Full text: Newspaper volume (1888, Bd. 1)

Raubmord ist auf der Mecklenburgischen Land 
straße^ die von Schwerin nach Lübeck führt, verübt 
worden. Als gestern der Fuhrmann Bohnhoff von 
Crivitz abgefahren und die Chaussee erreicht hatte, 
von den verbündeten Parteien, um die Oppositions 
parteien niederzuhalten. Schon jetzt begrüßte Herr- 
Tramm weitere Verfassungsänderungen der Zukunft,! 
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Montag-, Mittwoch- und Freitag-Abend. 
No. ÄŞ. 
Mittwoch, 
Rendsburg, IS. Februar. 
Diejenigen, welche vor einer Überschätzung der 
bekehrenden Wirkung der großen Rede des Reichs 
kanzlers vom 6. d. M. gewarnt haben, um Ent- 
^şchnngen und neuen Beunruhigungen des wirth- 
'chaftlichen Lebens vorzubeugen, scheinen Recht be 
halten zu sollen. Denn wenn auch in Rußland, 
ksonderS in den leitenden Kreisen, die Rede mit 
offenkundiger Befriedigung hingenommen worden ist 
und die offiziöse russische Presse diese Befriedigung 
gütlich wiederspiegelt, so scheint sie doch nicht die 
nachts besessen zu haben, den Mißmuth des Zaren 
über die Rußland ungünstige Entwickelung der Orient 
politik, für die der Zar die Friedensmächte verant 
wortlich macht, in Wohlwollen und Entgegenkommen 
M verwandeln. In allen Tonarten wiederholen jetzt 
Ştzland auch ferner sich durchaus thatenlos ver- 
halten werde, und daß die Westmächte den Anfang 
Sachen müßten. Bei aller Anerkennung für den 
àsten Bismarck will der Zar also die ihm von 
Letzterem dargebotene Hand nicht annehmen! Ein 
Petersburger Brief der „Pol. Corr." führt noch 
werter aus, daß die beruhigende Wirkung der Rede 
esmarck's nur eine vorübergehende sein könne, da 
Umsts in der politischen Gesammtlage geändert sei; 
upland müsse greifbarere Bürgschaften für die 
Redlichen Absichten der Kabinette von Berlin und 
Bsren abwarten, bevor es sich einer sorglosen Be- 
fnedigung hmgebe. Der journalistische Minenkrieg 
von Neuem aufgenommen. Und trotzdem 
© ier °'ņg-sehen haben, daß Rußland für den 
Krieg nicht vorbereitet sei und der Fürst Bismarck 
aus einen solchen ebenso wenig hinarbeite, wie er 
felder es wolle! Das reime, wer vermag. Aber 
pcher scheint trotzdem und alledem zu sein, daß der 
mieden im Augenblick für befestigt gilt, wenn auch 
me bulgarische Frage wieder noch etwas tiefer in 
oem Sumpfe, in welchem sie steckt, sinken sollte. 
Ņuch der Fürst Lobanow soll sich dieser Tage in 
Şien in diesem Sinne geäußert haben, obschon cr 
hrnjufügen mußte, daß Rußland nichts thun werde, 
" m den bulgarischen Kahn wieder flott zu machen. 
Sa» Remo, 14. Febr. Von Sonntag liegen 
och folgende Privatnachrichten vor: Nach einem 
etegramm des Wolsf'schen Telegraphenbureaus aus 
an Remo vom Abend ivar das Befinden ein 
fortdauernd befriedigendes. Professor v. Bergmann 
Dtc dem Kronprinzen eine neue etwas kürzere 
/^ìkle ein. Professor v. Bergmann sprach sich 
sthr befriedigend über die Operation und den 
ntzigen Zustand des Kronprinzen aus. Der Kranke 
ar wie immer in freundlicher, fast heiterer Stimmung. 
Am Nachmittag brachte der Kronprinz drei 
künden außerhalb deSBettes im Sessel 
den Bormittag verbrachte Professor 
; Bergmann, den Nachmittag Mackenzie im Kranken- 
uUnner. Der Großherzog von Hessen telegraphirte 
ew Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt am 
onnabcnd Nachmittag u. a.: „Bergmann war eben 
ee mir; er ist mit dem Verlauf der Operation 
aUfNeden". Der „Nationalzeitung" wird ebenfalls 
don Sonntag Mittag gemeldet: v. Bergmann findet 
Aussehen der Wunde sehr günstig. Derselbe 
0let6t bis auf Weiteres hier und theilt sich in die 
Artung am Krankenbett. Der Appetit beginnt 
■ ) bei dem Kranken zu regen. 
