Vestcrbroe, n»ar von Landbewohnern des Amis Kopenha
gen eine colossale Ehrenpforte errichtet, die mir Grün be
kleidet und mir einer Menge Lampen erleuchtet, oben an
der inwendigen Seite den Namenszug des verewigten
Königs in Brillancieuer zeigte, darunter die Inschrift:
„Gesegnet sei König Christians des Achten Andenken",
und gerade über der Durchfahrt: „Ausgeführt von dank-,
baren Landcommünen." In den Seiienseldern sah man
zwei transparente Malereien mit passenden Inschriften.
Außer der zugesagten Folge hatten die Kopeuhagener Geist
lichkeit und zugleich auch die Geistlichkeit der nicvl-iutbc-
rilchen Consejsivnen — wenigstens der Prediger und Kate
chet bei der mosaischen Gemeinde — der Magistrat, die
Bürgerrcpräsentanten-, die Aclierleute der Zünfte und die
§?riuä»ner bet Cvrvorarionen, sich dein Zuge ange
schlossen. Diese freiwillige Gruppe bot, wie „Fädrelandec"
bemerkt, im Ganzen das am wenigsten impvnirende Sckau-
spiel dar. Der eigentliche Bciletzungsact geht bekaiiiitlich
heute in Noeekilde vor lieb.
Nltona. Im Bürger-Vereine ist eine Petition an
Se. Mas. den König UNI unbeschränkte Redefreiheit in der
Milte desselben beschlossen und zahlreich unterzeichnet wor
den. Der hiestee Herr Censor batte die fortgeführte Be-
richlserstallung in den Allonaischen Blättern über die,
Staatsangelegenheiten betreffenden Besprechungen der Ge-
scllichait, nicht gestatten wollen. — Allein in vierzehn Tagen
sind in den verschiedenen hiesigen Buchhandlungen 43 Exem
plare von Rotlcck und Melkers Sraatslexicvn angekauft
worden. Daraus ist zu sehen, wie eifrig bei uns die
Staatswiffenschafr culkivlkl wird. Daran dachte sonst Kei
ner. Das alles gehört zu den anerkennungswerrben Ver
diensten, welche der hiesige Bürgerverein sich um leine Mit
bürger erworben hat.
Ans dein östlichen Holstein. Wie der Gemeingeist
in unserm Vaierlanbe sich einwickelt und kräftig gedeiht,
davongehen die aller Orten entstehenden Bürgervereine ein
redendes Zeugniß-, Altona, Gliickstadr, Rendsburg, Neu
münster u. s. w. sind in dieser Hinsicht vorangegangen. Stur
in unserm östlichen Holstein haben die Bürgervereine bis
seht keine Existenz gesunden. Die Uriache zu dieser Er
scheinung ist einzig und allein in dem Mange! an leitenden
Händen, nicht in einem Jnbiffereiitismus der hiesigen Be
völkerung zu su«en. Bürgervercin! Es ist ein Name von
wahrhaft Deutschem Klange. In vielen Gauen unseres
Vaterlandes haben sied die Bürgervereine durch die Er
fahrung bewahrt, und wenn irgendwo, so sind sie in unserm
Lande gewiß dvvvelt nothwendig. Bürgervereine sind Eini-
gungsxnnkle sßr die Volkskräfre, ür Alle, denen das Wohl
ihres Ories, ihres Vaterlandes am Herzen liegt; hier
herricbt Austausch der Gedanken, die Ansichten werden ge-
läutert, manche treffliche Idee, getragen von einer schlichten,
unscheinbaren Person, tritt hier an das Licht.
(PI. D. Bl.)
