Full text: Newspaper volume (1848)

Vestcrbroe, n»ar von Landbewohnern des Amis Kopenha 
gen eine colossale Ehrenpforte errichtet, die mir Grün be 
kleidet und mir einer Menge Lampen erleuchtet, oben an 
der inwendigen Seite den Namenszug des verewigten 
Königs in Brillancieuer zeigte, darunter die Inschrift: 
„Gesegnet sei König Christians des Achten Andenken", 
und gerade über der Durchfahrt: „Ausgeführt von dank-, 
baren Landcommünen." In den Seiienseldern sah man 
zwei transparente Malereien mit passenden Inschriften. 
Außer der zugesagten Folge hatten die Kopeuhagener Geist 
lichkeit und zugleich auch die Geistlichkeit der nicvl-iutbc- 
rilchen Consejsivnen — wenigstens der Prediger und Kate 
chet bei der mosaischen Gemeinde — der Magistrat, die 
Bürgerrcpräsentanten-, die Aclierleute der Zünfte und die 
§?riuä»ner bet Cvrvorarionen, sich dein Zuge ange 
schlossen. Diese freiwillige Gruppe bot, wie „Fädrelandec" 
bemerkt, im Ganzen das am wenigsten impvnirende Sckau- 
spiel dar. Der eigentliche Bciletzungsact geht bekaiiiitlich 
heute in Noeekilde vor lieb. 
Nltona. Im Bürger-Vereine ist eine Petition an 
Se. Mas. den König UNI unbeschränkte Redefreiheit in der 
Milte desselben beschlossen und zahlreich unterzeichnet wor 
den. Der hiestee Herr Censor batte die fortgeführte Be- 
richlserstallung in den Allonaischen Blättern über die, 
Staatsangelegenheiten betreffenden Besprechungen der Ge- 
scllichait, nicht gestatten wollen. — Allein in vierzehn Tagen 
sind in den verschiedenen hiesigen Buchhandlungen 43 Exem 
plare von Rotlcck und Melkers Sraatslexicvn angekauft 
worden. Daraus ist zu sehen, wie eifrig bei uns die 
Staatswiffenschafr culkivlkl wird. Daran dachte sonst Kei 
ner. Das alles gehört zu den anerkennungswerrben Ver 
diensten, welche der hiesige Bürgerverein sich um leine Mit 
bürger erworben hat. 
Ans dein östlichen Holstein. Wie der Gemeingeist 
in unserm Vaierlanbe sich einwickelt und kräftig gedeiht, 
davongehen die aller Orten entstehenden Bürgervereine ein 
redendes Zeugniß-, Altona, Gliickstadr, Rendsburg, Neu 
münster u. s. w. sind in dieser Hinsicht vorangegangen. Stur 
in unserm östlichen Holstein haben die Bürgervereine bis 
seht keine Existenz gesunden. Die Uriache zu dieser Er 
scheinung ist einzig und allein in dem Mange! an leitenden 
Händen, nicht in einem Jnbiffereiitismus der hiesigen Be 
völkerung zu su«en. Bürgervercin! Es ist ein Name von 
wahrhaft Deutschem Klange. In vielen Gauen unseres 
Vaterlandes haben sied die Bürgervereine durch die Er 
fahrung bewahrt, und wenn irgendwo, so sind sie in unserm 
Lande gewiß dvvvelt nothwendig. Bürgervereine sind Eini- 
gungsxnnkle sßr die Volkskräfre, ür Alle, denen das Wohl 
ihres Ories, ihres Vaterlandes am Herzen liegt; hier 
herricbt Austausch der Gedanken, die Ansichten werden ge- 
läutert, manche treffliche Idee, getragen von einer schlichten, 
unscheinbaren Person, tritt hier an das Licht. 
(PI. D. Bl.) 
Kiel, den 29. Februar. Gestern Abend traf bier mil 
dem Bahnzuge die Nachricht von der Pariser Revvlu-. 
tion vom 2 4sien Februar ein und verbreitere li» wie 
ein Lausicuer durch die Stad:. Die Extra - Nummer der 
„Hamburger Nachrichten", welche die aussührlichsten Be 
richte enthielt und nur in wenigen Exemplaren bieder gc- 
langr war, wurde an öffentlichen Orten den Versammelten 
vorgelesen und in größeren Kreisen die in ihren Wirklinge» 
unberechenbaren großen Ereignisse besprochen. Was zunächst 
den Deutschen als unerläßlich und ohne Auiichub noth 
wendig erscheinen muß, ist die engere Vereinigung des zer 
stückelten Deutschlands und großartige, feste, voiksthüiiilicbe 
Institutionen; ohne sie kann Deutschland eine ähnliche Ver 
heerung treffen, wie sie vielleicht Frankreich von Neuen, 
bevorsteht. Die Blicke aller VaterlandSireunde werden zu 
nächst auf Berlin gerichtet fein. (Ä. Correip. Bl.)' 
