. Wie er
sich auf seinen künftigen Beruf vorbereitet,
erhellt aus einer Verhandlung der Straf
kammer, die sich als Berufungsgericht mit
dem Herrn zu beschäftigen hatte und über
welche die „Prenß. Lehrerztg." berichtet:
Am Abend des 21. Mai vor. Js. hatten
Studenten auf dem Jägerplatz die Laternen
ausgelöscht und gelegentlich dieses Unfugs
einen Maurermeister, sowie dessen Frau
und Tochter mißhandelt. Der Angeklagte
hatte sich hierbei ganz besonders hervorge-
than. Er hat die Frau mit einem Stock
geschlagen und geohrfeigt, die Tochter zu
Boden geworfen und mit den Stiefelabsätzen
getreten. Vom Schöffengericht war H. am
27. Oktober v. I. zu 100 Mk. Geldstrafe,
im Unvermögensfalle zu zehn Tagen Ge
fängniß verurtheilt worden. Der Staats
anwaltschaft erschien das Urtheil zu mild,
und sie legte daher bei der Strafkammer
Berufung ein. Die Strafkammer hob das
Urtheil des Schöffengerichts auf und er
kannte auf 300 Mk., im Unvermögensfalle
dreißig Tage Gefängniß. Der Staats
anwalt hatte sechs Wochen Gefängniß in
Antrag gebracht.
Effcņ, 4. Febr. Vor der hiesigen Straf
kammer kam gestern ein Wucherprozeß
zur Verhandlung. Der Lederhändler Wilh
Moelchers Hierselbst war in 16 Fällen des
gewerbsmäßigen Wuchers an kleineren
Leuten und in 3 Fällen des Betruges an
geklagt. Der Staatsanwalt beantragte
Freisprechung bezüglich der Betrugsfälle
und wegen gewerbsmäßigen Wuchers eine
Gesammtgefängnißstrafe von 18 Monaten,
*3 Jahre Ehrverlust sowie 5000 Mark Geld
strafe. Das Urtheil, welches in 11 Fällen
Wucher, jedoch nicht gewerbsmäßigen, fest
stellte, lautete auf eine Gesammtstraşe von
5 Monaten Gefängniß, von denen 3 Mo
nate Untersuchungshaft angerechnet wurden,
und 500 Mark Geldstrafe. Der Haftbefehl
wurde aufgehoben. Die sechsstündige Ver
handlung fand unter starkem Andrang des
Publikums statt.
Als Kuriosum dürfte folgender Vorfall
gelten, der sich dieser Tage auf einem
Verwaltungsbureau in Dortmund ereignet.
Es erschien dort eine junge Näherin, um
eine Quittungskarte unizutauschen. Zu
seinem größten Erstaunen gewahrte jedoch
der Beamte, daß in die Karte anstatt der
eigens dazu hergestellten Klebemarken richtige
Briefmarken zu 20 Psg. geklebt waren.
In Frankfurt a. M. hat sich der Bild-
Hauer Fritz Schierholz, dem die Ausführung
des für Frankfurt bestimmten Schopen
hauer-Denkmals übertragen worden,
in seinem Atelier erhängt. Dieser
Selbstmord, dessen Motiv unbekannt ist,
erregt allgemeines Aufsehen.
Ein blinder Kandidat der neueren
Philologie, Herr W. Potthoff aus Biele
feld, promovirte am Donnerstag in Mar
burg mit trefflichem Erfolg, nachdem er
dort im Dezember das Staatsexamen mit
Ehren bestanden hatte. Seine Dissertation:
„Stilistische Archaismen bei Lafontaine"
hatte der Blinde mit der Schreibmaschine
geschrieben. Die Interpretation im Semi
nar konnte er verfolgen, indem er die vor
gelesenen Texte in seine Blindenschrift über
trug. Der junge Gelehrte ist seit seinem
9. Jahre erblindet.
Ein Maurermeister in Augsburg vergab
kürzlich, wie im „Reichsboten" berichtet
wird, an fünf notorische Sozialisten eine
Arbeit in Akkord mit der ausdrücklichen
Bemerkung, die Herren müßten mit der
Vertheilung der Summe unter sich selbst
einig werden. Nach der ersten Woche
kamen die „Genossen" in Hellene Streit
zur Lohnauszahlung und jeder verlangte
einen höheren Lohnantheil, weil seine
Leistungen jene der Kollegen überträfen.
Erft die bestimmte Weisung des Meisters,
sich als „Genossen" selbst zu vertragen,
vermochte sie zum Abzug zu bewegen, Groll
im Herzen. Am Schluffe der nächsten
Arbeitswoche erklärten die „Genossen", die
Arbeit aufgeben zu müssen, wenn nicht der
Arbeitgeber selbst wieder die Lohnzahlung
übernehme. Der Streit drohte fast in
Thätlichkeiten auszuarten.
