Full text: Newspaper volume (1888, Bd. 1)

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4. Zuni. 
1888. 
Das Befinden des Kaisers. 
Die Anstrengungen der Uebersiedelung nach Schloß 
Friedrichskron bei Potsdam haben bei dem Kaiser eine 
gewisse Ermattung hervorgerufen. Im Uebrigen ist 
der Gesundheitszustand aber ein befriedigender. 
Die Nacht zum Sonnabend verlief günstig. 
Am Sonnabend Vormittag machte der Kaiser im 
Park von Charlottenhof eine Spazierfahrt; unter 
wegs verließ er zeitweilig den Wagen. Später 
nahm der Kaiser den Vortrag des Generals von 
Albedyll entgegen. Zum Diner waren keine Ein 
ladungen ergangen. Gegen Mittag fühlte sich der 
Monarch frischer und verweilte von 11 */ 2 bis l'/ 2 
Uhr theils zu Fuß, theils zu Wagen im Park. 
Ueber das Befinden des Kaisers verlautet ferner 
dom Sonnabend: Der Kaiser hatte keine ganz 
gute Nacht. Schlaf etwas unruhiger, auch Husten 
mehr wie in den letzten Tagen. In Folge dessen 
fühlte er sich etwas matt, aber die Aerzte sahen 
nichts Beunruhigendes darin, weil diese Symptome 
den Anstrengungen der gestrigen Reise 
zuzuschreiben sind. Der Kaiser stand um '/rIO Uhr 
auf und verbrachte die Zeit bis 2 Uhr im Garten 
herumfahrend. Um 4 Uhr machte die Kaiserin 
nebst Töchtern eine Ausfahrt nach dem Marmor- 
palais. Die Prinzessin Viktoria kutschirte. 
Berlin» 2. Juni. Die Aerzte des Kaisers be 
schlossen nach der heutigen Konsultation, von der 
Ausgabe v on Bulletins Abstand zu nehmen. 
Der Kaiser stand um 10 Uhr auf, arbeitete und 
empfing den Chef des Militärkabinets. Gestern 
sand Nachmittags im Palais des Reichskanzlers 
eine Sitzung des Ministeriums statt. 
lassen. Die meisten möchten den Vortheil, welcher 
ihnen von der Zollgesetzgebung in den Schooß ge 
worfen wird, nicht verlieren und verweigerten des 
halb rnndiveg jede Preis-Ermäßigung selbst in dem 
Falle, ivo der Zweck, die Hebung der Ausfuhr, 
auf's Deutlichste nachgewiesen werde. So habe 
denn die Ausfuhr nach Amerika z. B., wie unsere 
letzten Handelsausweise gezeigt hätten, bereits in 
der Eisenbranche — und auch in vielen anderen! 
— sehr abgenommen, was wesentlich auf jenen 
Umstand zurückgeführt werden müsse. 
Es stehen viele Industrien unserer nationalen 
Wirthschaft, ivenn ihre Ausfuhr durch das Miß- 
verhältniß zlvischen inländischen und ausländischen 
Rohstoffpreisen noch weiter erschwert wird, vor einer 
sicheren Krisis. Diejenigen, welche diese Lage ver 
ursacht oder mitherbeigeführt haben, mögen aus der 
kritischen Situation helfen. Auf oppositioneller 
Seite kann man sich, im Namen der weniger be 
günstigten Industriellen und im Namen der Arbeiter 
bevölkerung, welche von etwaigen Betriebsbeschrän 
kungen schwer betroffen werden wird, nur freuen, 
wenn die schutzzöllnerische Theorie durch derartige 
Vorgänge und Entwickelungen auf thatsächlichem 
Gebiete einen neuen kräftigen Stoß zum Zusammen 
bruch erhält. 
Zeichen der Umkehr. 
Die Thatsache, daß jede verkehrte Maß 
regel im Staatsleben in ihren Folgen und Con- 
sequenzcn auch üble Folgen nach sich zieht, läßt sich 
durch nichts längnen. Es sind jetzt etwa zehn Jahre 
k)er, daß die Schutzzollpolitik ihre Wirkungen 
ausübt und schon jetzt tritt etwas Neues, wenn 
auch längst Erwartetes ein, was so interessant ist, 
daß man eS kurz näher beleuchten muß: Die In 
haber der großen Industrien, welchen die 
Zollpolitik in erster Linie zu Gute kommen sollte 
und zwar gerade die kapitalkräftigsten, für die Aus 
fuhr arbeitenden, fangen jetzt an, sich in gewisser 
Beziehung unbehaglich und genirt durch die Schutz 
zölle zu finden. 
