Full text: Newspaper volume (1888, Bd. 1)

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„Der Landwirth" gratis beigegeben. 
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Das Befinden des Kronfirinzen. 
Die neueren Mittheilungen über Befund und 
Zerlauf der Krankheit des Kronprinzen haben, so 
wüt sie nichtamtlicher Natur waren, auch dort 
Ichmerzliche Besorgnisse entstehen lassen müssen, wo 
ņean sich den Muth der Hoffnung bisher nicht hatte 
»üben lassen. Es ist möglich, vielleicht wahrschein- 
'ch, daß diese Besorgnisse durch wahrheitsgemäße 
^achrichten zur Zeit nicht gehoben iverden können. 
Kan würde aber irren, wenn man glauben wollte, 
,. B 5 Publikum durch eine Absperrung aller nichtamt- 
"chen Berichte beruhigen, oder auch nur vor einer 
Weigerung der Besorgnisse bewahren zu können. 
— Wiener Privatnachrichten aus SanRemo 
K angeblich von einer mit den Vorgängen in der 
>Ua^ Zstio sehr vertrauten Persönlichkeit stammen, 
ņd in welche die „N. Fr. Pr." Einsicht erhalten 
berichten von der in der Umgebung des Kron- 
şiwzen herrschenden gedrückten Stimmung und 
,'ifen Nievergeschlagenheit, da die Kräfte 
3 hohen Patienten trotz aller Bemühungen der 
slzte die Folgen der Operation bisher nicht 
^?ļļig zu überlvinden vermochten. Ob diese 
cheldernng ans den jetzigen Zustand, oder nur ans 
Men schon überwundenen zutrifft, ist nicht zu cr- 
Mnen. Noch stärkeren Vorbehalt erfordern die in 
iMen Nachrichten enthaltenen Angaben in Bezug 
m das Verhältniß der Aerzte zu einander. 
San Remo, 28 Fcbr. Das Befinden des Kron- 
şimzen war bis heute Mittag befriedigend, Nach- 
ntags trat dagegen eine Verschlimmerung ein durch 
Erstickungsanfall, dessen mögliche Folgen 
^ lofortiges ärztliches Eingreifen beseitigt wurden, 
«an Remo, 29. Febr. Der Kronprinz soll dem 
H.' D." zufolge, angeblich einen ziemlich lcid- 
ist s" ^ļ^'"d verbracht haben. Heute Nachmittag 
ş sämmtlichen hiesigen Aerzten von hoher 
kelle verboten worden, irgend Jemandem 
^uch nur ein Wort über die Krankheit des Kron- 
şimzen in Zukunft mitzutheilen. Das deutsche Volk, 
ganze civilistrte Welt soll hinfort über das Be 
iden des deutschen Thronerben nur durch die bisher 
şihr dürftig gehaltenen offiziellen Bulletins mtter- 
lick Werden. Es ist zu befürchten, daß jetzt täg- 
qn.s». 'î unsinnigsten und unwidersprechendsten 
ädung-n auftauchen werden, 
k. . Ķk' „Reichs-Anzeiger" veröffentlicht in seiner 
urigen Nummer folgendes Bulletin aus San Nemo: 
San Remo, 1. März, 
11 Uhr 5 Minuten Vormittags. 
Dr- Nacht war für S. kaiserliche und könig 
liche Hoheit den Kronprinzen gut Das All- 
şiì'befinden ist gehoben, auch das 
Aussehen besser. 
Mackenzie. Schradew Krause. Hovell. Bramaun. 
Maî7 f7'°'e-^Şr. Geheimrath v. Berg- 
rrnm«. sem Abberufungsgesuch beim Kaiser 
f>ai7r ^kkgmann nimmt übrigens an der Be- 
B °es Kronprinzen weiter nicht Theil. Alle 
Teà^°^ņUeten Gerüchte von einer plötzlichen 
tm -bestund des Kronprinzen sind 
(i ei 5* tt . ® emo > 29. Fcbr. Der Kronprinz hatte 
^^^^^^^^^^âĢuuudAus- 
Ņier ^ Ballsaal. 
is] V îrn Ballsaal? — o sage geschwind! — 
tzj.m die Mutter mit ihrem Kind. — 
tzjx êjjdst das Mädchen leis an dem Arm, 
„Mew N ^ innig — sie fragt sie warm: 
"„Sieh,-?™' ronê wendest Du bang Dein Gesicht?" 