Rendsburg. Vor Kurzem haben die hier in der 
Stadt, sowie an der Eider und beul Cauas wohnenden 
Schiffer den Beschluß gefaßt, sieb zu einer Schifferinnung 
oder Gilde zu verbinden, zu welcheii, Ende sie die von 
ihnen angenommenen Staiulk» zur AUerhocknen Geneh 
migung an die Regierung eingesandt haben. 
— Am Lüsten v. M. wurde in beiden Kirchen der Stadl 
der angeordnete Trauer-Gottesdienst, in Anlaß der Bei 
setzung der Königlichen Letwe in der Domkirche zu Roes- 
kildc, gehalten. In der Altstädker Kirche hielt die Predigt 
Herr Pastor Sivers. in der Christ- und Garnisonekirche 
der Herr Probst Callisen. Auch in der Spnagvge wurde 
nach Beendigung des gewöhnliche» SabbarhSgoltesdieiisteS 
ein Trauergoriesdienst gehalten. Das Programm zu dem 
selben .war von dem Herrn Rabbiner in Altona ausgeier- 
tigt und a» den Vorstand der hiesigen israelittichen Gemeine 
eingesandt worden. Der Milvorsteher derselbe», Herr 
Mheindoiff, hielt bie Trauerrede. 
— Nachdem nunmehr Ober- und Unrereider sowie der 
Canal gänzlich vom Eile befreit sind, an» der'Bau der 
Raihmannsdvrfer Schleuse vom isten d. M. an Vollender 
war, sehen wir der Eröffnung unserer Schiffsabri mit jedem 
Tage entgegen. Das Dampsichlff „Reudsöurg" beginnt 
seine regelmäßigen Fahrten zwischen hier und Tönning am 
lite» d. M. 
— Am 7ten d. M.. als am Dienstage, wird der hier 
anwesende-Musikbirector Canihai ans Hamburg im Schau- 
fpielhauie das bereits in unserer vorhergehenden Nummer 
erwähnte große Instrumental-Concert unter Mitwirkung 
des Musikcorps der vierten Infanterie-Brigade zu> Aus 
führung bringe». Der Landestrauer wegen konnte das 
Concert nicht früscr stattfinden, und da dasselbe nun kur; 
vor dem Beginn der Fastenzeit (gerade auf Fastnacht) statt 
findet, io wird unser knnstliebendes Publikum für einen in 
so langer Zeit entbehrten Genuß um so empfänglicher sein, 
als es an sonstigen Fastnachtsbeiustigen in unserem prosai 
schen Norden gänzlich iehlt. 
— Bei der am 28sten v. M. in Tender» stattgehabte» 
Wahl, ist Beseler zum Släiideabgeordnelen dor! aujê 
Neue erwählt worden. 
Die Reform der Gelehrtenfchulen. 
(Fortsetzung und Schluß.) 
2. 
Ist der im § 1 dev Regulativs ausgesprochene der wahre 
Zweck der GelebMiiiLuIe? 
Sv lange Gelehrtenschulen bestehen, haben dieselben 
den Zweck gehabt, ans daS klasstsebe Studium vorzubereiten. 
Die Anstalten, auf denen das klassische oder akademische 
Studium geirieden wird, sind die Universitäten. Durch 
den Name» dcrseiben wird angekündigt, daß sie die Wiffen- 
sevafccn alle in ihr Bereich ziehen, sie alle trage», pflegen 
und ausbilden, für dieselben eine Universitas sein wollen. 
In dieser Eigenschair ist die Universität der Fond und die 
Spenderin der Wiffens»ait, die aber zugleich die Verpflich 
tung hat, den Fond niemals ausgehen zu iaffen, ihn viel 
mehr beständig nach Umfang und Tiefe zu erweitern. Als 
Ceniralpunkc aller geistigen Thätigkeit erneuert sie ihre 
Schätze beständig aus den edelsten Erzeugnisse» des mensch 
lichen Geistes und theilt dieselbe» den-Lernbegierigen mir. 