Es genügt hier nicht der Raum, großes Zahlen 
material in's Gefecht zu führen oder uns eingehender 
mit den Motiven zu befassen, als wir cs möchten. 
Es möge deshalb zuerst nur kurz erwähnt sein, daß 
me westphälische Eisenindustrie dieser Tage 
Ş Wortführerin der Beschwerden aufgetreten ist 
und ausgeführt hat, daß das Mißverhältniß zwischen 
°en inländischen Rohstoffpreisen einerseits und den 
-weltinarktspreisen andererseits für Eisen- und Stahl- 
"zeugnisse immer schreiender und unerträglicher wird, 
!° daß die Nothwendigkeit sich fühlbar machte, daß 
mn für die Ausfuhr arbeitenden inländischen Ge- 
werbezweigen entsprechende Preisnachlässe seitens der- 
^uigen Werke zugestanden würden, welche die Roh 
materialien oder Halbfabrikate herstellten. Nur 
Wenige der letztgenannten Unternehmungen oder Unter- 
Uehmerverbände verständen sich zu solchen Preisnach- 
Brüffel, 2. Juni. In einer Besprechung einer 
großen politischen Rede Tisza's gegen die Be 
theiligung Oesterreich-Ungarns an der Pariser- 
Weltausstellung sagt der russisch-officiöse „Nord" : 
rrisza habe die seit dem letzten November bei ge 
wissen leitenden Ministern wahrzunehmende Gewohn 
heit, unter dem Vorwände parlamentarischer Er 
klärungen über andere Staaten in abfälliger Weise 
fich zu äußern, noch gesteigert und Frankreich nutz 
los beleidigt. Indem er Paris als eine Art Hals 
abschneider-Grube darstellte, habe er dieselbe spezielle 
Optik angewendet, welche die Pester Politiker am 
Balkan in allen Winkeln russische Agenten auf 
tauchen und sehen lasse; obendrein habe er noch 
ans die Möglichkeit eines Krieges im nächsten Jahre 
angespielt. Der „Nord" vertheidigt dann Frank 
reich, dessen innere Spaltungen es nicht hindern, 
eine ebenso.gesunde und solide Nation zu sein, wie 
jede andere, und im gegebenen Augenblick sich wieder 
zufinden. Die schlagendste Antwort auf Tisza's 
Ausfall sei folgende: Zur Stunde stehe man sich 
unmer noch viel besser, französische, als ungarische 
Fonds in der Kasse zu haben. Mit der größten 
Schärfe wendet sich der „Nord" gegen den „Pester 
Lloyd", dessen Drohungen mit Z ollre torsi on s- 
maßregeln gegen Rußland er eitel und 
lächerlich nennt. Rußland denke nicht entfernt an 
einen Zollkrieg mit seinen Nachbarn; wenn man 
ihm aber einen solchen erkläre, werde es Kompen- 
sationsmaßregeln ohne Repressalicn-Charakter zu 
seinem Schutze ergreifen. Noch weniger werde 
Rußland wegen der Unbequemlichkeiten eines Fiskal, 
kricges zu den Waffen seine Zuflucht nehmen; es 
lasse sich überhaupt keinerlei Zwang anthun; viel 
mehr werde es seine unerschütterliche Ruhe bewahren 
und auch den auf Krieg abzielenden Provokationen 
und Anschwärznngcn der Friedcnsliga eine ver 
doppelte Kaltblütigkeit entgegensetzen. Fast 
gleichem Sinne äußert 
Korrespondent des „Nord". 
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der Petersburger 
2ö) Die Schönheit von Drowningham. 
Paris, 3. Juni. (B. T.) Die im Hippo 
drom gestern Abend zum ersten Male aufgeführte 
Pantomime „Sk ob clef f" gestaltete sich zu einer- 
großartigen Sympathie-Kundgebung für 
Rußland. Die am Schluß gespielte russische 
Nationalhymne wurde vom Publikum mit 
Gesang begleitet. Als am Schluß der Vorstellung 
russische Soldaten unter Kanonendonner und Glocken 
läuten über die Bühne marschirten, war der Jubel, 
wie der „Figaro" sagt, ein derartiger, daß er selbst 
für französische Soldaten bei der Parade des Natio 
nalfestes am 14. Juli nicht größer hätte sein 
können. 
