Full text: Newspaper volume (1888, Bd. 1)

Hìendsburger 
NouakmentS-rkiS: 
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Montag-, Mittwoch- und Freitag-Abend. 
ochmblalt. 
No. 57. 
Das Befinden des Kaisers. 
Berlin, 9. Mai. Der augenblickliche Stand des 
kaiserlichen Befindens darf als günstig betrachtet 
iverden und wurde dem Patienten heute erlaubt, 
das Bett mit dem Sopha zu vertauschen, von wo 
der Kaiser den Blick auf den Park hat. Heute 
fand ein Wechsel der Canüle statt und zeigte," daß 
die äußere Umgebung des Wundkanals nicht mehr 
gesch,vollen, sondern vernarbt und entzündungsfrei 
fit. Es ist das also ein erfreuliches Resultat. 
Die letzte Nacht war vielfach gestört, brachte dem 
Kaiser aber doch hinreichend erquickenden Schlaf. 
Die Temperatur war Abends 38,3 Grad, heute 
um 11 Uhr Vormittags normal. 
— Die Nacht zum Mittwoch war für den 
Kaiser ziemlich ruhig. Derselbe konnte viel schlafen. 
Die Körpertemperatur, welche am Tage vorher 38,3 
zeigte, betrug Mittwoch früh 37,5, war also nor 
mal. Auch Puls und Athmnng waren dem nor 
malen Verhältniß näher als in den letzten Tagen. 
Die Eiterabsonderung hat abgenommen. Es wurde 
ein Wechsel der Kanüle vorgenommen, welcher leicht 
und ohne Schwierigkeit von Statten ging. Dabei 
zeigte sich als erfreuliches Ergebniß der jüngst ver 
änderten Form derselben, daß die äußere Umgebung 
des Wundkanals, welche stark entzündlich gewuchert 
war, abgeschwollen, benarbt und fast gänzlich frei 
von entzündlicher Reaktion ist! So konnten die 
Aerzte dem Patienten die ersehnte Erlaubniß zuni 
Verlassen des Bettes und zuni ruhigen Lagern auf 
dem Sopha im Arbeitszimmer ertheilen, von welchem 
aus der Kaiser einen freien Blick in den grünen 
Park hat. Ein ärztliches Bulletin wurde nicht aus 
gegeben. 
Im Arbeitszimmer empfing der Kaiser gegen 
1 Uhr den Besuch der Kronprinzessin, die mit dem 
ältesten Söhnchen gekommen war, dem Kaiser ein 
Körbchen mit Veilchen zu bringen. Auch Prinz 
Heinrich und die Erbprinzessin von Meiningen er- 
şchienen zuiu Besuch. Um 11 Uhr erschien der Chef 
des Civilkabincts zum Vortrag. Die Kaiserin, 
welche sich von dem besseren Befinden des Kaisers 
am frühen Morgen überzeugt hatte, machte mit den 
Prinzessinnen einen Spazierritt nach der Jnngfernheide. 
— Der Kaiser hatte gestern, Donnerstag einen 
guten Tag, nahm reichlich Nahrung zu sich und 
war in guter Stimmung. Von 11 Uhr Vor 
mittags bis 8'/, Uhr Abends befand er stch außer 
Bett im Arbeitszimmer auf dem Sopha. Im Laufe 
Ks Nachmittags stattete die Erbprinzessin von Mei 
nungen einen längeren Besuch ab, außerdem waren 
die Minister Lucius und Friedberg kurze Zeit beim 
Kaiser. Die Kaiserin machte Nachmittags eine Aus 
fahrt in den Grünewald. 
Aus Paris, 7. Mai schreibt man der „Franks. 
Ztg.": Das große Ereigniß des Tages ist die An 
kündigung des Buches Boulangers über den Krieg 
von 1870/71. Der Exkommandeur des 13. Ar 
meekorps will mit diesem Buche dem Werke des 
deutschen Gencralstabes keine Konkurrenz machen. 
