Ueher Austpanderung und Colonisation.
Berlins dm 9. Decbr. Die heutige öffentliche
Sitzung des Central-Vereins für die deutscke Aus-
wanderungs- und Colonisations-Angelegenheit wurde
von dem "Vorsitzenden, Reg.-Rath Dr. Gaebler mit
dem gewöhnlichen ĢŞäftsbenckte, wejcher den letz
ten Monat umfaßt, eröffnet. Im AllgMeinen läßt
sich jetzt Hjt Einiger Wahrscheinlichkeit dje Masse der
Auswanderer dieses Jahres Übersehen-, hie Ziffer
dürfte zwischen 170,000 — 200,000 befragen gegen
113,000 im vorigen Jahre. Bis Ende Okt. waren
in Newyork allein 107.000, jn Baltimore über 10.000,
in Neworleans über 30,000, in Oyebeck 6000 Deut
sche eingetroffen! So steigt diese moderne Völker
wanderung in staunenerregendem Maaße. Die Wich
tigkeit der Auswanderungsfrage wird in immer wei
teren Kreisen erkannt. So hat sich kürzlich hier in
Berlin ein Verein zur geistlichen Fürsorge für die
deutschen Auswanderer in den westlichen Staaten der
Union gebildet, der bestimmt ist einem Bedürfniß ab
zuhelfen, das schon früher vom Central-Vereine mehr
fach hervorgehoben worden ist. Gern wird der Letz
tere bereit sein, dem neuen Vereine in jeder Weise
seine Mitwirkung angedeihen zu lassen. Sodann macht
ein rheinisches, streng kirchliches Blatt den Vorschlag,
einen geistlichen Orden, ähnlich dem Johann,terorden
des Mittelalters, zu stiften, dessen Ritter sich zur
Aufgabe stellen sollen, die Auswanderer auf ihrem
Wege von der Heimath bis. zum Aussckiffungshafen
schützend zu begleiten, um sie namentlich vor Be-
trügereien und andern Unbilden zu schürn. ş
Oesterreich denkt man auf's Neue an die Coloni
sation von Ungarn und hat eins der entgegenstehen
den Haupthindernisse, das sogenannte Aviticitätsrecht,
welches die Erwerbung von Grundbesitz in Ungarn
äußerst gefahrvoll machte, endlich aufgehoben. Gewiß
werden wir den weiteren Schritten, der österreichischen
Regierung in der großen Angelegenheit „der deutschen
Colonisation nach'Osten" mit Aufmerksamkeit und
Theilnahme folgen. Jn Darmstadt ist eine sehr
heilsame Verordnung erschienen, welche vorschreibt,
daß Passage-Verträge für Auswanderer, welche auf
Kosten der Gemeinden über englische Häfen befördert
werden sollen, nur unter der Bedingung abgeschlossen
werden dürfen, daß der Agent den Auswanderern im
englischen Einschiffungshafen außer dem nach engli
schen Gesetzen zu gewährenden See - Proviant, noch
ein gewisses Quantum an Fleisch, Kartoffeln, Hülsen
früchten, Salz, Essia. Butter, etwa um den Betrag
von 7 Gulden pr. Kops zur Verfügung stelle, und
sodann, daß deutsche Auswanderer nicht auf Schiffe
kommen dürfen, auf welchen sich eine größere Anzahl
von Irländern befindet Jn Bern (SckwŞ bat dre
Regierung eine Centralbehörde für die Auswanderungs-
Angelegenheit eingesetzt, welche über die Agenten zu
wachen, für Rath' und Auskunft an die Auswanderer
zu sorgen, und die Vertheilung der von der Regie
rung zur Unterstützung armer Auswanderer bewilligten
Summe (100.000 Frcs. auf 4 Jahre) zu bewirken
hat. —
Immer mehr stellt sich auch in diesem Jahre her
aus, daß die Beförderung über Bremen und Ham
burg die beste, dagegen die über holländische, belgi
sche, englische und französische Häfen, bei Weitem
schlechter gewesen ist. Nach einer sorgfältigen Zu
sammenstellung betragen diejenigen Schiffe, über welche
von den Passagieren Klage geführt worden ist,
von den holländischen Häfen . . 54 Procent,
„ „ belgischen (Antwerpen) 47
„ „ englischen 42
„ „ französischen (Havre) . 29
„ Hamburg .......... 16 „
„ Bremen 10
Was nun die einzelnen Einwanderungs - Lander
betrifft, so haben sich die Verhältnisse in Nordamerika
nicht wesentlich verändert, außer daß Texas mehr
wie je sich vor den übrigen Staaten der Union dem
Einwanderer günstig zeigt. Der, Baumwollenban
und die Schafzucht fangen an für die Colonisten
äußerst ergiebige Absatzquellen zu werden und, seit
dem der westliche, meist von Deutschen und Spaniern
bewohnte Theil von Texas durch eine genügende
Grenzbewachung vor den Einfällen der Indianer ge
sichert ist, so nimmt derselbe einen schnellen und
glücklichen Aufschwung. Schon spricht man davon,
den Sitz der Regierung von Austin nach der deut
schen Stadt Friedrichsburg zu verlegen, ja sogar den
Staat in 2 Staaten. Ost- und West-Texas, zu thei
len. Dagegen sind d.ie Scenen, welche aus Califor-
nien mitgetheilt werden, nicht der Art, um irgendwie
zur Auswanderung dorthin einzuladen. Am meisten
wenden sich die Deutschen jedoch nach den nördlichen
und westlichen Staaten Michigan, Wisconsin, Iowa,
Minnisola, Ohio und Missouri.