Wie aber alles Menschliche dem Irrthum unterworfen ist, 
alio auch die Universitär; darum muß eine Auctoritär ge 
sucht werden, nach welcher ihre Wirksamkeit zu regeln und 
zu beurtheilen, und von welcher sie ihr Gericht zu empfangen 
haben. Diele Auclontät ist wiederum der frei? Menschen 
geist; dieser Ricdretthum hat das menschliche Leben. „Der 
Erfolg", lagt Pestalozzi, „ist ein Gottcsuttheil." Dieser 
einfache Spruch enthält eine tiefe Wahrheit, denn eine »ow 
so wahre a priori constniirte Theorie wirs erst dann voll- 
kommneres Ansehen gewinnen, wenn sie sich segenbringend 
für das Leben bewährt hat. In dieier Beziehung nun 
haben die Universitäten in der neueren Zeit einen unver 
kennbaren Mißgriff begangen: sie haben die exakten Wis 
senschaften entweder ganz oder theilweiie von sich ausge 
schlossen, oder ihnen doch bei weitem nicht diejenige Siei- 
luna eingeräumt, welche denselben wegen ihres große» 
Einflusses auf das Leben gebührt. Das Leben aber ist 
gebietelisch in seinen Forderungen; was aus dem herkömm 
lichen Wege ihm nicht gereicht werden konnte, das mußte 
auf andere Art errungen werden. Und io ist e» denn ge 
kommen, daß der Universität in der polytechnischen Schule 
eine Stiefschwester erwachsen ist, die sie in der gegenwä,- 
ligen Zeit fast schon und in Zukunft ganz gewiß für eben 
bürtig anerkennen muß. Die polytechnische Schule hat die 
Cultivirung der exacten Wissenschaften zum Hauptgefühls- 
vuiikle, daher neben den Gegenständen der allgemeinen 
Bildung Mathematik und Naturwissenschaften die wichtig 
sten Unlerrichiszweige ausmachen. Während nun die Gt- 
lehrtenscvulen sortiuhre», die Vorbildung aus die Universität 
in ihren Zöglingen anzustreben, konnten dicfe für polytech 
nische Schulen nicht reif werden und was diese Anstalt 
nebe» der Universität, das mußte die Realschule »eben der 
Gelehrienickule werden. Nachdem diese Verhältnisse einmal 
eingetreten, hat man vielfach versucht, sicp so gut wie mög 
lich in dieselben zu finden, je hie und da, sie zu rechtter- 
ligen. Es sind viele Werke geschrieben unter den Titeln: 
die Gelcbrrenschiile, die Realschule, die höhere Bürger 
schule u. s. w. Sie alle behandeln denselben Gegenstand, 
sie alle geben Methoden an, die Bildung fürs Leben im 
Allgemeinen und für ein Fach insbesondere auf dem zweck 
mäßigsten Wege z» erreichen. Man kan» ans verschiedenen 
dieser Bücher viel Nützliches lernen; nur die Lösung der 
Aufgabe, wie man einen Jüngling auf die Universität wie 
auf dfe polytechnische Schule zugleich vorbereite, so daß 
die Wahl späterhin nur von seiner vorherrschenden Neigung 
abhäirgig sei: Die Losung dieser Ausgabe, sage ich, wird 
man in allen jenen Büchern an dem Umstande gescheitert 
finden, daß der Mensch mit gewöhnlichen Anlagen in den 
Schuljahren nicht alles dazu Erforderliche sich aneignen kann. 