Er schreibt für's Volk: „An's Volk," so sagt er in 
seiner Vorrede, „wende ich mich vor allen Dingen, 
d. h. an die Millionen Menschenbrüste (sic!), 
welche immer noch die sicherste und gefürchtetste 
Bkauer gegen feindliche Angriffe sind". Und weiter: 
„Der Gedanke, daß ich die Wahrheit in die 
Dachkammer und in die Hütte, in die Werkstatt 
und in den Bauernhof, nntten in die Centren der 
Industrien und in die ackerbauenden Gebiete tragen 
^rde, gewährt mir die sicherste, die angenehmste 
Genugthuung." (Hat man je Marktschreierisches, 
Lächerlicheres gelesen?) „Ich appellire auch", so 
schreibt er, „an die Frau, deren Einfluß so groß 
<» unserem Frankreich ist. Glaubt mir, ihr Groß 
mütter, Mütter, Gattinnen, Bräute, Töchter und 
Schwestern" — >vie gekränkt müssen sich die Ur- 
Zrvßmütter darüber fühlen, daß der General sie ver- 
ürssen hat! — „daß es zu unserer Zeit und in 
°er gegenwärtigen Lage Europas nichts giebt, daß 
, ch näher angeht, als die Vertheidigung des Vater- 
andes. Gebt uns eine starke, rnoralisch und Physisch 
şiejtigte Generation, und Ihr werdet die Euch zu 
gehende Aufgabe würdig erfüllt haben." „Man 
umßt sich an," so schreib! er, „unserem Lande die 
Are einzupflanzen, daß die Armee keine andere 
Msion hat, als die, zu schweigen und sich zu 
' Uagen. Aber wenn es die Armee ist, welche den 
(7îgen trägt, so ist cs die Politik, welche ihr bc- 
"hlt, ihn in der Scheide zu lassen, oder ihn zu 
^ Wie man aber in unserer Zeit, wo die 
^ ^wcn nichts Anderes sind, als die Völker selbst, 
, tlt , şich auf einander zn stürzen, Menschen die 
8k>m"ĢlMde Verpflichtung aufzuerlegen, stillschwei- 
fpi-s 'ņìk gekreuzten Armen dem traurigen Schau 
der b ? n Irrthümern und Fehlern zuzuschauen, von 
r* <■ 1 """ ovyniu (jufluļu/uucu, vuu 
Oefnr ö^uben, daß sie dem Vaterlande höchst 
fahr /à ^rnd ihnen dann am Tage der Ge- 
äus ?"'"fen: Wir rechnen jetzt auf Euch, um uns 
kernel,?" Ņ erd erb en zn ziehen; wenn wir darin un- 
Werden euer Name, eure Ehre, eure 
me ersten Opfer des Zusammensturzes sein! 
Eimmdachtzigşier 
Jahrgang. 
SasertionSprki»: 
Für die Corpuszeile 18 H, für die Petitzeile 10 H. 
Anzeigen werden an den bezüglichen Ausgabetage»- bis 
Mttags 12 Uhr erbeten. 
Als Beilage wird dem Blatt monatlich einmal 
„Der Landwirth" gratis beigegeben. 
Ireitag. 
11. Kai. 
1888. 
Für die Ueberschwemmten 
sind in unserer Expedition nachträglich noch eingegangen: 
von I. H. Mk. 3, welche wir dem Localcomitê überwiesen 
haben. Wir sagen allen Gebern wiederholt unsern 
herzlichen Dank. Die Expedition. 
Ich für mein Theil weigere mich, diese Rolle des 
Sündenbockes zu spielen." 
London, 10. Mai. Die Bank von England hat 
den Zinsfuß von 2 auf 3 Procent erhöht. 