Durch die Königl. Ministerien sind dem Vereine
sehr interessante Berichte der preußischen Cousuln zu
Neworleans, St. Louis, Cincinnati und Galweston
über die Verhältnisse der dortigen Deutschen zuge
kommen. Aus denselben geht unter Andern die auf
fallende und nicht erfreuliche Thatsache hervor, daß
in Cincinnati, wo doch so viele Deutsche leben, kei
nerlei Gesellschaft zum Schutz und Rath für die an
kommenden deutschen Auswanderer besteht. Aus
Baltimore ist ein anerkennendes und belehrendes
Schreiben der dortigen deutschen Gesellschaft einge
gangen, womit unter Andern auch die notariellen
Verhandlungen über die Beschwerden der Passagiere
auf dem Cours von Rotterdam und Liverpool über
sendet worden. Seit einiger Zeit mehrt sich auch
die Auswanderung nach Canada, indem die dortigen
Behörden große Anstrengungen machen, um die Ein
wanderung' zu begünstigen. Uebrigens ist die Tour
nach Ouebeck in Canada auch für diejenigen zu em
pfehlen, deren Ziel die nördlichen und westlichen Staa
ten der Union sind, weil einerseits die Passage nach
Ouebeck gewöhnlich um einige Thaler billiger, als
nacb Newyork zu stehen kommt, andererseits den Aus
wanderer in Ouebeck nicht so zablreiche Betrügereien
und Gewaltthätigkeiten der Runners als in Newyork
erwarten, vielmehr ein besonderer Commiffarius (ein
Deutscher) angestellt ist, welcher Auskunft und Rath
ertbeilt. Daß man von Ouebeck aus eben so leicht
und billig nach den westlichen Staaten der Union
gelangt, wie von Neuyork aus, ist bekannt. Das
einzige Nachtheilige für die Tour über Ouebeck sind
die Stürme, weiche gewöhnlich bei den Newfound-
länder Bänken wehen, weßhalb man die möglichst
günstige Jahreszeit (Sommer) zur Ueberfahrt wählen
muß. —
Die Auswanderung nach Brasilien ist zwar im
Zunehmen begriffen, jedoch bei Weitem nicht in dem
Maaße, als es von Seite Brasiliens selbst gewünscht
wird und gewünscht werden muß. Unzweiftlhaft wird
der Grund' hierfür in dem bisherigen Mangel einer
verständigen Gesetzgebung über Ansiedelung, sowie in
dem bisher von der brasilianischen Regierung begün
stigten Systeme, die deutschen Auswanderer auf den
Plantagen an Stelle der Sklaven als Lohnarbeiter,
ohne nahe Aussicht auf freien Grundbesitz zu ver
wenden, gesucht werden müssen.
Der Central-Verein, sowie die gesammte deutsche
Presse, soweit solche Beachtung verdient, hat sich in
regem Interesse Brasiliens gegen das letztere System
ausgesprochen. Diese Manifestation scheint auch nicht
ohne Wirkung geblieben zu sein. Der Dorsitzende
bemerkte, wie es ihm zur großen Freude gereiche,
anzeigen zu können, daß gegründete Hoffnung
vorhanden sei, die Brasilianische Regierung würde
die bisherige theils unrichtige theils ungewisse Hal
tung in der Colonisationssrage aufgeben, ein vernünf
tiges System adoptiren, und Gesetze und Einrichtun
gen geben, die den Einwanderern eine genügende
Garantie für ihre gedeihliche Entwickelung gewähren.