, ^ In Hofkreisen, so wird der „Post" und 
" „Kreuzztg." geschrieben, sind alle Ballgesell- 
Mften und anch größere Mittagsgesellschaften ab- 
ofteUt worden. So hat der österreichische Bot- 
kchofter^ ein Diner absagen lassen, welches zu Ehren 
şîs Prinzen und der Prinzessin Wilhelm stattfinden 
Ņ ^ Ein Bericht Dr. Mackenzies über den 
F^lauf der Krankheit des Kronprinzen mit dem 
tzten Gutachten Virchows als Einleitung wird in 
migkn Tagen mit Genehmigung und auf W u n s ch 
^ Kronprinzessin, wie das „Berl. Tgbl." 
^.Ahet, im „Reichsanzeiger" veröffentlicht werden. 
wchow erklärt darnach, er habe trotz der sorg- 
, wsten Untersuchung keine Alveolar-Struktur, also 
^îņ^n.Beweis für die bösartige Natur 
ae ei d ens in den untersuchten Stücken gefunden. 
- ackenzie erörtert in seinem Bericht den Lauf der 
^ seit dem letzten Mai und faßt sein Urtheil 
kan Schluß in folgende Worte zusammen: „Ich 
9tsH nUr "ussprechcn, die medizinische Wissenschaft 
... ktkt mil- benii> seine andere Ausübt III änvern 
als v" knir heute keine andere Ansicht zu äußern, 
. le fe: Die Krankheit des Kronprinzen 
chronische, tief sitzende Kehlkopf 
es 1' ,vv l uv rr 
Rundung, zu welcher Perichondritis 
ch - " e n ist." Mackenzies Bericht wird auch 
einem Berliner medizinischen Journal erscheinen, 
beà. Brüssel wird der „Magdeb. Ztg." 
Can î" - Der berühmte Kehlkopfarzt Professor 
reiö ^ v d, Präsident deS Laryngologen-Congreffcs, 
sià San Remo ab, angeblich zur Unter- 
Mng des Leidens deS Kronprinzen. 
Drd,°Ņ'V 14 ' 8ebr. Der Kriegsminister ertheilte 
rwölk « Equipirung und Ausrüstung von 
• ^ŗmeekorps in Kriegsstärke für den 
«ràl in°bîļ'nachung vorzubereiten. 
ÌHitm. «>’ Şà Der frühere Brüsseler De- 
wit hi* er ^f c « >var wegen der von ihm 
Fra "n Blute vollführten Erschießung seiner 
kk Zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurtheilt 
worden. Entgegen dem Gesetze hatte ihm das 
Ministerium gestattet, diese Strafe in leichter Weise 
im Gefängniß zu Mons abzubüßen. Nachdem er 
daselbst 18 Monate zugebracht, ist er von dem 
Könige unter der Bedingung begnadigt worden, 
daß er sofort nach seiner Entlassung das Land ver 
läßt. Noch am selbigen Abend ist Bandersmissen 
nach Paris, woselbst er sich niederläßt, abgereist. 
Paris, 14. Febr. Caffagnac ersuchte den Prinzen 
Napoleon, seinem Sohn Louis zu befehlen, die 
italienische Armee, welche offen gegen Frankreich 
organisirt sei, zu verlassen und seinen Degen an 
derswo zur Verfügung zu stellen, wo die Spitze 
desselben nicht gegen das Herz des Vaterlandes ge 
richtet sei. (N.-O.-Z.) 
Petersburg, 14. Febr. Zu der Kanzlerrede 
vom 6. d. M. über die auswärtige Lage bemerkt 
ein Petersburger Brief der offiziösen Wiener „Polit. 
Korresp.": die beruhigende Wirkung der Rede könne 
nur eine vorübergehende sein, da nichts in der 
politischen Gesammtlage geändert sei; 
Rußland müsse substanziellere Bürgschaften für die 
friedlichen Absichten der Kabinette von Berlin und 
Wien abwarten, bevor cs sich einer sorglosen Be 
friedigung hingebe. — Die letzte Wendung ist wohl 
so zu verstehen, daß Rußland vorderhand seine 
Truppenverstärkungen an der Wcstgrenze fortsetzt. 
Was der Petersburger Offiziöse des Wiener Organs 
unter „substanzielleren Bürgschaften" versteht, ist 
nicht recht klar. 
