Full text: Newspaper volume (1888, Bd. 1)

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Beilage zum Rendsburger Wochenblatt Nr. 108. 
Freitag, den 7. September 1888. 
3) 
Novelle von W. v. Strachwitz. 
„Schöbet!" 
Der Gerufene tritt, die blank gelvichsten Stiefeln 
in der Linken, und den kkniformrock über den rechten 
Arm geworfen, herein. 
„Schübel, ruf' mir mal den Barbier Klinkerfuß, 
ich will mich von heut ab rasiren lassen." Der 
Baron hatte sich diesen Liebesdienst bisher nüt eigner 
Hand erwiesen. 
„Zu Befehl, Herr Lieutenant!" Schübel macht 
Kehrt und marschirt der Thür zu. 
„Schübel!" 
„Zu Befehl, Herr Lieutenant!" 
„Schübel, sag'mal, eh, eh, hast Du einen Schatz?" 
„Zu Befehl, Herr Lieutenant, ja; eigentlich —" 
Schübel vergißt über der delikaten Angelegenheit die 
dienstliche Haltung und fährt sich mit der Kand 
hinters Ohr. 
„Nun?" 
„Ja nu, eigentlich und um's präcis auszu 
drücken, habe ich ihrer drei." 
„Eh, eh, wie denn das?" 
„Ja, sch'n Sie, Herr Lieutenant, zwei in der 
äe, Karline von Kaufmann Itzigsohn um die 
Ecke, der mach' ich den Hof an den jüdischen Festen 
und Pfarrers Gustc, die poussire ich an den all 
gemeinen christlichen und besonderen katholischen 
Feiertagen ■— da fahre ich das ganze Jahr gut, 
denn nicht die schlechtesten Bissen fallen für mich ab " 
»So, so, eh, eh, und die dritte?" 
„Die Dritte, Herr Lieutenant, die habe ich in 
der Reserve, zu Hause in Meffersdorf, die heirathe 
rch, wenn meine drei Jahre um sind, das heißt 
wenn uns der Alte das Gut übergiebt." 
„Eh, eh, Du bist ja ein verteufelter Schwere- 
nöther, — wie hast Du's denn eigentlich angestellt?" 
Schübel grinste über das ganze breite Gesicht. 
„Nu, Herr Lieutenant, ich bin Sie billig dazu 
gekommen. Die Guste habe ich von meinem Vor 
gänger bei Sie übernommen, als dem seine Zeit 
um war. Und die Karline — das war ant letzten 
Jahrmarkt, da war ein Jude aus Posen in 'ner 
Bude auf dem Ringe, der schrie den ganzen Tag, 
daß er Abends ganz heiser war: Einen Silber 
groschen jedes Stück, nur einen Silbergroschen. 
Und da ich gerade einen Böhmen —" Schübel ist 
ein ehrlicher Schlesier — „in der Tasche hatte, so 
kaufte ich dafür ein paar Ohrringe mit 'nem grünen 
Stein und schenkte sie der Karline, die mir schon 
lange in die Augen gestochen, und meine war sie. 
Die Mädel sind Sie ja reene toll auf die Manns 
bilder, Herr Lieutenant, und wenn sie Einer zwei 
mal ansieht, oder nennt sie gar „schemes Fräulein", 
dann ist's richtig." 
Schindelberg winkt zum Zeichen der Entlassung 
mit der Hand. Die Sache scheint ihm so schwierig 
gar nicht mehr zu sein und geht ernstlich mit sich 
zu Rathe. 
Viel Zeit ist nicht zu verlieren, — vier Wochen 
sind schnell vorbei, dann kommt Hannoch wieder, 
zur Gratulation oder — je nach dem. Mit dem 
alten Lnckwaldt ist Schindclberg ja schon bekannt. 
Die Barbier erscheint und wird als Verschöne 
rungsrath feierlichst in Eid und Pflicht genommen. 
Schübel erhält zwei weitere Aufträge: beim 
Gärtner um jeden Preis ein schönes, großes Bouquet 
zu bestellen, und beim Buchbinder, dem Repräsen 
tanten der Literatur und Künste im Städtchen, 
Schillers Gedichte zu holen, von deren Existenz dem 
Lieutenant aus den fröhlichen Kadettenjahrcn eine 
schwache Erinnerung geblieben ist. 