Mit aufrichtiger Theilnahme würde der Central-Ver-
ein eine solche Wendung der Dinge in Brasilien be
grüßen, und dann aus voller Ueberzeugung die An
siedelung derjenigen, welche doch einmal nicht für
Deutschland zurückzuhalten sind, in Brasilien empfeh
len. Don dem Königl. Ministerium ist dem Vereine
ein Bericht des diesseitigen Mimfler-Refldenten, Hrn.
Grafen von Oriolla 'zugefertigt worden, worin der
selbe die zuvorkommende Weise rühmt, mit der sich
die Brasilianische Regierung mehrerer deutscher nach
Rio Grande bestimmter Auswanderer angenommen
hat, die sich in Antwerpen nur bis Rio de Janeiro
eingeschifft hatten, indem ihnen gesagt worden war,
daß die Brasilianische Regierung für ihren weitern
Transport schon sorgen werde. Die gedachte Regie
rung hat eine solche Verpflichtung keineswegs über
nommen, und wenn sie bereitwillig die angekomme
nen Auswanderer hat verpflegen und dann auf
Dampfschiffen nach dem Orte ihrer Bestimmung brin
gen lassen, so ist dies eben nur eine ausnahmsweise,
dem preußischen Vertreter zugestandene Begünstigung
gewesen, auf der keinesweges stets gerechnet werden
darf. Der Graf Oriolla hat deshalb auch den Wunsch
ausgesprochen, daß die Auswanderer nach Rio Grande
davor gewarnt würden, ihre Ueberfahrt nur bis Rio
de Janeiro zu bedingen, vielmehr Allen ernstlich , ge
rathen werde, sich immer nur direct nach denjenigen
Hafenplätzen einzuschiffen, welche ihrem Bestimmungs
orte am nächsten liegen. Der Central-Verein er
mangelt nicht, dieser wohl begründeten Aufforderung
hiedurch nachzukommen.
Ans Venezuela liegen Nachrichten bis gegen Ende
August vor. Dieselben lauten für die dahin gegan
genen deutschen Auswanderer fortwährend günstig;
ebenso die Nachrichten welche von deutschen Coloni
sten in Süd-Chili eingegangen sind. — Dem Cen-
tral-Dereine find sehr interessante Berichte einer deut
schen, durch Mecklenburger gegründeten Colonie in
Neu-See!and zugegangen, über welche der Vorsitzende
in einer der nächsten Sitzungen ausführlicher refe-
feriren wird.
Außer dem Herrn Bödecker in Bremen, welcher
die Concession zu Auswanderer-Beförderungen in den
preußischen Staaten erhalten hat, und dem deshalb
auf seinen desfallsigen Antrag der Central-Verein
bereitwillig diejenigen Persönlichkeiten nachgewiesen
hat, welche sich nach amtlichen Ermittelungen vorzugs
weise in den einzelnen Kreisen zu Agenten _ für das
Auswanderer-Beförderungs-Geschäft qualificiren, ha
ben sich auch noch die Herren Pokranz und Lüdering
aus Bremen, sowie die Herren Rübcke und Wöllmer
aus Hamburg mit gleichem Gesuche an den Central-
Verein gewendet. Sobald diesen Herrn die nachge
suchte Concession von dem Königl. Ministerio für
Handel re. bewilligt sein wird, woran bei der Solidi
tät der genannten Häuser nicht zu zweifeln ist, wird
auch ihnen gern gewünschte amtliche Auskunft gege
ben werden.
Nach dem Vorsitzenden erhielt Hm L. Buorh daS
Wort, welcher über die Colonisation von Algerien
sprach. Der Redner ging zunächst die Gesetze und
Verordnungen durch, auf welchen das gegenwärtige
Colonisations System in Algier beruht, und verbrei
tete sich sodann über die klimatischen und sonstigen
Verhältnisse Algiers im Allgemeinen, deren Kenntniß
er ans eigner Anschauung geschöpft hatte. Er brach
hier ab, um in der nächsten Sitzung die einzelnen
Colonistenvqtiouen, namentlich die von Deutschen be
wohnten einer speciellen Betrachtung zu unterwerfen.
Hierauf hielt Herr Dr. Heising einen Vortrag über
die Goldproduckionen Australiens, namentlich auch
mit Bezug ans den Einfluß, den dieselben auf die
Colonisation von Australien auszuüben bestimmt sind.
