AdonnemeatSPreiS:
Vierteljährlich 2 M — frei ins Haus geliefert
2 M 15 H,
für Auswärtige, die das Blatt durch die Post
beziehen 2 M 25 3,
incl. Postprovision rc., jedoch ohne Bestellgeld.
Xo. 1.
82ster
Mittwoch,
sCW7
"x&ļ
Jņfertioņsorei«:
Petitzeile oder deren Raum 15
Jahrg.
""d dem Blatt monatlich einmal.
Sr L
N&rv'j^
Landwirth" gratis beigegeben.
2. Januar.
«88N.
Ausland.
Außereuropäische Reiche.
— Einer telegraphischen Meldung aus
Suakin zufolge traf über Kassala ein G r i e ch e
aus C h a r t u m ein, der Chartum vor zwei
Monaten verließ. Derselbe giebt an, in
Chartum sei von einer Eroberung der Acgua-
torial-Provinzen durch den M a h d i und von
einer Gefangennahme Emin Paschas durchaus
nichts bekannt, vielmehr sollten die Streit-
kräfte des Mahdis in dem Gebiete von Bahr-
el-Ghazal zweimal geschlagen sein.
In Quilou an der Küste von Malabar
(Ostindien) ist die Cholera ausgebrochen.
2000 Christen sind daran gestorben, die Pflege
der Erkrankten übernahmen italienische Kar
meliter.
p n ^ er Mandschurei haben verheerende
Ueberschwemmungcn mit großem Menschcn-
verlust stattgefunden.
Newhork, 31. Decbr. Der „Newyorker
Herald" dementirt die von ihm gebrachte
Nachricht ans ÄNexrko, was wir noch in einem
Theil unserer Montags-Ausgabe berichtigen
konnten.
Oesterreich.
Wien, 31. Decbr. Der Kongreß der
österreichischen Socialdemokraten in
Hainfeld nahm ein weitgehendes sozialdemo
kratisches Programm mit allen gegen drei
Stimmen an. Das Programm besagt: Die
sozialdemokratische Arbeiterpartei in Oesterreich
ist eine internationale Partei. Sie verurtheilt
die Vorrechte der Nationen, der Geburt, des
Besitzes und der Abstammung; sie wird für
die Beseitigung aller Fesseln der freien Mei
nungsäußerung eintreten, für das allgemeine
gleiche und directe Wahlrecht, für Diäten
bezug aller Vertretungskörpcr, für lückenlose
und ehrliche Arbeiterschutz-Gesetzgebung, für
obligatorischen unentgeltlichen, confessionslosen
Unterricht und für Trennung der Kirche vom
Staate Sodann wurde die Einigung sämmt
licher sozialdemokratischen Fraktionen formell
ausgesprochen. Hiedurch scheint der Anarchis
mus in der Arbeiterschaft überwunden zu sein.
~~ Ļi»ļ wurde am Sonnabend zwischen
Ņends der Hausbesitzer Ferdinand
Massel, welcher eine Branntweinschänke besitzt,
m derselben mit durchschnittenem Halse von
seiner Frau aufgefunden. Derselbe^kam nicht
zur Zeit nach seiner Wohnung und die Frau
ging ihn abzuholen. Er saß um 6 Uhr noch
oel einem Tisch und las eine Zeitung. Da
mals war Niemand in der Schänke, er wollte
Steuern zahlen und hatte das Geld hierzu
vorbereitet, welches er in der Seitentasche trug.
67) Schicksakswege.
Roman in zwei Abtheilungen ton «»th» „» jjrtfltntra.
Sechstes Kapitel.
„Hans, Hans, Hans! Komm, alter
Kerl! Warum rollst Du so furchtbar mit
den Augen? Sei doch kein Thor! Komm!"
Mit diesen Worten versuchte eine stattliche
Dame in maisgelbem, mit Crsmespitzen gar-
nirten Kleide und langen, der Farbe ange
paßten Handschuhen auf den wohlge
formten Armen, — einen starken Rehbock,
der mit einigen Ricken in einem kleinen Ge
hege de« Schloßparkes von Heiligensec in
Schlesien gehalten wurde, einige Brodstückchen
zu reichen.