Er wird die Festung mit Sturm nehmen, mit 
Blumen als Faschinen, die Laufgräben zuzufüllen, 
mtt Versen als Leitern, den Wall zu erklimmen. 
Er blättert snchend in dem Band Gedichte den 
ihm Schübel gebracht. „Melancholie an Laura." 
„Ja, das ist gut. Seufzer sind schweres Geschütz 
in ihrer Wirkung auf tveiblichcm Herzen." 
So stand es in dem Romane/den er einst als 
Kadett verbotener Weise gelesen, und tveil er sich 
damals mit der Absicht getragen, Artillerist zu 
werden, so hat er diesen Lehrsatz gewissenhaft seinem 
geistigen Magazin technischer Kenntnisse einverleibt 
und treu bewahrt. Werfen wir eine Bombe! — 
— Laura. — _ Ist Laura etwa irgend wo als Reim 
verwandt? Nein. — Gut, setzen wir dafür Hedwig. 
Schöbe! wird nochmals zum Buchbinder entsandt 
mit der Weisung, dessen ganzen Vorrath an rosa 
Briefpapier aufzukaufen. Das Tintenfaß wird 
frisch gefüllt, ein Dutzend Stahlfedern probirt, bis 
die richtige gefunden, so das Harte mit dem Weichen 
paart, und aus Schillers „Liebes-Feuerwcrker-Labo- 
ratormm" die Seufzerbombe construirt: 
„Hedwig, Sonnenaufgangsglnth 
Brennt in Deinen goldnen Blicken, 
In den Wangen springt purpurisch Blut, 
Deiner Thränen Perlenfluth 
Nennt noch Mutter das Entzücken — 
Wem der schöne Tropfe thaut, 
Wer darin Vergött'rung schaut, 
Ach, dem Jüngling, der belohnet wimmert, 
Sonnen sind ihm aufgedämmert! —" 
Ş", uun couvertirt und adressirt „an Fräulein 
'^edwig îruckwaldt," und zierlich in den Riesenstrauß 
verborgen und nun fort damit. Frisch gewagt ist 
halb gewonnen! — 
Sobald der mit dem Strauß und vielen „Em 
pfehlungen" beladene Schübel die Thür hinter sich 
hat, bricht Schindelberg in ein lautes „Hurrah !" 
aus, wie es sich für den Krieger ziemt, ivenn er 
die feindliche Grenze überschreitet. 
„Hurrah!" Der Pinscher hört's mit Entzücken 
/à. accompagnirt seinem Herrn mit vergnügtem 
Gebell, ihn mit den klugen Aenglein herausfordernd 
anschauend, kind Schindelberg holt den Stock, der 
seit drei Tagen traurig im Winkel gestanden und 
hopp! hopp! geht es dreißig Mal herüber und hin 
über. Und nun nochmals: „Hurrah!" 
Während Baron Schindelberg und sein mosaischer 
Geschäftsfreund Heirathspläne schmieden, wandelt 
der Gegenstand ihrer Verhandlungen, ahnungslos 
sich der erfrischenden Morgenluft erfreuend, in den 
schattigen Gängen des Parks, welcher auf der, etwa 
eine Viertelstunde vor dem Thor des kleinen Städt 
chens belegenen Besitzung des Commercienraths Luck- 
waldt das Wohngebäude von den Fabrikränmen 
trennt. Sie besitzt nicht die überirdische Schönheit, 
deren sich Romanheldinen ohne Ailsnahme zu erfreuen 
haben, — sie ist ein frisches fröhliches Kind von 
siebzehn Jahren, mit rosigen Wangen, einem niedli 
chen Rüschen, tote wir es aber auch schon in andern 
Mcnschengesichtern gesehen, einem Grübchen im 
Kinn, mit reichem, blonden Haar, das in unge 
zwungenen Flechten auf Stacken und Schultern herab 
fällt. Sie ist, wie sie da leichtfüßig über den gelben 
Kies schwebt, eine reizende Erscheinung, die wohl 
etn Männerherz rascher schlagen machen kann. Die 
blauen Augen schauen fröhlich und unbefangen 
umher, nur dann und wann, jetzt zum Beispiel, 
scheint sich der Blick in die Ferne zu verlieren, 
sinnend und bangend, und jetzt hebt gar ein leichter 
Seufzer den jungfräulichen Busen. Ist's Sehn 
sucht nach den Pensionsfreundinnen? Ja, so wirds 
sein. Die kirschrothen Lippen bewegen sich, sie 
lispeln — o, gewiß den Namen der Theuern 
St! Ein leiser Windhauch weht das Geflüster 
herüber: „Ott —" Ottilie also. Nein, lieber 
Leser? Du schüttelst den Kopf mit einem vielsa 
genden Lächeln. Wie sagst Du, was hat sie ge 
sagt? „Otto?" Hast Du cs auch deutlich gehört? 
