Full text: Newspaper volume (1888, Bd. 1)

Non«e«entķpreîs: 
vierteljährlich 2 M — frei ins Haus geliefert 2 JU15 
für Auswärtige, die das Blatt durch die Post beziehen 
2 M 25 ^ incl. Postprovision rc., jedoch ohne Bestellgeld. 
Erscheint 
Montag-, Mittwoch- und Freitag-Abend. 
Einttttdachtzigster 
X«. 22. 
Zum Befinden des Kronprinzen. 
Der „Reichs-Anzeiger" veröffentlicht in seiner 
Ņummer vom Freitag folgendes Bulletin: 
San Remo, 17. Febr., 10 Uhr 15 Min. Vorm. 
Die Wunde beginnt zu heilen und zu vernarben. 
Un der Nacht hatte Se. kaiserl. und königl. Hoheit 
® e , 1 ' Kronprinz mehr Schlaf, keine Kopfschmerzen, 
kein Fieber. Auswurf und Husten sind noch vor 
handen. 
Mackenzie. Schrader. Krause. Hovell. 
v. Bergmann. Bramann. 
— Daß der Streit der Aerzte, so schreibt der 
parlamentarische Korrespondent der „Breslauer Zei 
tung", wieder in seinem früheren Umfange beginnt 
und in der Presse einen tadelnswerthen Ausdruck 
findet, ist das Traurigste bei der ganzen Situation. 
Die Mackenziehetze ist in ihrer ganzen Schärfe 
nieder aufgenommen. Nicht allein die Befähigung, 
sondern auch der gute Wille dieses Mannes, der 
das Vertrauen des kronprinzlichen Paares in so 
hohem Grade genießt, werden in einer Weise ver 
dächtigt, die man für völlig unstatthaft halten muß. 
— Der Kronprinz ist in diesem Augenblicke 
krank und wund. Allein in seiner Fähigkeit, zu 
erwägen und sich zu entschließen, ist er in keiner 
Weise behindert, und cs steht auch eine Behinderung 
nicht zu befürchten. In deni Augenblicke, >»o der 
Thron erledigt würde, hätte er die freie Wahl, 
entweder die Zügel der Regierung zu ergreifen, 
wem. er körperlich dazu im Stande ist, oder zu 
rengnircn, oder die Einsetzung einer Vertretung an 
zuordnen, sei cs in der strengeren Form der Re 
gentschaft oder in der lockeren einer vorübergehenden 
Stellvertretung. In jeden, Falle wird sein Ent 
schluß rechtzeitig gefaßt, wenn er den Zeitpunkt der 
Thronerledigung abwartet; er hat keine Veranlassung, 
sich früher zu entschließen, es hat auch kein Anderer 
eine Veranlassung, ihn zu einem früheren Entschlüsse 
zu drängen. 
San Rem«, 16. Febr. Aus guter Quelle wird 
Mitgetheilt, daß zwischen Mackenzie und Berg 
mann Meinungsverschiedenheit über die Krankheit 
des Kronprinzen besteht. Bergmann erklärt 
k>as Leiden für Krebs, Mackenzie bestreitet dies. 
Ein Extrablatt deS Reichsanzeigers giebt 
folgende» Bulletin über da» Befinden des Kron 
prinzen: 
San R e m o, l9. Febr. 10 Uhr 45 Min. Vorm. 
Die Wunde Sr. kaiserl. und königl. Hoheit deS 
Kronprinzen fährt fort sich bei bestem Aussehen zu 
^»kleinern. Kein Fieber, Husten wie gestern» 
rtwaS mehr Auswurf, Appetit mehrt sich. 
Mackenzie. Schrader. Krause. Hovell. 
v. Bergmann. Bramann. 
Diese erfreuliche Nachricht deckt sich mit den 
Meldungen auch anderer Blätter, so daß demnach 
abermals die Hoffnung auf Wiederherstellung des 
Kronprinzen erheblich gestiegen ist. 
