kmnk werden!" sagte sich die
t« ihr Lager verlassend, nachdem
r: 3 V v.»H\
v Ï .'•■■»Ml®
rase.
ucht.
nme,
teren
aus-
erten
L«L-
inber
äön).
ector
!5.
che»,
il.
AbounemkntSpreiS:
Vierteljährlich 2\A — frei ins Haus geliefert 2JÌ15J/,
für Auswärtige, die das Blatt durch die Post beziehen
2 Ji 25 ^ inet. Postprovision re., jedoch ohne Bestellgeld.
Erscheint
Montag-, Mittwoch- und Freitag-Abend.
Giimrrdachtzigster
Ho. «6
Montag,
Jahrgang.
Insertions-«»:
Für die Corpuszeile 18 H, für die PetitzeileS 10
Anzeigen werden an den bezüglichen Ausgabetager bis
Mittags 12 Uhr erbeten.
Als Beilage wird dem Blatt monatlich einmal
„Der Landwirth" gratis beigegeben.
4. Zuni.
1888.
Das Befinden des Kaisers.
Die Anstrengungen der Uebersiedelung nach Schloß
Friedrichskron bei Potsdam haben bei dem Kaiser eine
gewisse Ermattung hervorgerufen. Im Uebrigen ist
der Gesundheitszustand aber ein befriedigender.
Die Nacht zum Sonnabend verlief günstig.
Am Sonnabend Vormittag machte der Kaiser im
Park von Charlottenhof eine Spazierfahrt; unter
wegs verließ er zeitweilig den Wagen. Später
nahm der Kaiser den Vortrag des Generals von
Albedyll entgegen. Zum Diner waren keine Ein
ladungen ergangen. Gegen Mittag fühlte sich der
Monarch frischer und verweilte von 11 */ 2 bis l'/ 2
Uhr theils zu Fuß, theils zu Wagen im Park.
Ueber das Befinden des Kaisers verlautet ferner
dom Sonnabend: Der Kaiser hatte keine ganz
gute Nacht. Schlaf etwas unruhiger, auch Husten
mehr wie in den letzten Tagen. In Folge dessen
fühlte er sich etwas matt, aber die Aerzte sahen
nichts Beunruhigendes darin, weil diese Symptome
den Anstrengungen der gestrigen Reise
zuzuschreiben sind. Der Kaiser stand um '/rIO Uhr
auf und verbrachte die Zeit bis 2 Uhr im Garten
herumfahrend. Um 4 Uhr machte die Kaiserin
nebst Töchtern eine Ausfahrt nach dem Marmor-
palais. Die Prinzessin Viktoria kutschirte.
Berlin» 2. Juni. Die Aerzte des Kaisers be
schlossen nach der heutigen Konsultation, von der
Ausgabe v on Bulletins Abstand zu nehmen.
Der Kaiser stand um 10 Uhr auf, arbeitete und
empfing den Chef des Militärkabinets. Gestern
sand Nachmittags im Palais des Reichskanzlers
eine Sitzung des Ministeriums statt.
lassen. Die meisten möchten den Vortheil, welcher
ihnen von der Zollgesetzgebung in den Schooß ge
worfen wird, nicht verlieren und verweigerten des
halb rnndiveg jede Preis-Ermäßigung selbst in dem
Falle, ivo der Zweck, die Hebung der Ausfuhr,
auf's Deutlichste nachgewiesen werde. So habe
denn die Ausfuhr nach Amerika z. B., wie unsere
letzten Handelsausweise gezeigt hätten, bereits in
der Eisenbranche — und auch in vielen anderen!
— sehr abgenommen, was wesentlich auf jenen
Umstand zurückgeführt werden müsse.
Es stehen viele Industrien unserer nationalen
Wirthschaft, ivenn ihre Ausfuhr durch das Miß-
verhältniß zlvischen inländischen und ausländischen
Rohstoffpreisen noch weiter erschwert wird, vor einer
sicheren Krisis. Diejenigen, welche diese Lage ver
ursacht oder mitherbeigeführt haben, mögen aus der
kritischen Situation helfen. Auf oppositioneller
Seite kann man sich, im Namen der weniger be
günstigten Industriellen und im Namen der Arbeiter
bevölkerung, welche von etwaigen Betriebsbeschrän
kungen schwer betroffen werden wird, nur freuen,
wenn die schutzzöllnerische Theorie durch derartige
Vorgänge und Entwickelungen auf thatsächlichem
Gebiete einen neuen kräftigen Stoß zum Zusammen
bruch erhält.
