Full text: Newspaper volume (1888, Bd. 1)

Das eben ü hibsches Mädchen 
Im Bkmchenkaffee fand. ' (Wespen.) 
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„Der Landwirth" gratts beigegeven. 
No. Ş. 
Montag, 
23. Upril. 
1888. 
Des Bußtages 
wegen erscheint die nächste Nummer d. Bl. 
anstatt am Mittwoch am Donnerstag- 
Abend. 
Das Befinden des Kaisers. 
Zwischen Furcht und Hoffnung schwebt Kaiser 
haus und Volk auch heute. Nach den trostleercn 
Meldungen des gestrigen Tages kommt heute wieder 
ein leiser Hoffnungsklaug. Die Freitag - Nacht 
war ruhiger, das Fieber hielt sich in mäßigen 
Grenzen und sank gegen Morgen derart, daß das 
Allgemeinbefinden relativ befriedigend genannt werden 
konnte. 
Die Nachtruhe war allerdings durch Husten 
häufig unterbrochen, aber auch der nur zeitweilige 
Schlaf stärkte den hohen Patienten derart, daß die 
Aerzte heute Morgen geradezu überrascht waren von 
der verhültnißmäßigen Frische des Kaisers. Der 
Kräftczustand zeigt sich gegen die jüngsten Tage 
kaum vermindert; auch heute sind noch keine An 
zeichen vorhanden, welche bestimmt auf ein« Asfektion 
der Lungen deuteten. 
Die Eiterung dauert an, wenn auch nicht niehr 
im Uebermaße, wie Mittwoch und Donnerstag; der 
Eiter ist dickflüssiger geworden. Dies als ein un 
günstiges Symptom auszulegen, wie ein konservatives 
Blatt jüngst gethan, läßt sich wissenschaftlich nicht 
rechtfertigen. 
Der Kaiser, wie schon oft erwähnt, der geduldigste 
und folgsamste Patient von der Welt, nimmt, den 
Weisungen der Aerzte zufolge, verhältuißmäßig große 
Mengen der in bekannter Weise bereiteten Nahrung 
zu sich, obschon sein Appetit nicht eben bedeutend 
ist. Die geistige Regsamkeit des Schwerkranken ist 
mit seinem körperlichen Zustand nur schwer in Ein 
klang zu bringen, und es bedarf der unausgesetzten 
Mahnungen der Aerzte, um den Drang des Kaisers, 
Regierungsgeschäfte aller Art zu erledigen, zu 
dämpfen. 
Das Verhältniß Kaiser Friedrichs zum Reichs 
kanzler, dessen Vorträgen er mit regstem Interesse 
folgt, wird als ein so herzliches, und die Theil 
nahme des Fürsten Bismarcks als eine so auf 
richtige und rührende geschildert, daß der Abschied 
des Kanzlers vom Krankenbette sich stets zu einer 
herzbewegenden Szene gestaltet. 
Eine unmittelbare Gefahr — das sei zur 
Beruhigung des Publikums gesagt — besteht nach 
Ansicht der Aerzte auch heute nicht. 
Die Nacht zum Sonnabend war sehr wenig be 
friedigend. Das offizielle, nach stattgehabter Konsul 
tation ausgegebene Bulletin vom Sonnabend Mor 
gen lautete: 
Charlottenburg, den 21. April, 9 Uhr Vorm. 
Se. Majestät der Kaiser und König hat eine 
weniger gute Nacht gehabt. Das Fieber ist stärker 
als gestern Morgen. Die Athmung ist ziemlich 
keicht; das Allgemeinbefinden ist weniger befriedigend. 
Morell Mackenzie. Wegner. Krause. M. Hovell. 
Leyden. Senator. 
Im einzelnen vernimnit man noch, daß die Nacht 
«ne unruhige war und, wenngleich die Athembe 
schleunigung keine besonders auffällige war, so erhielt 
üch doch die Körpertemperatur auf unerwünschter 
Höhe und der Schlaf war ein häufig unterbrochener. 
Wie wir zuverlässig erfahren, erreichte das Fieber 
am Sonnabend Vormittag 39,2", das ist ein 
Grad mehr als am Freitag Vormittag. Die Eiter 
ergüsse waren geringer der Eiter aber dicker, was 
nicht günstig ausgelegt wurde. Der Kaiser nahm 
am Vormittag ohne Schwierigkeiten Nahrung zu sich 
nämlich Milch mit Ei, geschabtes Rindfleisch, Bouillon 
und starken Wein. 