Kiel, den 29. Februar. Gestern Abend traf bier mil
dem Bahnzuge die Nachricht von der Pariser Revvlu-.
tion vom 2 4sien Februar ein und verbreitere li» wie
ein Lausicuer durch die Stad:. Die Extra - Nummer der
„Hamburger Nachrichten", welche die aussührlichsten Be
richte enthielt und nur in wenigen Exemplaren bieder gc-
langr war, wurde an öffentlichen Orten den Versammelten
vorgelesen und in größeren Kreisen die in ihren Wirklinge»
unberechenbaren großen Ereignisse besprochen. Was zunächst
den Deutschen als unerläßlich und ohne Auiichub noth
wendig erscheinen muß, ist die engere Vereinigung des zer
stückelten Deutschlands und großartige, feste, voiksthüiiilicbe
Institutionen; ohne sie kann Deutschland eine ähnliche Ver
heerung treffen, wie sie vielleicht Frankreich von Neuen,
bevorsteht. Die Blicke aller VaterlandSireunde werden zu
nächst auf Berlin gerichtet fein. (Ä. Correip. Bl.)'
Rendsburg. Vor Kurzem haben die hier in der
Stadt, sowie an der Eider und beul Cauas wohnenden
Schiffer den Beschluß gefaßt, sieb zu einer Schifferinnung
oder Gilde zu verbinden, zu welcheii, Ende sie die von
ihnen angenommenen Staiulk» zur AUerhocknen Geneh
migung an die Regierung eingesandt haben.
— Am Lüsten v. M. wurde in beiden Kirchen der Stadl
der angeordnete Trauer-Gottesdienst, in Anlaß der Bei
setzung der Königlichen Letwe in der Domkirche zu Roes-
kildc, gehalten. In der Altstädker Kirche hielt die Predigt
Herr Pastor Sivers. in der Christ- und Garnisonekirche
der Herr Probst Callisen. Auch in der Spnagvge wurde
nach Beendigung des gewöhnliche» SabbarhSgoltesdieiisteS
ein Trauergoriesdienst gehalten. Das Programm zu dem
selben .war von dem Herrn Rabbiner in Altona ausgeier-
tigt und a» den Vorstand der hiesigen israelittichen Gemeine
eingesandt worden. Der Milvorsteher derselbe», Herr
Mheindoiff, hielt bie Trauerrede.
— Nachdem nunmehr Ober- und Unrereider sowie der
Canal gänzlich vom Eile befreit sind, an» der'Bau der
Raihmannsdvrfer Schleuse vom isten d. M. an Vollender
war, sehen wir der Eröffnung unserer Schiffsabri mit jedem
Tage entgegen. Das Dampsichlff „Reudsöurg" beginnt
seine regelmäßigen Fahrten zwischen hier und Tönning am
lite» d. M.
— Am 7ten d. M.. als am Dienstage, wird der hier
anwesende-Musikbirector Canihai ans Hamburg im Schau-
fpielhauie das bereits in unserer vorhergehenden Nummer
erwähnte große Instrumental-Concert unter Mitwirkung
des Musikcorps der vierten Infanterie-Brigade zu> Aus
führung bringe». Der Landestrauer wegen konnte das
Concert nicht früscr stattfinden, und da dasselbe nun kur;
vor dem Beginn der Fastenzeit (gerade auf Fastnacht) statt
findet, io wird unser knnstliebendes Publikum für einen in
so langer Zeit entbehrten Genuß um so empfänglicher sein,
als es an sonstigen Fastnachtsbeiustigen in unserem prosai
schen Norden gänzlich iehlt.
— Bei der am 28sten v. M. in Tender» stattgehabte»
Wahl, ist Beseler zum Släiideabgeordnelen dor! aujê
Neue erwählt worden.
Die Reform der Gelehrtenfchulen.
(Fortsetzung und Schluß.)
2.
Ist der im § 1 dev Regulativs ausgesprochene der wahre
Zweck der GelebMiiiLuIe?
Sv lange Gelehrtenschulen bestehen, haben dieselben
den Zweck gehabt, ans daS klasstsebe Studium vorzubereiten.
