enöskuraer
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Montag-, Mittwoch- und Freitag-Abend.
ermatt
Etmm-achtzigfter
à. U.
cs, Deutscher Reichstag.
Iftws Plenarsitzung des Reichstages vom 15.Jan.
de« m® a f Haus die Berathung über die Anträge
ständioâ î""ķsl, zunächst den über Erweiterung der Zu-
Veraeden^ ^ Schwurgerichte auf Preß- und politische
aabä^w- Nationalliberalen (Abg. v. Marquardsen)
weit es Garung ab, daß sie für den Antrag, inso-
im Uebria?» Ä Preßvergehen beziehe, eintreten würden,
schlick). "egen Aussichtslosigkeit der event. 2)e=
weist 'şibuo verhalten müßten. Abg. Träger (bfr.)
Ausleaun^" î" längerer Rede nach, daß sich durch die
gegeben w. ^/che man dem Begriffe „grober Unfug"
versehe 'ŗi* e ķîş°!5"îte Presse in einen Ausnahmezustand
Dem^schijà^ Abhülfe Ordere. Abg. Frohme (Soc.-
sick „Fueßt sich dem an, unter Hinweis auf die jüngst
Abg Lartmnn°"i Sozialistenprozesse, wird jedoch vom
Dem sf0"s-) darauf hingewiesen, daß die Soc.-
aioiffm/.• f Schwurgerichte früher ganz anderer Ansicht
aus hnfc ? en Yt Schlußwort führt Abg. Barth (dfr.)
aeri»/^ ^ ,e ^Überweisung der Preßvergehen an Schwur
sei c/ņter den jetzigen Umständen unbedingt nöthig
''.Fr Rettung der Freiheit der Presse. Die 2. Be-
Ber^ ^es Antrags findet im Plenum statt. Folgt
«er» hung des Antrags Munkel (bfr.) betr. Widerein-
den mä^" Berufung. Abg. Reichenfperger (Ctr.) hat
am i 9 : TÏ Eintrag eingebracht und begründet denfelbeii
Klem!^ F^ssie der Rechtspflege selbst liegend. Abg.
mriMT*/ 0n y, gegen den Antrag, besonders deshalb
^ der Bundesrath ablehnend gegen die Sache ver-
iübr>:„ ^g. Miguel (natl.) entschieden für Wiederein-
Mrung der Berufung, die das Rechtsbewußtsein des
älkes gebieterisch fordere. Abg. Munkel (bfr.) weist im
Schlußwort die Einwände der Gegner des Antrags zurück.
sn Ä ,£ ,e /. Berathung desselben findet im Plenum statt.
àchste Sitzung Freitag: Etat. Schluß 4'/, Uhr.
©on Remo, 17. Januar. Das Befinden des
Kronprinzen weist eine fortschreitende
Besserung auf. Es zeigten sich weder neue
Wucherungen, noch irgend welche krebsartige Er
scheinungen. Alle gegenteilige« Journal»,eldunaen
smb unrichtig. Dr. Mackenzie wird nicht vor dem
bei seiner letzten Anwesenheit Hierselbst festgesetzten
Termin nach San Remo kommen. Man' beklagt
es, daß die ganze Umgebung des Kronprinzen
sich in ihren Aussagen dritter Personen gegenüber
sehr zugeknöpft verhalte. Aus diesem Grunde sind
die widersprechendsten Gerüchte an der Tagesordnung.
San Remo, 18. Jan. Der Kronprinz zog sich
in voriger Woche eine leichte Erkältung zu und
hatte darauf etwas Fieber; allein sein Befinden
'/ l>Ete '"ieder normal lind durchaus befriedigend,
das Fieber völlig ivieder Verschivunden.
San Remo. 18. Jan. Fürstbischof Ko pp, von
ckcom zurückkehrend, hatte heute Nachmittag eine
"^Unterredung mit dem Kronprinzen und
-erste Abends 8 Uhr ab.