Die ausführlichen Mittheilungen des Redners über
die einzelnen Gold-Districte gewannen noch mehr an
Interesse durch die Vorzeigung von Proben des ge
fundenen Goldes flu den verschiedenen vorkommenden
Gestalten. Die Sitzung war zahlreich, und auch von
Damen besucht, welche an diesen Versammlungen im
mer größeres Interesse zu finden scheinen.
Drei GriunermrHszeichen an die Londo-
»er Industrie Ausstellung
Die englische Regierung läßt jedem Aussteller auf
der Londoner Industrie-Ausstellung nachträglich drei
Erinnerungszeichenzugehen: eine Denkmünze, einalle-
aorisches Bild und ein Buch. Die Denkmünze ist
aus Bronce, zeigt auf der Vorderseite das Brustbild
Prinz Alberts, ' als Präsidenten der Ausstellungs-
Commission. und aus der Rückseite die Erdkugel mit
den Emblemen des Friedens und der Umschrift: Ex
hibition of the Wosfes of ail nations. Das Ge
präge ist so sein. daß mau. auf dem Globus die Erd
theile unterscheidet. Das Bild stellt die Göttin der
Industrie vor, von Genien mit den Attributen des
Verkehrs umgeben; in der einen Hand hält sie emeu
Palmzweig, die andere ruht ans einem Baum, dem
gegenüber ein Löwe sich befindet, zum Zeichen, daß
unter der Aegide des Friedens Streit und Krieg ein.
Ende haben. Die Unterschrift lautet: l hereby cer
tify that (hier kömmt der Name des Ausstellers
was a« exhibitor (ich bestätige hiermit, daß. . . \
ein Aussteller war). — Das Kostbarste ist das Buch
in gepreßter Leinwand mit Goldschnitt und Deckel
und Rückeuvergoldung mit der Aufschrift: Reporte
of the Juries, auf dem Rücken: Exhibition 185 L
Die Stärke des Bandes beträgt ohne die Anhänge
867 Seiten. Der Druck ist auf starkem englischen
Velin und das ganze eine wirkliche Prachtausgabe.
Borne sind dreißig Classen der Ausstellungsgegen
stände verzeichnet und ein vollständiges Register schließt
das Ganze. Bei der ungeheuren Zahl der Aussteller
! läßt sich schwer bestimmen, wie hoch die Ausgabe für
diese Geschenke sich belaufen möge, jedenfalls bleibt
die unentgeltliche Berthcilung nach allen Theilen der
Erde eine anerkennungswerthe Handlung der Libera
lität.
Breetenborn und Nudetinüller.
Breetenborn. Na das is ene sch eene Geschichte,
da wull'n se bei de neie Bölkcrzähiung noch, wissen,
ob's Mobiliare versichert is und da ha. ich nei ge
schrieben Jaa!
Nudelmüller. Ich weeß adder, daß de uich vor
zehn Thaler versichert hast?
Breetenb. Jaa, ich ha uich versichert, adder's
Gericht hat mer Alles versichert un mit Beschlag be-
legt.
Nudelm. Ja. das is was andres. Na da schreibe
nur: Wider Willen versichert.
V c V m i f ch. tes.
In „Fraser's Magazin" findet sich folgende Notiz
über den merkwürdigen Glückwcchsel L. Napoleon's:
Bor 5 Jabrcn war Louis Napoleon Bonaparte für
3 Jahre die Miethe schuldig, konnte weder seinen
Schneider, noch seinen Möbel-Lieferanten, noch sei
nen Weinhändler bezahlen, noch auf seine Rechnun
gen in der City und im Westende von London fünf
zig Procent abtragen. Jetzt hat er eine Civilliste
von 25 Millionen Franken.
(Vergiftung durch Pfirsichkerne.) I» der zu Pà-
ris erscheinenden „Gazette de Hospitaux" iff einer
einem medicinischen Journal entnommenen Vergiftung
durch die Mandeln der Pfirstchkerne gedacht, die eine
weitere^öerbreitung verdient. Der Unglücksfall er
eignete sick zu Arles in Frankreich. Ein Kind aß die
Mandeln von 2 bis 3 Pfirfischkernen, nachdem esckie
Früchte verzehrt hatte. Kaum hatte es- dieselben ver
schluckt. als es von Krämpfen befallen wurde, denen
es ärztlicher Hilfe ungeachtet unterlag. Man weiß
(heißt es in dem Bericht weiter), daß die Mandeln
der Pfirstchkerne bitter sind und daß dieser Geschmack
à-âà.à,- -