Den A,, Mutter, Du, den Leutenant nicht? — 
"Mein »• e, l ant hwŗ drüben mit Geist und Genie?"" 
"Ah näi^d- er ist -ne brillante Partie." 
^klinm ?lges Fräulein, der erste Ton 
fass, nP Walzer dort gar wohl schon; 
Aas'Lsuhn d,e rosige 5M.d! / ^ 
üffO A Ģnr schneid'ges Gewand." 
^îie keck d7'o Muttermund hörtest Du nicht, 
i'Sei rubia^ ^ànant jetzt zu mir spricht?"" — 
ilnd nimmhil "'em Kind, 
"P holdest. ^ Manner, so wie sie sind." — 
?»nst verr<>n^ ^ einen Tanz 
uns schwingen Ansucht ich mich noch ganz; 
""d wieaen l nv ? zusammen in gaukelnden Reih-n, 
»K Mutte", ° MuL7' schweben zu zwei'n." 
ì spähenden unil stehst Du nicht dort 
ģein Kind an zedem Ort?"" — — 
^ie Mädchen ."î Ui) ' 'ch seh' es genau, 
Ach liebe Di^"^suben ärgern sich grau." 
Ņ'cht iä nae A'seizt Deine schöne Gestalt," 
»,,O Mutt.^ 'ch des Herzens Gewalt." 
Meh' mi" ' br küßt mich, jetzt faßt er mich an, 
Ae Mntt'.."^^ Unsel'ge gethan."" 
hält in den ^ n l tH -stch geschwind — 
Fuhrt hi»" § °n Armen ,hr zitterndes Kind, 
lvurf waren etlvas geringer, allein im großen 
Ganzen war das Befinden unverändert. Der Kron 
prinz iueittc kurze Zeit auf dein Balkon, um frische 
Luft zu schöpfen, allein scharfer Wind und drohender 
Regen veranlaßten ihn zu baldiger Rückkehr ins 
Zimmer. Sir Morell Mackenzie erwartet, daß der 
Kronprinz sich während der nächsten Tage etwas 
ivohler fühlen werde; auch hofft Mackenzie, daß die 
blutige Färbung des Auswurfs bald aufhören iverde. 
Gleichwohl herrscht in der nächsten Umge 
bung des hohen Kranken eine düstere 
Stimmung vor. 
— Der „Nationalzeitiing" wird aus San Remo 
von Mittwoch berichtet: „Der Kronprinz ist wie 
gewöhnlich vor 10 Uhr aufgestanden. Er war Vor 
mittags ain offenen Fenster, allein er fühlt sich 
heute nicht wohl; er klagt über Mattigkeit. 
Der Auslvurf ist reichlicher als sonst und öfter blut 
gefärbt. Seit zwei Tagen sind leichte Verdauungs 
störungen eingetreten, von »velchen man hofft, daß 
sie jetzt überwunden sind Ob der Kronprinz dem 
nächst wieder ausführen könne, so wird der „Mag 
deburgischen Zeitung" gemeldet, ist noch zweifelhaft. 
— Die Nachrichten der pariser „Agence HavaS" 
über das Befinden des deutschen Kronprinzen lauten 
so beunruhigend, daß wir sie nicht wiederzu 
geben wagen. 
— Abermals wird von verschiedenen Seiten in 
bestimmter Form behauptet, das Kaiserpaar sei 
fest entschlossen, au das Krankenlager seines einzigen 
Sohnes zu eilen, und gedenke, beim Eintritt tvärmerer 
Witterung die Fahrt nach Italien anzutreten. Achn- 
liche Gerüchte wurden, wie man sich erinnern wird, 
schon vor mehreren Wochen erzählt; es wäre wohl 
denkbar, daß der Wunsch der kaiserlichen Eltern den 
Sohn noch einmal lebend zu sehen, unter dem 
Eindruck der letzten ungünstigen Berichte ans San 
stkemo festere Gestalt angenommen hat. 
■— Professor Waldeyer ist nach San Remo 
abgereist. 
■—- Prof. v. Bergmann scheint nunmehr doch 
nach Berlin zurückzukehren. Die „Nordd. Allg. Ztg." 
bemerkt, der Nachricht, daß Prof, von Bergmann 
auf besonderen Wunsch des Kaisers seine Anwesen 
heit in San Zkemo verlängert habe „scheine ein 
Mißverständniß zum Grunde zu liegen, welch' letztere 
Voraussetzung auch darin bestätigt erscheint, daß 
Professor von Bergmann's Name auch in den 
Unterschriften des heutigen Bulletins nicht vorkommt." 