— Das „British Medical Journal" veröffentlicht 
ein Schreiben Mackenzie's aus Charlottenburg vom 
8. Mai, worin dieser erklärt, er habe niemals an 
die Presse irgend welche Informationen gegeben, 
ausgenommen solche die ausdrücklich gestattet waren 
behufs Widerlegung falscher übertriebener Berichte. 
London, 7. Mai. In Irvine stürzte am 
Sonnabend Abend »vährend der Aufführung des 
„Macbeth" in Drekenfields Theater ein großer 
Theil der Seiten mau er des Gebäudes ein und 
fiel auf die Straße. Die Gallerie, auf welcher 
sich etwa 200 Personen befanden, brach völlig zu 
sammen, dennoch trug seltsamerweise Niemand ernst 
liche Verletzungen davon. 
London, 7. Mai. Der Dampfer „Garonne" 
von der Orient-Linie ist vorgestern mit eingestoßenem 
Bug in Aden eingetroffen, nachdem er im 18" 
nördl. Breite und 40° östl. Länge mit dem Dampfer 
„Lucinda" zusammengestoßen war. Das 
letztere Schiff ging sofort unter, wobei zwei Ma 
trosen ertranken. Die „Garonne" wurde jedoch 
auch so erheblich beschädigt, daß sie Kohlen über 
Bord werfen mußte. 
Bukarest, 9. Mai. Nach officicllen Mittheilungen 
heißt der Attentäter Preda Fontanareano. Er ist 
ehenialiger Militär und hat schlechte Antecedentien. 
Wegen Mordes verurtheilt, wurde er später be 
gnadigt und bei der Stadtpolizei und der Zoller 
hebung beschäftigt. 
Bulgarien. Das offiziöse russische „Journal de 
St. PöterSbourg" vom 27. April meldet, unter der 
Garnison in Varna seien bedenkliche Unord 
nungen ausgebrochcn; cs seien deshalb andere 
Truppen dorthin gesandt worden und die bisher in 
Varna garnisonirenden Regimenter würden uniformirt 
werden. 
Costa, 9. Mai. In der Grenzstadt Trn ver 
suchten gestern starke Emigrantenbanden nach 
Bulgarien einzudringen, wurden indessen durch 
Kavallerie auf das serbische Gebiet zurückgeworfen. 
Copenhagen, 10. Mai. DaS Project, die 
dänische Hauptstadt zu einem Freihafen zu gestalten, 
tritt neuerdings, ohne Frage unter dem Einflüsse 
des demnächst beginnenden Baues des Nord-Ostsee- 
Canals, wieder in den Vordergrund. Wie die 
„Nat.-Tid." erfährt, beabsichtigt der Finanzminister 
eine aus 15 Mitgliedern bestehende Comniission zu 
ernennen, welche sich mit der Klärung der Frage 
beschäftigen soll, ob und in welcher Weise bei Kopen 
hagen ein Freihafen anzulegen sei. 
Kio de Janeiro, 9. Mai. Die brasilianische 
Regierung schlägt die sofortige Abschaffung 
der Sklaverei ohne weitere Bedingungen vor; 
die Verhandlungen im brasilianischen Parlament wer 
den sofort beginnen. 
Calcutta, 6. Mai. In Delhi und Moradabad, 
im Nordwesten, hat, der „Daily News" zufolge, 
ein furchtbarer Hagelsturm gewüthet. Es 
wurden 2 Pfund wiegende Schlossen aufgehoben, 
von denen die meisten flach und oval waren. 150 
Personen sollen durch die Schlossen getödtet 
»vorden sein. 
Washington, 24. April. Die Mitglieder des 
Bundessenats waren heute einigermaßen überrascht, 
als die Sitzung anstatt durch ein Gebet seitens des 
regulären Kaplans durch ein solches von einem 
israelischen Geistlichen gesprochenes eröffnet 
wurde. Es war dies der Rabbiner der Spanisch- 
Pormgiesischen Israeliten - Gemeinde in Newyork, 
Dr. H. Pereira Mendez. 