Zeichen der Umkehr.
Die Thatsache, daß jede verkehrte Maß
regel im Staatsleben in ihren Folgen und Con-
sequenzcn auch üble Folgen nach sich zieht, läßt sich
durch nichts längnen. Es sind jetzt etwa zehn Jahre
k)er, daß die Schutzzollpolitik ihre Wirkungen
ausübt und schon jetzt tritt etwas Neues, wenn
auch längst Erwartetes ein, was so interessant ist,
daß man eS kurz näher beleuchten muß: Die In
haber der großen Industrien, welchen die
Zollpolitik in erster Linie zu Gute kommen sollte
und zwar gerade die kapitalkräftigsten, für die Aus
fuhr arbeitenden, fangen jetzt an, sich in gewisser
Beziehung unbehaglich und genirt durch die Schutz
zölle zu finden.
Es genügt hier nicht der Raum, großes Zahlen
material in's Gefecht zu führen oder uns eingehender
mit den Motiven zu befassen, als wir cs möchten.
Es möge deshalb zuerst nur kurz erwähnt sein, daß
me westphälische Eisenindustrie dieser Tage
Ş Wortführerin der Beschwerden aufgetreten ist
und ausgeführt hat, daß das Mißverhältniß zwischen
°en inländischen Rohstoffpreisen einerseits und den
-weltinarktspreisen andererseits für Eisen- und Stahl-
"zeugnisse immer schreiender und unerträglicher wird,
!° daß die Nothwendigkeit sich fühlbar machte, daß
mn für die Ausfuhr arbeitenden inländischen Ge-
werbezweigen entsprechende Preisnachlässe seitens der-
^uigen Werke zugestanden würden, welche die Roh
materialien oder Halbfabrikate herstellten. Nur
Wenige der letztgenannten Unternehmungen oder Unter-
Uehmerverbände verständen sich zu solchen Preisnach-
Brüffel, 2. Juni. In einer Besprechung einer
großen politischen Rede Tisza's gegen die Be
theiligung Oesterreich-Ungarns an der Pariser-
Weltausstellung sagt der russisch-officiöse „Nord" :
rrisza habe die seit dem letzten November bei ge
wissen leitenden Ministern wahrzunehmende Gewohn
heit, unter dem Vorwände parlamentarischer Er
klärungen über andere Staaten in abfälliger Weise
fich zu äußern, noch gesteigert und Frankreich nutz
los beleidigt. Indem er Paris als eine Art Hals
abschneider-Grube darstellte, habe er dieselbe spezielle
Optik angewendet, welche die Pester Politiker am
Balkan in allen Winkeln russische Agenten auf
tauchen und sehen lasse; obendrein habe er noch
ans die Möglichkeit eines Krieges im nächsten Jahre
angespielt. Der „Nord" vertheidigt dann Frank
reich, dessen innere Spaltungen es nicht hindern,
eine ebenso.gesunde und solide Nation zu sein, wie
jede andere, und im gegebenen Augenblick sich wieder
zufinden. Die schlagendste Antwort auf Tisza's
Ausfall sei folgende: Zur Stunde stehe man sich
unmer noch viel besser, französische, als ungarische
Fonds in der Kasse zu haben. Mit der größten
Schärfe wendet sich der „Nord" gegen den „Pester
Lloyd", dessen Drohungen mit Z ollre torsi on s-
maßregeln gegen Rußland er eitel und
lächerlich nennt. Rußland denke nicht entfernt an
einen Zollkrieg mit seinen Nachbarn; wenn man
ihm aber einen solchen erkläre, werde es Kompen-
sationsmaßregeln ohne Repressalicn-Charakter zu
seinem Schutze ergreifen. Noch weniger werde
Rußland wegen der Unbequemlichkeiten eines Fiskal,
kricges zu den Waffen seine Zuflucht nehmen; es
lasse sich überhaupt keinerlei Zwang anthun; viel
mehr werde es seine unerschütterliche Ruhe bewahren
und auch den auf Krieg abzielenden Provokationen
und Anschwärznngcn der Friedcnsliga eine ver
doppelte Kaltblütigkeit entgegensetzen. Fast
gleichem Sinne äußert
Korrespondent des „Nord".
m
der Petersburger
2ö) Die Schönheit von Drowningham.