Etwaige Berliner Blätter berichten telegraphisch über 
einen Artikel der „Neuen freien Presse" in Wien. 
In dem letzteren soll eine Schilderung aus San 
Remo enthalten sein über die peinliche Situation, 
welche das Herrn Mackenzie anfgezwungene Zu 
sammenwirken mit Prof. v. Bergmann in Folge 
der zwischen diesen beiden Aerzten obwaltenden großen 
Meinungsverschiedenheit ergäbe. Mackenzie genieße 
nach wie vor das ungeschwächte Vertrauen des Kron 
prinzen und der Kronprinzessin. Es sei um so 
weniger einzusehen, warum Professor v. Bergmann 
in San Remo verweile, da die Nachbehandlung der 
Opcrationswunde bereits beendet sei. Nach dem 
„Börs.-Cour." soll Prof. v. Bergmann sein Ab- 
berufnngsgesuch erneuert haben. (S. oben.) 
■ - Na» Ļiterarifches. 
^dlia, b ŗ Zigern ununterbrochenen Erscheinen liegt 
°n D , /u-z-g existirende größte Flora 
d°^Schw ei °"d. Oesterreich-Ungarn und 
^ teci)[ ct ji tenOnstage herausgegeben von 
Mden mit nÄ a JJ-HaUicr in 30 stattlichen 
„J*Diet's S8e11n^ a 7 C sw ructta îï ln komplett vor uns. 
Aàgcwôhmicbe «wn Gera-Untermhaus.) Die 
„Ästche Bervasn^i, ^rbreitung ist wesentlich durch 
o,1"Drt lRatcnzahtung rc) herbei- 
d-ş "in Sechstel die hohe Auflage bereits bis 
London, 1. März. Die Antwort aller 
Mächte auf die russischen Vorschläge ist 
nach einer Mittheilung des officiösen „Reut. Bur." 
nunmehr erfolgt. Die Vorschlüge waren jeder Macht 
besonders mitgetheilt. Rußland habe nicht eine 
Kollektiverklärung der Mächte, sondern von jeder 
Macht eine seinen Schritt in Konstantinopel miter- 
stützendc Erklärung gefordert. Ueber die Antwort 
Englands theilt das „Reut. Bur." nun folgendes mit: 
Die englische Regierung habe sich dahin geäußert, 
daß sie dem Sultan nicht a n r a t h e n könne, 
irgend einen Schritt zur Entfernung des Prinzen 
Ferdinand zu unternehmen, ohne vorher ausreichende 
Maßregeln für die Regelung der bulgarischen Sache 
nach der Abreise des Prinzen Ferdinand vorge 
schlagen zu haben. 
Denselben Standpunkt nehmen bekanntlich auch 
Oesterreich-Ungarn und Italien ein. Darnach ist 
also eine Unterstützung der russischen Vorschläge 
durch alle Mächte endgiltig gescheitert. 
Petersburg. 29. Febr. (B. T.) Fast die ganze 
Presse beschäftigt sich mit der immer drohender 
werdenden Finanzkrise. Die „Nowoje Wremja" 
führt dieselbe auf die Folgen der Ucberspeku- 
lation zurück. „Grashdanin" und „Nowosti" 
klagen das Ausland an; ersterer plaidirt für Ein 
stellung der Zinszahlung, wenn bis zum 
1. April der Rubelkurs nicht wieder 200 
betrage (!). Die „Nowosti" wünscht den 
Ķrieg, falls Deutschland fortfahre, durch seine 
Zollpolitik die Orientpolitik Rußlands zu unter 
binden; ferner verlangt das Blatt, die Negierung 
solle den Banken verbieten, die versetzten Papiere 
zu verkaufen, im Uebrigen aber gestatten, daß die 
Zölle in Papiergeld bezahlt werden. 
Odessa, 27. Febr. Ein Gannerstückchen 
wurde dieser Tage verübt. Am ganzen Körper 
zitternd, trat ein junger Mann schwankenden 
Schrittes in eine Apotheke ein und wies stumm 
bald auf seinen Hals, bald auf die Brust, dann 
stürzte er plötzlich zu Boden mit dem Rufe: „Um 
Himmels willen, schnell Gegengift." Er wand und 
krümmte sich am Boden end und flehte fort 
während um Gegengift, er habe sich mit Phosphor 
vergiftet. Der dujourirende Apothekergehilfe verlor 
gänzlich dm Kopf, stürzte ans die Straße hinaus, 
lvarf sich in eine Droschke und fuhr zu dem zunächst 
wohnenden Arzt. Als er mit demselben zurück 
kehrte, fand sich der Kranke in der Apotheke nicht 
mehr vor. Mit ihm zusammen war die Tages 
einnahme aus der erbrochenen Kasse verschwunden. 