Das neue Wchrgesetz vom 11. Febr. 1888. 
Nachdem nunmehr zum neuen Wehrgesetz die Aus- 
Mhrnngsbestimmungen erlassen sind, sollen in Nach 
stehendem die gegen früher eingetretenen Veränderungen 
näher besprochen werden, weil darüber noch vielfach 
Unklarheit im Publikum herrscht. 
. Die endgiltigcn Entscheidungen über Militärpflichtige 
lallen bestehen 
a. in Ausschließung vom Dienst im Heere oder der 
Marine, „ 
1). in Ausmusterung vom Dienst im Heere oder der 
Marine, 
o. in Ucberweisung zum Landsturm ersten Aufgebots, 
ü. in Ucberweisung zur Ersatzrcscrve bezw. Marine- 
Ersatzrescrve, 
e. in Aushebung sür einen Truppen- od. Marinetheil. 
..Die zu a erwähnte Ausschließung betrifft wie 
bisher die wegen entehrender Verbrechen oder Ver 
sehen Bestraften, also die dauernd Unwürdigen. 
Die Ausmusterung 00 der zum Waffendienst 
apuernd Untauglichen wird wie bisher, jedoch mit der 
Einschränkenden Bestimmung gehandhabt, daß solche 
şisoncn, die zum Waffendienst untauglich, aber zum 
Dienst ohne Waffen und im Besonderen zur Arbeit, 
ihrem Berufe entspricht, verwendbar sind, nicht 
auszumustern, sondern dem Landstürme ersten Aus- 
ÖebotS zum Dienst ohne Waffen zuzuweisen sind. Es 
Werden hierdurch in sehr erheblich zahlreichen Fällen 
Landstürme noch Dienstpflichtige zugeführt. — 
"Um Landsturm ersten Aufgebots werden cin- 
Meilt die letzterwähnte Kategorie und solche Mann 
haften, die bisher der Ersatzreserve II überwiesen 
wurden. — Die bisherige Eintheilung der Ersatz- 
:.k serve in I. und II. Klasse bezw. übungs- und nicht- 
. ungspflichtig ist aufgehoben, es giebt fortan nur 
IsNe, und zwar dm übungspflichligc Ersatzreserve, 
^er Ersatzreserve sollen überwiesen wetdcn: die Ucber- 
Uhligeii, die wegen Reclamation vom activen Dienst 
soesreiten, die bedingt Tauglichen und die nur zeitig 
Untauglichen. Die Ersatzrescrvisten gehören fortan zu 
e " Mannschaften des Beurlaubtcnstandcs und sind 
»Nr Theilnahme an den Frühjahrs-Control-Versamm- 
Vtzgen verpflichtet. Sie werden im Frieden zu drei 
"-düngen von 10, bezw. 6 und 4 Wochen Herange 
hen. Die Zugehörigkeit zur Ersatzreserve dauert vom 
0 October des ersten Militärpslichtjahres (20. Lebens 
jahr) cm gerechnet, 12 Jahre, alsdann treten Die- 
(Zngen, welche geübt haben, zur Landwehr 
.-/usgebvts, die klebrigen zum Landsturm 1. Aus- 
hots über. Diejenigen Mannschaften, welche zur 
şşit der Ersatzreserve 1. Klasse angehören, treten in 
ü cuc Ersatzreserve über, während die gegenwärtige 
„5 la Ş«{crôe [I nunmehr dem Landsturm 1. Aufgebots 
! "gehört. Wer zur Zeit der nichtübungspflichtigeu Er- 
Meservc angehört, bleibt auch während seiner weiteren 
Mkhllrlgkeit zur Ersatzrcscrve von Uebungen befreit, 
erf^r ff ,ne Ueberweisung zum Landsturm 1. Aufgebots 
hiat, ■ * u demselben Zeitpunkt, zu welchem nach den 
>eyerigcn Bestimmungen (nach 5 Jahren) die Ucber- 
N^ung.zur Ersatzreserve II erfolgt sein würde. - Was 
1 schließlich die zum activen Dienst AuSgehobe- 
Kontag. 
nen betrifft, so sollen dieselben 7 Jahre lang — 3 Jahre 
activ, 4 in der Reserve — dem stehenden Heere ange 
hören, die folgenden 5 Jahre bleiben sie in der Land 
wehr ersten Aufgebots und sodann bis zum 31. März 
desjenigen Kalenderjahres, in welchem das 39. Lebens 
jahr vollendet wird, in der Landwehr 2. Aufgebots. 