Paris, 3. Juni. (B. T.) Die im Hippo
drom gestern Abend zum ersten Male aufgeführte
Pantomime „Sk ob clef f" gestaltete sich zu einer-
großartigen Sympathie-Kundgebung für
Rußland. Die am Schluß gespielte russische
Nationalhymne wurde vom Publikum mit
Gesang begleitet. Als am Schluß der Vorstellung
russische Soldaten unter Kanonendonner und Glocken
läuten über die Bühne marschirten, war der Jubel,
wie der „Figaro" sagt, ein derartiger, daß er selbst
für französische Soldaten bei der Parade des Natio
nalfestes am 14. Juli nicht größer hätte sein
können.
Paris» 3. Juni. Bei Landwehrübungen in
CoulommierS attakirte die Landwehr anstatt
mit dem üblichen Rufe „Hurrah!" mit „vive
Boulanger!" Die betreffende Truppe wurde
durch Entziehung des Sonntags-Urlaubs bestraft.
. — Mit einer geheimnißvollen Sache ist
die Pariser Polizei abermals beschäftigt. Am
Montag Abend erhielt die Hebamme Madame B.,
in der Rue Montenotte wohnhaft, den Besuch dreier
Personen: zweier Frauen, von denen eine das Ge
sicht dicht verschleiert hatte, und eines Mannes.
Die verschleierte Dame schien sehr leidend. Nach
den Mittheilungen der sie begleitenden Personen
erwartete sie stündlich ihre Niederkunft. Die Heb
amme richtete sofort ein Bett her und liess die
Dame niederlegen. Plötzlich wurde an der Glocke
gezogen und ein Diener ersuchte die Hebamme,
sofort wegen eines dringenden Falls mit ihm in
das Bois de Boulogne zu fahren. Bevor die
Hebamme das Haus verließ, forderte sie die Be
gleiter der kranken Dame ans, im Falle sich vor
ihrer Rückkehr etwas ereignen sollte, sofort zu dem
in der Nähe wohnenden Doctor K. zu senden. Als
Madame B. nach einiger Zeit in ihre Wohnung
zurückkehrte, fand sie die verschleierte Dame todt im
Bett liegen und ihre Begleiter waren verschwunden.
Es wurde sofort die Polizei verständigt, die bei
der Todten 300 Franks und einige Schmucksachen
vorfand, aber kein Papier, das die Identität dcr
Leiche feststellen konnte.
Wien, 3. Juni. (B. T.) Die in den russisch-
polnischen Gren z or tsch asten domizilirenden
österreichischen und preußischen Fabrik
besitzer und Spediteure erhielten die Weisung,
unverzüglich das russische Gebiet zu verlassen, da
der letzte Termin hierfür abgelaufen. — Bei Miechow
(nahe der Grenze, gegenüber Krakau) werden
mehrere Panzerthürme errichtet.
London, 2. Juni. Eine großartige Demon
stration der Temperenzler ha? im Hydepark
stattgefunden. Liberale und radikale Vereine nah
men an derselben Theil, um gegen die Schankbe
stimmungen der Lokalverwaltungsbill zu Protestiren.
Die Prozession wurde angeführt von Lord Kinaird
und Sir Wilfried Lawson. Zehn Meetings wurden
im Hydepark abgehalten. Wie verlautet, hat die
Regierung die Absicht, die Behandlung der betref
fenden Bestimmungen auf die nächste Session zu
verschieben.
Petersburg, 2. Juni. Es verlautet, nächstens
würde mit dem Bau eines neuen Panzer
schiffes von 9000 Tonnen begonnen werden.
Schweden. Ans Falun wird gemeldet, daß es
daselbst am vergangenen Sonntag stark geschneit hat.
In der Umgegend lag der Schnee ein Fuß hoch
und die Landlcute fuhren in Schlitten zur Stadt.
In Engelsberg wurde durch den starken Schnee
fall die telegraphische Verbindung unterbrochen.