MonS, 18. Jan. Die Grubenarbeiter von
rchreren Kohlenbergwerken im Paturages-
^fbret haben heute die Arbeit eingestellt,
tesclben verlangen Lohnerhöhung,
rüffkl, 17. J»n. Die große Tuchfabrik Hau-
röw m Ģ"şival bei Berviers ist sammt allen Vor
sts 5!\ u "ö Maaren niedergebrannt. Der Schaden
g/'ş -'3t eine Million Francs. Dreihundert Arbeiter
d durch die Katastrophe brodlos geworden,
ķ ŗrlfşel, 18. Jan. Francois, der Spezial-
-U/ņd.ent der „Jndependance beige" in Massanah,
s. "U ein trauriges Bild der Lage der Jta-
D-r Negus von Abessinien ist zum Kriege
walu ^àlien entschlossen und konzentrirt eine ge-
Trnppenmacht in der Stärke von 80,000
sill"""' Da General Marzano kann, über 10,000
şaN«"" //fügt, so ist dessen Position stark gefährdet,
nicht bedeutende Verstärkungen eintreffen. Die
» edentenden Verstärkungen" dürften schwerlich recht-
Massanah erreichen.
18. Januar. Die Blätter begrüßen das
des Zaren zwar als FriedenSzcichen von
timto Bedeutung, koiistatircn jedoch, daß die mili-
die ?r-Ş'îuation sich nicht gebessert habe und auch
sei.^"Eschen Differenzen nicht geschwunden
Min»- - Honte hat sich der pensionirte General-
Bì„st,"ņnîendant Josef Fuchs erschossen, weil er durch
cher-r arg bedrängt wurde,
hier 16 ' Uan. Ein sensationeller Prozeß fand
De. Schwurgerichte seine Erledigung,
und /.i"hrige Samuel Fuchs, der in Sport-
wastr^f^ļroisen hinlänglich bekannt, seinem Namen
anoek nalle Ehre machte, war des Meineids
dasi . Şehr bemerkenswerth war seine Aussage,
lion s« Vernlögen von etwa einer Mil-
S»n, — verspielt habe, u. A. die kleine
umme von 1OO.OOO Thalern an den
des T-/" bon Wales, den einstigen Inhaber
Baden ° ne8 l ’°" England und zwar in Baden-
der^Kans^' 19 ’ 2an. Auf Grund des jüngst in
faßten der polnischen Zeitungsredactenre ge-
Naber şş^ļ"sses veröffentlichen heute 4 Blätter
Juoens. 3. -'âffautende Artikel, in denen die polnische
däksttm Rußland angesichts der Provokation ver-
l,,ji 3/..Eunssäre vor der Bethätigung rcvo-
baÈt,» 0t v. r Anwandlungen und vor unbe-
Sckritt' - - /àische Sache kompromittirenden
hierrn -iudnnglich gewarnt wird. Veranlassung
sch/ s s dle geheinl gedruckten, mit dem polni-
Prokwn.".ş österreichischen Wappen versehenen
sisck-Vw" 'oņeu, welche von Warschau aus in Rus-
Zrbest " verbreitet werden und die Polen zur
Kneges auffordern^ ^ßl°"d im Fall-Feines
şiî- die „Times" aus der Feder ihres Wiener
Ireitag,
Korrespondenten. Kalnokys ganze Leitung des
Wiener auswärtigen Amtes fei nichts wie eine lange
Reihe nervöser Kompromisse und Fehler gewesen;
Oesterreich habe viel zu lange von Berlin abge
hangen, die Oesterreicher fingen jetzt an, dies einzu
sehen. Das ganze Telegramm verdient wegen ei
genthümlicher Umstände, ivelchc nicht telegraphirt
werden konnten, offenbar besondere Bedeutung. —
Der Wiener Korrespondent der „Times" hat in
letzter Zeit wiederholt durch deutschfeindliche gehässige
Auslastungen von sich reden geniacht. Der kürzlich
gegen ihn erhobene Vorwurf, daß er sich durch die
Orleanisten inspiriren lasse, ist vielleicht nicht ganz
unbegründet. Was aber das ehemalige „Weltblatt"
Times jetzt ivieder für ein Interesse daran hat, ani
deutsch-österreichischen Bündniß zu rütteln, ist uner
findlich. (B. T.)
Die in Rom aus Anlaß der päpstlichen Jubel
feier weilende fremde Geistlichkeit ist, wie man
der „Magd. Ztg." meldet, höchst aufgebracht über
die italienischen Würdenträger des Vatikans, welche
den Papst in völliger Abgeschlossenheit von den aus
wärtigen Kirchenfürsten erhalten. Erzbischof Gangl-
bauer konnte nur mit Mühe knapp vor seiner
Abreise den Papst sprechen, Kardinal Haynald
gelangte gar nicht dazu, und auch Bischof Ko pp
bemüht sich noch immer vergeblich uni eine Audienz.
Die italienischen Kardinäle wollen eben die unge-
theilte Herrschaft im Vatikan behalten.