Die Anstalten, auf denen das klassische oder akademische
Studium geirieden wird, sind die Universitäten. Durch
den Name» dcrseiben wird angekündigt, daß sie die Wiffen-
sevafccn alle in ihr Bereich ziehen, sie alle trage», pflegen
und ausbilden, für dieselben eine Universitas sein wollen.
In dieser Eigenschair ist die Universität der Fond und die
Spenderin der Wiffens»ait, die aber zugleich die Verpflich
tung hat, den Fond niemals ausgehen zu iaffen, ihn viel
mehr beständig nach Umfang und Tiefe zu erweitern. Als
Ceniralpunkc aller geistigen Thätigkeit erneuert sie ihre
Schätze beständig aus den edelsten Erzeugnisse» des mensch
lichen Geistes und theilt dieselbe» den-Lernbegierigen mir.
Wie aber alles Menschliche dem Irrthum unterworfen ist,
alio auch die Universitär; darum muß eine Auctoritär ge
sucht werden, nach welcher ihre Wirksamkeit zu regeln und
zu beurtheilen, und von welcher sie ihr Gericht zu empfangen
haben. Diele Auclontät ist wiederum der frei? Menschen
geist; dieser Ricdretthum hat das menschliche Leben. „Der
Erfolg", lagt Pestalozzi, „ist ein Gottcsuttheil." Dieser
einfache Spruch enthält eine tiefe Wahrheit, denn eine »ow
so wahre a priori constniirte Theorie wirs erst dann voll-
kommneres Ansehen gewinnen, wenn sie sich segenbringend
für das Leben bewährt hat. In dieier Beziehung nun
haben die Universitäten in der neueren Zeit einen unver
kennbaren Mißgriff begangen: sie haben die exakten Wis
senschaften entweder ganz oder theilweiie von sich ausge
schlossen, oder ihnen doch bei weitem nicht diejenige Siei-
luna eingeräumt, welche denselben wegen ihres große»
Einflusses auf das Leben gebührt. Das Leben aber ist
gebietelisch in seinen Forderungen; was aus dem herkömm
lichen Wege ihm nicht gereicht werden konnte, das mußte
auf andere Art errungen werden. Und io ist e» denn ge
kommen, daß der Universität in der polytechnischen Schule
eine Stiefschwester erwachsen ist, die sie in der gegenwä,-
ligen Zeit fast schon und in Zukunft ganz gewiß für eben
bürtig anerkennen muß. Die polytechnische Schule hat die
Cultivirung der exacten Wissenschaften zum Hauptgefühls-
vuiikle, daher neben den Gegenständen der allgemeinen
Bildung Mathematik und Naturwissenschaften die wichtig
sten Unlerrichiszweige ausmachen. Während nun die Gt-
lehrtenscvulen sortiuhre», die Vorbildung aus die Universität
in ihren Zöglingen anzustreben, konnten dicfe für polytech
nische Schulen nicht reif werden und was diese Anstalt
nebe» der Universität, das mußte die Realschule »eben der
Gelehrienickule werden. Nachdem diese Verhältnisse einmal
eingetreten, hat man vielfach versucht, sicp so gut wie mög
lich in dieselben zu finden, je hie und da, sie zu rechtter-
ligen. Es sind viele Werke geschrieben unter den Titeln:
die Gelcbrrenschiile, die Realschule, die höhere Bürger
schule u. s. w. Sie alle behandeln denselben Gegenstand,
sie alle geben Methoden an, die Bildung fürs Leben im
Allgemeinen und für ein Fach insbesondere auf dem zweck
mäßigsten Wege z» erreichen. Man kan» ans verschiedenen
dieser Bücher viel Nützliches lernen; nur die Lösung der
Aufgabe, wie man einen Jüngling auf die Universität wie
auf dfe polytechnische Schule zugleich vorbereite, so daß
die Wahl späterhin nur von seiner vorherrschenden Neigung
abhäirgig sei: Die Losung dieser Ausgabe, sage ich, wird
man in allen jenen Büchern an dem Umstande gescheitert
finden, daß der Mensch mit gewöhnlichen Anlagen in den
Schuljahren nicht alles dazu Erforderliche sich aneignen kann.