Anch mehrere Stücke Seife und diverse kosmetische 
Waaren waren geraubt worden. 
Wien, 29. Febr. In der Wohnung des Abge 
ordneten Pern erst o rf er erschienen dieser Tage 
gegen Abend zwei Männer, von denen der Eine 
schon Mittags nach Pernerstorfer gefragt hatte. Kaum 
hatten die beiden Herren das Zimmer des Abge 
ordneten betreten und sich als „Meyer" und „Wag 
ner" vorgestellt, als sie Beide Stöcke, die sie in 
der Hand hielten, erhoben und ans, den Kopf des 
Abgeordneten los zu schlagen begannen. Es entspann 
sich ein Handgemenge, in welches auch die Frau 
des Abgeordneten, durch den Lärm herbeigelockt, sich 
einmischte. In dem kurzen Kampfe gelang es dem 
Angegriffenen, beiden Angreifern die Stöcke zu ent 
reißen und den Einen ans den Boden niederzustrecken, 
worauf der Andere zur Thür hinaus entwischte. 
Auch dem Zweiten gelang es, allerdings unter 
Hinterlassung seines Hutes, die Thür zu erreichen. 
Eiligst flohen |ic über die Treppe und waren nicht 
einzuholen. Der Ueberfall wird mit einer Rede 
Pernerstorfer's im Reichsrathe in Verbindung ge 
bracht und erregt in Wien begreifliches Aufsehen. 
Die Rede des dentschnationalen Pernerstorfer betraf 
die wachsende Verrohung, die der studentischen Ju 
gend zum Vorwurf gemacht wurden, und schilderte 
einzelne Vorfälle von unerhörter Brutalität aus den 
Kreisen der „allerhöchsten" Jugend. So kam er, 
für dm Wissenden leicht erkennbar, anch ans eine 
Scene zu sprechen, die sich in Klagen fürt zuge 
tragen haben soll, wo ein junger Prinz, nach einer 
Orgie unter Offizieren, seine Kameraden in das 
Schlafgemach seiner Gemahlin führen 
wollte. Man vermuthet in Wim, daß das 
Attentat auf Pernerstorfer dem Zorn „hoher Kreise" 
über diese Erörterungen zuzuschreiben sei. 
^ — Die russische Finanznoth findet überall 
die eingehendste Beachtung. Privatberichte von guter 
Seite bezeichnen eine innere Zwangsanleihe 
oder dm Staatsbankerott als in naher Zn- 
kunft unvermeidlich. — Man hält hinsichtlich 
der bulgarischen Frage eine russische Anregung be 
hufs Einberufung einer europäischen Konferenz nicht 
für ausgeschlossen. 
^ — In Innsbruck wurde gestern Abend sechs Uhr 
ein Erdbeben bemerkt. 
Rom, 29. Febr. Die „Opinione" sorbet die 
Regierung ans, nachdem Frankreich seinen General 
tarif zu Ungunsten Italiens verschärft habe, auch 
die auf französische Producte bezüglichen Artikel des 
italienischen Generaltarifs zu verschärfen. Der 
italienische Markt werde sich nun immer mehr dm 
französischen Manufacture» verschließen und das 
Votum der französischen Regierung und des fran- 
zöiischcn Parlaments werde ans Frankreichs Haupt 
zurückfallen. Crispi versprach auf die gestrigen 
Arbeiterdemonstrationm hin, die beschäftigungslosen 
Arbeiter auf Staatskosten heimzubefördern. — In 
den letzten Tagen verließen mehrere tausend Arbeiter 
Rom, wo die Baukrise in ein akutes Stadium 
getreten. 
— Aus into nt laufen fortwährend Nach 
richten ein von großen Unglücksfällen in Folge von 
Lawinenstürzen. Das Dorf Ariez wurde gänz- 
llch verschüttet, ebenso ein Theil des Dorfes Set- 
timo Vittoria; zahlreiche Personen wurden 
dabei gctödtet. — Zwischen vielen Hunderten un 
beschäftigter Arbeiter und der Polizei kam 
es gestern zu Rom wiederholt zu Scenen, welche 
an die Zusammenstöße auf dem Trafalgar Square 
in London erinnern. Die Arbeiter durchzogen, nach 
Brot und Arbeit rufend, die Straßen der neuen 
Quartiere, nahmen Vorräthe weg und stürmten 
mehrere Bäckerläden; die Polizei wurde mit einem 
Steinhagel empfangen und mußte von dm 
Revolvern Gebrauch machen. Das Militär 
schritt mehrmals ein und nahm zahlreiche Ver 
haftungen vor. Gegen 10000 Arbeiter 
sollen arbeitslos sein. 