Paris, 19. Jan. Der zwischen Frankreich
und Italien schwebende Florentiner Streitfall
erhitzt die Gemüther auf beiden Seiten, namentlich
aber auf französischer, immer mehr. An und für
sich derartig beschaffen, daß man eine rasche Bei
legung hätte erwarten müssen, hat derselbe jetzt schon
bis zur bedingungsweise» Androhung des Abbruchs
der diplomatischen Beziehnugen geführt. Flourens
beschwerte sich bei Crispi über die Verschleppung der
Florentiner Sache und über die Drohung des Friedens
richters Tosini, die Angelegenheit nochmals aufzu
nehmen. Tosini berief jüngsten Mittwoch El Melik
und seinen Anwalt auf den 20. d. M. vor das
französische Konsulat, um mit ihm zusammen noch
mals daselbst einzudringen, wenn ihnen nickt aut-
»villig Einlaß gewährt werde. Flourens erklärte
Crispi, wenn eine derartige Gewaltthat verübt werde,
berufe er den französischen Botschafter so
fort ans Rom ab und behalte sich vor, die
weiteren Maßregeln zu treffen, welche Frankreichs
Ehre und Interessen erfordern. Die hiesigen Blätter
rathen der Regierung, die 150,000 italienischen
Arbeiter auszuweisen, die in Frankreich ihr Brod
verdienen; dazu wird die Regierung indeß schwerlich
greifen.
tzlewyork, 16. Jan. Der Scheesturm, welcher
in Texas, Dakota, Minnesota, Iowa, Montana,
Nebraska und Kansas gewüthet hat, ist der schlimmste
gewesen, dessen man sich im Nordivesten erinnern
kann. Im Verlaufe einer einzigen Stunde bezog
sich der ivolkenlose Himmel und der fallende Schnee
war so fein wie Mehl, ivobei ein so furchtbarer
Stnrin tobte, daß kräftige Männerstimmen auf sechs
Fuß nicht mehr zu verstehen waren. Von der Schule
heimkehrende Kinder und vom Felde kommende
Männer erfroren, ehe sie ihre Häuser erreichen konnten.
Eine Frau, welche vor die Thür ging, um nach
ihrem Manne auszuschauen, starb auf der SchtvcUe
ihrer Hausthür. Die meisten der limgekoinmenen
(mindestens 200) sind erstickt, iveil es kaum möglich
war, gegen den Schneesturm zu athmen. Die Kälte
erstreckte sich östlich bis zur Küste. Der Eisenbahn
verkehr war einige Zeit eingestellt. — Die italienische
Regierung hat in Philadelphia für Spezzia eine
pneumatische Dynamitkanone bestellt, welche 600 N
Dynamit 6 km weit werfen kann. — Die Direk
tion der Handelskammer von Chicago hat eine
Resolution gesaß, welche Einsprache erhebt gegen das
von der französischen und der deutschen Regierung
erlassene Verbot gegen die Einfuhr ameri
kanischen Schweinefleisches in Frankreich
und Deutschland und vorschlägt, der Congreß möge
Repressalien ergreifen.
Berlin, 18. Jan. Wie nunmehr bestimmt ist,
wird der Kaiser das Krönungs- und Ordensfest
am 22. Januar persönlich abhalten, und sich hierzu
Mittags 11 Vr Uhr nach dem Königsschloß begeben.
Berlin, 18. Jan. Ein Antrag auf Aufhebung
des Identitätsnachweises bei der Getreide
ausfuhr wird heute von den Konservativen im
Reichstage eingebracht.
— Die allgemeine Lage darf nach den
gestern mitgetheilten kaiserlichen Friedenskundgebungen
besonders nach der Auslassung des Zaren, in einem
diirchaus günstigen Lichte betrachtet werden. Der
Eindruck, welchen die Friedensversicherung des Zaren
im Auslande macht, ist nach den bis jetzt vor
liegenden Aeußerungen ein guter. Das offiziöse
Wiener „Fremdenblatt" sagt, die in den- Reskripte
des Kaisers von Rußland ausgedrückte Friedens
hoffnung entspreche vollkommen dem überall be
stehenden lebhaften Wunsche nach Erhaltung des
Friedens. Freilich^ dürfte nicht verkannt »verden,
daß trotz der in dieser Hin>icht aufgewendeten Be
mühungen die auf allen Gemüthern lastende Beun
ruhigung und die Zweifel über die Gestaltung der
Zukunft nicht weichen wollten.