Dienstpflichtige, welche vor vollendetem 20. Lebens 
jahre in das Heer eingetreten sind, dienen im 2. Auf 
gebot der Landwehr nur noch 6 Jahre. — Zur Wieder- 
incontrolnahmc der Landwehr 2. Aufgebots haben sich 
bis zum 13. März er. alle im Jahre 1850 oder später 
geborenen Personen, welche nach abgeleisteter Land 
wehr- bezw. Ersatzrcservepflicht bereits zum Landsturm 
entlassen sind, bei der zuständigen Militärbehörde unter 
Vorlage ihrer Militärpapiere zu melden. Diejenigen 
vor dem 20. Jahr Eingetretenen werden nur dann in 
die Landwehr 2. Aufgebots übernommen, wenn ihr 
Diensteintritt am 1. April 1870 oder später erfolgt ist; 
es endigt ihre Dienstpflicht in der Landwehr 2. Auf 
gebots mit dem nächsten 31. März nach Ablauf voller 
18 Jahre seil ihrem Eintritt in das Heer. Die vor 
dem 1. April 1870 Eingetretenen, 1850 oder später 
Geborenen haben zwar ihre Anmeldung gleichfalls zu 
bewirken, sie werden jedoch sofort zum Landsturm 
2. Aufgebots entlassen, nachdem ihnen eine bezügliche 
Bescheinigung ertheilt worden ist. — In gleicher Weise 
erscheinen die Offiziere, Sanitäts-Offiziere und Be 
amten, welche, ohne ganzinvalide zu sein, verabschiedet 
sind, nunmehr zum Eintritt in die Landwehr 2. Auf 
gebots verpflichtet. Ihre Wiederanstellung wird von 
den Bezirks-Commandos nachgesucht und erfolgt mit 
Belastung des alten Patents. Von der Theilnahme 
an den Osfizierwahlen können dieselben auf Antrag 
vom Bezirkskommandeur befreit werden. — Was die 
Landsturmpflicht betrifft, so ist dieselbe um drei 
Jahre, also bis zum vollendeten 45. Lebensjahre, er 
weitert worden, es sollen jedoch Personen, welche vor 
Gesetzeskraft bereits aus dem Landsturm ausgeschieden 
sind, nicht mehr in denselben zurücktreten. Der Land 
sturm wird in zwei Aufgebote eingetheilt. Zum I. Auf 
gebot gehören die nicht Gedienten und zwar bis zum 
31. März ihres 39. Lebensjahres, und zum Landsturm 
II. Aufgebots gehören alle Gedienten vom Zeitpunkte 
ihres Ausscheidens aus der Landwehr II. Aufgebots 
sowie die nicht Gedienten vom vollendeten 39. Lebens 
jahre bis zum Ablauf der Laiidsturmpflicht. Die zur 
Zeit als dauernd untauglich Ausgemusterten sind nicht 
landsturmpflichtig und somit von jeder weiteren Ge 
stellungspflicht, gleichviel ob im Kriege oder Frieden, 
entbunden. 
Deutscher Reichstag. 
40. Plenarsitzung, vom 17. Februar. 
Tagesordnung: Dritte Berathung desSozinlisten- 
Gesetzes. 
Kriegsminister Bronsart von Schellendorff. 