Im Laufe des Sonnabend trafen die Kaiserin 
Augusta, die großherzoglich badischen Herrschaften 
und die anderen Mitglieder der königlichen Familie 
in Charlottenbnrg ein. 
Kaiser Friedrich soll wie ein Korrespondent für 
konservative Blätter mittheilt, dem Kronprinzen vor 
Kurzem auf ein Blatt Papier die Worte geschrieben 
haben: „Lerne zu leiden, ohne zu klagen, 
das ist das Einzige, was ich Dich lehren 
kann." 
Die „Post" berichtet: Nach Berichten, welche uns 
gegen 3 Uhr zugehen, soll man im Charlotten 
burger Schlosse auf das Schlimmste gefaßt sein. 
Sowohl die Beamten des Hofmarschallamts wie die 
des Auswärtigen Amtes sollen Ordre erhalten haben, 
die Bureaus nicht zu verlassen. 
Die Temperaturmessungen beim fieberkranken Kaiser 
erfolgen nicht, wie sonst üblich, durch Eiulegeneines 
Thermometers in die Achselhöhle sondern in den 
Mund. Dazu wird ein kleines, fein gearbeitetes 
Thermometer benutzt, welches unter die Zunge gelegt 
wird und in kurzer Zeit den Grad der Körper 
wärme anzeigt. 
Nachrichten vom Sonntag. 
Am Sonntag Mittag hielt sich das Fieber auf 
etwa 38,4 gegen 39,2 am Tage vorher. Nach der 
Konsultation soll Prof. Senator geäußert haben, 
der Kaiser sei in den letzten Tagen noch nicht so 
wohl gewesen, wie gerade heute Vormittag. 
Nach dem „Börsenkurs" konnte der Kaiser 
Sonntag Mittag das Bett verlassen und auf dem 
Sopha sich niederlassen, wo er las und schrieb, 
auch einige Vorträge entgegennahm. 
Mackenzie soll Sonntag-Mittag auf Befragen ge 
äußert haben: „Das Fieber hat abgenommen, die 
Kräfte nehmen zu, der Appetit ist rege." 
— Gegen das Fieber ist, wie der „Nat. 
Ztg." gemeldet wird, an Stelle des Antipyrins, 
das nach mehrmaligem Gebrauche (wie das häufig 
beobachtet wird) seine Wirkung versagte, China- 
Dekokt, d. i. eine Abkochung von Chinarinde, ver 
ordnet worden, das der Kaiser auf den Rat der 
Aerzte regelmäßig in bestimmten Zeiträunien nimmt. 
Morphium wird, je nachdem es der Zustand des 
Kaisers erfordert, verordnet. 
— Tendenziöse Unwahrheiten über Dr. Hovell 
und den Krankenwärter ist die „Köln. Ztg." preß- 
gesetzlich genöthigt worden zu dementiren. 
Depesche. 
Telegramm de» „Rendsburger Wochenblatt." 
Berlin, 23. April. 11 Uhr 45 Min. 
Vorm. Die Nacht zu heute wurde zwar 
durch Husten unterbrochen, war aber sonst 
leidlich. Die Fiebertemperatur war heute 
früh niedriger. Das Bulletin war von 
Prof. v. Bergmann mitunterzeichnet. 
Pari», 19. April. Auf dem Concordienplatz 
waren an 5000 Menschen versammelt und die 
Fenster der Häuser der Rue Tivoli dicht besetzt, 
als Boulanger in einem mit zwei feurigen Füchsen 
bespannten Wagen das Palais Bourbon verließ. 