Hedwig senkt träumerisch das blonde Köpfchen. 
Plötzlich fährt sie überrascht auf, ein Knirschen im 
Sande hat sie erschreckt. Sie wendet sich schnell 
um. „Otto!" ruft sie, halb jubelnd, halb ängst 
lich. „Herr Wildermuth!" verbessert sie sich rasch. 
.„Guten Morgen, Fräulein Hedwig!" antwortet 
mit klangvoller Stimme der junge Mann, der soeben 
aus einem der Seitengängc getreten und, den feinen 
Strohhut schwingend, sich leicht verbeugt. „Ich 
Wort, ich bin Ihnen gefolgt; heißen Sie mich 
'/llkommen?'' Er l;at sich ihr genähert und 
streckt ihr die behandschuhte Rechte entgegen, in die 
ire zögernd die ihrige legt. 
„Wie haben Sie mich erschreckt!" 
„Nicht auch ein wenig erfreut, Hedtvig?" 
Sie schüttelt den Kopf, ein tiefes Erröthen aber 
straft ne Lugen. 
"Seim Sie nicht grausam, Hedwig. Wenn Sie 
wußten, wie glücklich ich bin durch den Zufall, nein 
der Götter Gunst, die mich hierher geführt, gerade 
hierher. Sie sehen Mich neugierig an. Ach, Sie 
glaubten wohl, es sei einer meiner tollen Streiche? 
O, Fräulein Hedwig, ich bin sehr ernst geworden " 
„Beweisen Sie es dadurch, Herr Wildermuth, 
daß Sie meine Hand loslassen, die Sie noch immer 
gefangen halten, und mich in einen belebteren Theil 
des Gartens begleiten." 
„GanzZvie Sie befehlen, Hedi. Darf ich sogar 
bitten, daß Sie mich zu Jhreni Herrn Papa führen 
oder Murdoch sagen, wo ich ihn treffe?" 
»Zv Papa?" fragte Hedwig erstaunt. 
„Ja wohl. An Herrn Commerzienrath Luck- 
waldt lautet der Empfehlungsbrief, den ich an 
meinem Busen trage," erwiderte der junge Mann 
launig, während sie neben einander den Weg 
schritten,ş der nach dem Comptoir führte. Ich 
werde einige Wochen in Sch. verweilen und in 
dieser Zeit die Ehre haben, der tägliche Gast Ihres 
§"uses zu sein. Ihr Herr Papa beabsichtigt, die 
Fabrik durch cm Flügelgebäude zu erweitern. -tu 
btefem Zweck hat er sich von meinem Chef einen 
jungen Mann erbeten, der nach den persönlichen 
Angaben des Herrn Commerzienraths und unter 
semen Augen die Pläne entwerfen und wahrschein- 
lich spater den Bau leiten soll. Des Geschickes 
Gun,t hat den Sinn meines Chefs so gelenkt, daß 
er ju]t mich auserlesen und da bin ich. Den 
Wagen mit meinem Gepäck habe ich im Städtchen 
drm im Tasthofe gelassen, wo ich wohnen werde 
und jetzt will ich mich dem Herrn Commerzienrath 
vorstellen. ' 
„Hedwig," fuhr er leiser fort, als diese schwieg 
„machen Sie mein Glück vollständig, sagen Sie 
mir, daß Sie sich auch ein wenig freuen." 
Sie sprach nicht, aber der leise Druck ihrer 
Hand, die er ergriffen, sagte ihm mehr als Worte. 
Sie waren inzwischen am Ende der Garten 
anlagen angelangt, nur ein Jasmingebüsch schützte 
,te noch vor den Blicken aus dem Fabrikgebäude, 
m welchem das Comptoir lag. Wildermuth hemmte 
semen Schritt, er erfaßte wieder ihre Hand. 
(Forschung folgt). 
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