Aus Säter. wird telcgraphirt, daß vollständiges
nordisches Wintcrwetter eingetreten ist; ellenhoher
Schnee bedeckte die Felder und die Wege mußten
durch Schneepflüge frei gemacht werden. In
Christiania hat es am Sonntag ebenfalls ge
schneit und aus Finnmarken wird starker Schnee
fall mit mehreren Kältegraden gemeldet.
Newyork, 29. Mai. Die westlichen Staaten
sind von sehr heftigen Stürmen heimgesucht worden.
Durch Platzregen und Hagel wurde den Saaten
und Gebäuden ungeheurer Schaden zugefügt, und
in einigen Ortschaften wurden Menschen von der
Hochfluth weggeschwemmt. Auch die südlichen
Theile von Newyork, Mittel- und Süd-Ohio,
Missouri und andere Staaten haben gelitten.
Newyork, 20. Mai. Unter dem Namen „Cyclone
Pulveriser" ist gegenwärtig in Amerika eine neue
Maschine hergestellt zum Zerkleinern harter
trockener Gegenstände aller Art, von dünner Baum
rinde bis zum härtesten Kieselstein. Das Eigen
thümliche an der Maschine ist, daß die zu zer
kleinernden Gegenstände nicht durch Stampfen oder
Walzen zermalmt, sondern durch Reibung gegen
einander in der Luft zu Staub zermahlen lverden.
Durch zwei in einem eisernen Kasten befindliche sich
schrägüber stehende, unten 2 Zoll, oben 9 Zoll von
einander entfernte schiffsschranbenartige Windräder
odcr vielmehr Schafte, welche bei einer Geschwindig
keit von 2000 Umdrehungen in der Minute Luft
von außerhalb des Kastens einsangen und mit voller
Gewalt nach innen schleudern, wird in dem leeren
stiaume zwischen den beiden Windrädern ein Luft-
wirbel erzeugt, welcher verhindert, daß hineinge
worfene Steine, Holz und bergt., auf den Boden
sinken; dieselben werden im Gegentheil so lange
gegeneinander gerieben und gedreht, bis sie zu Staub
zergehen, worauf sie von der trichterförmig auf
steigenden Luftströnmng nach oben gerissen und in
geeigneten Vorrichtungen aufgefangen lverden. Wie
man sieht, ist die Maschine im Kleinen dem Wirken
der verheerenden Wirbelstürme nachgebildet, welche
alljährlich in Amerika ganze Landstrecken verwüsten,
daher ihr Name.
Berlin, 1. Juni. Der Kaiser ha,
bis auf Weiteres seine Unterschrift zu dem
Gesetz, betr. Verlängerung der Legislatur
perioden, zurückgezogen.
— Am Freitag Vormittag ist zur festgesetzten
Stunde, 10 V» Uhr, die Uebersiedelung der Kaiser
familie vom Charlottenburger Stadtschlosse nach
Schloß Friedrichskron vor sich gegangen. Die An
kunft in Potsdam erfolgte kurz vor 1 Uhr.
Berlin, 2. Juni. Es bestätigt sich, daß daS
Gesetz, betr. die Verlängerung der Legislatur
perioden in Preußen vorläufig nicht veröffentlicht wird.
Alles Weitere bleibt in suspenso.
— Nachdem der Spiritus-Ring gescheitert
ist, schilt die „Allgemeine konservative Monatsschrift
für das christliche Deutschland" auf „die internatio
nale Spekulation", mit welcher das Ringproject
verknüpft gewesen sei. Das Staatsmonopol,
so meint die konservative Monatsschrift, werde jetzt
der letzte Anker bleiben.
Von Helene v. Götzendorff-Grabowski.
Der erschreckten Miß Ewans blieb die eben ge
kommene Pille buchstäblich im Hals stecken; sie
dşte auf und der Zeichenstift entglitt ihren Händen.
»Gütiger Himmel! was machen Sie für grauen-
>»fte Augen, Miß Carteret! Man könnte meinen,
? sei Ihnen darum zu thun, Professor Mixie's
"henslìcht auszublascn! Hat er Sie so arg be-
^drgt, oder was giebt es sonst?"