Neben ihm saß Laisant, gegenüber Deroulede 
und Laguerre. Ueber den Platz muß der Wagen 
im Schritt fahren, ein tausendstimmiges „Vivo Bou- 
lauger!“ ertönt, nur Wenige rufen: „Nieder mit dem 
Diktator!" Jean Allemane, Redacteur des „Parti 
Ouvrier", der „A bas Boulanger!“ schreit, wird 
halbtodt geschlagen. Die Menge begleitet den 
Wagen bis vor das Louvrehotel und steht dicht 
gedrängt, singend und schreiend, stundenlang vor dem 
Hause. Im Vorhof des Palais Bourbon selbst 
wurde Boulanger durch etwa 50 Manifestanten 
stürmisch begrüßt. Unter ihnen befand sich der Ab 
geordnete Baron Dufour, Bonapartist; derselbe 
schrie, als neben ihm gepfiffen wurde: „Ihr werdet 
Alle zum Teufel gejagt werden!" Der Abgeordnete 
Arene stellte ihn deshalb zur Rede, es entspann sich 
ein heftiges Wortgefecht, endlich trennten andere 
Deputirte die Streitenden. Arene sandte darauf 
Dufour seine Zeugen, welche jedoch gemeinsam mit 
den Zeugen des letzteren erklärten, daß keine Be 
leidigung vorläge. 
Pari», 21. April. Ueber die Bedeutung 
Boulangers und des Boulangismus in der 
gegenwärtigen Situation in Frankreich hat Graf 
Münster, der deutsche Botschafter in Paris, welcher 
sich zum Besuch ,noch in Berlin aufhält, sich sehr- 
beruhigend ausgesprochen. Graf Münster meint, 
daß außerhalb Frankreichs der Einfluß Boulangers 
ganz bedeutend überschätzt werde. 
Paris, 21. April. Die Strömung zu Gunsten 
Boulangers macht wesentliche Fortschritte. In 
der Deputirtenkammer hat sich, nach dem „B. T." 
auf Boulangers Namen eine neue Fraction ge 
bildet, welcher außer den bisherigen 12 oder 13 
Boulangisten diverse bisher republikanische Po 
litiker bcigetreten sind, darunter die früheren Minister 
Grauet und Turquet, der frühere Pariser Po- 
lizeipräfect Andrste ux u. A m. In Paris ist es 
gestern Abend zu blutigen Krawallen gekommen. 
Studenten unternahmen eine Boulanger-Manifestation 
vor den, Hotel du Louvre. Alsbald stürzen sich die 
Boulangisten mit Bleislöcken und Messern bewaffnet, 
auf die Studenten, welche darauf, 20 theils schwer, 
theils leicht Verwundete zurücklassend, sich nach dem 
Quartier Latin zm-ückziehen. In der Rue Richelieu 
steigt, als die Boulangisten vorbeiziehen, eine vor 
einem Cast sitzende Dame auf einen Stuhl und 
ruft: „Nieder mit dem General Bonlanger! Es 
lebe Bismarck!" Die wüthende Volksmenge will 
das Cafö stürmen, der Wirth rettet sein Lokal nur 
dadurch, daß er selbst „vive Boulanger!“ schreit 
und die Dame hinausweist. Als neuer Schlachtruf 
der Boulangisten gegen die Antiboulangisteu wird 
geschrien: „Nieder mit den Deutschen!" 
Brüssel, 21. April. Prinz Victor Napoleon 
berief neuerdings eine Reihe von bonapartistischen 
Führern zur Abhaltung einer Konferenz hierher. 
Die Grafen Nicolaw, Bethune und de Juigne sind 
bereits hier eingetroffen. Diese neuerliche Kon 
ferenz hängt mit der Boulangerfrage zusammen. 
Bukarest, 22. April. Die Bauernunruhen 
in Rumänien dauern fort und haben, trotz der opti- 
u ) Pit Schönheit von Bronmingham. 
Von Helene v. Götzendorff-Grabowski. 
Während der Earl den gewohnten Platz auf seinem 
Ruhebett einnahm, erwählte sich Sir Carteret den 
bequemen Amerikaner, nahe am Kamin, vor welchem 
sin vom Earl selbst erbeutetes Löwenfell lag. „Hier 
ist es in der That behaglich, Vaverne!" sagte er, 
şich mit halbgeschlossencn Augen leise schaukelnd. 
--Ich wüßte nicht, wie cS noch behaglicher sein 
könnte." 
, „Aber ich weiß es!" dachte der Earl und versetzte 
nn Geiste die jugendliche Gestalt der „Schönheit" 
nn jenes heitere Kaminfeuer. Da würde sie sitzen, 
b»s liebliche Antlitz von den Flammen rosig über 
mahlt, und ihm vorlesen oder eine feine Arbeit in 
°EN Händen halten und fröhlich dazu plaudern, genau 
s° anmuthsvoll und ladylike anzuschauen, wie die 
schottischen Edelfrauen des alten Vaverne-Geschlechts, 
welche nach einander diese Räume durch ihre vor 
nehme Grazie verschönt, welche jetzt noch von den 
fänden der Familicngalerie herab still und stolz 
1,18 Leben schauten. 