— Offiziöser Berechnung zufolge beträgt das 
ab es s in i s che H ecr 86 000 Mann. Morgen oder 
übermorgen ist ein Rencontre der gegenseitigen Vor 
posten möglich. Der Kriegsminister theilte dem 
General San Marzano mit, falls derselbe Ver 
stärkungen brauche, stehe eine Brigade zur sofortigen 
Einschiffung bereit. 
Rom, 28. Febr. Der Oberkommandant in 
Massaua, San Marzano, telegraphirte hierher: 
Der Negns dürfte bereits in Asniara angelangt 
sein. Er rief durch ein Edikt Alle zum Kriege 
gegen die Italiener auf; mit seinem unzähligen 
Heere hoffe er, die Italiener auszurotten. Wie es 
heißt, rücken die Abessynier in zwei Heeren, von 
Asmara und von Käsen an. 
Stockholm, 29. Febr. Die Vermählung des 
Prinzen Oskar von Schweden mit Fräulein 
Ebba Munk ist, nach einer Meldung der „Post", 
auf dm 15. März festgesetzt und wird in Bourne 
mouth stattfinden. 
Bern, 29. Febr. Die Unterhandlungen zwischen 
der Schweiz und Italien betr. dm Handels 
vertrag werden wahrscheinlich abgebrochen werden. 
Paris, 1. Mürz. Wilson wurde wegen Ordens- 
handels zu zweijährigem Gefängniß, 3000 
Francs Geldbuße und fünfjährigem Verlust der 
Ehrenrechte verurtheilt. 
Paris, 27. Febr. Der Aufsichtsrath für die 
Weltausstellung genehmigte heute dm vom 
Baumeister Charnier entworfenen Plan einer Aus 
stellung, welche die Geschichte der menschlichen 
Wohnung von ihren ersten Anfängen an dar 
stellen soll. Die verschiedenen Höhlen, Hütten- und 
Wohnhäuser von der Steinzeit bis zur Renaissance 
sollen zwischen dem Eiffelthurm und der Jenabrücke 
aufgestellt werden. Der Ausschuß belvilligte für 
diese Arbeiten 560000 Fr. 
Paris, 1. März. Ueber die Stellung Frank 
reichs zur Tripelallianz hat am Mittwoch in 
der französischen Depntirtenkammer 
Marquis von Bretenil von der Rechten ge 
legentlich der Berathung des Budgets des Aeußern 
eine längere Rede gehalten, in welcher, einem aus 
führlicheren Bericht der „Frkf. Ztg." zufolge, Nach 
stehendes ausgeführt lvurde: 
Rußland und Frankreich seien die Mächte in Europa 
welche beschuldigt werden, den Krieg zu wollen, und ge 
rade sie äußern sich nie öffentlich über die Politik; es sei 
gut, daß auch einmal eine französische Stimme über die 
europäische Lage gehört werde. Fürst Bismarck habe, 
um den Frieden zu sichern, Verbündete gesucht. Diese 
Tripel-Allianz scheine ihm sehr zerbrechlich, weil die 
Interessen Oesterreichs und Italiens verschieden seien von 
den deutschen Interessen. Im Bewußtsein der Gebrech 
lichkeit dieser Bündnisse rüste der Reichskanzler und suche 
England zu gewinnen. Die Interessen Englands seien 
größer in Asien als in Europa, wenn Rußland England 
in Asien freie Hand lasse, würde letzteres den Bestrebun 
gen Rußlands nach Einfluß im Mittelmeer nicht ent 
gegentreten. Der Redner weist darauf unter dem Bei 
fall der Kammer auf die Sympathien hin, die 
Frankreich für Rußland hege; trotzdem sei die 
Zeit eines Bündnisses noch nicht gekommen, aber die 
Lage Europas sei jetzt anders als vor 40 Jahren. Jetzt 
würde keine Macht mehr einen Tropsen Blutes für die 
Erhaltung der Türkei opfern; darum sei nicht Rußland 
sondern Bismarck und seine Rüstungen verantwortlich für 
die ewige Kriegsgefahr. (Lauter Beifall). Um Vortheil 
aus dieser Lage zu ziehen, sei allerdings eine andere Re 
gierung als die augenblicklich in Frankreich herrschende 
geeigneter. (Unruhe). Vor allem müsse ein Wechsel in 