— Eine zeitgemäße Erinnerung bringt die
„Boss. Ztg." angesichts gewisser Bestrebungen, die
3'a h t fl rt u fl.
20. Januar.
in letzter Zeit die Aufmerksamkeit auf sich gezogen
haben, nämlich, daß der Kronprinz noch bei der
Lutherfeier hervorhob, daß das evangelische Be
kenntniß Gewissensfreiheit und Duldung
fordere. Der Kronprinz veranlaßte auch den ver
storbenen Stadtschnlrath Dr. Cauer in Berlin, den
am 30. Januar 1881 gehaltenen Bortrag über
Lessing drucken zu lassen, einen Vortrag, in dem es
heißt: „Gegenüber den fratzenhaften Ausartungen
deutscher Gesinnung, die sich heute hervorwagen, ist
es recht, die Weltbürgerlichkeit des achtzehnten Jahr
hunderts ins Feld zu führen, die sehr viel deutscher
ist, als die Karrikatur des französischen Chauvinis
mus, die sich unter uns für Dentschthum ausgiebt;
und iver sich zurückgestoßen fühlt von der Brutalität,
die heute auf der Gasse — und leider nicht nur
auf der Gasse — ihr Wesen treibt, der findet
nirgends bessern Trost, als im Anschauen und Ge
nusse Lessing'scher Humanität." Nach diesem Vor
trage trat der Kronprinz an den Redner, drückte
ihm dankend die Hand und bat ihn, diese Worte
drucken und verbreiten zu lassen, damit sie allent
halben beherzigt würden.
— Die „Preußische Lehrerzeitung" be
urtheilt sehr bitter den Gesetzentwurf wegen der
Volksschullastcn, sie schreibt in einem Artikel:
„Wieder nichts." „Nichts als ein einziger Ruf
nicht nur der Enttäuschung, sondern auch der Ent
rüstung geht durch die ganze preußische Volksschul
lehrerschaft! Alles darbt: der Kriegsminister darbt,
die arme Landwirthschaft darbt, die Ritterguts
besitzer, die Gemeinden und die Geistlichen darben
— nur der Volksschullehrer schwelgt im Uebcrfluß.
Auch bei der Aufhebung des Wittwenkaffenbeitrages
der die Lehrerschaft gar sehr drückt, sind die Lehrer
nicht betheiligt, sondern nur die unmittelbaren
Staatsbeamten. Die Lehrer werden hier doch
U'enigstens erwähnt. Der Herr Finanzminister sagt,
daß die Regierung auch die Lehrer nicht vergessen
habe, sondern darauf sinne (!), Mittel und Wege
zu finden, wie auch ihnen die Wohlthat jener Auf
hebung zu Theil werden könnte. Das ist nun der
Wortlaut der Wechsel, ivie man sie den Lehrern
stets ansstellte, wenn ihnen andere die Suppe vor
der Nase wegaßen." Den Lehrern bleibe nur der
Trost, daß ihre Vorgesetzten, die Geistlichen, eine
Aufbesserung erhalten.
— Ein Beitrag zur Beurtheilung des
gesellschaftlichen Lebens der Gegenwart.
Das Geschäft der Heirathsvermittelnng ivird in
Berlin sehr schwunghaft betrieben. Durch Zufall
gelangte die „Bert. Ztg." in den Besitz der Zu
schrift einer im Westen Berlins ivohnenden Heiraths-
vermittlerin, welche an eine reiche Daine gerichtet
»var, die eine einzige Tochter besitzt. In dem Briefe
heißt es u. A.: „Durch einen Bekannten habe ich
ihre iverthe Adresse erfahren und frage ergebenst an,
ob Sie geneigt tvären, wegen Verheirathung Ihres
Fräuleins Tochter mit mir in Beziehung zu treten.
Ich habe sehr achtbare Herren, die sich gerne ver-
heirathcn möchten. Darunter befindet sich ein Frei
herr, ein Baron, ein Graf nnd sogar ein Fürst,
der allerdings unter eine Million nicht heirathet..."
Die Heirathsvermittlerin, ivelche ihr „Bureau" im
Centruin Berlins aufgeschlagen hat, kann gewiß
stolz auf ihr „Lager" sein. — Wir sagen, es ist
ein Skandal, daß unter den Augen der Gesetz
gebung solches Thun und Treiben passirt.
■— Die Bedenken der Nationalliberalen
gegen das neue Sozialistengesetz bezeichnet die
„Lļordd. Allg. Ztg." als „Popularitätshascherei."