Newyork, 8. Mai. Die gemeldete Explosion, 
welche sich ans der Philadelphia & Reading 
Eisenbahn gestern zutrug, scheint durch Dyna 
mit und nicht durch Schießpulver veranlaßt worden 
zu sein. Durch die furchtbare Explosion wurden 
die meisten Waggons des Zuges zertrümmert und 
zwanzig an der Eisenbahn stehende Häuser sielen 
ein. Unter dem Zuge wurde ein 50 Fuß im 
Durchmesser großes Loch gerissen. Die Trümmer 
wurden nach allen Richtungen bis eine englische 
Meile weit geschlendert. Ein Rad und eine Wagen- 
achse geriethen beispielsweise auf ein rnehrere hundert 
Fuß entfernt liegendes Haus. Die Fenster zerbrachen 
in einer Entfernung von zwei engl. Meilen. 
8 Personen wurden getödtet und 30 verletzt. 
Berlin, 9. Mai. Die „Nordd. Allg. Ztg." 
dementirt in schärfster Form eine Notiz des „Franks. 
Generalanzeigers" über eine angebliche Unter 
haltung Bismarck's mit zwei hervorragenden 
Persönlichkeiten des Auslandes. Die dem 
Reichskanzler proponirten optimistischen Aeußerungen 
über die politische Lage seien vollständig aus der 
Luft gegriffen. Trotzdem hätten einige oppositionelle 
Blätter und Börsenorgane auf diese erfundene Re 
porternotiz hin die von den gemäßigten national 
gesinnten Blättern in wirthschaftlichcn Fragen ein 
genommene Haltung beschimpft. Die Reporternotiz 
sei nicht einmal gut erfunden. Bismarck trage nicht 
seine Meinung auf Schleichwegen in die Oeffent- 
lichkeit; wem ehrlich daran liege, die Ansichten des 
Kanzlers über die heutige Lage kennen zu lernen, 
der suche sie in der Rede vom 6. Februar, aber 
nicht in unlauteren Zeitungsnotizen. (Wir haben 
von der angedeuteten Meldung des „Gen.-Anzeiger" 
keine Notiz genommen. Red.) 
Berlin, 9. Mai. Der Vorsitzende des Central 
vereins der Spiritus-Interessenten beruft auf Montag 
eine Generalversammlung ein zur Berathung von 
Anträgen gegen die Spiritus-Monopolbank. 
^— In der vorigen Nummer d. Bl. berichteten 
wir über die systematische Versorgung einer größeren 
Anzahl von Provinzialblättcrn mit Hetzartikeln und 
Correspondenzen seitens eines Beamten». Schlicken. 
Der Schluß des Artikels hat durch einen Correctur- 
fehler die falsche Fassung erhalten, als ob Beamte 
sich mit der Verbreitung solcher Blätter befaßten, 
welche sich ähnlicher Mitarbeiterschaft, wie derer 
v. Schlicben's bedienten. Wir halten es überall für 
unsere Pflicht, unverkürzt nach bestem Ermessen der 
Wahrheit zu dienen. Weil das unser Ziel ist, so 
möge e« auch gesagt sein, daß obige Annahme aus 
der gegebenen Fassung nicht hervorgehen sollte. 
Sic betrifft nur Zeitungen, lvelche unseres Wissens 
nicht mit den v. Schlieben'schen Artikeln oder ähn 
lichen Preßerzeugnissen versorgt werden und dafür 
einzutreten hat jeder Beamte das unabweisbare Recht 
ohne sich irgend etwas zu vergeben. 
-— Ein Sieg der deutschen Industrie. 