Berlin, 13. Febr. Kaiser Wilhelm erledigte 
am Montag die Regierungsgeschäfte in üblicher 
Weise und empfing eine Anzahl höherer Offiziere, 
sowie den Besuch der Frau Prinzessin Wilhelm. 
Ueber Mittag fuhr der Kaiser spazieren. Die De 
putation des russischen Kaluga-Regiments, welche 
dem Kaiser ihre Glückwünsche zu seinem 70jährigen 
Jubiläum als Chef des Regiments überbringt, be 
steht aus dem Commandeur, zwei Offizieren und 
einem Feldwebel. Der Kaiser wird die Abordnung 
kommenden Sonntag empfangen. 
— In der Reichstagssitzung vom Montag 
fand die zweite Berathung des Sozialistengesetzes 
Üatt. Minister v. Putt kam er ergab sich resignirt 
in die Ablehnung der vorgeschlagenen Verschärfungen 
deS Sozialistengesetzes, als in eine Thatsache, die 
nicht mehr zu ändern ist. Ebenso erklärte er mit 
einer einfachen Verlängerung von 2 Jahren fürlieb 
zu nehmen, wenn er eine längere nicht erhalten 
könne. Herr v. Puttkamer enthielt sich dabei jeder 
Polemik gegen die Nationalliberalen und knüpfte 
dafür um so lieber an die Ausführungen des Abg. 
W i n d t h o r st gegen die Verlängerung des Gesetzes 
an. Abg. Träger legte in kurzer Weise den 
Standpunkt der freisinnigen Partei dar, welche jede 
Verlängerung des Sozialistengesetzes ablehnt. Abg. 
Bebel erklärte, daß er cs vorziehe, sein weiteres 
Material in der dritten Lesung vorzubringen, welche 
der Diskusiion geschäftsordnungsniäßig einen größeren 
Raum gestattet. Bei der namentlichen Abstimmung 
über Artikel I des Gesetzes wurde die zweijährige 
einfache Verlängerung des bestehenden Gesetzes mit 
164 gegen 80 Stimmen angenommen. Dafür 
die KartcUparteien und ein Theil des Centrums. 
— Der Geschäftsplan für den Reichs 
tag wurde am Montag Morgen in einer Sitzung 
des Seniorenkonvents erörtert. Danach ist in Aus 
sicht genommen, die Session bis zum 20. März, 
also bis zum Dienstag vor Palmsonntag und un 
mittelbar vor Kaisers Geburtstag zu Ende zu 
führen. Man geht dabei davon aus, daß das 
Gesetz über die Altersversorgung nur die erste Be 
rathung passiren soll, und daß sich die vollständige 
Erledigung von Vorlagen auf die bereits jetzt ein 
gebrachten Gesetzentwürfe beschränkt. 
— Der Reichstag beendigte am Dienstag die 
zweite Berathung des Sozialistengesetzes. Die von 
der Regierung vorgeschlagenen Verschärfungen des 
Gesetzes wurden von der großen Mehrheit des 
Hauses abgelehnt, ebenso auch ein Antrag des Abg. 
Dr. Windthorst, die Bestimmungen über die Ver 
hängung des Belagerungszustandes aus dem Gesetze 
zu beseitigen. Selbst die Mehrheit der Konservativen 
stimmte auS taktischen Gründen gegen die Ver 
schärfungen der Vorlage und veranlaßte dadurch den 
Minister v. Puttkamer zu der Erklärung, daß 
er an der Weiterberathung der bezüglichen Para 
graphen kein Interesse mehr habe. 
— Die zweite Berathung der Berfassungsände- 
rnng fand im Abgeordnetenhause am Sonn 
abend statt. Die Diskussion zur Sache selbst ge 
wann erst eine größere Lebhaftigkeit durch die Rede 
des Abg. Rickert, welcher insbesondere die agita 
torische Thätigkeit Stöckers in Erwiderung auf dessen 
letzte Reichstagsrede in glücklicher Weise charakteri- 
sirte. Ein besonderes Unglück hatten die National 
liberalen in der Debatte mit dem parlamentarischen 
Debut eines Abg. Tramm, Senator in Hannover, 
der an seinem Wohnort für ein großes politisches 
Licht gelten soll. Das Anspruchsvolle des Auf 
tretens stand in schneidendem Widerspruch mit dcni 
Inhalt der Rede. Dieselbe war nur eine glatte 
Verwässerung der Bemügsen'schen Rede aus dem 
Reichstage. Herr Tramm plauderte offenherzig aus 
welche er im Bunde mit den Konservativen in Aus 
sicht stellte. Nachdem Abg. Lieber (Centrumspartei) 
nochmals kräftig gegen die Verfassungsänderung ge 
sprochen hatte, feierte der vortragende Ministerialrath 
Abg. Freiherr von Zedlitz die Verlängerung der 
Wahlperiode als eine Kräftigung das Parla 
mentarismus gegenüber der Regierung. 