Wenn man sich dem logischen Ausbau des Sozia
listengesetzes nur im Hinblick auf etivaige günstigere
Wahlchancen entziehe, so erwüchse daraus für die
Opponenten eine neue Verantwortlichkeit, welche
kaum leichter zu tragen sein dürfte, als selbst der
Verlust einiger Wahlstimmen und sogar einiger
Mandate, lieber die Tragweite solches Vorgehens
könnten übrigens auch nur Politiker entscheiden und
nicht Parteimänner.
^ — Bemerkenswerth ist eine Notiz der „Freien
Presse", des Organs des Socialisten Harms,
wonach dieser beabsichtigt, für den Fall°dcr An
nahme des neuen Sozialistengesetzes der sozial
demokratischen Fraction den Vorschlag zu machen,
„in corpore das Mandat niederzulegen."
— Ueber einen Ausflug der Kronprin
zessin nach La Mortola bei San Remo auf die
Besitzung von Mr. Hanbury schreibt eine Schleswig-
Holsteinerin der „Kieler Zeitung" von der Rieviera
u. A. Folgendes: „Die Kronprinzessin war sehr
aufgeräumt und erzählte unter herzlichem Lachen
ergötzliche kleine Geschichten, wobei sie in nnge-
zwungenster Heiterkeit ihrer Tischnachbarin, einer
jüngst verheiratheten Engländerin, wiederholt die
Hand auf den Schoß legte. Im Laufe der sehr-
heiteren Unterhaltung ivagte es eine ältere Dame
der Tischgesellschaft, Mrs. Sp.-B., der Krankheit
des Kronprinzen zu erwähnen. Dabei erzählte sie,
daß sie selber einmal einen Kutscher gehabt, der
nach dem Urtheil der besten Aerzte am Zungenkrebs
hätte leiden sollen und bereits von ihnen aufgegeben
gewesen sei. Trotzdem habe sich schließlich doch die
Diagnose der Aerzte als ein Irrthum eriviesen.
Darauf antwortete die Kronprinzessin, beide
Hände herzlich auf den Arm der Erzählerin legend,
wörtlich: „Oh, ich danke Ihnen, daß Sie niir diese
Geschichte erzählt haben; die hat mir wohl gethan!
JnseŗtiouķpreiS:
Für die Corpuszeile 15 4, für die Petitzeile 10
Anzeigen werden an den bezüglichen Ausgabetagen bis
Mittags 12 Uhr erbeten.
Als Beilage wird dem Blatt monatlich eimnal
„Der Landwirth" gratis beigegeben.
Ï888.
Aber wissen Sie, wir glauben keinen Augen
blick, daß es Krebs ist; es ist eine vernach
lässigte Erkältung, die in — (unverständlich) —
übergegangen ist; und es wird mindestens zwei
Jahre dauern, um ihn ivieder ganz gesund zu be
kommen." Weiterhin änßerte dann die Kronprinzeß:
„Sie sollten ineinen Mann sehen! er fühlt sich so
ştark, er springt, er rennt, er geht, er tummelt sich
umher!"
Aus Berlin schreibt man der „Schles. Ztg.":
Nach einigen wärmeren Tagen ist es wieder kalt
geworden, und dies hat den hier lebenden Chinesen
Gelegenheit zu einer drolligen Erfindung gegeben«
Sie tragen nämlich jetzt die Ohren in Papp
schachteln! Natürlich sind diese Bauwerke im Ge
schmacke ihres Landes gehalten: der Deckel, ungefähr
'V» einer à'eisfläche, ist mit schwarzem Sammet
bezogen und dieser mit prächtigen Blumen in den
grellsten Farben bemalt. (Bei großen Ohren
trägt der Deckel ganze Bouquets). Die Seitenwand
ist mit blauer Seide bezogen und die ganze Papp
schale ^ mit Pelz gefüttert, welcher an der Wange her
vorquillt und eine Art Backenbart bildet, den die
Chinesen sonst nicht tragen. Ebenfalls wegen der
Kälte nehmen sie jetzt nicht Brillen mit Metall-,
sondern mit Horn- oder Schildpattfassung, natürlich
in entsprechend größerem Umfang. Wenn zwei so
geschmückte Chinesen durch die Straßen gehen, an
gethan mit ihrem schlafrockähnlichen National-Kostüm,
welches ebenfalls in den buntesten Farben schimmert,
so dreht jich Alles lachend um, während sonst der
Berliner diese getvohnten Gestalte» kaum anblickt.
