Full text: Newspaper volume (1893, Bd. 1)

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1. Iebruar 
Morgen-Depeschen. 
Berlin, 1. Febr. Die Heilsarmee 
hatte sich an das Kriegsministerium 
mit der Bitte gewandt, ihr doch die alten 
ausrangirten Pferdedecken zu überlassen, 
um mit diesen die Armen vor der Kälte 
in den Wohnungen zu schützen. Diese 
Bitte ist indeß abschlägig beschieden wor 
den. 
Breslau, 31. Jan. Der Herzog von 
Ratibor, Präsident des Herrenhauses, ist 
gestern Abend gestorben. 
Breslau, 31. Jan. Theilnehmer an 
der Versammlung der Arbeitslosen zogen 
heute Nachmittag um 5 Uhr geschlossen 
auf den Ring, Hunger! rufend. Der 
Versuch, ins Rathhaus zu dringen wurde 
vereitelt und die Menge zerstreut. 
Zandvoort, 31. Jan. Es ist hier an 
den Strand eine Flasche gespült, in welcher 
sich ein Stück Papier befand, worauf Fol 
gendes in englischer Sprache geschrieben 
war: „Die britische Bark „Queen" ken 
terte auf See; keine Hoffnung für uns; 
wir erwarten unser Grab in den Wellen." 
Manchester, 31. Jan. Nach den neuesten 
Nachrichten scheinen die Baumwollenspinner 
zwar bereit, den Streik fortzusetzen, doch 
hat die übergroße Noth bereits an 2000 
wieder in die Arbeit getrieben. Nach zu 
verlässiger Berechnung hat der Streik den 
Arbeitern bisher, d. h. in 12 Wochen, 
900000 Sterl. durch Verlust an Löhnen 
gekostet. Das Gros der Arbeiter ist zur 
Fortsetzung des Ausstandes entschlossen, 
da das Resultat für die zukünftige Lohn 
gestaltung überhaupt entscheidend sein wird. 
Charleroi, 31. Jan. Gestern fand man 
im Walde nahe bei der Stadt die Leichen 
eines fünf- und eines siebenjährigen Mäd 
chens, welche seit Sonntag verschwunden 
waren. Eine derselben war vergewaltigt. 
Die Polizei ist auf der Spur des Mörders. 
Der Bürgermeister von Nogcnt sur 
Marne, Grondet, wurde wegen Diebstahls 
von 80000 Fr. ungarischer Rententitel, 
welche einer Offizierwittwe gehörten, ver 
haftet. 
Petersburg, 31. Jan. In der Fabrik 
für rauchloses Pulver für Heereszwecke in 
Kasan explodirten gestern ca. 50 Pud 
Pyroxylin. Zehn Personen wurden schwer 
verletzt, 4 derselben sind bereits ihren Ver 
letzungen erlegen. Der Materialschaden ist 
sehr bedeutend. 
Newyork, 31. Jan. Es verlautet, daß 
die Königin von Hawaii die Unterstützung 
Englands anrufen werde. In wenigen Ta 
gen werden englische Kriegsschiffe auf den 
Sandwich-Inseln erwartet. Im Senate 
haben sich mehrere Mitglieder für Annexion 
der Inseln ausgesprochen, und glaubt man 
allgemein, daß ein englisch-amerikanisches 
Protektorat errichtet werden wird. 
Newyork, 31. Jan. Die englische Re- 
gierung hat gegen das Vorgehen der Ber- 
einigten Staaten in der Hawaiischen An- 
gclegenheit Verwahrung eingelegt. 
IMamslMom in àMiMr- 
Jioniimflîon. 
Abg. Lieber (Centr.) vermißt jede ernst- 
liche Inangriffnahme einer Politik, welche 
über den Dreibund hinaus geeignet ist, 
den Frieden zu sichern. Und doch hat man 
in Deutschland den Anfang mit dem Mi< 
litarismus gemacht. Was soll nun werden, 
wenn Rußland bei seiner Entwickelungs 
fähigkeit unsere Steigerung der Wehrkraft 
seinerseits wieder überbietet? Der zwingende 
Beweis ist nicht erbracht, daß diese Vor 
lage gerade nöthig ist und den Frieden 
sichert; ebensowenig ist der Gegenbeweis 
geführt, daß unser Angebot nicht schon ein 
wirksames Mittel zur Sicherung des Frie 
dens darbietet. Das Angebot, ivelches wir 
in Uebereinstimmung mit beit Abgg. Richter 
und Payer gemacht haben, ist doch wahr 
lich kein Pappenstiel! In dieser Höhe ist 
noch niemals ein Angebot im Reichstage 
gemacht worden. Der Reichskanzler meinte, 
es wäre nicht mannhaft, auf momentane 
Verstimmungen in Volkskreisen Rücksicht 
zu nehmen. Von anderer Seite hat man 
einen Mangel von Muth vermißt bei den 
jenigen, welche nicht im Gegensatz zu ihren 
Wählern der Vorlage zustimmen wollen. 
