Full text: Newspaper volume (1893, Bd. 1)

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Morgen-Depeschen. 
Leipzig, 6. Febr. Bei dem unter cholera- 
verdächtigen Kraukheitserscheinungen einge 
lieferten Krankenwärter aus Nietleben, so- 
lvie bei einem ebenfalls choleraverdächtigen 
zugereisten Schlosser wurde festgestellt, daß 
nicht Cholera asiatica vorliegt. 
Halle, 6. Febr. Aus der Irrenanstalt 
Nietleben ist gestern abermals ein Cholera- 
Todesfall vorgekommen. 
Chemnitz, 6. Febr. Der Export des 
Bezirks Chemnitz-Glauchau nach Amerika 
weist in 1892 eine Zunahme gegen das 
Borjahr von 1700 000 Dollars auf. 
Reims, 6. Febr. Eine tumultarische 
Versammlung von Arbeitslosen wurde durch 
den Polizeikomniissar aufgelöst. 
Gent, 6. Febr. Gestern fanden Unruhen 
in Folge der Manifestation der Radikalen 
und Sozialisten gegen den Militarismus 
statt. Ein Fahnenträger trug eine Fahne 
d-it Soldaten im Bilde, welche jedoch von 
der Polizei verboten wurde. 
Paris, 6. Febr. Der „Temps" berichtet, 
der Herzog von Orleans werde angesichts 
der schwierigen Lage Frankreichs von seiner 
Weltreise in nächster Zeit nach Italien zu 
rückkehren. 
Deutscher Reichstag. 
Berlin, 6. Februar. 
Die zweite Berathung des Etats des Reichs 
amts des Innern, Besoldung des Staatssekretärs, 
wird fortgesetzt. 
Ņebel ((See.): Am Sonnabend hatte der 
Abgeordnete Leuschner erklärt, er verzichte auf 
das Wort, weil nach seiner Meinung die Sozial 
demokraten moralisch vernichtet seien. Das; dies 
unrichtig sei, beweise der Umstand, daß sie den 
Kampf nicht aufgäben; für die Sozialisten sei 
nur maßgebend, wie die Arbeiter dächten und 
wer der moralische Sieger am Schlüße sein werde, 
würden die nächsten Wahlen beweisen. Daß die 
Sozialisten die Vertreter der besitzenden Klassen 
überzeugen könnten, hätten sie sich nie eingebildet, 
denn noch nie habe eine herrschende Klasse die 
Macht freiwillig aus der Hand gegeben. In der 
Bekämpfung der Sozialdemokratie verschwänden 
der den Gegnern alle Parteiunterschiede, es ent 
gehe eine geschlossene Phalanx. Den Unterschied 
Zwischen Staat und Gesellschaft zu begreifen, 
Icheine den Gegnern der Sozialisten nicht gegeben 
w sein. Redner betrachtet es als ein großes 
Verdienst der politischen Neueinrichtungen seit 
*o67, daß die Eheschließungs-Beschränkungen auf- 
tzehoben seien. Abg. Stöcker habe von verführten 
w>d unwissenden Massen gesprochen. Wenn die 
Massen unwissend seien, so sei das ein Produkt 
rhrer Erziehung, die sie unwissend erhalten habe. 