Unn», 16. Jan. Die Verwaltung der Zeche
„Massen" Hierselbst erhielt dieser Tage aus Ham
burg einen Geld brief im deklarirten Werthe von
4000 Mk. Ş Der Brief enthielt indeß ledig
lich P a p i e r s ch n i tz e l. Merkwürdigerweise waren
die ^ Siegel völlig unverletzt. Die Behörden sind
eifrig bemüht, das räthselhafte Verschwinden des
Geldes aufzuklären.
Köln, 16. Jan. Ein der Klasse der Zuhälter
angehöriges verkommenes Subjekt schoß soeben,
/ Uhr Abends, auf offener belebter Straße auf
einen Schutzmann, denselben nicht unerheblich
im Gesicht verwundend. Das Publikum nahm den
Attentäter fest nnd brachte ihn zur nächsten Wache.
Es soll sich um einen Racheakt handeln.
Paderior», 16. Jan. Der 28jährige Sohn
des Metzgerineisters Mathias K. Hierselbst, welcher
mit seinem Vater und seiner Stiefniuttcr schon zu
öfteren Malen Streitigkeiten hatte, die in Thätlich
keiten auszuarten drohten, gerieth gestern Abend
wiederum mit diesen in Streit, ergriff dabei ein
Messer, mit welchem er seinen Eltern so
schwere Verletzungen zufügte, daß die Stief
mutter bereits heute Morgen denselben erlegen ist;
an dem Aufkommen des Vaters wird geziveifelt.
Nach vollbrachter That durchschnitt sich der
unnatürliche Sohn die Kehle. Der sofort
herbeigerufene Arzt vermochte den Unseligen zwar noch
am Leben zu erhalten, jedoch ist auch sein Auf-
koinmen sehr ziveifclhaft.
Aus Schlesien, 13. Jan. Ein lebhafter S ch m u g -
gel mit denaturirtem Spiritus wird jetzt an
der schlesisch-polnischen Grenze getrieben. Der rus
sische Grenzsoldat hat es ausgewittert, daß seine
Kehle sehr wohl im Stande ist, sich trotz Pyridin
basen und Holzgeist an unserem so widerlichen
Brcnnspiritns zu laben, wenn' er ihn mit seinem
heimischen „Wodka" mischt. Und so wandert jetzt
der denaturirte Spiritus auf Schleichwegen in großen
Massen über die Grenze. Der Genuß hat sich bis
her nicht als schädlich erwiesen, nur klagen die
Grenzsoldaten über den Rausch; derselbe sei ein ganz
fürchterlicher.
Breslau, 17. Jan. Der Privatdocent Dr. Jo
seph stand heute wegen Anklage des gemeinen
Diebstahls vor dem Strafgericht. Derselbe hatte
als leidenschaftlicher Briefmarkensammler bei einer
Gelegenheit 10 seltene spanische Marken im Werthe
von 100 Ji entwendet. Auf seinen Geisteszustand
untersucht ivurde er für gesund erklärt nnd dem
Strafrichter überantwortet. Der Gerichtshof erklärte
den Angeklagten für schuldig und verurthcilte ihn
zu sechs Btonatcn Gefängniß und zwei Jahren
Ehrverlust.
Stade, 18. Jan. Der Staatsminister a. D.
von Hodenbcrg wurde wegen Majestätsbe-
lerdigung zu 3 Wochen Gefängniß verurtheilt.
Beantragt waren 6 Monate. Das Reichsgericht
hatte das ursprünglich freigesprochene Urtheil auf
gegeben.
Aus Bayern. Im Pfarrdorfe Weißenbrunn
bei Kronach sind bei den jüngsten Wahlen in die
Gemeindevertretung und Kirchenverwal
tung nur Sozialdemokraten gewählt worden.
Sozialdemokraten in einer Kirchenverwaltung —
welche Ironie!
Der in Straßburg wegen Landesverrat Hs
verhaftete Eisenbahnbüreau-Kanzlist Diez stand im
Verdacht, die im Bereich der elsaß-lothringischen
Bahnen für den Fall einer Mobilmachung getroffenen
Maßregeln, wie Militär-Fahrpläne u. s. w., gegen
Geldentfchädigung an Frankreich ver
rathen zu haben. Die vorgefundenen verdächtigen
Schriftstücke imirden Seitens der Staatsanwaltschaft
mit Beschlag belegt. Diez ist geständig.