Paris» 3. Juni. Bei Landwehrübungen in 
CoulommierS attakirte die Landwehr anstatt 
mit dem üblichen Rufe „Hurrah!" mit „vive 
Boulanger!" Die betreffende Truppe wurde 
durch Entziehung des Sonntags-Urlaubs bestraft. 
. — Mit einer geheimnißvollen Sache ist 
die Pariser Polizei abermals beschäftigt. Am 
Montag Abend erhielt die Hebamme Madame B., 
in der Rue Montenotte wohnhaft, den Besuch dreier 
Personen: zweier Frauen, von denen eine das Ge 
sicht dicht verschleiert hatte, und eines Mannes. 
Die verschleierte Dame schien sehr leidend. Nach 
den Mittheilungen der sie begleitenden Personen 
erwartete sie stündlich ihre Niederkunft. Die Heb 
amme richtete sofort ein Bett her und liess die 
Dame niederlegen. Plötzlich wurde an der Glocke 
gezogen und ein Diener ersuchte die Hebamme, 
sofort wegen eines dringenden Falls mit ihm in 
das Bois de Boulogne zu fahren. Bevor die 
Hebamme das Haus verließ, forderte sie die Be 
gleiter der kranken Dame ans, im Falle sich vor 
ihrer Rückkehr etwas ereignen sollte, sofort zu dem 
in der Nähe wohnenden Doctor K. zu senden. Als 
Madame B. nach einiger Zeit in ihre Wohnung 
zurückkehrte, fand sie die verschleierte Dame todt im 
Bett liegen und ihre Begleiter waren verschwunden. 
Es wurde sofort die Polizei verständigt, die bei 
der Todten 300 Franks und einige Schmucksachen 
vorfand, aber kein Papier, das die Identität dcr 
Leiche feststellen konnte. 
Wien, 3. Juni. (B. T.) Die in den russisch- 
polnischen Gren z or tsch asten domizilirenden 
österreichischen und preußischen Fabrik 
besitzer und Spediteure erhielten die Weisung, 
unverzüglich das russische Gebiet zu verlassen, da 
der letzte Termin hierfür abgelaufen. — Bei Miechow 
(nahe der Grenze, gegenüber Krakau) werden 
mehrere Panzerthürme errichtet. 
London, 2. Juni. Eine großartige Demon 
stration der Temperenzler ha? im Hydepark 
stattgefunden. Liberale und radikale Vereine nah 
men an derselben Theil, um gegen die Schankbe 
stimmungen der Lokalverwaltungsbill zu Protestiren. 
Die Prozession wurde angeführt von Lord Kinaird 
und Sir Wilfried Lawson. Zehn Meetings wurden 
im Hydepark abgehalten. Wie verlautet, hat die 
Regierung die Absicht, die Behandlung der betref 
fenden Bestimmungen auf die nächste Session zu 
verschieben. 
Petersburg, 2. Juni. Es verlautet, nächstens 
würde mit dem Bau eines neuen Panzer 
schiffes von 9000 Tonnen begonnen werden. 
Schweden. Ans Falun wird gemeldet, daß es 
daselbst am vergangenen Sonntag stark geschneit hat. 
In der Umgegend lag der Schnee ein Fuß hoch 
und die Landlcute fuhren in Schlitten zur Stadt. 
In Engelsberg wurde durch den starken Schnee 
fall die telegraphische Verbindung unterbrochen. 
Aus Säter. wird telcgraphirt, daß vollständiges 
nordisches Wintcrwetter eingetreten ist; ellenhoher 
Schnee bedeckte die Felder und die Wege mußten 
durch Schneepflüge frei gemacht werden. In 
Christiania hat es am Sonntag ebenfalls ge 
schneit und aus Finnmarken wird starker Schnee 
fall mit mehreren Kältegraden gemeldet. 
Newyork, 29. Mai. Die westlichen Staaten 
sind von sehr heftigen Stürmen heimgesucht worden. 