Das Thier schien jedoch heute besonders
störrisch zu sein, und hielt sich von der Ru-
j entfernt, so daß diese endlich den
versuch aufgab, das böse Thier durch gebotene
-.eckerbissen zur Vernunft zn bringen. Sie
warf dem Mntterwild eine Hand voll Brod
stückchen hin und stieg dann eine Terraffe
hinab, welche unter einer uralten Linde hin
durch zu einem Teich und über eine lange
schmale Brücke zu einer entzückend malerisch
darin gelegenen Insel führte. Drei Eichen,
wahre Baumriesen, und zwei Platanen be
schatteten dieses kleine Eiland auf allen Seiten,
Die Mörder haben ihm zuvor mit einem
großen Stein . einen Schlag auf den Kopf
versetzt und ihn dann abgeschlachtet. Die
Seitentasche ist umgewendet, die Geldlade liegt
leer am Boden, die Uhrkette war abgerissen
und die Uhr weggenommen. Der Mord, der
an einer Straßenstelle stattfand, wo unmittel
bar aus dem Haus anstoßend der Gasthof
„zum goldenen Adler" und vis-ä-vis das Lwtel
Erzherzog Karl sich befindet, muß mit großem
Raffinement vollbracht worden sein, da von
den eigenen vielfachen Hausbewohnern kein
Mensch auch nur einen Laut hörte oder sonst
etwas Verdächtiges wahrnahm.
Frankreich.
Paris, 31. Dec. Gestern fand eine Ver
sammlung von Wählern aller republika
nischen Parteien statt. Dieselbe beschloß,
einen großen republikanischen Wahlkongreß
einzuberufen, der Senatoren, Generalräthe,
Arrondissementsräthe, Gemcindcräthe dcsSeine-
departemcnts, die Antiboulangisten und Repu
blikaner sind, sowie Vertreter der gesummten
antiboulangistischen Presse und Delegirte der
antiboulangistischen Comites aller Gemeinden
umfassen soll. Es wurde ein Jnitiativ-
Comits gewählt, dem Mitglieder aller repu
blikanischen Parteien angehören. — Derou-
lède beschwört Antoine, den er bewundert, in
einem ^ Briefe, welchen der „Jntransigeant"
publizirt, seine Kandidatur in Paris nicht
aufzustellen, weil er sonst genöthigt wäre, ihn
zu bekämpfen.
Spanien.
Madrid, 31. Dec. Eine neue Pulver-
explosion, die dritte in acht Tagen, hat
in letzter Nacht in dem Hanse d?S konser
vativen und des republikanischen Klubs statt
gefunden. Niemand wurde getödtet. Der
Thäter ist unbekannt.
Belgien.
Lüttich, 1. Jan. (H. C.) Am Sonntag
fand hier eine von zahlreichen Katholiken be
suchte Versammlung statt. Den Vorsitz führte
Bischof Doutreloux. Nach mehreren Reden
zu Gunsten der weltlichen Macht des Papstes
wurde eine Resolution angenommen, in
welcher die Zurückforderung dieser Macht sehr
scharf betont wird.
England.
London, 1. Jan. Eine wahre Mordsucht
scheint in England ausgebrochen zu sein.
Man scheut sich in der That, Alles zu be
berichten, was auswärtige Blätter darüber
veröffentlichen. Entsetzliche Morde, welche
an die Londoner Verbrechen erinnern, deren
unheimlicher Thäter sich bis jetzt allen Nach
forschungen zu entziehen gewußt hat, sind jetzt
in mehreren Orten verübt worden. In Brad
ford wurde, wie man der „Voss. Ztg."
meldet, am Sonnabend in einem Stalle in
Thorncliffe. Road ein achtjähriger Knabe,
der seit drei Tagen vermißt wurde, ermordet
und nach Art der Whitechapler Morde ver
stümmelt vorgefunden. Die beiden Beine,
die Ohren und andere Glieder sind vom
Rumpfe getrennt. Der Unterleib ist aufge
schlitzt, das Herz und die Eingeweide heraus
gerissen. Ferner wurde in Kilwick, einem
Dorfe unweit Keighly in Porkshire, ein zwei
ter Knabe ermordet und verstümmelt auf
gefunden. Die Polizei in Bradford verhaf
tete einen Milchmann, der zuletzt in Gesell
schaft des dort ermordeten Knaben gesehen
wurde. — Ich Ganzen sollen acht Morde
gemeldet worden sein.
Inland.
Berlin, 2. Jan. Der Kaiser wohnte
am Sonntag dem Gottesdienst im Dom bei.