»Mein Kopf schmerzt heftig, Miß Evans; ich
maube, es wird mir unmöglich sein, heute etwas zu
o chnen. Wollen Sic mir gestatten, auf mein
?rîv ei gehen?"
iß Evans ertheilte sehr bereitwillig die Erlaub-
> » dazu. Sobeïdens fieberhaft glühende Augen
J ™ ihr von Minute zu Minute unheimlicher,
n f .. l ie 5°9 es bei weitem vor, die der Schülerin
porigen sechzig Minuten Pillen essend vor dem
ņi^egel zuzubringen. „Legen Sie Sich sofort
j, es wird das Beste sein. Ich werde Ma-
^ davon benachrichtigen, daß Sie für diesen
wan I àhe bedürfen," sagte sie leidlich wohl-
ba« sn „Selbstverständlich rechne ich darauf, daß
der»- , 'sànte durch doppelten Fleiß Ihrerseits ein=
gebe Sie müssen Sich fernerhin Mühe
$n\ n ’ Miß Carteret, sonst nimmt es ein schlimmes
^ mit Ihnen."
A ätzten Worte der Lehrerin tönten gleich einem
Ben şşņuch in Soberde nach, als sie auf ihrem
zu fs ""k şich abmühte, den schmerzenden Kopf
ein Ur™ ® enfen Zu zwingen. „Sonst nimmt es
es mmes Ende mit Ihnen!" Ja, das würde
Hessin b"" şio blieb. Aber sie konnte nicht bleiben,
9 e îd3er 1 „ tlar ' tC şich ļiar bewußt. Es mußte etwas
diesem unerträglichen Zustand ein
'oe machte, und zwar bald.
sie sich eine Stunde mit ihren unruhigen Gedanken
herumgestritten, „ich lvill auch gar nicht an diesen
bösen Kopfschmerz denken, sondern lieber etwas
Nothwendigeres thun: meine Sachen ordnen, damit
ich bereit bin, wenn —" Sie hielt inne und
lächelte traurig, im erwachenden Bewußtsein ihrer
Thorheit. Wohin sollte sie gehen? Und mit wem?
Wo war die rettende Hand, welche sich ausstrecken
würde, um die Pforten ihres Gefängnisses zu öffnen,
sie wieder zur Freiheit zu führen? Sobeïde wußte
cs nicht; sie sah nirgends einen Hoffnungsstrahl,
aber sie sagte sich trotzdem immer von neuem: „Ich
muß fort!" und ging dann mit krankhafter Eil
fertigkeit daran, ihre Sachen zu ordnen. Ihr Kopf
schmerzte zum Zerspringen und sie stand unsicher
auf den Füßen, wie eine Berauschte, aber das durfte
dem Fortschreiten ihres Werkes keinen Eintrag thun.
Miß Barbara Dudley, deren Zimmer, wie schon
erwähnt, an Sobeïdens Gemach grenzten, vernahm
mit Befremden, wie lebhaft ihre als krank gemeldete
Pensionärin sich nmherbewcgte. „Augenscheinlich
werden da Schubladen auf- und zugeschoben, Möbel
gerückt und dergleichen sonderbare Sachen mehr,"
sagte sie zu ihrer deutschen Beratherin. „Was
meinen Sie, Beste, ob ich einmal hinübergehe?"
„Zu Beauty? Ich denke, es ist richtiger, sie un
gestört zu lassen," erwiderte die Gefragte. „Vielleicht
ist ein neuer Geist über die mysteriöse kleine Person
gekommen; vielleicht ist dieses „Aufräumen" der
Beweis, daß ihr ein besseres Verständniß ihrer
Pflichten aufgegangen, und der Anfang einer erfreu
lichen Wandlung.
Und so blieb Miß Barbara bei ihrer Theetasse
und ihrem neunbändigen Criminalroman, in den
sie sich vertiefte, nachdem Fräulein Clara die Lampe
angezündet. Bei hereinbrechender Dunkelheit ver
stummte übrigens jedes Geräusch in Sobeïdens
Zimmer; der Mond aber, welcher bald darauf in
seiner blaffen Pracht am abendlichen Himmel auf
stieg, wußte allein, daß die „Schönheit" es ver
lassen hatte. Und er lächelte das alte, schmerzlich-
satyrische Lächeln, mit dem er von jeher auf die
wunderliche Erde und ihre noch wunderlicheren Be
wohner herabgeschaut, und zog dann einen Wolken
schleier über sein Antlitz. Es verstimmte ihn doch
ein wenig, daß er heute keine flimmernden Strahlen
kränze flechten durfte für das liebliche Mädchen-
Haupt, welches vordcni allabendlich am Fenster er
schienen war, kein tröstliches Licht senden in die
großen Augen, die feucht zu ihm aufgeblickt hatten:
träumerisch, sehnsuchtsvoll, bestrickender in ihrer
Traurer, als irgend ein Augenpaar, das in dieser
verschwiegencn Abendstunde Trost suchend aufwärts
schaute, in das gütige, wandellos geduldige Mond
gesicht.