Es fordert aber wahrlich größeren Mannes 
muth, gegenüber den verbündeten Regierun 
gen seine Ueberzeugung zu bethätigen, als 
umgekehrt. Freilich huldige ich nicht der 
Lehre vom beschränkten Unterthanenver 
stande und gebe dem Frhrn. v. Stumm 
nicht zu, daß die Regierung einsichtiger rst, 
als wir, und wir einsichtiger als die Wähler. 
Im Gegentheil habe ich behauptet, daß wir 
in Bezug auf die Bemessung der Wirth- 
schaftlichen Leistungsfähigkeit sachverständiger 
sind als die Regierung. Die Abgg. Richter 
und Hinze haben aber auch auf militäri 
schem Gebiete mit der Militärverwaltung 
einen nicht ganz erfolglosen Streit geführt. 
Wir glauben, es verantworten zu können, 
wenn wir unangemessenen Forderungen 
gegenüber nein sagen. Wir halten unser 
Angebot aufrecht, gehen aber nicht 
darüber hinaus. 
Reichskanzler Graf Caprivi: Auf die 
Frage, was geschehen sei, um über den 
Dreibund hinaus den Frieden zu sichern, 
kann ich nur verweisen ans die Politik 
unserer Handelsverträge. Nach einer an 
dern Richtung hin ähnliche Schritte zu 
thun, ist zur Zeit unmöglich. Wir würden 
zu einer Umwandlung Europa's in einen 
Bund friedlicher Staaten gelangen können, 
wenn auch Frankreich hierfür gewonnen 
werden könnte. Wir können uns aber doch 
Frankreich nicht bittend nahen. Daß aber 
Frankreich aus eigener Initiative gesonnen 
ist, mit uns in ein Friedensbündniß einzu 
treten, wird Niemand glauben. Ich per 
sönlich bin überzeugt, daß innerhalb der 
nächsten Dezennien rein aus wirthschaft- 
lichen Interessen eine Annäherung euro 
päischer Staaten nothwendig wird gegen 
über anderen wirthschaftlichen Interessen. 
In dieser Richtung haben auch Handels 
verträge eine gewisse Bedeutung. Es kann 
sein, daß Preußen den Anfang mit dem 
Militarisnnis gemacht hat, aber das war 
nothwendig, Deutschlands wegen. Wir kön 
nen auch nicht das Gute und Nothwendige 
im Militarismus jetzt fallen lassen. Es 
handelt sich darum, was an Geld und 
Mannschaften angewendet werden kann, um 
im nächsten Kriege, auch mit zwei Fronten, 
eine Deutschlands würdige Kraftleistung zu 
machen. Gegenüber Frankreich brauchen 
wir die Mittel, um einen Krieg, wenn auch 
nicht mit dem Hurrah von 1870, so doch 
in einer nicht bloß ehrenvollen, sondern 
auch erfolgreichen Weise bestehen zu können. 
Zum Schluß meiner Betheiligung an der 
Generaldiskussion bemerke ich noch Folgen 
des : Ich zweifle bei keinem Mitgliede dieser 
Kommission und des Reichstages an dem 
Patriotismus, ich zweifle auch nicht daran, 
daß alle bewilligen wollen, was erforderlich 
ist zur Erhaltung unseres Staatswesens. 
Nur in Betreff des Maßes, das erforder 
lich ist und dessen, was geleistet werden 
kann, sind wir nicht einig. Ich hoffe aber, 
daß es mir gelingen wird, in den Spezial 
diskussionen auch den Abg. Lieber zu über 
zeugen, daß das, was er angeboten hat, 
nicht hinreicht, um das zu erreichen, was 
der Patriotismus fordert. 