In namentlicher Abstimmung wurde die Verlängerung 
der Wahlperiode alsdann von den Kartellparteien 
angenommen. Die genauere Einsicht der Abstim 
mungsliste dürfte demnächst manches Interesse bieten, 
da sich auch int Abgcordnetenhause mehrere National 
liberale, so z. B. die Herren Hobrecht und Weber- 
demonstrativ von der Verhandlung fern gehalten 
haben, wie man sagt, weil ihnen das Vorgehen der 
Kartellparteien in dieser Frage völlig unbegreiflich 
erscheint. 
Berlin, 14. Febr. Zu der Kanzlerrede vom 
6. d. Mts. über die auswärtige Lage giebt die 
„Köln. Ztg." in einem offiziösen, gegen die eng 
lische Presse sich wendenden Artikel eine Art Kom 
mentar, worin unter Hinweis auf den Wortlaut des 
deutsch-österreichischen Bündnisvertrages erklärt wird, 
daß ein russischer Einfall in Bulgarien 
kein Angriff auf Oesterreich ist, daß also, 
so muß aus dieser Erklärung geschlossen werden, für 
diesen Fall auch die aus dem Bündnißvertrage für 
Deutschland sich ergebenden Pflichten nicht zu erfüllen 
sein würden. 
— An die Offiziere unserer Garderegi- 
menter soll einem Berliner Blatte zufolge, die 
Weisung ergangen sein, sich in gegenwärtiger Zeit 
von größeren öffentlichen Tanzfestlichkeiten und Bällen 
fernzuhalten. 
_ — Mit ersichtlicher Beruhigung werden überall 
die Nachrichten ans San Remo aufgenommen, 
welche die Gewißheit bringen, daß die Tracheotomie 
an sich ohne üble Folgen geblieben ist. Die noch 
immer ungeschwächtc Konstitution des hohen Patienten 
hat diesen Theil der Krisis anscheinend glücklich 
überwunden. Weder Fieber noch Bronchitis hat sich 
eingestellt und so können wir fast mit Sicherheit 
darauf rechnen, daß — unerwartete Zwischenfälle 
abgesehen — die Krankheit während der nächsten 
Zeit einen ruhigeren Verlauf nehmen werde. 
— Der Reichstagsabgeordnete Amtsrichter Rein- 
hold in Barmen hat das Reichstagsmandat für 
Altena-Iserlohn wegen fortdauernder Krankheit nieder 
gelegt. Herr Reinhold ist in dieser Session weder 
im Landtag . noch im Reichstag erschienen. Die 
Gültigkeit seiner Wahl war angefochten worden, 
eine Verhandlung in der Wahlprüfungskommission 
hatte aber darüber noch nicht stattgefunden. Bei ber 
Wahl in Altena-Iserlohn wurden von 29852 Wahl 
berechtigten 24485 Stimmen abgegeben. Davon 
erhielt Herr Reinhold 12 318 Stimmen, der bis 
herige freisinnige Vertreter Dr. LangerhanS 10517, 
während 1629 auf den sozialistischen Kandidaten 
sielen. Reinhold ist also nur mit 75 Stimmen 
über die absolute Mehrheit gewühlt worden. Es 
ist befremdlich, daß Herr Rcinhold sich erst ent 
schlossen hat, sein Mandat niederzulegen zu einem 
Zeitpunkt, wo die Reichstagswahl auf der Grund 
lage der früheren Wählerlisten nicht mehr stattfinden 
kaun. Bekanntlich müssen, wenn die Ersatzwahl nach 
Ablauf eines Jahres seit der letzten allgemeinen 
Wahl (21. Februar) stattfindet, neue Wählerlisten 
aufgestellt werden, und es verzögert sich hierdurch 
die Ersatzwahl um 6 Wochen. Der Wahlkreis 
Altena-Iserlohn wird in Folge dessen voraussichtlich 
während dieser ganzen Reichstagssession unvertreten 
bleiben, denn die Neuwahl zuni Reichstag kann 
frühestens gegen Ende März (vier Wochen nach 
Offenlegung der neuen Wählerlisten) stattfinden und 
wird wahrscheinlich erst nach Ostern möglich sein. 
t —■ Ein Fabrikant Turck in Lüdenscheid hat 
seinen Arbeitern verboten, das dortige Lokalblatt 
zu halten, weil dieselbe eine Arbcitsverlängerung 
in seiner Fabrik getadelt hatte. Zugleich hat 
Herr Turck seinen Arbeitern bei Strafe der 
Entlassung befohlen, eine Erklärung zu seinen 
Gunsten in einem anderen Lüdenscheider Blatt zu 
veröffentlichen. 