Der 13jährige Sohn eines in Hamburg
wohnenden Geschäftsmannes machte sich
vorgestern Nachmittag einer Unart schuldig.
Hierüber erbost, versetzte der Geschäftsmann
seinem Sohne eine Ohrfeige, die wahr
scheinlich derber ausfiel als beabsichtigt
war, denn der Knabe stürzte sofort todt
zu Boden.
Friedrichsruh, 4. Febr. Beim Fürsten
Bismarck verweilen Graf Herbert Bis
marck und dessen Schwiegervater Graf
Hohos, welche beide heute Mittag einge
troffen waren, und Graf Henckel von
Donnersmarck mit Gemahlin und Diener
schaft, die bereits gestern in Gesellschaft
von Professor Schweninger angekommen
waren. Bei prächtigem Sonnenschein und
bestem Wohlbefinden machte heute Nach
mittag der Fürst in Begleitung der Herren
eine längere Spazierfahrt, wobei der hohe
Herr das Geschenk des Kaisers, den grauen
Militär-Offiziersmantel trug. Graf Henckel
von Donnersmarck mit Gemahlin vom
Grafen Herbert Bismarck bis zum Bahn
hof begleitet, reisten um 5 Uhr 15 Minuten
mit dem Schnellzuge nach Berlin wieder
ab, während die übrigen Herrschaften noch
bleiben werden.
Provinzielles.
Der bisherigen Handelsschule in Altona
ist der Titel und die Stellung einer Real
schule mit wahlfreiem Unterricht in den
Handelswissenschaften zuerkannt. Die Be-
rechtigung zum einjährigen Dienst muß der
Schule in ihrer neuen Gestalt von der
Rcichsschulkommission zuerkannt werden, es
wird dies aber voraussichtlich noch vor
Ostern geschehen. Die Anstalt wächst von
Jahr zu Jahr. Um Ostern wird die Se
kunda in zwei Parallelklassen getheilt und
außerdem der Vorschule eine neue Classe
hinzugefügt werden.
Im Orte Neumühlen bei Altona fand
man dieser Tage auf einem Hausboden
vie Leiche eines neugeborenen Kindes,
das Spuren einer gewaltsamen Tödtung
zeigte. Die Untersuchung der Leiche hat
denn auch die Annahme eines Mordes be
stätigt. Es ist bis jetzt nicht gelungen,
der unnatürlichen Mutter bezw. der etwai
gen Mörderin habhaft zu werden.
In Altona haben sich jetzt ein freisinniger
Verein sowie ein Verein der freisinnigen
Volkspartei gebildet.
In Ouickdorn hat sich am Freitag ein
schreckliches Unglück ereignet. Ein junges
Mädchen, welches im Zuge der Altona-
Kaltenkirchener Spurbahn den Wagen ver
lassen wollte, als derselbe noch nicht stand,
hakte mit dem Kleide fest, gerieth unter die
Räder und wurde sofort getödtet.
Eine große Rennbahn soll seitens der
Radfahrer in Kiel angelegt werden, und
zwar auf der am Rondeel daselbst belegenen
Moorwiese. Die Kosten werden ungefähr
30,000 Ji betragen.
Kiel, 3. Febr. Der Amtsvorsteher und
Mühlenbesitzer Buten schön aus Groß'
Flintbek wurde heute Vormittag 9 Uhr
15 Minuten auf dem hiesigen Bahnhöfe
von einem Schlag getroffen; der hinzu-
gerufene Arzt konnte nur noch den Tod
konstatiren.
Kiel, 31. Jan. Im Getreidegeschäft ist
es unverändert flau und still und sind dir
Preise der Vorwoche zu notiren. Jcb
notire per 1000 Kilo: Weizen 130—135
Mark, Roggen 120—126 Mark, Gerste
120—135 Mark, Hafer 140—160 Mark,
je nach Qualität.
Vor ungefähr zehn Jahren wanderte
aus der Gegend von Sclent ein junger
Mann von 16 Jahren aus nach Amerika,
jedenfalls ohne Erlaubniß. Kürzlich kaiU
er in seine Heimath zu Verwandten zu«
Besuch. Da erschien bei ihm der Gerichts-
vollzier und trieb 251 Jt 20 Pfg. von
ihm ein, nämlich 200 J( Strafgeld und
51 M 20 Pfg. Kosten usw. Es war dem
jungen Manne recht unangenehm, aber er
zahlte sofort.
Dem Ingenieur Scheidler in Neumünstcr
ist von dem Königl. Oberbergamt Claus
thal die Verleihungs-Urkunde über das
Bergwerkseigcnthum „Marienzeche", in
den Gemarkungen Wittenborn-Wahlstedt-
Fahrenkrug - Buchholz belegen, zugestellt
worden. Das Bergwerksgebiet umfaßt
ein Gelände von 2189000 Quadratmeter
Es soll mit der Anlage eines Braunkohlen-
Bergwerkssofort vorgegangen werden.