Man müsse sie jetzt aufklären. Der Abgeordnete 
d. Stumm habe seinen Arbeitern sogar das Lesen 
von katholischen Blättern untersagt. Aehnliche 
Maßnahmen seien auch bei Krupp getroffen. Das 
seien Zuchthausmeister und ihre Arbeiter Zucht 
häusler. Das allgemeine Wahlrecht habe man 
nur sehr ungern ertheilt und wenn es ginge, 
würde man es gewiß wieder aufheben. Man 
wolle eben den Arbeitern keine politische Gleich 
berechtigung zugestehen. Das Bischen Sozial 
reform sei ja nur der Furcht vor der Sozial 
demokratie zu verdanken, gerade wie die Ein- 
fühnlng der 5 jährigen Wahlperioden. Bei den 
letzten Wahlen hätten die Sozialdemokraten 
1472 000 Stimmen gehabt, bei den nächsten 
würden es doppelt so viele sein (Lachen und 
Widerspruch). Man sage, nicht alle diese Stim 
men seien von Sozialdemokraten abgegeben, aber 
die Wähler seien gerade so Sozialdemokraten wie 
die Wähler der anderen Parteien zu diesen ge 
hörten Das sei aber an sich gleichgültig. Man 
bestreite, daß die Sozialdemokraten positive Auf 
gaben stellten, Redner habe aber in seiner letzten 
Rede deren genug gestellt: Aufhebung der Zölle, 
Abschaffung zahlreicher Privilegien, Einführung 
eines Milizheeres usw. Wenn inan ernsthafte 
Bestrebungen mit guten oder schleckten Witzen 
aus der Welt schassen könnte, so wäre es dem 
Abg. Richter vielleicht gelungen. Die Sozial 
demokratie sei seit ihrem Bestehen stets weiter ge 
gangen in ihren Forderungen an die Gesellschaft. 
Wenn seine Partei Mauserprozesse durchgemacht 
habe, so sei das bei Herrn Richter und seiner 
Partei ebenfalls der Fall gewesen. Seine Partei 
sei vorwärts gegangen, Herr Richter und die 
Seinigen seien stehen geblieben. Herr Richter 
könnte ja heute dieselbe Rede halten, wie vor 
30 Jahren, er sei, so zu sagen, ein lebendes 
Petrefakt, das sei der Unterschied zwischen ihm 
und der sozialistischen Partei. Seine Partei müsse 
sehen, wie die Dinge sich entwickelten, um dazu 
Stellung nehmen 31t können. Die Gegner könnten 
ja nicht einmal sagen, was sie in 5 Jahren thun 
würden, obwohl sie auf dem Boden der heutigen 
Gesellschaft ständen und da verlange man, die 
Sozialisten sollten einen ernsthaften Plan vor 
legen für ewige Zeiten. Man möge sich schämen, 
den Sozialdemokraten solche Fragen vorzulegen. 
Wenn die Dinge sich genügend entwickelt hätten, 
so werde sich der Uebergang zu der neuen Ge 
sellschaftsordnung einmal rasch vollziehen, wie 
z. B. in Frankreich, als Napoleon habe abdanken 
müssen. Wie rasch die Entwickelung vor sich 
gehen werde, wisse Niemand, die Sozialdemokraten 
hätten sie nicht in der Hand, sondern umgekehrt. 
Nicht in den Personen, sondern in den Dingen 
liege der Schwerpunkt. Darum gehe es auch 
genau so ohne Bismarck wie früher mit ihm. 
Wenn eines Tages alle jetzigen Reichstagsmit 
glieder sterben würden, so wäre in vier Wochen 
ein neuer Reichstag wieder da, ebenso schön wie 
der heutige. (Heiterkeit). Richter habe gesagt, 
die Krisis sei eine Folge der schlechten Ernten. 
Weshalb sei denn nicht schon längst eine Welt 
krisis gewesen? Weil früher nicht, wie jetzt, die 
Produktionsmittel vorhanden genesen seien und 
weil jetzt einzelne zu große Kapitalien existirten, 
die etwas unternehmen müßten, um sich zu ren- 
tiren, wobei der Gewinn in den Händen zu 
Weniger bleibe. Was Richter in seinem Buche 
als Zukunftsstaat schildere, sei nur dessen eigener. 
Sei Richter doch der Meinung, es werde in dem 
Zukunftsstaat einen Reichskanzler geben, der sich 
selbst seine Stiefel wichsen müsse. Wer sage denn, 
daß es nicht gelingen werde, Stiefelwichsmäschinen 
zu erfinden? Etwas Ehrenrührige? liege doch 
nicht im Stiefelwichsen. Redner habe jahrelang 
Stiefel gewichst und Stuben gescheuert und das 
sei ihm recht gut bekommen. So lächerliche Ein 
wände mache man gegen die Socialdemokratie. 
Ueberall in der jetzigen Gesellschaft seien schon 
die Keime des socialdemokratischen Zukunftsstaates 
zu finden, man denke nur an die Cartelle und 
die Trusts. Der Abgeordnete Bachem habe gefragt, 
was der Abgeordnete Singer machen würde, wenn 
er zum Director eines Bergwerkes erwählt würde? 