Siegen, 12. Febr. In einer der vergangenen 
Nächte wurde der Bergmann L. Schmidt auf 
Grube „Dreisbach" durch Herabfallen von Gestein 
verschüttet. Zwölf Stunden lang hat der 
Aermste lebend unter dem Schutte zugebracht und 
wiederholt Lebenszeichen von sich gegeben. Leider 
waren die sehr gefahrvollen, mit fieberhaftem Eifer 
betriebenen Rettungsarbeiten schließlich doch noch 
vergeblich; denn als man bis zu dem Verschütteten 
vorgedrungen und nur noch ein Arm blosznlegen 
war, gab der Verunglückte plötzlich den Geist 
auf. Drei Kinder und eine Frau beweinen den 
Ernährer der Familie. 
Hanau. In einem nahen bayerischen Dorfe 
machten sich einige junge Leute den Spaß, den 
Taufact nachzuahmen, was ihnen aber theuer 
zu stehen kam. Der Unfug wurde zur Anzeige ge 
bracht und das Gericht verurtheilte den „Pfarrer" 
zu 3 Wochen, den „Lehrer" zu 2 Wochen und die 
„Hebamme" zu 5 Tagen Gefängniß. 
Lübeck, 13. Februar. Ein Aufsehen erregcnder 
wo auf beiden Seiten hohe Tannen die Straßen 
einsäumen, wurde er hier das Opfer eines bestiali 
schen Ueberfalls. Der Mörder hatte sich von hinten 
unbemerkt herangeschlichen, war auf den Planwagen 
geklettert und hatte durch den Plan nlehrere Schüsse 
ans einem Revolver ans den Fuhrmann abgegeben. 
Sodann muß der Mörder einen fchrecklichen Kampf 
mit seinem Opfer Brnst gegen Brust geführt haben, 
denn rings um den Wagen, der später von der 
Crivitzer Post stillstehend auf der Chaussee gefunden 
wurde, waren noch große Blutlachen, und anch der 
Schnee war bis auf 20 Fuß ab vom Wagen mit 
Blut gefärbt. Den unglücklichen Bohnhoff, einen 
herkulischen Mann, hat man aufs schrecklichste zu 
gerichtet todt neben feinen Pferden liegend, seiner 
Baarschaft von 400 Mk. beraubt, aufgefunden., 
Brust und Hals sind von Messerstichen verletzt. 
Der Kops ist von einem anscheinend schweren nnd 
stumpfen Instrument vollständig zertrümmert worden. 
Es scheint, daß Letzteres nachträglich geschehen ist, 
denn schon einige Messerstiche an der Oberbrust 
deuten ans eine frühzeitige Erlahmung des Wider 
standes des Ermordeten. In Lübeck wurde zur Ent 
deckung des Mörders Alles aufgeboten, jeder fremde 
Fußreisendc wurde rekognoscirt, und so gelang ge 
stern die Festnahme eines Menschen, der' sich durch 
Aussagen verdächtig machte und aller Wahrschein 
lichkeit nach der ruchlose Verbrecher ist. Es ist ein 
junger Mann, Joh. Bäkler, ein Fuhrmannssohn 
von 26 Jahren. Der Verdächtige ist unter Beglei 
tung nach Schwerin transportirt worden, wo ihn 
eine große Menschenmenge in Empfang nahm. Die 
gerichtlichen Unterfnchungen werden fortgesetzt. 
Hamburg, 13. Febr. Am Sonntag-Morgen sah 
man in einem Kanal im Hammerbrook einen Ar 
beiter mit den Wellen känipfen. Es gelang, den 
Unglücklichen zu retten. Auf der Wache, wo er 
niit trockenen Kleidern versehen wurde, gab er an, 
daß er seine Frau vor einigen Wochen durch den 
Tod und sodann plötzlich seine Brotstelle verloren 
habe. Aus Verzweiflung darüber, daß es ihm nicht 
gelang, neue Arbeit zu finden, um seine drei un 
mündigen Kinder zu ernähren, habe er den Ent 
schluß gefaßt, sich zu ertränken, in der Hoffnung, 
daß seine Kinder dann von Staatswegen ernährt 
nnd erzogen würden. Die Recherchen ergaben die 
Wahrheit dieser Angaben, man fand die Kinder des 
Unglücklichen in einer Wohnung in der Mathilden- 
Passage halb verhungert vor. Während der Vater 
dcm Kurhaus übergeben wurde, nahm sich die Be 
hörde der Kinder einstweilen an. 