Der Abgeordnete Bebel hat in der 2. Lesung unrichtige 
Thatsachen über militärische Verhältnisse vorgebracht. Es 
ist nicht richtig, daß s. Z. Haupt als Soldat einen Un 
teroffizier geohrfeigt hat und darauf fahnenflüchtig ge 
worden ist. Derselbe habe sich vielmehr über das Um 
gekehrte beklagt. Haupt sei in contumaciam zu 150 Jl. 
Geldstrafe verurtheilt worden, wodurch jedoch die Desertion 
nicht gesühnt werde. Dies sei dem gen. Haupt s. Z. 
aus Verlangen schriftlich mitgetheilt worden. Daß die 
Fahnenflucht, ein so schweres Verbrechen, nicht mit 150 
Mark gesühnt sei, das könne sich Herr Bebel doch wohl 
denken. Seitens der Militärverwaltung sei gegenüber 
dem p. p. Haupt nichts geschehen, was nicht den be 
stehenden Gesetzen entspreche. Er könne nicht glauben, 
daß p. p. Haupt von seinem Truppentheile Mittheilungen 
erhalten habe, welche denselben zu einem Irrthum Ver 
anlassung hätten geben können. Er fordere Bebel auf, 
die Briefe, von welchem er gesprochen, vorzulegen. 
Abg. Bebel (Soz.) erklärt, daß er sich im Irrthum 
befunden und beabsichtigt habe, dies heute hier aus eige 
ner Initiative zuzugestehen. Redner wendet sich sodann 
gegen das Sozialistengesetz. Dasselbe sei anläßlich der 
Attentate veranlaßt worden, die nicht sozialdemokratischen, 
sondern anarchistischen Ursprungs seien. Davon könne 
keine Rede sein, daß die Sozialdemokratie in Bezug auf 
die Entscheidung der Berechtigung oder Nichtberechtigung 
soz.-politischer Forderungen ihren Standpunkt aufgebe 
und den der Rechten einnehmen, sie würden damit auf 
hören eine selbstständige Partei zu bilden. Man werfe 
der Sozialdemokratie vor, sie strebe eine völlige Um 
wandlung der gesellschaftlichen Ordnung an. Das habe 
genau das Christenthum gethan und die Sozialdemokratie 
habe das deutsche Kaiserreich bereits gezwungen, die so 
zialistische Maske vorzunehmen. (Vicepräsident Dr. Buhl 
ruft den Redner wegen dieses Ausdrucks zur Ordnung). 
Revolutionen könnten nur stattfinden, wenn ein Bedürfniß 
dazu vorliege, wenn die Volksmassen von großen Ideen 
durchdrungen seien Agitatoren könnten sür sich allein 
keine Revolutionen machen und eine Revolution sei un 
möglich, wenn die herrschenden Klassen den vorhandenen 
dringenden Bedürfnissen nachgeben. Es sei das nichts 
Neues; die Liberalen hätten dieselben Ideen und doch 
hätten die Rationalliberalen alle Ausnahmegesetze mitge 
schaffen gegen die Polen, gegen die Elsässer, gegen die 
Sozialdemokraten. In Deutschland glaube man eben ohne 
Ausnahniegesetze nicht existiren zu können. Deutschland 
stehe klein da gegenüber dem hochherzigen Act der 
französischen Republik der Begnadigung der Kommunisten. 
Was man in anderen Ländern als ganz selbstverständlich 
ansieht, das wird in Deutschland als Umsturz verfolgt. 
Das Socialistengesetz werde nichts weniger als loyal aus 
geführt. Ein ganzes Heer von Polizeispitzeln wird ge 
halten. Redner kommt sodann auf den Polizeihauptniann 
Fischer in Zürich zu sprechen. So unerhört, wie Herr 
v. Puttkamer es hinstelle, sei das Verfahren Fischer's 
nicht; in Deutschland seien ganz andere Jndiscretionen 
bezgl. noch schwebender Untersuchungen vorgekomnim. 
Die Anarchisterei würde längst aufgehört haben, wenn 
sie nicht durch preußisches Polizeigeld unterstützt werde. 