Glaube , denn Herr Bachem, daß das geschehen 
könnte? Dazu seien Techniker und Sachverständige 
da. Sollten diese einmal auswandern, so würden 
rasch neue produzirt werden. Ja, man glaube 
gar nicht, welche Summe von Intelligenz in den 
Arbeitern stecke. Der Arbeiter wisse alles, er 
kenne alles, er könne alles. So verbreitet wie 
Richter’s „Zukunftsbilder" sei Redners Buch „Die 
Frau" mindestens auch. Immer niehr und mehr 
schlössen sich die Frauen der Bewegung an. Wo 
sie ständen, da könne schließlich der Sieg nicht 
fehle». Redners Einwurf gegen Richter: „Sie 
haben keine Kinder", bedeute nur, daß jener nicht 
beurtheilen könne, wie einer kinderreichen Frau 
zu Muthe sei. Würde man sie fragen, so würde 
sie antworten, sie würde Gott danken, wenn sie 
die Kinder in einer Anstalt gut aufgehoben wüßte. 
(Widerspruch). Was seien denn die Kadetten- 
Anstalten anders? Herr Richter habe die Ge 
schichte vom Strampelhänschen erzählt, das sei 
das Kind der Sparagnes. (Große Heiterkeit. 
Zurufe: Nein, nein!) Das Strampelhänschen 
strampele sich bloß, erkälte sich und sterbe daran, 
das könne auch stets heute vorkommen. Was die 
Sparagnes betreffe, so sei allerdings möglich, daß 
eine Arbeiterin unter günstigen Verhältnissen mit 
den Jahren Ersparnisse machen könne, aber könne 
man dies verallgemeinern? Mädchen, die wahre 
Hungerlöhne bezögen, könnten nicht sparen. Wie 
könne man solche Ausnahmen als Typus hin 
stellen? Nie habe ein Sozialdemokrat gesagt, es 
solle Niemand sparen, sondern nur, Niemand 
könne auf Grund des Sparens zu einer besseren 
Lebenshaltung kommen. Dazu seien die Löhne 
zu gering. Man sage, die Sozialdemokraten 
machten die Arbeiter unzufrieden, aber auch die 
liberalen Blätter hätten zugegeben, daß die Un 
zufriedenheit die Quelle alles Fortschritts sei. 
, Staatssekretär v. Bötticher betont, er glaube 
nicht an den sozialistischen Zukunftsstaat, die So 
zialdemokraten selbst aber auch nicht. Der Be 
weis dafür liege darin, daß sie sich im bürger 
lichen Staate einzurichten suchten, was doch über- 
flüssig wäre, wenn 1898 der Zukunftsstaat ein 
träte. Ohne Autorität könne man keine neue 
Kulturstufe schaffen. Das eine Verdienst hätten 
d;e Sozialdemokraten, daß sie der Gesellschaft 
das Gewissen schärften. Heute gebe es keinen 
Staat, der so viel für die Arbeiter gethan habe 
nne Deutschland, und zwar nicht nur ohne sozial 
demokratische Mitwirkung, sondern sogar gegen sie. 
Abg. Koscielski (Pole) hält ebenfalls der 
Sozialdemokratie entgegen, daß sie nicht' mit 
einem klaren Plane ihrer Gesellschaftsordnung 
hervorgetreten sei. In beit polnischen Landes- 
tŖeuen gebe es wenig Sozialdemokraten. Wenn 
man dort nicht die Waffe der Religion abstumpfe, 
so konnte man den sozialistischen Irrlehren noch 
bester entgegentreten. Redner räth allen Par- 
Ä,® 1 ' kleinen Gegensätze ruhen und größere 
Gesichtspunkte hervortreten zu lasten, namentlich 
auch fur die Wehrkraft des Reiches. Dann wür 
ben auch die Sozialdemokraten einsehen, daß auf 
der alten Gesellschaftsordnung Gutes, Tüchtiges 
und Großes geleistet werden könne. 