Ņbg. Frhr. v. Stumm: Bei dieser Vor 
lage ist allerdings die Regierung besser 
orientirt als wir, und wir sind besser 
orieniirt als die Wähler. Hätten alle 
Wähler die erste Rede des Reichskanzlers 
in der Kommission hören können, so wür 
den sie von derselben überzeugt worden sein. 
Das Angebot einer verstärkten Aushebung 
im Rahmen der Friedenspräsenzstärke ist 
noch weniger als ein Pappenstiel, denn es 
würde dadurch das Heer verschlechtert wer 
den. Redner meint, daß in den zahlen 
mäßigen Beweisführungen die Regierung 
gegenüber den Abgg. Hinze und Richter 
Recht behalten habe. Herr Richter hat 
selbst zugestanden, daß die französischen 
Regimenter Kadres von 36 Mann besitzen. 
Wenn er solche Kadres auch für Deutsch 
land zugestehen will, so nehme ich davon 
Akt. Unanfechtbar ist, daß Frankreich jetzt 
30000 Rekruten mehr ausbildet als Deutsch 
land. 
Abg. Richter: Ich habe gerade aus 
geführt, daß man in Frankreich mehr und 
mehr abgekommen ist von dem System, be 
sondere Kadres für Kriegsformationen im 
Frieden zu halten, und daß das jetzige 
Kadre von 36 Mann pro Regiment nur 
der Ueberrest ist früherer größerer Kadres. 
Ein solches Kadre könnte allerdings für 
Deutschland innerhalb der Friedenspräsenz 
stärke gebildet werden, wenn man nur die 
vorhandenen 3 Bataillone des Regiments 
in ihrem Präsenzstand um je 12 Mann 
verringert. Die Frage, wie weit eine 
stärkere Rekrutenaushebung Frankreichs in 
Betracht kommt, ist noch gar nicht int ein- 
zelnen erörtert worden. Es kann also 
darüber auch nicht, wie Frhr. v. Stumm 
meint, etwas festgestellt sein. Die sranzö- 
fischen Jnfanteriebataillone sind 450 Mann 
stark, darunter sind 76 Unteroffiziere. Es 
geht schon daraus hervor, daß die franzö 
sischen Bataillone gar nicht in der Lage 
sind, auch nur 200 Mann jährlich an . Re- 
kruten einzustellen, während alle deutschen 
Bataillone jährlich weit mehr Rekruten 
einstellen. 
Ansîattd. 
England. 
London, 29. Jan. Nach einem gestern 
veröffentlichten Berichte des Ministers des 
Innern sind im Jahre 1891 in der Graf 
schaft London nach den Aussprüchen der 
Leichenschau-Juries nicht weniger als 3 0 
M e n s ch e n v e r h u n g e r t. In der Hälfte 
der Fälle läßt sich allerdings nachweisen, 
daß die Mittellosen nicht um Aufnahme ins 
Arbeitshaus nachgesucht haben und Nie 
mand von den Verhungerten hat öffent 
liche Unterstützung erhalten. Die meisten 
43) 
Damon Liebe. 
Roman von Hermann Thon,. 
Es war ein wilder Blick, den der Vater 
auf ein Bild warf, daß über seinem Bette 
hing, als er mit dem zerknitterten Brief 
hinzutrat. Es war ein Kindergesicht, schlecht 
gemalt, eckig in den Formen und dennoch 
lieblich in seinem Ausdruck. Ueber diesem 
Bilde hing noch eine Photographie seiner 
Wabeln, seines früh dahingeschiedenen 
Weibes. 
„Waberl, mein Waberle, hast Du mir 
wirklich dieses Scheusal geboren?" und er 
rang verzweifelt die Hände, dann riß er 
das Kinderbild vom Nagel, schleuderte es 
zu Botzen und trat mit den Füßen darauf. 
JL>et ver —i Nein, Gott helfe mir. Meine 
âw ich hà es Dir auf dem Todtenbctte 
gelobt, nie mehr zu fluchen - ich will sie 
schonen - Dir zu Liebe." 
Und somit drängte er den Fluch zurück, 
der auf semen Lippen zitterte, wie das 
fallende Laub den ersterbenden Baum Aber 
er wollte nichts mehr von ihr wissen- er 
beschloß, jede Spur von ihrer Existenz zu 
vernichten. 