Heute sei noch v. Ehrenberg nicht ans dem Militärstande 
ausgestoßen worden, trotzdem er aus der Schweiz als 
Anarchist ausgewiesen worden sei. Jhring-Malow habe 
sich der ärgsten Majestätsbeleidigungen schuldig gemacht 
und dieselben nachher einfach abgeschworen. Trotzdem 
dieselben hinterher als richtig gerichtlich festgestellt worden, 
habe sich noch kein Staatsanwalt gefunden, welcher An 
klage wegen Meineid gegen denselben erhebe. Im Falle 
Stoecker sei ja auch nicht vorgegangen worden. Redner 
zeigt sodann eine aus dem italienischen übersetzte Bro 
schüre vor zur Verherrlichung der russisch-revolutionären 
Bestrebungen und bezeichnet als den Uebersetzer: „den 
kgl. preußischen Polizeispion Trautmann". Die Dres 
dener Polizei habe einen notorischen Verbrecher, der jetzt 
endlich zu 4 Jahren Zuchthaus verurtheilt worden sei, 
jahrelang als Spitzel im Dienste gehabt. Ohne das So 
cialistengesetz seien alle diese Dinge unmöglich. Ueberall, 
wo es Socialdemokraten gebe, wimmle es von deutschen 
Poltzeispionen, in Italien, in Belgien, in Frankreich. 
Jahrgang. 
20. Februar. 
Nichts verstoße so sehr gegen Sitte und Moral, als das 
Socialistengesetz. 
Minister von Puttkamer. Durch alle seine Aus 
lassungen habe Vorredner nicht nachgewiesen, daß sich 
die preuß. Regierung der aģ-ents provocateurs bediene. 
Es sei nur die Zeit des Hauses unnütz in Anspruch ge 
nommen worden. Da Ehrenberg unter Anklage gestellt, 
Bebel aber als Zeuge aufgerufen werde, so könne er an 
geeigneter Stelle den Beweis der Wahrheit seiner Be 
hauptungen antreten. Polizeispione seien nöthig zur 
Verbürgung der Sicherheit und nian habe gar keinen 
Begriff, wie sich gerade Sozial-Demokraten zu diesem 
Geschäfte herandrängten. Redner entwickelt schließlich die 
Gründe seiner scharfen Ausfälle gegen den Abgeordneten 
Bamberger in der vorigen Lesung. 
Sachs. Landesbevollmächtigter Held weist die An 
griffe Bebels gegen die sächsischen Behörden wegen 
Ausführung des Sozialistengesetzes zurück. Bei Beur 
theilung der Wirkungen des Sozialistengesetzes müsse 
man sich immer vergegenwärtigen, was geschehen wäre, 
wenn das Gesetz nicht existire. 
Abg. Oechelhäuser (nl.) Das Gesetz habe insoweit 
günstig gewirkt, als es die Sozialdemokraten von Gewalt 
thaten abgehalten habe. Eine Verschärfung bedürfe es 
nicht, aber die Aufhebung sei auch nicht zulässig. Die 
Quelle der Sozialdemokratie sei die Unzufriedenheit der 
Arbeiter mit ihrer Lage. Verstopfe man diese -Quelle, 
so werde es mit der Sozialdemokratie aushören. Die 
Regierung sei in dieser Richtung ehrlich und entschieden 
vorgegangen. Man wolle den Arbeitern keine Wohl 
thaten erweisen, sondern gemeinsame Organismen in 
ihrem Interesse schaffen. 
Abg. Kurtz (cons.) plaidirt für Verlängerung der 
Gültigkeitsdauer und die Verschärfungen, indem er aus 
führt, daß für die Angehörigen von Umstnrzbestrebungen 
die Strafen gar nicht hart genug sein könnten und 'be 
dauert, daß die Conimission einen Antrag, welcher fordert, 
den bestraften Agitatoren das active und passive Wahl 
recht abzusprechen, nicht zur Annahme gekommen sei. 