der Leitung der Arniee, der Marine und des Aeußern 
Rußland mißtrauisch machen. Die Stabilität dieser Mi 
nister sei nöthig. (Zuruf der äußersten Linken: „Die 
Rechte hat den Kriegsminister gestürzt, der das größte 
Vertrauen einflößte". Große Unruhe). Die Minister 
des Kriegs und der Marine müßten wenigstens unabsetz 
bar sein. Wir müssen Bismarck in Bezug auf unsere 
äußere Politik dementiren. Wir treiben nicht eine Politik 
des Hasses. Er möchte uns isolirt sehen, deshalb müssen 
wir ohne Demonstration dem Zaren Sympathie zeigen 
(Abg.Laur: „Und was macht Ihr mit Elsaß-Lothringen»" 
Große Unruhe). Unsere Beziehungen zu England müssen 
freundlicher werden. Italien müssen wir beweisen, daß 
wir seinen Aufschwung mit Wohlwollen betrachten Vor 
allem, gewinnen wir Zeit. Große Feldherren und Staats 
männer haben selten Nachfolger. Er fordere Flourens 
auf nicht zu antworten. Er habe seine Worte mehr an 
säe Kollegen als an den Minister gerichtet. (Lauter 
Bestall auf der Rechten). 
Die Rede des Marquis ist insofern von Interesse, 
als sie ohne Zlveifel den Anschauungen eines großen 
Theiles des französischen Volkes Ausdruck giebt. 
Daß die Minister sich gegenüber den Ausführungen 
Breteuils schweigend verhielten, ist bei der heiklen 
Natur des Gegenstandes selbstverständlich. — Marquis 
von Bretenil wurde kürzlich bei seiner Anwesenheit 
in Petersburg wiederholt vom Zaren empfangen 
und verkehrt außerdem freundschaftlich mit dem 
Prinzen von Wales. 
Newyork, 14. Febr. (B. T.) Die gestrigen 
Morgenzeitungcn des Landes veröffentlichten den 
Wortlaut eines langen, „Florenz, den 25. Jan." 
datirten Briefes des Herrn James G. Bla ine, 
worin dieser dem Herrn B. F. Tonez, dem Vor 
sitzenden des republikanischen Nationalkomitees, kund 
thut, daß es sein fester Entschluß sei, seinen Namen 
nicht vor der im Juni in Chicago zusammentreten 
den National-Konvention als Präsidentschaftskan 
didat in Vorschlag bringen zu lassen und sich fortan 
ins Privatleben zurückzuziehen. Dieser Brief ist 
wie eine Bombe in das Lager der Politiker, und 
nicht nur der speziellen Anhänger Blaines, der Re 
publikaner, sondern überhaupt der Politiker de« 
ganzen Landes gefallen. Noch hat sich eigentlich 
Niemand von dem ersten Schrecken und dem maß 
losen Erstaunen erholt. Es ist geradezu ergötzlich 
die Kommentare der Presse zu dem Briefe und die 
verschiedenen Antworten auf die Fragen- Was 
will Blaine mit dem Briefe sagen?" „Was hat 
der Brief zu bedeuten?" „Was ist Blaines Absicht?" 
u. s. w. zu lesen. Das kennzeichnet eben so recht 
den politischen Charakter Blaines, daß eigentlich 
Niemand den Brief so nimmt, wie er geschrieben ist, 
d. h. als einfache unzweideutige Erklärung, daß 
Blaine sich fortan von dem öffentlichen Leben zu 
rückziehen und in diesem Jahre nicht als Candidat 
auftreten wird, sondern, daß sie sich Alle mit der 
Frage beschäftigen: „Was hat er mit dieser ein 
fachen unzweideutigen Erklärung sagen »vollen?" 
Btan ist eben an die Doppelzüngigkeit Blaines so 
gewöhnt, daß man sich gar nicht in die Situation 
hineindcnken kann, daß Blame wirklich einmal offen 
und ohne Rückhalt sprechen sollte. 
Berlin, 28. Febr. Wenn es so weiter geht, 
wird der Reichstag doch noch beschlußfähig. 
Seit gestern sind einige 40 Volksvertreter zn.qereis
	        
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