Später ließ sich derselbe vom Grafen Walder-
sce Vortrag halten und nahm persönliche
Meldungen entgegen. — Am Montag Nach
mittag haben der Kaiser und die Kaiserin
sich nach Potsdam und von dort nach Char
lottenburg begeben, um dort in der Friedens
kirche am Sarge Kaiser Friedrichs und im
Mausoleum von Charlottenburg am Sarge
Kaiser Wilhelms in stillem Gedenken zu ver
weilen.
Berlin, 31. Dec. Der Kaiser und die
Kaiserin begaben sich Nachmittags nach
Potsdanl und nach dem Mausoleum in
Charlottenburg und legten dort Kränze aus
die Särge Kaiser Friedrichs und Kaiser
Wilhelms nieder. Das badische Großherzog
liche Paar begab sich gleichfalls nach Pots
dam und legte einen Kranz am Sarge Kaiser
Friedrichs nieder.
Berlin, 1. Januar. Der Neujahrs-
empfang bei dem Kaiserpaare fand in pro
grammmäßiger Weise statt. Nach demselben
begab sich das Kaiserpaar zur Gratulation
bei der Kaiserin Augusta. — Bei der heuti
gst großen Defilircour zeichnete der Kaiser
einzelne Personen durch kurze huldvolle An
sprachen aus; gutem Vernehmen nach sind aber
irgendwelche auf die Politik bezügliche Aeuße
rungen dabei nicht vorgekommen.
— Wie die „Börsen-Ztg." hört, soll über
die nächstjährigen KaisermanLver die
Allerhöchste Entscheidung noch nicht getroffen
nnd an dem kühlsten Plätzchen befand sich ein
leichtes luftiges Zelt, welches mit eisernen
Gartenmöbeln ausgestattet war. Hier gedachte
die Daherkommende Platz zu nehmen, schien
aber in ihrem Vorsatz schwankend zu werden,
als sie den alten Gärtner, — welcher sie
Htit „guten Morgen, gnädigste Gräfin" be-
ģ^'şike, — beschäftigt fand, die mannigfachen,
wie Guirlanden gezogenen Rankengewächse,
aufzubinden.^ Die Herrin des Schlosses, als
we.che wir sie nach der Begrüßung des alten
Gärtners wohl erkannt haben, schien den
Munn durch ihre Gegenwart in der Arbeit
Nlcht stören zu wollen und trat daher auf die
Seite der Insel, welche nach der ausgedehnten
Fläche des Schloßteiches -r aelegen. Hier
hatte sie nicht erst nöthig, ihr „Hans, Haus,,
ertönen zu lasten; denn von verschiedenen
Seiten kamen Schwäne durch die klare Fluth
dahergeschoffen, die begierig die gespendeten
Bissen verschlangen.
„Afra, Afra, wo bist Du?"
„Hier! — Kommst Du endlich Fritz?
-7- Sag mir, Bester, werden uns die Schwäne
nicht die Forellen vertilgen?"
„Hier im Tiefen werden sie wohl keine
bekommen, aber mit Rücksicht auf Deine
Lieblinge, die Forellen, auf die Augenweide
schaffen wir die Schwäne nach dem Wald
teich in der Fasanerie.
Ist es Dir recht, Afra, wenn wir sofort
nach der Fasanerie gehen? Ich gebe dann
dem Fasanenmeister Auftrag und werfe zu
gleich von der Krähcnhütte aus einen Blick
hinüber nach dem Haferschlag, um mich zu
überzeugen, wie weit Schubert mit dem Ein-
fahreNş ist. Das Barometer steht auf ver
änderlich und ich fürchte, wir bekomme» Ge-
wrtter.
„Prachtvoll, Fritz! Bin ich auch eigent
lich nicht recht mit meiner Toilette darauf
eingerichtet, mit Dir einen längeren Spazier
gang durch Wald und Feld zu machen, s,
ist es recht gut, wenn ich mich sobald wie
möglich den Leuten zeige, daß die neue Herrin
von Heiligensee auch die hier in der Gegend
sprüchwörtlich gewordene offene Hand Deiner
für Alle viel zu früh dahingeschiedenen Frau
besitzt. Laßt uns also gehen, und ich will
mich, — wie Du mir erzählt, — von den
Mägden binden lassen, um mich dann durch
ein tüchtiges Lösegeld bei den Arbeitern frei
zu kaufen. Aber darf ich den Tesching mit
nehmen? Vielleicht kämme ich auf einen
Raubvogel oder eine der vielen Elstern zum
Schuß! Du lächelst'? Hält mein Herr
und Gemahl mich für unweiblich, wenn ich
immer an den Sport in der einen oder an
sein.. Auf keinen Fall dürfte ein Manöver
vor dem obersten Kriegsherrn beim 1. Armee-
corps stattfinden, da solches erst 1887 abge
halten ist; auch wohl nicht beim 5. und 6.