Abg. Dr. Bamberger (dfr.) polemisirt gegen die 
wider ihn gerichteten Ausführungen des Ministers von 
Puttkamer und beschwert sich darüber, daß man den 
Ministern größere Redefreiheit gewähre, als den Abge 
ordneten. 
Präsident von Wedelt-Piesdorf erklärt, daß er sich 
jederzeit angelegen sein lasse die Mitglieder des Hauses 
gegen die Bundesrathsmitglieder zu schützen. In den 
gegen Abg. Bamberger gerichteten Worten des Ministers 
habe er Beleidigungen nicht erkennen können. 
Abg. Gehlert(Reichsp.) polemirt ebenfalls gegen den 
Abgeordneten Bamberger und führt aus, daß die'Hohen- 
zollern schon alle Sozialisten gewesen seien, die größte 
That des jetzigen Kaisers aber dessen Botschaft vom 
November 1881. Früher habe man den Feudalismus 
bekämpfen müssen, jetzt den Capitalismus. Das So 
zialistengesetz sei ein ausgezeichnetes Arbeiterschutzgesetz. 
Nachdem noch Abg. Singer (Soz.-Dem.) gegen das 
Gesetz gesprochen, wird dasselbe gegen die Stimmen der 
Freisinnigen, der Sozialdemokraten und eines Theils des 
Centrums angenomnien. 
wamm WIM 
— Die in Frankreich drohende Ministerkrisis ist 
durch einen dem Ministerpräsidenten Tirard günsti 
gen Beschluß der Budgetkommission am Freitag noch 
einmal abgewendet worden. 
Paris, 16. Febr. Heute Nachmittag um 1 Uhr 
40 Min. ist die Arcole-Brücke mit donnerndem 
Krachen eingesunken. Ein Schutzmann und eine 
Frau, die sich ans ihr befanden, ertranken. Tausende 
von Menschen waren an der Unglücksstätte versammelt. 
Paris, 15. Febr. Der Prozeß gegen Wilson, 
Ribaudeau und Genossen vor dem Zuchtpolizeigericht 
begann heute. Die Anklageschrift beschuldigt Wilson 
der Theilnahme an Schwindeleien, welche zum Nach 
theile mehrerer Personen, die Ordensanszeichnungen 
wünschten, begangen wurden. 
Paris, 18. Febr. Flourens theilte dem ita 
lienischen Botschafter Menabrea das Ultimatum 
der französischen Regierung bezüglich des Handels 
vertrags mit; bei Nichtannahme seitens Italiens 
würde ein definitiver Tarifkrieg die Folge sein. 
St. Petersburg, 19. Febr. Der „Grashdanin", 
welcher nach seiner neulichen Maßregelung gestern 
plötzlich einen Artikel in deutschfreundlichem Sinne 
brachte, erklärt heute, von jetzt an seine journali 
stischen Bestrebungen vornehmlich auf die Wieder 
herstellung der Monarchie in Frankreich 
zn richten, da nach seiner Ansicht nur mit einem 
monarchisch regierten Frankreich ein russisches Bünd- 
niß möglich ist. 
Brüffel, 17. Febr. Die Regierung beschloß an 
gesichts der bedrohlichen Weltlage die 
Rüstungen mit Energie zn betreiben. Am Montag 
tvird ein Gesetz eingebracht, welches der Regierung 
die nöthigen Kredite gewährt, sowie für die Maas 
befestigung die nothwendigen Expropriationen 
beschleunigt. Gleichzeitig werden alle Maßregeln 
getroffen, um den Antwerpcner Platz in vollständigen 
Vertheidigungszustand zu setzen. Die hiesigen poli 
tischen Kreise hegen nur geringe Friedenszu 
versicht. Der neue deutsche Gesandte Baron 
Alvensleben trifft hier früher ein, als ur 
sprünglich in Aussicht genommelt war. 