Man schreibt der „H. B. H." aus Lübeck: „In 
England wird bekanntlich gegenwärtig am Liver- 
pool-Manchester-Canal gebaut, ein Riesen 
werk, das vom Generalunternehmer Thomas 
A. Walker für 120 Millionen Mark in etwa 
7 Jahren herzustellen ist, Bor ca. 3 Monaten 
sandte der Unternehmer eine Kommission nach 
Deutschland, Frankreich und Holland, um die 
Arbeitsweise und Leistungsfähigkeit von Cxavatoren 
(Trockenbaggern) an verschiedenen Baustellen zu 
studiren. Die Kommission hat den Maschinen der 
Lübecker Maschinenbau-Gesellschaft vor 
englischen, französischen und holländischen Erzeugnissen 
als den leistungsfähigsten den Vorzug gegeben und 
einen Auftrag auf eine Anzahl Apparate im Werthe 
von reichlich */ 2 Million Mark ertheilt. Der 
Lübecker Maschinenbauanstalt hatte man seiner Zeit 
gerathen die Firma ihres englischen Vertreters an 
statt ihrer eigenen an den Apparaten zu befestigen, 
um nicht sofort die ganze englische Concurrenz her 
auszufordern^ zumal es sich bei diesem Canalbau 
um ein englisches National-Unternehmen handelte. 
Die Firma hat dieses Ansinnen zurückgewiesen, 
da sie einerseits die Concurrenz nicht fürchtet, 
andererseits aber nicht glaubt, deutsche Erzeugnisse 
einem englischen Agenten zu Liebe verleugnen zu 
dürfen. Dieser Fall zeigt wieder eklatant, wie 
ungerecht die Behauptungen des Auslandes sein 
müssen, wenn sie darauf fußen, daß deutsche Erzeug 
nisse nur unter dem Schein nicht deutschen Ursprungs 
auf den Weltmarkt gebracht werden können. 
— Die gesteigerte Bedeutung, welche die Be 
schaffung billiger Gasmotoren neuerdings für die 
Erhaltung und Kräftigung des Kleingewerbes, ein 
schließlich der Hausindustrie, erlangt hat, sowie die 
fortschreitende Ausdehnung der Verwendung von 
Gas für Koch- und Heizzwecke legen die Frage 
nahe, inwieweit die öffentlichen Gasanstalten, ins 
besondere die unter städtischer Verwaltung stehenden, 
den Bedürfnissen und Interessen der betheiligtm 
Ķreise in dieser Beziehung durch entsprechende Preis 
ermäßigung Rechnung getragen haben. Um für die 
in der angedeuteten Richtung zu treffenden Maß 
nahmen eine geeignete Grundlage zu gewinnen, hat 
die königliche Regierung eine Erhebung in Betreff 
sämmtlicher in der hiesigen Provinz vorhandenen 
öffentlichen Gasanstalten angeordnet. Die Er 
mittelungen haben sich zu erstrecken auf den am 
1. Januar d. I. geforderten Preis für Leuchtgas, 
Kraftgas und Heiz- und Kochgas, sowie auf die 
Zahl der Gesammtstärkc der vorhandenen Gas 
motoren. ^ Zu den öffentlichen Gasanstalten im 
Sinne dieser Verfügung sind nicht nur die den Ge 
meinden gehörigen, sondern auch die im Besitz von 
Actiengesellschaften oder Privaten befindlichen An 
stalten zu rechnen, sofern sie für eine ganze Ge 
meinde Gas liefern. 
Staßfurt, 9. Mai. Bei dem Umbau des 
Riebeckschachtes sind durch theilweisem Einsturz 
18 Arbeiter verunglückt. Die meisten sind 
jedoch ohne schwere Verletzungen davongetragen zu 
haben gerettet. Die Rettungsarbciten dauern fort. 