"Es gewährt eine große Genugthuung, Sie derart 
sprechen zu hören, Sir Thomas," lautete des Earl 
etwas spät erfolgende Entgegnung auf seines Gastes 
^'kindliche Worte, „und ich hoffe, Sie beweisen 
»s Gesagte durch ein recht langes Verweilen in 
Kaverne-Castle. Ist diese Zumnthung eine zu starke? 
"hre Miene läßt cs mich fast fürchten." 
. "Keineswegs, Vaverne! In der That nicht. Aber 
1 ! bin nun nicht mehr ganz frei. Ich bin so etwas 
nun, wie ein angehender Familienvater." 
wie 
«»444«, »vH. uti uuyti/tuutt ouimutHvwiu. 
®er Earl richtete sich halb auf dem Ellbogen 
wpor, um in das dunkele, charaktervolle Antlitz des 
^pņchers zu schauen. Dasselbe trug unbeschadet 
8 leicht humoristischen Zuges um die Lippen einen 
rjernsten Ausdruck. „So viel ich sehen kann, 
Sie nicht, Carteret," sagte Francis Vaverne, 
it ver ich verstand Sie, ehrlich gestanden, nicht recht." 
„Das will ich glauben, Vaverne! Sie sollen bald 
klar sehen. Diese schöne, einsame Abendstunde er 
scheint mir wie geschaffen zu einer Beichte. Sie 
sind zwar kein Geistlicher, aber ein guter Mensch 
und, wie ich glaube, mein Freund. Sie werden 
mir so gut als einer der Berufenen im schwarzen 
Rocke Absolution ertheilen, das heißt, sagen können, 
ob das, was ich zur Sühne meiner Schuld zu thun 
gedenke, dieselbe zu mildern vermag, ob ich auf 
Vergebung hoffen darf." 
„Wenn ich Sie recht verstanden, Carteret," sagte 
der Lord in sehr herzlichem Tone, „so soll ich den 
Roman Ihres Lebens hören. Seien Sie im voraus 
meiner wärmsten Theilnahme versichert. Aber Ihr 
Roman scheint schmerzlicher Natur. Wird das 
Durchblättern des vielleicht lange geschlossenen Buches 
Sie nicht sehr erregen?" 
„Das ist nicht zu befürchten. Jahre liegen zwischen 
dem Einst und dem Jetzt, und meine Leidenschaften 
schlummern schon lange den Todtenschlaf; ihre Geister, 
welche beim Klange eines alten, theueren Namens 
wach werden könnten, dürsten uns Beiden nicht viel 
zu schaffen machen. Mit meinem Gewissen ist es 
eine andere Sache!" 
„Das klingt, als laste eine schwere Schuld auf 
Ihrer Seele, Carteret! Aber bedenken Sie, wir sind 
allzumal Sünder. Und mehr als nahezu ein jeder 
unserer weltmännischen Clubbrüder werden Sie auch 
nicht begangen haben. Jugendsünden richtet der 
Himmel gnädig." 
„Die meinige war auch keineswegs von besonderer 
Art; sie wiederholt sich in unzähligen Varianten 
alle Tage. Aber das macht mir mein Gewissen 
nicht leichter. Ich war damals noch ein halber 
Knabe, als es geschah, Vaverne, und berechnete die 
Folgen meines Handelns nicht." 
„Nehmen Sie Sich eine frische Cigarette, Carteret, 
und dann vorwärts! Wo erschien „Sie" Ihnen 
zum ersten Male? Denn cs ist zweifellos ein Weib, 
um welches Ihr schmerzlicher Roman sich rankt." 
„Ich befand mich, kurz nach meiner Mündigkeits 
erklärung, in London, um eine Anzahl Vorlesungen 
zu hören, als Dolly Mason mir zum ersten Male 
begegnete. Das heißt, ich sah sie auf der Bühne. 