Brüssel, 18. Febr. Der „Nord" bezeichnet die 
hochoffiziösen Gerüchte über die Wiederaufnahme der 
Unterhandlungen wegen der b u l g a r i s ch e n F r a g e 
als voreilig. Ein Meinungsaustausch hat zwischen 
den interessirten Regierungen stattgefunden. Wenn 
auch möglicherweise über kurz oder lang positive 
Vorbesprechungen stattfinden tverden, so lassen die 
sich entgegenstellenden Schwierigkeiten ein promptes 
günstiges Ergebniß kaum voraussagen. In kate 
gorischster Weise dementirt der „Nord" die Gerüchte 
von Pourparlers behufs Abschlusses einer Allianz 
mit dieser oder jener Macht. Rußland will seine 
volle Unabhängigkeit und Aktionsfreiheit bewahren. 
In Montenegro herrscht schon seit geraumer Zeit 
große Hungersnoth, so daß viele Montenegriner sich 
genöthigt sehen, auszuivandern. Anstatt jedoch an 
die Änderung des Elends zu denken, verwendet Fürst 
JusertlooSpreiS: 
Für die CorpuSzeile 16 H, für die Petitzeile 10 
Anzeigen werden an den bezüglichen Ausgabetager bis 
Mittags 12 Uhr erbeten. 
Als Beilage wird dem Blatt monatlich einmal 
„Der Landwirth" gratis beigegeben. 
1883. 
Nikolaus das Geld, das er gerade übrig hat, zur 
— Anschaffung von K a n o n e n. Der Fürst ließ kürz 
lich sein Artillerie-Material einer Untersuchung un 
terziehen, und da fand man, daß Montenegro zu 
wenig Gebirgskanonen besitze. 
Berlin, 19. Febr. Welche thatsächliche Begrün 
dung die Gerüchte über eine Neuregelung der 
Thronfolgeverhältnisse haben, so schreibt die „Nation", 
läßt sich schwer feststellen; die Wirkung aber, die 
sie üben, besteht darin, daß sie eine große und er 
klärliche Beunruhigung in der Bevölkerung hervor 
rufen. Diese Empfindung macht dem deutschen 
Volke alle Ehre, und sie ist ein neues Zeugniß 
dafür, daß in den Herzen der Nation ein über 
reicher Schatz rein menschlicher Sympathie und hin 
gebungsvoll gehegter Erlvartungen für den Kron 
prinzen aufgehäuft ist. Welche Entschlüsse auch in 
Erwägung gezogen werden mögen, mit dieser Volks 
stimmung wird man rechnen müssen; der Kronprinz 
wird diese Stimmung gewiß ebensowenig außer 
Acht lassen können bei Beurtheilung der Vorschläge, 
die ihm ettva nahe treten könnten, wie jene, die sich 
etwa. berufen fühlen, derartige Vorschläge zu machen. 
Es ist einer der Ruhmestitel der Hohen« 
zollern, daß sie das Herrschen stets auch als 
eine Pflicht gegen das Vaterland betrachtet 
haben, von der nichts entbindet, als jene Ereignisse, 
die alle Bande lösen. Unser Kaiser Wilhelm ist 
selbst ein Beispiel jenes unerschütterlichen AuSharrens 
alls dem Posten, ans den ihn seine Geburt gestellt 
hat; weder die stets steigende, drückende Last des 
Alters, noch vorübergehende Krankheit und Ge 
brechlichkeit haben ihn veranlaßt, die ihm obliegende 
schwere Verantwortung zu erleichtern. Er trägt sie 
weiter und so wird man auch voll Zutrauen 
erwarten dürfen, daß sein Sohn keinen anderen 
Erwägungen zugänglich ist, als genau denselben, die 
das Leben seines Vaters bestimmt haben. 
Berlin, 18. Februar. Zum vortragenden 
Rath bei dem Prinzen Wilhelm soll, wie die 
»Freist Ztg." erfährt, der Director im Ministerium 
des Innern, von Za st row, ein besonderer Ver 
ehrer und Gesinnungsgenosse des Ministers von 
Puttkamer, bestimmt sein. 