Diele unbestreitbare.Erfahrung hat zu sehr verschiedene» 
Vorschlägen Veranlassung gegeben. Einlge Pädagogen 
wollen die Gelehrrensch'Ule von der Realschule streng ge 
schieden haben, jener die Vorbereitung auf die Universität, 
bteier die aus die voipieevuiiche. Sckuie zu weisen. Nord 
andere leben des frommen Glaubens, daß ein Primaner 
der gewöhn!. Art auf jedes wissenschaftliche Fach wohl vor 
bereitet fei. und halten demnach die Realschule für ein 
bloßes Wasserreis, was abgeschnitten werden muß. Endlich 
noch Andere baden das Heil in einer Vereinigung der Real- 
und Gclebrteuicvule zu finden gebosft. Svlcke Vereini 
gungen sind hie und da, z. V. in Berlin, wirklich ausge 
führt worden. In de» untersten Klaffen (biß Tertia ine!.), 
besaßt der Unterricht nur Gegenstände der allgemeine» 
Bildung. In den oberen Klaffen Tritt eine Sonderung 
ein. Diejenigen, welche die Universität beziehen wolle», 
eihalten den herkömmlichen Unterricht; die küiiltigen Polp- 
lechniker werden specieller in das Studium der exacten 
Wissenschaften eingeleitet. Da nun diese qrößlentheils der 
ueueren Zeit angebdiig, ihre Quelle sind Archive haupt 
sächlich in de» neueren Sprachen haben, so ist erivrdcrlich, 
haß die Zöglinge »eben dem Hanpkgegenstande, Mathematik 
und Naturwissenschaften, auch die deutsche, englische und 
französische Sprache als unentbehrliche Hülisivissenschallen 
studiren. Da ferner zu den nothwendigen Qualitäten eines 
tüchtigen Technikers nicht allein eine gründliche theoretische 
Ausbildung, soiibtrii auch viele praktische Fertigkeiten, z. 
B. Ausnahme von'Gegenständen, Zeichnen u. f. w- gehören, 
io muß viel Zeit -aus die 'Aneignung dieser Fertigkeiteil 
verwandt werden. Es ist nicht ersorderli», daS Einzelne 
näher zu beschreiben; es genüge gezeigt zu haben, welche 
Gegenstände die Vorbildung aus ein wissenschaftliches Stu 
dium gegenwärtig umfasse. 
Mit allen in Obigem angeführten Umständen mußten 
die Männer genau bekannt sein, welche der Gelcbnenicbuie 
ein neues Regulaiiv geben sollten; sie mußten -sieb vor 
allen Dingen des Zweckes dieser Anstalt klar bewußt sein. 
Diesen Zweck haben sie als die vollständige Vorbe 
reitung auf daS akademische Studium gefaßt. 
Hiebei bleibt es nun aber ungewiß, ob das polytechnische 
Studium mit zuni akademischen gepecbnet oder davon aus 
geschlossen ist, und aus diesem Grunde laßt sich unsere 
zweite Frage nicht direct mil ja oder nein beantworten. 
Sollen die Gk!ebr:ens«»!en zugleich die Vorbereitung auf 
volytechniscbeAnsialten leisten, dann reisen die dargebotene» 
Mittel nicht ans. Denn 3 — 4 Stunden wichentl Mathe 
matik und 2 Stunden Naturwissenschaften verschlagen dazu 
nicht viel; noch viel weniger ist ine teebnitebe Fertigkeiten 
geschehen. Da nun die Gegenstände, welche man debuis 
Vorbereitung auf die akademischen Fachstudien zu behandeln 
pflegt, in dem Regnlaitv so gut bedasc worden sind, 
(z. B. für Latein 8 Stunden wildenrllch). so darf man nur 
annehmen, daß dieses Regulativ im Hinblick aut andere 
Anstalten eniworsen worden ist,, deren vorzüglisster Zweck 
es sein soll, dasjenige zu cultivtren. was hier vernachlässigt 
und die eine Vorbereitung «ui solche Studien vermitteln 
sollen, die man gegenwärtig noch nicht zu deu'akademficken 
zu zählen pflegt. Diese Voraussetzung ist aber um so 
gegründeter, da die besten Lehrer unserer Zeit sis zu der 
Ansicht bekenne», daß eine Vorbereitung auf wissenia,alliiere 
Studien, welche in dem Unterrichte in allen gemeinnützigen 
Dingen, weder nottiwendig noch möglich ist. DaS tiefere 
Studium der alle» Sprache» muß der Polptecvniker ent 
behren, weil sein Leben kaum hinreist, die für fein Fa» 
unentbehrlichen Dinge giünbiich zu studiren. Eben io muß 
der Theologe- sich bei dem Gedanken zu beruhigen suche», 
von der Mathematik und de» Nalnrwiffenschaikeii nur die 
Elemente und die wichtigsten Resultate zu kennen. Wenn 
man also annehme» darf, daß die Veriaffer des neuen 
Schulregulgtips sich von diese» oder ähnliche» Ansichten 
haben leiten lassen, so haben sie nicht allein den Zweck der 
Gelehrieiischule sehr richtig aufgefaßt, sonder» das Regula- 
liv begründet auch die Hoffnung, daß wir ein Regulativ 
für Realschulen in unserm Lande mit Zuversicht bald zu 
erwarten habe» werden. 