Auch von dem Kinde der Schande, für 
das in seinem Herzen das Mitleid sich 
regte wollte er nichts weiter erfahren. Und 
er zerriß auf kleine Stücke jeden Brief und 
jeden Zettel, sowie die Abschrift des Zeug 
nisses ans dem Findelhaus: wodurch es 
ihm vielleicht doch ermöglicht gewesen wäre, 
das Kind zu erforschen. Und als Alles 
vernichtet war, da kniete er nieder vor dem 
Bilde seiner Frau. 
„Wabi, Wabi, wenn nur sie in jcner 
Nacht gestorben wäre, statt Dir." 
Dann sprang er auf. 
„Das Geld aber, was hat die Mutter 
mit dem Geld gemacht? — Arme alte Mutter, 
die von ihren Pferden niedergestoßen 
wurde!" — Das Blut schoß ihm in zorniger 
Aufwallung in die Wangen und die Adern 
seiner gebräunten Stirn schwollen an. 
Er stieß den zertretenen Rahmen des 
Bildes seiner Tochter, das er so oft unter 
Thränen des Schmerzes geküßt, mit dem 
Fuße von sich und dann wankte er zur 
Thür hinaus zum Sterbebette seiner Mutter. 
Sic lag noch mit offenen Augen, schwer 
athmend, den Blick auf die Thür gerichtet, 
als ob sie noch den Sohn erwartete. 
„Lisel, lasse uns allein," sagte er zu dem 
weinenden Mädchen. 
„Frau Mutter, ich weiß jetzt Alles, aber 
das Geld, was geschah damit?" 
Er vergaß nie den sterbenden Blick, der 
sein Auge traf und dann auf einen kleinen 
Schrank neben dem Bette haften blieb. 
, Ein langer Seufzer und es war vorbei, 
die alte Großmutter war nun todt, als ob 
sie nur den letzte Besuch ihre Sohnes hatte 
abwarten wollen. 
Er kniete nieder und drückte ihr die 
Augen zu. 
„Arme Mutter!" — Hast es gut gemeint, 
Gott gebe Dir die ewige Ruhe und den 
Frieden!" 
Dann öffnete er den Schrank, und wie 
es ihr Blick angedeutet hatte, so war es. 
Die hundert Gulden lagen in einem Zettel, 
der die Worte enthielt: 
„Ich mußte es behalten, weil ich Fina 
nicht finden konnte." 
Was sollte er damit machen? Er konnte 
sie ebensowenig zurückgeben. — Er beschloß, 
sie den Armen des Ortes zu schenken. Dann 
rief er Lisel herein. 
„Unsere Arme hat ausgelitten," sagte 
er und ließ sie allein mit ihrem Schmerze 
um die einzige Freundin, die sie je gehabt. 
Nach dem Begräbniß, das sie noch daheim 
abgewartet hatte, lud er sie ein, ihm in 
sein Zimmer zu folgen. 
„Mein Kind," hob er an. „Es thut 
mir herzlich leid, daß ich Dir sagen muß: 
Gehe, denn das Unglück ist über mein Haus 
hereingebrochen, und wer weiß, was mir 
noch bevorsteht. 
„Ich sage Dir es offen, ich will kein 
Weibsbild mehr um mich haben — aber 
Du warst die Versprochene meines August; 
heute oder morgen könntest Du einen 
Stohpfeuning gebrauchen. Ich gebe Dir 
ein Sparkassenbuch auf Deinen Namen Elise 
Wiesenbach, es sind achthundert Gulden 
darauf, wenn Du sie liegen läß, kann das 
Geld heranwachsen und kommst in Noth, 
dann hast was. 
„Grüß Gott, Lisel — wenn Du einen 
braven Mann findest, so sage es mir — 
und Du kannst auf die Aussteuer 
rechnen, die für den August bestimmt war." 
„Ich bleib meinem August treu bis zum 
Tod. Nur Eines möchte ich bitten, Herr 
Vater, daß, wenn ich sterbe, ich in sein 
Grab hinein gelegt werden könnte." 
„Du wirst Dich schon an einen Andern 
wenden müssen; ich werde nicht lange mehr 
auf dieser Erde bleiben." 
Er gab ihr einen Kuß auf die Stirn, 
sie küßte ihm die Hand und bat nieder 
knieend um seinen Segen, daß es ihr gut 
gehen möge in der Fremde. 
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