Sie gehörte zum Personal eines erbärmlichen Vor- 
stadtthcaters, wohin mich an einem langweiligen 
Regenabende der Zufall oder mein Kismet geführt, 
und spielte so schlecht wie Keine! Trotzdem verlor 
ich in der ersten Minute mein Herz an sie, eben 
weil sie so blaß und fremd inmitten all' jenes 
Theatcrplundcrs stand, wie ein verirrtes Kind. 
war etwas Eigenthümliches in der Erscheinung der 
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kleinen Comödiantin; ich konnte ihren Blick, ihre 
liebliche, aber eigentlich seelenlose Stimme tagelang 
nicht vergessen, sah sie darauf wieder und wieder, 
es entspann sich ein Verkehr zwischen uns, der an 
fangs in einem gemeinschaftlichen Gange von der 
Theatertreppe bis in eine der armseligsten kleinen 
Vorstadtstraßen bestand, dann aber intimer und aus 
gedehnter wurde. Wozu soll ich Sie mit den De 
tails quälen, Vaverne; so etwas ist ja ein- wie 
allemal dasselbe. Die Geschichte meiner Kleinen 
war einfach genug, wenn auch sehr triste. Sie 
stammte aus — nun, aus dieser Gegend und wurde, 
nachdem die trügerischen Vorspiegelungen eines 
reisenden Theateragenten sie ins Garn gelockt, durch 
ihre Verlassenheit und Mittellosigkeit in London und 
in Verhältnissen festgehalten, welche ihrer Natur 
und Beanlagung vollkommen widersprachen. Arme, 
kleine Taube! Sie hatte eine so helle Stimme, so 
goldige Locken und köstliche, nachtschwarze Augen, 
wie ich sie nie — oder doch nur einmal im Leben 
— wiedergefunden. Dolly Mason gedachte in ihre 
Heimath zurückzukehren, da ihre Schwester das Weib 
eines sicher situirten Mannes geworden und dadurch 
in die Lage gekommen war, sich ihrer anzunehmen. 
Sie wollte heim und säße möglicherweise jetzt zu 
frieden und heiter an der geschützten Feuerstelle irgend 
eines friedlichen Hauses, wenn ich — wenn unsere 
Liebe nicht gewesen wäre! Schlafen Sie, Vaverne?" 
mistischen amtlichen Berichte, bereits einen sehr be 
denklichen Character angenommen. Wie der „Times" 
aus Bukarest mitgetheilt wird, zeigen die revolutio 
nären Bauern eine ungewöhnliche Hartnäckig 
keit im Widerstande gegen die Behörden. Mehrere 
Dörfer, welche anscheinend zur Ordnung zurückgekehrt 
waren, haben sich wieder und wieder aufgelehnt. 
In manchen Bezirken herrscht ein an Hungers 
noth grenzendes Elend. 
Wien, 21. April. In einer an die „Politische 
Correspondenz" aus Budapest gerichteten Zuschrift 
wird betont, daß die Nachrichten über neuerliche 
russische Truppenvorschiebungen gegen 
die österreichische Grenze hin, welche auf 
die Presse vielfach beunruhigend gewirkt hätten, in 
den maßgebenden Kreisen von Wien und Budapest 
keineswegs unerwartet gekommen seien, da an diesen 
Stellen bereits seit dem vorigen Herbst die be 
stehende Absicht Rußlands bekannt war, einen 
Truppenbestand von 300,000 Mann in den Grenz 
bezirken gegenüber Deutschland und Oesterreich dauernd 
zu erhalten; russische Truppenvorschiebungen in dieser 
Richtung seien daher so lange vorzunehmen, bis diese 
Ziffer erreicht sei. Obgleich aber die letzten Vor- 
schiebungen nicht eine unmittelbare Bedrohung be 
deuten, bleibe es jedenfalls bedauerlich, daß Oester 
reich-Ungarn Gegenmaßregeln vorbereiten müsse. 