Hamburg, 14. Febr. Der diesjährige Ausfall 
an Hundesteuer in unserem Staatshaushalt wird 
wegen des vorjährigen Feldzuges gegen die Köter- 
auf 40000 Mk. berechnet. 
— In diesen Tagen rvurde aus dem Ham- 
bnrgischen Krankenhause ein Maurergeselle als ge 
heilt entlassen, welcher vor ettva einem Jahre bei 
einem Bau verunglückt war, wobei er sich den 
Schädel zersplittert hatte, während das Gehirn nnd 
die Gehirnhaut unbeschädigt geblieben waren. Es 
rvurde eine äußerst schwierige Operation mit ihm 
vorgenommen, rvelche vollständig gelang, und dann 
wurde er, wie die „Hamb. Nachr." berichten, mit 
einer künstlichen Schädeldecke versehen. 
Seine Genesung ist eine vollständige, allein er darf 
nur leichte Arbeiten verrichten. Er erhielt von der 
Unfallversicherung zwei Drittel seines bisherigen 
Dienstlohnes. 
BrunSbüttlcrhasen, 9. Febr. Vorläufig haben 
die ersten am Canalbau beschäftigten Erdarbeiter 
hier am Brnnsbüttlerhafen Logis gefunden, 
da die Fertigstellung der Baracken noch etwas 
aus sich warten lassen dürfte. Beiläufig 
verlautet bezüglich der Letzteren, daß die Sub 
missionsofferten für Uebernahme derselben zwischen 
400000 Mk. nnd 100000 Mk. differiren, eine 
definitive Zuschlagserthcilung schien bis gestern 
Mittag noch nicht geschehen zu fein. 
Brunsbüttel, 14. Febr. Der erste Spatenstich 
um Bau des Nord-Ostsce-Canals ist unter- 
gewissen Feierlichkeiten Seitens der Beamten des 
Banamts I gethan. Nach einer kurzen Rede des 
Herrn Bauinspectors Keller, welche mit einem Hoch 
auf Se. Mas. den Kaiser schloß, erfolgte der erste 
Spatenstich durch die Frau des Inspectors, dem 
folgte dieser und die übrigen Beamten nach, jeder 
eine Schaufel voll Erde in eine Karre werfend. 
Dann traten 10—-15 Arbeiter, welche mit dem 
Schachtineister Ratky vor einigen Tagen schon ans 
Meldorf eingetroffen waren, in Thätigkeit. 
Mcldors, 10. Febr. (Nord-Ostsee-Kanal). 
Am heutigen Tage sind die ersten Spatenstiche zur 
Herstellung des Schürfloches am Nord-Ostsee-Kanal 
bei Brunsbüttel vorgenommen worden. Der Schacht 
meister Ratky von hier ist bereits seit einigen Tagen 
mit einer Anzahl Arbeiter an Ort nnd Stelle an 
wesend, um das Per Achse vom Eddelacker Bahn 
hof zur .şierstellnng des Schürflochs erforderliche 
Material an SNaschinen rc. entgegenzunehmen. Vor 
erst gilt es die Bau- oder Humuserde abzukarren, 
die darauf folgende zur Ziegelfabrikation sich eignende 
Thonschicht wird sodann für sich abgelagert, um zur 
Ziegelfabrikation verwandt zu werden. Einstweilen 
werden die Arbeiten in Tagelohn beschafft, und er 
halten die Arbeiter vorläufig 2,50 Mk. Pro Tag. 
Itzehoe, 14. Febr. Am 10. Febr. ist hier nach 
längerer, schmerzhafter Krankheit der Gehe im rath 
InsertioņSpreiS: 
Mr die Corpuszeile 15 für die Petitzeile 10 
Anzeigen werden an den bezüglichen Ausgabetager bis 
Mittags 12 Uhr erbeten. 
Als Beilage wird dem Blatt monatlich einmal 
„Der Landwirth" gratis beigegeben. 
Einundachtzigster 
Jahrgan g. 
15. Februar. 
1888. 
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