Diele unbestreitbare.Erfahrung hat zu sehr verschiedene»
Vorschlägen Veranlassung gegeben. Einlge Pädagogen
wollen die Gelehrrensch'Ule von der Realschule streng ge
schieden haben, jener die Vorbereitung auf die Universität,
bteier die aus die voipieevuiiche. Sckuie zu weisen. Nord
andere leben des frommen Glaubens, daß ein Primaner
der gewöhn!. Art auf jedes wissenschaftliche Fach wohl vor
bereitet fei. und halten demnach die Realschule für ein
bloßes Wasserreis, was abgeschnitten werden muß. Endlich
noch Andere baden das Heil in einer Vereinigung der Real-
und Gclebrteuicvule zu finden gebosft. Svlcke Vereini
gungen sind hie und da, z. V. in Berlin, wirklich ausge
führt worden. In de» untersten Klaffen (biß Tertia ine!.),
besaßt der Unterricht nur Gegenstände der allgemeine»
Bildung. In den oberen Klaffen Tritt eine Sonderung
ein. Diejenigen, welche die Universität beziehen wolle»,
eihalten den herkömmlichen Unterricht; die küiiltigen Polp-
lechniker werden specieller in das Studium der exacten
Wissenschaften eingeleitet. Da nun diese qrößlentheils der
ueueren Zeit angebdiig, ihre Quelle sind Archive haupt
sächlich in de» neueren Sprachen haben, so ist erivrdcrlich,
haß die Zöglinge »eben dem Hanpkgegenstande, Mathematik
und Naturwissenschaften, auch die deutsche, englische und
französische Sprache als unentbehrliche Hülisivissenschallen
studiren. Da ferner zu den nothwendigen Qualitäten eines
tüchtigen Technikers nicht allein eine gründliche theoretische
Ausbildung, soiibtrii auch viele praktische Fertigkeiten, z.
B. Ausnahme von'Gegenständen, Zeichnen u. f. w- gehören,
io muß viel Zeit -aus die 'Aneignung dieser Fertigkeiteil
verwandt werden. Es ist nicht ersorderli», daS Einzelne
näher zu beschreiben; es genüge gezeigt zu haben, welche
Gegenstände die Vorbildung aus ein wissenschaftliches Stu
dium gegenwärtig umfasse.
Mit allen in Obigem angeführten Umständen mußten
die Männer genau bekannt sein, welche der Gelcbnenicbuie
ein neues Regulaiiv geben sollten; sie mußten -sieb vor
allen Dingen des Zweckes dieser Anstalt klar bewußt sein.
Diesen Zweck haben sie als die vollständige Vorbe
reitung auf daS akademische Studium gefaßt.
Hiebei bleibt es nun aber ungewiß, ob das polytechnische
Studium mit zuni akademischen gepecbnet oder davon aus
geschlossen ist, und aus diesem Grunde laßt sich unsere
zweite Frage nicht direct mil ja oder nein beantworten.