Durch Platzregen und Hagel wurde den Saaten 
und Gebäuden ungeheurer Schaden zugefügt, und 
in einigen Ortschaften wurden Menschen von der 
Hochfluth weggeschwemmt. Auch die südlichen 
Theile von Newyork, Mittel- und Süd-Ohio, 
Missouri und andere Staaten haben gelitten. 
Newyork, 20. Mai. Unter dem Namen „Cyclone 
Pulveriser" ist gegenwärtig in Amerika eine neue 
Maschine hergestellt zum Zerkleinern harter 
trockener Gegenstände aller Art, von dünner Baum 
rinde bis zum härtesten Kieselstein. Das Eigen 
thümliche an der Maschine ist, daß die zu zer 
kleinernden Gegenstände nicht durch Stampfen oder 
Walzen zermalmt, sondern durch Reibung gegen 
einander in der Luft zu Staub zermahlen lverden. 
Durch zwei in einem eisernen Kasten befindliche sich 
schrägüber stehende, unten 2 Zoll, oben 9 Zoll von 
einander entfernte schiffsschranbenartige Windräder 
odcr vielmehr Schafte, welche bei einer Geschwindig 
keit von 2000 Umdrehungen in der Minute Luft 
von außerhalb des Kastens einsangen und mit voller 
Gewalt nach innen schleudern, wird in dem leeren 
stiaume zwischen den beiden Windrädern ein Luft- 
wirbel erzeugt, welcher verhindert, daß hineinge 
worfene Steine, Holz und bergt., auf den Boden 
sinken; dieselben werden im Gegentheil so lange 
gegeneinander gerieben und gedreht, bis sie zu Staub 
zergehen, worauf sie von der trichterförmig auf 
steigenden Luftströnmng nach oben gerissen und in 
geeigneten Vorrichtungen aufgefangen lverden. Wie 
man sieht, ist die Maschine im Kleinen dem Wirken 
der verheerenden Wirbelstürme nachgebildet, welche 
alljährlich in Amerika ganze Landstrecken verwüsten, 
daher ihr Name. 
Berlin, 1. Juni. Der Kaiser ha, 
bis auf Weiteres seine Unterschrift zu dem 
Gesetz, betr. Verlängerung der Legislatur 
perioden, zurückgezogen. 
— Am Freitag Vormittag ist zur festgesetzten 
Stunde, 10 V» Uhr, die Uebersiedelung der Kaiser 
familie vom Charlottenburger Stadtschlosse nach 
Schloß Friedrichskron vor sich gegangen. Die An 
kunft in Potsdam erfolgte kurz vor 1 Uhr. 
Berlin, 2. Juni. Es bestätigt sich, daß daS 
Gesetz, betr. die Verlängerung der Legislatur 
perioden in Preußen vorläufig nicht veröffentlicht wird. 
Alles Weitere bleibt in suspenso. 
— Nachdem der Spiritus-Ring gescheitert 
ist, schilt die „Allgemeine konservative Monatsschrift 
für das christliche Deutschland" auf „die internatio 
nale Spekulation", mit welcher das Ringproject 
verknüpft gewesen sei. Das Staatsmonopol, 
so meint die konservative Monatsschrift, werde jetzt 
der letzte Anker bleiben. 
Von Helene v. Götzendorff-Grabowski. 
Der erschreckten Miß Ewans blieb die eben ge 
kommene Pille buchstäblich im Hals stecken; sie 
dşte auf und der Zeichenstift entglitt ihren Händen. 
»Gütiger Himmel! was machen Sie für grauen- 
>»fte Augen, Miß Carteret! Man könnte meinen, 
? sei Ihnen darum zu thun, Professor Mixie's 
"henslìcht auszublascn! Hat er Sie so arg be- 
^drgt, oder was giebt es sonst?" 