Corps. Wenn die Reihenfolge wie früher
eingehalten wird, würde daS 9. und 10. Corps
die Auszeichnung treffen, vor dem Kaiser zu
manövriren. Die letzten Kaisermanöver in
Hannover und Schleswig-.Holstein fanden
1881 statt.
Zum 1. Januar 1889 sind von Seiten
der Truppentheile Berichte an das Kriegs
ministerium über das Bajonnettfechten
fällig, in welchen diese sich darüber äußern,
ob unter den heutigen Verhältnissen das
Bajonnetfechten beibehalten werden soll oder
nicht.
Berlin, 31. Decbr. Sämmtliche Blätter
stellen Betrachtungen über das abgelaufene
Jahr und über die allgemeine Lage
beim Beginn des neuen Jahres an. Die
„Nordd. Al lg. Ztg." schreibt dabei in
chrer Rundschau: „Die Jahreswende vollzieht
sich auf internationalem Gebiete in so nor
maler Weise, als den obwaltenden Umständen
nach nur gewünscht werden kann. Der Grund-,
charakter der allgemeinen Situation geht zwar
unverändert aus dem alten ins neue Jahr
hinüber, doch ist zur Zeit wenigstens nirgendwo
das Streben bemerkbar, die Lage tendenziös zu
erschweren. Selbst der noch in letzter Stunde
auf tunesischem Boden wieder angefachte fran
zösisch-italienische Interessengegensatz dürfte ohne
belangreichen Folgen bleiben."
Die „Nat.-Lib. Corr." widmet der
Weltlage beim Jahreswechsel eine
Betrachtung, welche nach Erörterung des Ver
hältnisses Deutschlands zu Rm-land nnd
Frankreich folgendermaßen schließt: „Das
deutsche Volk wird sich gewiß keinen uuberech
tigten Illusionen hingeben. Die Weltlage
>vird ernst und gefahrdrohend noch für lange
Jahre bleiben; nationale Gegensätze, wie sie
nun einmal zwischen Frankreich und Deutsch
land bestehen, haben lange bestanden und
werden stets einen Zündstoff in sich tragen,
der bei allen möglichen unvorhergesehenen
Anlässen zum Ausbruch kommen kann. Wir
haben das Bewußtsein, auf alle Wendungen
gefaßt zu sein und unsere militärische Rüstung
dermaßen vervollkommt zu haben, daß wir
Ucberraschungen nicht zu fürchten brauchen.
Aber soweit es eben in dieser ernsten Welt
lage gestattet ist, kann man dem neuen Jahr
mit Vertrauen in die Erhaltung des Friedens
entgegengehen.
_ Für alle Reichsbeamten, welche noch
keine Uniform besaßen, ist nunmehr das Muster
deren Gestalt denke? — Nein? — Nun
dann gieb mir ganz schnell einen Kuß, —
hier wo uns der Gärtner nicht sicht! In
den Flitterwochen ist solche Tändelei ja wohl
erlaubt?"
„Dir, Afra, ist Alles erlaubt. Hat Dich
mir doch Hertha durch die hinterlassenen
Worte „ich empfehle „tbs sun“ angelegent
lichst Afra's Fürsorge" direct als ihre Nach
folgerin bezeichnet."
„Dann laß mich doch gehen, den Tesching
zu holen."
„Nicht doch, — wir senden den Gärtner."
„Fromuth, bitte, gehen Sie einmal schnell
in. das Schloß und lassen Sic sich vom
Leibjäger der Gräfin Tesching mit der dazu
gehörigen Patronentasche geben. Aber schnell,
alter Freund!"
Nach wenigen Minuten überbrachte der
Leibjäger den befohlenen eleganten Tesching
und Graf Loebenthal reichte seiner Gemahlin
den Arm zu der beabsichtigten Promenade.
Das gräfliche Paar verließ die Insel,
durchschritt auf wohlgehaltenen Kieswegen
emen sich vielfach schlängelnden Pfad, der
zwischen geschorenen Rasenflächen und kunst-
voll arrangirten Blumen-Bosquets dahin-
führte. Unter. leichtem Emporsteigen ging
dieser Weg endlich bei einem Wehr vorüber,
MH
'! - ■ v