Sollen die Gk!ebr:ens«»!en zugleich die Vorbereitung auf
volytechniscbeAnsialten leisten, dann reisen die dargebotene»
Mittel nicht ans. Denn 3 — 4 Stunden wichentl Mathe
matik und 2 Stunden Naturwissenschaften verschlagen dazu
nicht viel; noch viel weniger ist ine teebnitebe Fertigkeiten
geschehen. Da nun die Gegenstände, welche man debuis
Vorbereitung auf die akademischen Fachstudien zu behandeln
pflegt, in dem Regnlaitv so gut bedasc worden sind,
(z. B. für Latein 8 Stunden wildenrllch). so darf man nur
annehmen, daß dieses Regulativ im Hinblick aut andere
Anstalten eniworsen worden ist,, deren vorzüglisster Zweck
es sein soll, dasjenige zu cultivtren. was hier vernachlässigt
und die eine Vorbereitung «ui solche Studien vermitteln
sollen, die man gegenwärtig noch nicht zu deu'akademficken
zu zählen pflegt. Diese Voraussetzung ist aber um so
gegründeter, da die besten Lehrer unserer Zeit sis zu der
Ansicht bekenne», daß eine Vorbereitung auf wissenia,alliiere
Studien, welche in dem Unterrichte in allen gemeinnützigen
Dingen, weder nottiwendig noch möglich ist. DaS tiefere
Studium der alle» Sprache» muß der Polptecvniker ent
behren, weil sein Leben kaum hinreist, die für fein Fa»
unentbehrlichen Dinge giünbiich zu studiren. Eben io muß
der Theologe- sich bei dem Gedanken zu beruhigen suche»,
von der Mathematik und de» Nalnrwiffenschaikeii nur die
Elemente und die wichtigsten Resultate zu kennen. Wenn
man also annehme» darf, daß die Veriaffer des neuen
Schulregulgtips sich von diese» oder ähnliche» Ansichten
haben leiten lassen, so haben sie nicht allein den Zweck der
Gelehrieiischule sehr richtig aufgefaßt, sonder» das Regula-
liv begründet auch die Hoffnung, daß wir ein Regulativ
für Realschulen in unserm Lande mit Zuversicht bald zu
erwarten habe» werden.
A it f r n f
an meine edlen norddeutschen Mitbrüder
f ü r
Seed-sr» „send nackte, hungernde Waisen
Schlesiens.
Obgleich von vielen Seiten schon der Aufruf zur
Unierstiitzuiig der ant Hunger und Typhus dahinster
benden Bewohner Oberschlesiens laut geworden ist und
überall den eiilsprecheiiden Anklang gefunden, so wage
ich cs dennoch, mich hiemittelst vorzugsweise an die
Gegenden zu wenden, denen ich dlirch Geblirt und Ge
sinnung angehöre und deren Wvhlthätigfeitssinn und
lreudeuisches Milgefühl sich stets so glänzend und freudig
bewährt.
Die Kreise Pieß und Rybnik mit circa 100,1*00
Bewohnern gehören einerseits zu den ärmsten Schle
siens und sind andererseits seit drei Jahren schon von
einem totalen Mißwüchse der Kartoffel» heimgesucht
worden, dieses einzigen Nahriiiigsiniltcls einer Gegend,
wo Brod Lupus ist. Wären unsere Kreise in den
Weberdistricten belegen, wo tausend geschäftige Federn
alles ivahre und ficlive Elend ausbeuten (?), so wäre
riiiS wahrscheinlich früher schon eine gründliche Ab
hülfe zu Theil geworden, aber der besseren, edleren
TageSpresse blieben unsere Bedürfnisse fremd und jene
mit dem Elende der untere» Vvlksklassen coguettircnde
Journalistik fand lei uns Gottlob keine Aiikiiüpfungs-
puiikle. Ueberdiks gehe» dem Oberschlesier alle jene
Eigenschaften ab, wodurch man in unserer Zeit sich
geliebt, oder »och besser gefürchtet macht und somit
Hülfe erzwingt; er ist zu unschuldig— modisch aus
gedrückt zu duini» — mit fein Elend in den Augen
deS schreibenden und lefendkii Piiblicums interessant
zu machen, »nd zu loyal, um den Behörden Be
sorgnisse einzuflößen. Zu jedem Opfer bereit, wie