Frankenthal, 9. Mai. Ein armes, fleißiges 
Dienstmädchen ist hier das Opfer einer erbärm 
lichen, noch dazu falschen Denunciation ge 
worden. Ein Bursche aus dem nicht weit von hier 
gelegenen Heimathsort des Mädchens hatte sich 
umsonst um die Zuneigung desselben bemüht, und 
wurde schließlich, als er zudringlich zu werden an 
fing, kurz abgewiesen. Er beschuldigte nun das 
Mädchen bei der Staatsanwaltschaft, dasselbe habe 
vor geraumer Zeit geboren und das Kind bei Seite 
geschafft. Die ärztliche Untersuchung, welcher sich 
das Mädchen sofort freiwillig unterzog, stellte fest, 
daß an der Sache nicht ein wahres Wort sei. 
Trotzdem die Unschuld des Mädchens festgestellt war, 
gerieth dasselbe in solche Aufregung, daß eS ins 
Spital verbracht werden mußte, wo es in Folge 
eines Gehirnschlages starb. Die bodenlos gemeine 
Handlungsweise des Burschen wird gewiß die ge 
bührende Strafe finden. 
Hamburg, 8. Mai. Bei der Konkurrenz um die 
noch in diesem Jahre zur Ausführung kommende 
städtische elektrische Centralstation hat unter 
etwa zwei Dutzend Bewerbern die Firma S. 
Schuckert in Nürnberg den Zuschlag erhalten. 
Diese Anlage soll für eine Leistungsfähigkeit von 
etwa 20,000 Glühlampen gebaut werden und wird 
für Rechnung des Staates errichtet. Den Betrieb 
übernimmt Herr General-Konsul Haase, Pächter 
und Leiter der städtischen Gasanstalt. Noch in 
diesen, Jahre sollen die Jnstallationsarbeiten für 
10,000 Lampen beendet werden. 
Hamburg, 9. Mai. Die Bürgerschaft nahm 
heute ohne Debatte den Antrag des Senats an, 
betr. die definitive Ausdehnung des nördlichen 
Freihafcn-Bezitks. Der Senat wird demnach auf 
Grund des Anschluß-Vertrages dem Reich gegenüber 
die Erklärung abgeben, daß das ins Eigenthum deS 
Staats übergegangene Areal zwischen dem Kleinfleeth 
und St. Annen dem Freihafenbezirk zugezogen werde, 
daß aber hinsichtlich weiterer Zuziehung des im 
Anschlußvertrag bezeichneten Stadttheils zum Frei 
hafen die Ausdehnung der Frist auf drei Jahre nach 
erfolgtem Anschluß beim Bundesrath beantragt werde. 
Altona, 7. Mai. (Versammlung unter freiem 
Himmel.) Die Polizei hatte in Erfahrung gebracht, 
daß gestern in aller Frühe eine Versammlung Strei 
kender, denen zur Abhaltung einer öffentlichen Ver 
sammlung in der Stadt die polizeiliche Erlaubniß 
versagt worden war, unter freiem Himmel in der 
Nähe von Lokstedt resp. Langenfelde stattfinden solle. 
Es wurden sofort die nöthigen Vorkehrungen ge 
troffen, uni die Versammlung aufzuheben. Berittene 
und Fuß-Gensdarmen sowie Polizeibeamte wurden 
vom Kgl. LandrathSamt in Pinneberg aufgeboten, 
und zwar unter Führung des Oberwachtmeisters 
Conrad. Es »vurde auch eine größere Gesellschaft 
in der Nähe von Lokstedt gefunden, die anscheinend 
eifrig mit Berathungen beschäftigt war, überrascht 
bei Annäherung der Polizei, ergriffen jedoch Alle 
die Flucht und gelang es ihnen auch, zu entkommen. 
In dieser Angelegenheit haben heute bereits zahl 
reiche Vernehmungen stattgefunden. 
Altona, 11. Mai. Ein großer Zuzug fremder 
Maurer, die sämmtlich von Kopenhagen eintreffen 
und deren Zahl auf 4000 geschätzt wird, hat in 
letzter Zeit hier stattgefunden. Dieselben geben als 
Grund ihrer Uebersiedelung die gegenwärtig in 
Kopenhagen herrschende Arbeitslosigkeit wegen dort 
fast gänzlich ruhender Bauthätigkeit an und wollen 
sich in Altona und in Hamburg Arbeit suchen. 