Dreizehntes Capitel.
Zwei Briese.
In Baverne Castle hatte sich während dieser Zeit
wenig Neues ereignet, einen sonderbaren Vorfall
abgerechnet, der den Leuten zu denken gab, ohne
daß sie ihn zu ergründen vermochten. Der Colonel
Sir Marcus Dent lvar eines Abends in seltsamer
Verfassung von einer „längeren Vergnügungsreise"
zurückgekehrt, lahm gehend, mit malerischen, schwarzen
Querpflastern auf Hals und Antlitz, welche auf
einen geheimnißvollen Feldzug hindeutenden. Sir
Marcus erzählte dem Earl, sowie jedem anderen
theilnehmenden Frager zivar sehr bereitwillig und
ausführlich, wie er, noch vor Ankunft am Ziel
seiner Reise, auf einsamem Waldweg von einem
wüthenden Hund überfallen und so übel zugerichtet
worden sei, daß er sich gezwungen gesehen habe, im
ersten besten Dorsivirthshans Zuflucht zu suchen
und unter den Händen eines Dorfbarbiers das hef
tige Wnndfieber zu überstehen, und daß ihm danach
natürlich alle Lust zu dem projectirten Besuch ver
gangen sei und er sich sofort nach Baverne Castle
zurückbegeben habe. Aber Jedermann fühlte, daß
diese tragische Geschichte nicht die Wahrheit oder
doch nur halb die Wahrheit enthielt. Trotzdem gab
man
damit zufrieden und vergaß schließlich, an
das Warnrn der äußeren Veränderung zu denken,
welche Sir Marcus doppelt wie einen Mephisto
erscheinen ließ.
Percy Lovedale wurde in diesem Fall — ganz
gegen des Colonels sonstige Gewohnheit — auch
nicht in's Vertrauen gezogen und empfand bei dieser
Wahrnehmung fast ein Gefühl der Erleichterung.
„Die gegenseitigen Rücksichten und Verpflichtungen
beginnen sich zu lockern! So gewinne auch ich nach
und nach meine Freiheit zurück und kann selbstständig
handeln, wo es noth thut," sagte, er sich befriedigt.
„Der Himmel gebe aber, daß wenigstens die „Schön
heit von Browningham" meines Beistandes niinmer
bedarf!"
Der Earl von Baverne, dessen Gesundheitszustand
sich nur sehr langsam, obschon unverkennbar besserte,
trug schwer an der „Wartezeit", welche der Ver
wirklichung seines Glücktraumes vorangehen mußte
Er hätte über Alles gern an Sobeïde geschrieben
und ab und zu ein Briefchen von ihr empfangen
um zwischen den Zeilen zu lesen, daß sie seiner ge
denke, und um ihrem Vorwärtskommen von Schritt
ju Schritt folgen zu können. Aber Alles das hatte
Sir Thomas Carteret mit Entschiedenheit zurück
gewiesen.
„In dieser Zwischenzeit dürfen keine Liebesfäden
hinüber und herüber gesponnen werden," sagte er
sehr energisch. „Beauty muß sich unbeirrt und un
beeinflußt entwickeln dürfen. Aus meiner Hand
sollen Sie das Mädchen in Empfang nehmen, wenn
es für den Platz an Ihrer Seite herangereift."
„Machen Sie mir kein Modenbild, keine Salon
puppe ans meinem kleinen Landmädchen, Carteret,"
hatte der Earl erwidert. „Nur so viel als die
äußerste Nothwendigkeit gebietet, soll man ihm
nehmen und geben da draußen."
„Wenn der Stein in's Rollen gebracht ist, hilft
kein Einhaltgebieten. Das Landmädchen soll die
Lady von Baverne werden. Wohlan! So muß