»Mein Kopf schmerzt heftig, Miß Evans; ich 
maube, es wird mir unmöglich sein, heute etwas zu 
o chnen. Wollen Sic mir gestatten, auf mein 
?rîv ei gehen?" 
iß Evans ertheilte sehr bereitwillig die Erlaub- 
> » dazu. Sobeïdens fieberhaft glühende Augen 
J ™ ihr von Minute zu Minute unheimlicher, 
n f .. l ie 5°9 es bei weitem vor, die der Schülerin 
porigen sechzig Minuten Pillen essend vor dem 
ņi^egel zuzubringen. „Legen Sie Sich sofort 
j, es wird das Beste sein. Ich werde Ma- 
^ davon benachrichtigen, daß Sie für diesen 
wan I àhe bedürfen," sagte sie leidlich wohl- 
ba« sn „Selbstverständlich rechne ich darauf, daß 
der»- , 'sànte durch doppelten Fleiß Ihrerseits ein= 
gebe Sie müssen Sich fernerhin Mühe 
$n\ n ’ Miß Carteret, sonst nimmt es ein schlimmes 
^ mit Ihnen." 
A ätzten Worte der Lehrerin tönten gleich einem 
Ben şşņuch in Soberde nach, als sie auf ihrem 
zu fs ""k şich abmühte, den schmerzenden Kopf 
ein Ur™ ® enfen Zu zwingen. „Sonst nimmt es 
es mmes Ende mit Ihnen!" Ja, das würde 
Hessin b"" şio blieb. Aber sie konnte nicht bleiben, 
9 e îd3er 1 „ tlar ' tC şich ļiar bewußt. Es mußte etwas 
diesem unerträglichen Zustand ein 
'oe machte, und zwar bald. 
sie sich eine Stunde mit ihren unruhigen Gedanken 
herumgestritten, „ich lvill auch gar nicht an diesen 
bösen Kopfschmerz denken, sondern lieber etwas 
Nothwendigeres thun: meine Sachen ordnen, damit 
ich bereit bin, wenn —" Sie hielt inne und 
lächelte traurig, im erwachenden Bewußtsein ihrer 
Thorheit. Wohin sollte sie gehen? Und mit wem? 
Wo war die rettende Hand, welche sich ausstrecken 
würde, um die Pforten ihres Gefängnisses zu öffnen, 
sie wieder zur Freiheit zu führen? Sobeïde wußte 
cs nicht; sie sah nirgends einen Hoffnungsstrahl, 
aber sie sagte sich trotzdem immer von neuem: „Ich 
muß fort!" und ging dann mit krankhafter Eil 
fertigkeit daran, ihre Sachen zu ordnen. Ihr Kopf 
schmerzte zum Zerspringen und sie stand unsicher 
auf den Füßen, wie eine Berauschte, aber das durfte 
dem Fortschreiten ihres Werkes keinen Eintrag thun. 
Miß Barbara Dudley, deren Zimmer, wie schon 
erwähnt, an Sobeïdens Gemach grenzten, vernahm 
mit Befremden, wie lebhaft ihre als krank gemeldete 
Pensionärin sich nmherbewcgte. „Augenscheinlich 
werden da Schubladen auf- und zugeschoben, Möbel 
gerückt und dergleichen sonderbare Sachen mehr," 
sagte sie zu ihrer deutschen Beratherin. „Was 
meinen Sie, Beste, ob ich einmal hinübergehe?" 
„Zu Beauty? Ich denke, es ist richtiger, sie un 
gestört zu lassen," erwiderte die Gefragte. „Vielleicht 
ist ein neuer Geist über die mysteriöse kleine Person 
gekommen; vielleicht ist dieses „Aufräumen" der 
Beweis, daß ihr ein besseres Verständniß ihrer 
Pflichten aufgegangen, und der Anfang einer erfreu 
lichen Wandlung. 
Und so blieb Miß Barbara bei ihrer Theetasse 
und ihrem neunbändigen Criminalroman, in den 
sie sich vertiefte, nachdem Fräulein Clara die Lampe 
angezündet. Bei hereinbrechender Dunkelheit ver 
stummte übrigens jedes Geräusch in Sobeïdens 
Zimmer; der Mond aber, welcher bald darauf in 
seiner blaffen Pracht am abendlichen Himmel auf 
stieg, wußte allein, daß die „Schönheit" es ver 
lassen hatte. Und er lächelte das alte, schmerzlich- 
satyrische Lächeln, mit dem er von jeher auf die 
wunderliche Erde und ihre noch wunderlicheren Be 
wohner herabgeschaut, und zog dann einen Wolken 
schleier über sein Antlitz. Es verstimmte ihn doch 
ein wenig, daß er heute keine flimmernden Strahlen 
kränze flechten durfte für das liebliche Mädchen- 
Haupt, welches vordcni allabendlich am Fenster er 
schienen war, kein tröstliches Licht senden in die 
großen Augen, die feucht zu ihm aufgeblickt hatten: 
träumerisch, sehnsuchtsvoll, bestrickender in ihrer 
Traurer, als irgend ein Augenpaar, das in dieser 
verschwiegencn Abendstunde Trost suchend aufwärts 
schaute, in das gütige, wandellos geduldige Mond 
gesicht. 