Kiel, 5. Mai. Bei dem Vorstande des Verein- 
deutscher Spiritus-Interessenten sind fol 
gende Anträge eingegangen: 
1. Die Namen derjenigen Spritrectificateure be 
kannt zu geben, welche sich für das Zustandekommen 
des Spiritusringes besonders intercssiren, resp. ihre 
Bereitwilligkeit zum Beitritte zu der geplanten Spiri- 
tuscommissionsbauk erklärt haben, und die Interessen 
ten aufzufordern, mit diesen Spritfabriken schon jetzt 
jede geschäftliche Beziehung ohne Rücksicht auf mo 
mentane Vortheile oder Nachtheile abzubrechen; 
2. diejenigen Brennercibcsitzcr, welche der SpirituS- 
comiffionsbank nicht bettreten, zu veranlassen, mit 
ihren Brennapparaten, Reinigungsapparate zu ver 
einigen, um den so zum Trinkbranntwein genügend 
gereinigten Sprit direct von der Brennerei an die 
Destillateure liefern zu können: 
3. den Interessenten gedruckte Pläne, Zeichnungen 
und Kostenanschläge zur Anlage von Kornbrennereien 
zuzustellen; 
4. Gutsbesitzer zur Anlage landwirthschaftlicher 
Kartoffelbrennereien zu veranlassen und sie zu diesem 
Zwecke mit einzelnen Interessenten zwecks Beschaffung 
billiger Gelddarlehne in Verbindung zu bringen; 
5. im Falle des Zustandekommens der Spiritus- 
commissioiisbank bei dem jetzigen Reichstage resp. 
bei den nächsten Rcichstagswahlen dahin zu wirken, 
das; der Kontingentspiritus abgeschafft und die ganze 
Verbrauchsabgabe von 70 Mark für die Reichskasse 
reclamirt werde, um bei der schweren Belastung der 
ärmeren Bolksklassen durch die neue Branntwein 
steuer diese vor weiterer Ausbeutung durch ein Pri 
vatmonopol zu schützen. 
P. Kropp, 11. Mai. Im Anschluß an unsere den 
„S. N." entnommene berichtigende Aeußerung bezl. 
des hies. Predigerseminarcs empfangen lvir heute 
noch folgende Erläuterung von Herrn Pastor Paulsen 
direct: Der ganze Bericht beruht auf einer Ver 
kennung des Verhältnisses des Prcdigersetninares in 
Kropp, wie der Verhältnisse in Ainerika. Wir sind 
überhaupt so wenig vom Generalkonzil abhängig, 
daß dem Generalkonzil viel mehr liegen muß an 
der Verbindung mit uns, als uns an der Verbindung 
mit demselben. Die englische Partei im General 
konzil hat von jeher die Einwanderung deutscher 
Prediger zu hintertreiben gesucht, hat aber dadurch 
nur die Deutschen zu größerer Energie in Be 
schaffung von deutsch gesinnten und deutsch redenden 
Kandidaten angetrieben. Je mehr deutsche Pastoren 
nach Amerika kommen, desto heftiger wird selbstredend 
der Widerstand der sogenannten englischen Partei 
werden, sie ist aber nicht im Mindesten im Stande 
die Versorgung der deutschen Gemeinden mit deutschen 
Pastoren zu hindern. Ich glaube, daß in diesem 
Kampfe die Sympathien aller Deutschen auf Seiten 
der für ihre Nationalität und Sprache kälnpfenden 
deutschen Brüder sein wird. Die Aeußerung: „Man 
will keine Masseneinwanderung deutscher Prediger", 
ist gethan von Dr. Seyß (Süß), dessen Familie 
aus Elsaß stammt. Obzwar er vollständig deutsch 
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