Abg. Bachem (Centr.) bemerkt, daß Bebel 
auch über die sozialistische Gesellschaftsordnung 
keine Aufklärung gegeben habe. Die Sozial 
demokratie spreche nicht mehr vom Zilkunftsstaat 
oder der Revolution, sie sei also keine revolu 
tionäre Partei mehr, sondern nur der radikale 
Flügel der demokratischen Partei. Das sei das 
Ergebniß der Debatte. 
Ausland. 
Anhererrropäisch- Gebiete. 
Argentinien. Dem Reuter'schen Bureau 
wird aus Buenos Aires von heute ge 
meldet: 3000 Ansiedler aus der Provinz 
Santa Fö, mit Gewehren und mehreren 
Kanonen ausgerüstet, haben sich erhoben, 
um gegen die von Provinzialregierung auf 
erlegte Getreidestener Protest einzulegen. 
Der Gouverneur entsandte Truppen und 
Artillerie, um die Bewegung zu unterdrücken. 
Nach einer Meldung des Reuterschen 
Bureaus aus Bumbay vom heuti 
gen Tage hat das in Muttia stehende 
Dragoner-Regiment den Befehl erhalten, 
sich bereit zu halten, um demnächst nach 
Aegypten zu gehen. 
Melbourne, 6. Febr. Soweit bis jetzt 
bekannt, sind bei Ueberschwemnmngen im 
Gebiete von Brisbane (Queensland), wo- 
bei in der Stadt Ipswich zahlreiche Ge- 
bände beschädigt und weggeschwemnit wur 
den, 22 Personen umgekommen, doch be 
fürchtet man, daß die Anzahl der Umge- 
koninienen noch größer ist. Die Bevölker 
ung flüchtet sich auf hochgelegene Orte. 
Spanien. 
Barcelona, 6. Febr. Nach dem Schluß 
eines Meetings der Studirenden, welches 
zur Förderung der Erbauung einer prote 
stantischen Kapelle in Madrid einberufen 
war, griff ein von einer Frau ange 
führter Haufe von Anarchisten die Po 
lizei an und feuerte auf dieselbe. Zwei 
Polizisten wurden leicht verwundet. Die 
Gensdarmerie stellte die Ruhe wieder her. 
Sechs Verhaftungen wurden vorgenommen. 
Italien. 
Rom, 6. Febr. Gestern Abend ist Ba 
ron Michels Lazzaroni, ein Neffe 
des bereits eingekerkerten Kassirers der 
Banca Romana, verhaftet worden. 
Der junge Baron war nicht nur ein wag 
halsiger Spekulant, sondern auch ein glän 
zender Publizist; er schrieb u. A. ein mit 
großem Beifall aufgenommenes Buch über 
das Leben des Kolumbus. 
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Roman von Hermann Thom. 
Sie schrieb daher folgende Zeilen: 
„Wenn Sie einen Funken Erbarmen für 
Frau haben die Sie mit der ganzen 
-Nacht und Gluth der Leidentschaft liebt, 
0 besuchen Sie mich morgen zwischen sechs 
acht Uhr Abends. Mein Leben hängt 
der Erfüllung dieser Bitte ab. 
I Angelique." 
t Der Brief war vollendet; wie ihn aber 
^fördern? 
j, ^ie traute weder dem Bedienten noch 
Kammerjungfer; aber unter der 
il^nerschaft befand sich ein Mädchen von 
zwölf Jahren, eine Waise, die sie 
ft», Mitleid aufgenommen; es war dies ein 
î mes Kind, dessen Eltern bei dem Brand 
™ Bauernwirthschaft umkamen. 
5liif tQ ^urzo war es gewesen, der ihre 
werksamkeit auf das Kind lenkte, und 
Ļiebe hatte sie sich seiner an- 
Thg/^"' war die einzige und erste 
î lhres Lebens, 
ļï "eß es rufen. 
last un?K J* ötc şi' aU das Kind zag- 
ist Du Züchtern vor ihr stand, „Martha, 
vernünftig genug, einen Auftrag 
zu übernehmen?" 
„Zu Befehl, gnädigste Frau Baronin." 
Angelique reichte ihr den Brief. 