Dreizehntes Capitel. 
Zwei Briese. 
In Baverne Castle hatte sich während dieser Zeit 
wenig Neues ereignet, einen sonderbaren Vorfall 
abgerechnet, der den Leuten zu denken gab, ohne 
daß sie ihn zu ergründen vermochten. Der Colonel 
Sir Marcus Dent lvar eines Abends in seltsamer 
Verfassung von einer „längeren Vergnügungsreise" 
zurückgekehrt, lahm gehend, mit malerischen, schwarzen 
Querpflastern auf Hals und Antlitz, welche auf 
einen geheimnißvollen Feldzug hindeutenden. Sir 
Marcus erzählte dem Earl, sowie jedem anderen 
theilnehmenden Frager zivar sehr bereitwillig und 
ausführlich, wie er, noch vor Ankunft am Ziel 
seiner Reise, auf einsamem Waldweg von einem 
wüthenden Hund überfallen und so übel zugerichtet 
worden sei, daß er sich gezwungen gesehen habe, im 
ersten besten Dorsivirthshans Zuflucht zu suchen 
und unter den Händen eines Dorfbarbiers das hef 
tige Wnndfieber zu überstehen, und daß ihm danach 
natürlich alle Lust zu dem projectirten Besuch ver 
gangen sei und er sich sofort nach Baverne Castle 
zurückbegeben habe. Aber Jedermann fühlte, daß 
diese tragische Geschichte nicht die Wahrheit oder 
doch nur halb die Wahrheit enthielt. Trotzdem gab 
man 
damit zufrieden und vergaß schließlich, an 
das Warnrn der äußeren Veränderung zu denken, 
welche Sir Marcus doppelt wie einen Mephisto 
erscheinen ließ. 
Percy Lovedale wurde in diesem Fall — ganz 
gegen des Colonels sonstige Gewohnheit — auch 
nicht in's Vertrauen gezogen und empfand bei dieser 
Wahrnehmung fast ein Gefühl der Erleichterung. 
„Die gegenseitigen Rücksichten und Verpflichtungen 
beginnen sich zu lockern! So gewinne auch ich nach 
und nach meine Freiheit zurück und kann selbstständig 
handeln, wo es noth thut," sagte, er sich befriedigt. 
„Der Himmel gebe aber, daß wenigstens die „Schön 
heit von Browningham" meines Beistandes niinmer 
bedarf!" 
Der Earl von Baverne, dessen Gesundheitszustand 
sich nur sehr langsam, obschon unverkennbar besserte, 
trug schwer an der „Wartezeit", welche der Ver 
wirklichung seines Glücktraumes vorangehen mußte 
Er hätte über Alles gern an Sobeïde geschrieben 
und ab und zu ein Briefchen von ihr empfangen 
um zwischen den Zeilen zu lesen, daß sie seiner ge 
denke, und um ihrem Vorwärtskommen von Schritt 
ju Schritt folgen zu können. Aber Alles das hatte 
Sir Thomas Carteret mit Entschiedenheit zurück 
gewiesen. 
„In dieser Zwischenzeit dürfen keine Liebesfäden 
hinüber und herüber gesponnen werden," sagte er 
sehr energisch. „Beauty muß sich unbeirrt und un 
beeinflußt entwickeln dürfen. Aus meiner Hand 
sollen Sie das Mädchen in Empfang nehmen, wenn 
es für den Platz an Ihrer Seite herangereift." 
„Machen Sie mir kein Modenbild, keine Salon 
puppe ans meinem kleinen Landmädchen, Carteret," 
hatte der Earl erwidert. „Nur so viel als die 
äußerste Nothwendigkeit gebietet, soll man ihm 
nehmen und geben da draußen." 
„Wenn der Stein in's Rollen gebracht ist, hilft 
kein Einhaltgebieten. Das Landmädchen soll die 
Lady von Baverne werden. Wohlan! So muß
	        
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