Prag, 17. April. Ein entsetzliches Schauspiel 
ereignete sich gestern in Welwarn bei Prag in 
Kludsky's Menagerie, wo sich der Löwen 
käfig plötzlich öffnete und drei Löwen unter die 
Menge sprangen. Das Publikum flüchtete unter 
fürchterlichem Angstschrei. Der athletische Thier 
bändiger, Johann Schanda versuchte, die wüthenden 
Bestien in den Käfig zurückzutreiben. Ein Löwe 
sprang mit mächtigem Satz auf ihn zu, schmetterte 
ihn zu Boden und begann, ihm das Fleisch 
von den Knochen zu reißen. Nach lebensgefährlichen 
Anstrengungen gelang es seinen bewaffneten 
Kameraden, daS Thier von seinem Opfer los 
zureißen und zu den anderen, bereits eingebrachten 
Löwen in den Käfig zurückzutreiben. Der fürchterlich 
zugerichtete Thierbändiger, ein erst 25jähriger junger 
Mann, wurde ins Prager Krankenhaus transportirt. 
Berlin, 21. April. Der Kaiser unterzeichnete 
gestern ein: Ordre, welche dem Kronprinzen die 
Stellvertretung in erweitertem Unifange überträgt. 
Berlin, 20. April. Wie der „H. C." von zu 
verlässiger Seite erfährt, find die Grafen RadolinSki 
und Solms in den Fürstenstand, die Freiherren 
v. Mirbach, Scheel-Plcssen und v. Flemming 
in den Grafenstand erhoben worden; auch wird eine 
gewisse Anzahl hervorragender Persönlichkeiten au» 
dem Bürgerstande geadelt werden. 
— Ueber die vom Kaiser vollzogenen Standes 
erhöhungen hört man, daß außer den Freiherren 
v. Scheel-Plcssen und v. Mirbach auch die Herren 
v. Alvensleben-Ostrometzo und v. d. Osten- 
Plathe in den Grafenstand erhoben werden. Bon 
Bürgerlichen werden, der „Krenz-Ztg." zufolge, ge 
adelt die Geheimen Kommerzienräthe Krupp in 
Essen und Stumm in Ncuenkirchen. Graf Ra- 
dolin-Radolinski führt nach seiner Erhöhung den 
Titel eines Fürsten von Radolin. 
Berlin, 19. April. Die „Schles. Ztg." erfährt 
von gut unterrichteter Seite, daß der Kronprinz sich 
kürzlich zu dem Offizierkorps eines Gardcregiments 
„Schlafen, Carteret! . . . Was geschah nun mit 
jener kleinen Dolly?" 
„Ich sagte ihr, daß ich ohne sie nicht zu leben 
vermöge. Ich überwand Ihre Befürchtungen und 
Zweifel, schläferte das Heimweh in dem Herzen des 
armen Kindes durch meine wiederholten Liebesver- 
sichcrungen ein, und — heirathete es am Ende." 
Der Earl ließ einen Ausruf des Erstaunens 
hören. „Sie heiratheten eS! Sie heiratheten die 
Comödiantin in der That, Sir Thomas?" 
„In der That. Ich war kein Schurke, und ich 
liebte Dolly. Nach einer uralten, sonderbaren Fa 
milienbestimmung unseres Hauses findet der Ver 
mögensantritt eines Carteret niemals vor der Vol 
lendung seines vierundzwanzigsten Lebensjahres statt, 
im Fall nicht ganz besondere Umstände eine Umge 
hung dieses traditionellen Gesetzes bedingen. Ich 
durfte nicht annehmen, daß meine Verbindung mit 
Dolly Mason — diese im Sinne der Welt mehr 
als thörichte Härath - als ein solcher „besonderer 
Umstand angesehen werden und zu meinen Gunsten 
sprechen wurde, gedachte dieselbe also bis auf weiteres 
vor Jedermann, vorzüglich vor meiner Familie, qe- 
he:m zu halten. Allerdings reichten meine Bkittel 
nur knapp für Dolly und mich, aber in wenigen 
Jahren sollte und mußte cs ja besser kommen, 
o lc ar ® c , kleine Seele wurde des HoffenS und 
Luftschlösserbauens nicht müde; das Leben an meiner 
Seite erschien ihr im Vergleich zu jenem, aus welchem 
mein Erscheinen sie befreit, allerdings nicht mit Un 
recht als ein paradiesisches." (Fortsetzung folgt.) 
Sächsisches KaffcclieS- 
(Frei nach Heine.) 
Ä Kaffeeboom steht einsam 
Rich weid vom rodhen Meer; 
Er schläft; von den vielen Bohnen 
Ward ihm das Kebbchen so schwer. 
Er dreimt von en Stickchen Cichorie
	        
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