Bramstedt, 2. Febr. Seit einiger Zeit
hatten die Forstbeamten in dem Schutzbezirl
Hegebuchenbusch Wilddiebe gespürt. &
hatten sich am Montag, den 29. Januar,
zwei Forstbeamte im Forst auf die Lauer
gelegt, jedoch erfolglos. Es wurde die
Suche fortgesetzt und am folgenden Tage
hatten sich der findige Forstbeamte AclteN
und zwei Forstlehrlinge des Oberförsters
Roters in den Wald begeben, wo sie als
bald einen Schuß hörten. Es wurde nun
nachgeforscht und die Beamten stießen au>
die Spur des Wilderers, sowie auch auf
die Fährte des Rothwildes, wovon eines
schwer verletzt war. Der Fährte des
Wilderers wurde, da der Spürschnee lag-
nachgeforscht und führte diese zur Wohnung
des Altentheilers H- in Hegebuchenbusch
Demselbcn wurde von dem Forstbeamte»
Aelten ans Bvckhorn das Gewehr nnd die
Jagdutensilien beschlagnahmt und er aiN
Mittwoch durch den Amtsdiener des Amts-
Vorstehers Roters in Glashütte abgeholt.
In Schleswig wird die Gründung eine»
Briefmarken-Sammlervereins geplant.
Satrup, 5. Febr. Am gestrigen Aben"
zwischen 9 und 10 Uhr sind dem Vieh
händler und Schlachter Thomas Schlot»
hier, aus seiner Wohnung 13 000 M-ft'
gestohlen worden. Schlott war nm
seiner Familie zu der bei seinem Nachbw
stattfindenden Maskerade gegangen, halb
sich dort aber nur eine Stunde aufgeholte»
und ist während dieser Zeit der Diebstad
ausgeführt worden. Es fehlt jede SP»'
des Thäters. — Der Hufner El. Cords»"
in Schwackendorf kaufte in diesen Taş
den Köhnke'schen Besitz in Mehlby. De"
selbe enthält ein Landareal von ca. 3 7‘
Hektar nebst großem Obstgarten. Dck
Kaufpreis beträgt 14 000 Mk. und erfolg
der Antritt zum 1. April. (S. N.).
Tonderil. Kürzlich bereiste ein Kauf
mann die hiesige Gegend mit Manu fält lck
Waaren. Einem Bauer pries er Ha»»
tücher an, das Stück zu 10 Pfg. Als ^
Landmann einige Dutzend zu diesem Pre",
bestellte, wurde ihm zur Bedingung 9
macht, daß er dann einige Stücke Kleid»
stoffe mitnehme, die ganze Geschichte T ,
150 Mk. Natürlich wollte man dara
nicht eingehen, und nun began« um.
Händler wie ein Kind zu weinen; er w
Geld haben, der Gerichtsvollzieher koşş
in den nächsten Tagen, vielleicht ist
schon daheim. Endlich, halb aus Mitte ļ
giebt ihm der Bauer 80 Mk. Im Naşş
hause ist die Frau nur allein. Sie wü
so gerührt, daß sie für eine ähnliche P",
tion 120 Mk. zahlt. Im letzten Soinw
wandte ein Geschäftsmann in hiesiger ®
gend dieselben Kniffe an. ' ^
^ Von der Eider, 5. Febr. Auf ",
letzten Versammlung der Bo vena",
Pferdegilde erklärten viele Mitgli»
ihren Austritt aus derselben, weil int B
stoffenen Jahre durch die vielen Schşş.
welche die Gilde zu vergüten hatte, öst^
Sammelausschreibungen nöthig waren. «
soll für einige Mitglieder eine recht g»°",
„Prämie" geworden sein. Man zw»" ,
nunmehr an dem weiteren Bestand»
Gilde. Warum vereinigen sich
mehrere Gilden zu einem größeren (
bände, der doch entschieden leistungsfê,
wäre? — An Stelle des nach Burgi %
setzten Landmessers Johannsen ist der A
Halter der Firma von Kintzel L ö aU .' ^
C. Krull, vom Königl. SchulvisitatoA x
in Eckernförde zum Schulvorsteher
Schulrechnungsführer in Neu-Königsw
ernannt worden. m
Rendsburg, 6. Febr. Die
rung in der Wallstraße nähert sich
Fertigstellung. Man macht schon den «
fang mit der Fortführung genannter şu ^
über den Schiffbrückenplatz. Den Au^
dieser Straße muß man als einen eml ^
denen Fortschritt bezeichnen, und »