— Der Reich stag beriet am Sonnabend den 
Rechenschaftsbericht über die Verlängerung deS kleinen 
Belagerungszustandes für Stettin und Offenbach, 
wobei die Abg. Frohme und Sabor die strenge 
Handhabung des Sozialistengesetzes bemängelten und 
die Verhängung des kleinen Belagerungszustandes 
über die genannten Städte für völlig unbegründet 
erklärten. — Bei der Berathung über den Etat 
der Reichspost- und Telegraphenverwaltung ergab 
sich bei der Abstimmung über die von der Kom 
mission gestrichene Forderung für ein neues Dienst 
gebäude in Insterburg die Beschlußunfühigkeit des 
Hauses, so daß die Sitzung abgebrochen werden 
nmßte. Die Fortsetzung der Berathung findet am 
Dienstag statt. 
Berlin, 16. Febr. Die Reichstags-Kom 
mission nahm den Antrag Lohren in der 
Fassung an, daß die Bäcker und Verkäufer von 
Brod verpflichtet werden, Verkanfspreise des Brodes 
per Kilogramm im Verkaufslokal anzuschlagen. 
Beim Marktverkauf und Hausirhandel muß der 
Preisaushang vorgezeigt werden. Der Aushang 
muß von den Ortspolizeibchörden abgestempelt sein. 
Berlin, 16. Febr. Nicht nur bei dem letzten 
Parlamentarischen Diner, sondern auch in Privat- 
gesprächen hat Fürst Bismarck mehrfach seiner Hoff 
nung auf Erhaltung des Friedens in ähnlicher 
Weise wie in seiner Reichstagsrede Ausdruck gegeben. 
Daß russische Vorschläge zur bulgarischen An 
gelegenheit durch Schuwalow überbracht 
worden sind, begegnet keinem Zweifel mehr. ES 
scheint nur, daß dieselben auch jetzt noch nicht die 
jenige Form besitzen, die der Reichskanzler als Vor 
aussetzung für ihre Unterstützung durch die deutsche 
Politik bezeichnet hat. 
Schwerin, 15. Febr. Schon wieder ist in der 
verflossenen Nacht, wie die Blätter melden, auf der 
Chaussee von WiSmar nach Grevesmühlcn ein 
frecher Raubanfall verübt worden. Der Bier 
fahrer Pauls bei Einpell & Co. in Wismar wurde 
nämlich von Strolchen angefallen, gemißhandelt 
verwundet und seines Fuhrwerks beraubt. Die Ver 
folgung der Räuber ist in vollem Gange und wird 
nnt Hülfe des Telegraphen wohl bald von Er 
folg sem. 
3 ^à. Ein Einnehmer der hiesigen 
stadtlscheu Sparkasse wurde gefänglich einge 
zogen. Es handelt sich um Unterschlagungen 
m der Höhe von ca. Mk. 18,000, welche der Be 
amte in den letzten fünf Jahren begangen hat. 
^kipzig, 18. Febr. Es wurde entdeckt, daß drei 
Handwerker aus Volkmarsdorf mit elf Schul 
mädchen, die einer Klaffe angehören, Verbrechen 
wider die Sittlichkeit verübt haben. 
Sulzbach, Kreis Saarbrücken, 18. Febr. Wie 
jetzt festgestellt ist, sind durch das furchtbare Gruben 
unglück in Kreuzgräben (bei Saarbrücken) am Mitt 
woch Abend 41 brave Bergleute um das Leben 
gekommen. Am Donnerstag Abend wurde die vor 
letzte und gestern Abend erst die letzte Leiche auS 
der Grube geschafft. Die Schilderung der er 
schütternden Scenen an der Unglücksstätte wolle man 
uns erlassen. Die Verunglückten waren fast sämmt 
lich verheirathet und hinterlassen eine zahlreiche Fa-
	        
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