er jüngst durch die Bekämpfung seiner Hanptleidenschaft,
deS B r a li n le >v ein S bewiese», besteht sein Heroismus
mehr im mannhaften Dulden und ergebenen Entsagen,
als im kecken Reden und Handeln, »nd während im
vorigen Jahr selbst in de» reichste» Gegenden unserer
Provinz ob der Theurung Aufläufe eiiistandcn, trübte
auch nicht der kleinste Exceß das liefgebengte rechte
Oder-Ufer. Keinem seiner Bewohner kam es in de»
Sinn, daß. dein Armen ein Recht auf die Unlerstützuiig
deS Siaaies, oder gar auf den Uebcrfluß des Reichen
zustehe und so siechte er denn hniigernd dahin und starb
doppelt freudig, iveil sein einziger Freund und Tröster,
der Geistliche, ihl» im letzten Augenblicke noch die
Hoffnung auf das Jcnseils eröffnet. Und wohl ihm,
daß diese Aussicht ihni blieb, denn das Elend nahm im
Laufe des Jahres ans eine entsetzliche Weise zu; Tau
sende lebten ini Frühjahr schon nur von Gras und
Wurzeln und >vie arg die Ruhr gewüthet, will ich
durch die Eine Thatsache belege», daß ans meiner Herr
schaft Pschow von 3000 Mensche» vom 29. Juni bis
2. October 175 Mensche» daran gestorben. Die reiche
und wohigemeinļe Unierstützuiig des Siaaies wurde für
die Allerärmste» zur Taiiialusqual, denn da sie haupt-
jächlich in Natural-Vorschüsse» bestand, welche von
den Vorständen der Gemeinde vertheilt wurden und
für deren Rückerstattung diese bürgen mußte, so war
es leicht erklärlich, daß sie nur de» nicht ganz Armen
zuflössen, die sie dereinst iviedererstatien konnten. Die
wackere Kreisbehörde halte nun zwar berichtet und
berichtet, aber es bedurfte der Oeffentlichkei't, es be
durfte der Presse, um j ene» Wolken sch l eier zu zer
reiße», der so leicht den höchste» Blicken bie
niedere» Regionen verhüllt. — In enger Ver
bindung mit deU wohlwollende» Proviiizialbehörde bil
dete sich nun in Breslau ein Bereit, edler Menschen
freunde, und ans Siaaksmitkeln sowohl, wie aus frei
willigen Beiträgen fließen den bekheiligten Kreisen reiche
Spende» zu. Aber jetzt erst geigt sich, nicht die Größe
des Bedürfnisses allein, sondern auch der Unterschied
zwischen geben und geben, und wie viel leichker es
ist, eine Ariiiee von huiiderttansend Mann mit Beihülse
einer thätigen Jiikcndaniurbehörde, sei es im Frieden
in de» schöneingerichlele» Caserne,, und Lazareihe», oder
im Kriege in de» geordnete» Caiitoiiiieilienls und wohl-
versorglcn Aiiibülaiiceii reichlich zu verpflege», als eine
solche, den Keim des Todes in sich tragende, in zer
streuten Hütten lebende Bevölkerung, auch nur mit dem
Nothdürftigstc» zu versorgen. — Die Behörden
vertheilen jetzt nach bestem Wissen und Gewissen durch
ihre Organe, Cümmisstoiie» u. s. w. auf den Grund
der Berichte, »ach caiculalorische» Principien, sei» ka-
bellarisch und mit allen Belege» versehen, die reichen
Gaben. Die Kranken werden von ivackeren Aerzten
fleißig besucht und eine Masse schwarzer Wariiungs-
tslfcln schrecken (leider nur zu sehr) von dem Betrete»
iiisicirler Wohnungen zurück; aber der Typhus schreitet
deinohnerachket mit Riesenschritte» vorwärts, stumpfe
Todesverachtung, Auflösung aller Familienbande sind
in seinem Gefolge; alles Menschliche erstirbt allmählich
im Menschen und das resignirle Volk sieht nur noch
ini Tode Erlösung. Am entsetzlichsten aber sind die
arme» Waisen daran, ivelche, mehr als sechs lau send
an der Zahl, krank, nackt, vielfach ohne Obdach, hun
gernd lind wiiniiicnid umherziehen. Damit man mich