„Du hast nichts weiter zu thun, als ihn 
in den Briefkasten an der Ecke zu werfen. 
Mache schnell und stecke ihn gut in die 
Tasche, damit Du ihn nicht verlierst," und 
eigenhändig schob sie ihn hinein. 
Die kleine Martha, ganz beglückt durch 
das Vertrauen, welches die schöne Herrin 
ihr schenkte, ging hurtig in ihre Kanimer, 
um ihr Tuch zu holen, dann eilte sie zum 
Thore hinaus, lief schnell über den Platz 
zu der großen Laterne an der Ecke, wo, 
wie sie wußte, der Briefkasten war. 
Sie steckte rasch die Hand in die Tasche, 
aber zu ihrem Entsetzen kann sie den Brief 
nicht finden. Die Kleine, ganz verwirrt, 
lief in das erste beste Haus. Sie war 
nach der Art der ungarischen Bäuerinnen 
gekleidet; der erste Rock hatte keine Tasche. 
Sie fing an, mit zitternden Händen und 
klopfendem Herzen den Brief zu suchen, 
der nun einmal nicht mehr zum Vorschein 
kam. Sie lief zurück, die Treppe hinauf 
in ihre Kammer, denkend, sie habe ihn auf 
dem Wege verloren. Aber weder auf der 
Treppe, noch auf dem Gange oder irgend 
sonsttvo, war der Brief zu finden. 
Was sollte sie nun thun? Ihrer Ge- 
bieterm sagen, sie habe ihn verloren — 
nein, das wollte sie nicht, sie fürchtete 
ihren Zorn. Wie, wenn man sie dann 
wieder hinausstoßen würde in die weite 
Welt, wo sie frieren und hungern müßte, 
wie damals. Nein, sie wird es ihr nicht 
sagen. In ihrer kindlichen Einfalt dachte 
sie: Gewiß wird irgend Jemand den 
Brief finden und ihn statt Deiner in den 
Kasten werfen. Schweigen schien ihr das 
Rathsamste. 
Am folgenden Morgen zeigte sich An 
gelique wieder vollkommen hergestellt. Jede 
Spur der lästigen Migräne war ver 
schwunden. 
Ihre Wangen, zart angehaucht, zeigten 
keine Spur von Aufregung, ihre Augen 
hatten den gewohnten schelmischen Ausdruck 
und sie bemühte sich, besonders liebens 
würdig und heiter ihrem Gatten gegenüber 
zu sein, der in die Zeitungen vertieft schien 
und sie fragte, ob sie für den heutigen 
Tag schon ihre Pläne gemacht habe. 
„Da Du heute Abend nicht zu Hause 
bist, so muß mein Programm ein sehr ein 
faches sein. Ich iverde musiciren." 
Baron Plenk lächelte. 
Richtig, heute ist ja der sogenannte 
Herrenabend im Casino, zudem habe ich ja 
einen Vortrag zu halten. Vor neun Uhr 
dürfte ich kaum zurück sein." 
Der Tag verging ziemlich rasch. Eine 
kurze Promenade vor dem Diner, dann 
kam der Abend, der verhängnißvolle Abend, 
welcher über das Schicksal Angelique's 
entscheiden sollte. 
Etwas nach fünf Uhr rrat Baron Plenk 
in das duftende Boudoir seiner Frau und 
nahm Abschied. 
Sie reichte ihm ihre Hand mit einem 
liebrerzenden Gesicht; er hielt sie einen 
Augenblick und betrachtete sie, dann sagte er: 
„Gieb mir einen Kuß, Angelique." 
.„Dieser Abschied klingt ja ordentlich 
ftierlich, sagte sie, indem sie ihm die 
Wange reichte. Er erwiderte nichts und 
kurz darauf war sie allein, allein mit ihrer 
wilden Leidenschaft, ihrem sündigen Vor 
satz und ihren getheilten Gefühlen von 
Hoffnung und banger Angst, er könnte 
nicht kommen. 
Sie ließ die Lampe in ihr Boudoir 
bringen und nahm ein Buch zur Hand, 
während ihre ganze Aufmerksamkeit der 
Straße zugewendet war. 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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