A it f r n f 
an meine edlen norddeutschen Mitbrüder 
f ü r 
Seed-sr» „send nackte, hungernde Waisen 
Schlesiens. 
Obgleich von vielen Seiten schon der Aufruf zur 
Unierstiitzuiig der ant Hunger und Typhus dahinster 
benden Bewohner Oberschlesiens laut geworden ist und 
überall den eiilsprecheiiden Anklang gefunden, so wage 
ich cs dennoch, mich hiemittelst vorzugsweise an die 
Gegenden zu wenden, denen ich dlirch Geblirt und Ge 
sinnung angehöre und deren Wvhlthätigfeitssinn und 
lreudeuisches Milgefühl sich stets so glänzend und freudig 
bewährt. 
Die Kreise Pieß und Rybnik mit circa 100,1*00 
Bewohnern gehören einerseits zu den ärmsten Schle 
siens und sind andererseits seit drei Jahren schon von 
einem totalen Mißwüchse der Kartoffel» heimgesucht 
worden, dieses einzigen Nahriiiigsiniltcls einer Gegend, 
wo Brod Lupus ist. Wären unsere Kreise in den 
Weberdistricten belegen, wo tausend geschäftige Federn 
alles ivahre und ficlive Elend ausbeuten (?), so wäre 
riiiS wahrscheinlich früher schon eine gründliche Ab 
hülfe zu Theil geworden, aber der besseren, edleren 
TageSpresse blieben unsere Bedürfnisse fremd und jene 
mit dem Elende der untere» Vvlksklassen coguettircnde 
Journalistik fand lei uns Gottlob keine Aiikiiüpfungs- 
puiikle. Ueberdiks gehe» dem Oberschlesier alle jene 
Eigenschaften ab, wodurch man in unserer Zeit sich 
geliebt, oder »och besser gefürchtet macht und somit 
Hülfe erzwingt; er ist zu unschuldig— modisch aus 
gedrückt zu duini» — mit fein Elend in den Augen 
deS schreibenden und lefendkii Piiblicums interessant 
zu machen, »nd zu loyal, um den Behörden Be 
sorgnisse einzuflößen. Zu jedem Opfer bereit, wie 
er jüngst durch die Bekämpfung seiner Hanptleidenschaft, 
deS B r a li n le >v ein S bewiese», besteht sein Heroismus 
mehr im mannhaften Dulden und ergebenen Entsagen, 
als im kecken Reden und Handeln, »nd während im 
vorigen Jahr selbst in de» reichste» Gegenden unserer 
Provinz ob der Theurung Aufläufe eiiistandcn, trübte 
auch nicht der kleinste Exceß das liefgebengte rechte 
Oder-Ufer. Keinem seiner Bewohner kam es in de» 
Sinn, daß. dein Armen ein Recht auf die Unlerstützuiig 
deS Siaaies, oder gar auf den Uebcrfluß des Reichen 
zustehe und so siechte er denn hniigernd dahin und starb 
doppelt freudig, iveil sein einziger Freund und Tröster, 
der Geistliche, ihl» im letzten Augenblicke noch die 
Hoffnung auf das Jcnseils eröffnet. Und wohl ihm, 
daß diese Aussicht ihni blieb, denn das Elend nahm im 
Laufe des Jahres ans eine entsetzliche Weise zu; Tau 
sende lebten ini Frühjahr schon nur von Gras und 
Wurzeln und >vie arg die Ruhr gewüthet, will ich 
durch die Eine Thatsache belege», daß ans meiner Herr 
schaft Pschow von 3000 Mensche» vom 29. Juni bis 
2. October 175 Mensche» daran gestorben. Die reiche 
und wohigemeinļe Unierstützuiig des Siaaies wurde für 
die Allerärmste» zur Taiiialusqual, denn da sie haupt- 
jächlich in Natural-Vorschüsse» bestand, welche von 
den Vorständen der Gemeinde vertheilt wurden und 
für deren Rückerstattung diese bürgen mußte, so war 
es leicht erklärlich, daß sie nur de» nicht ganz Armen 
zuflössen, die sie dereinst iviedererstatien konnten. Die 
wackere Kreisbehörde halte nun zwar berichtet und 
berichtet, aber es bedurfte der Oeffentlichkei't, es be 
durfte der Presse, um j ene» Wolken sch l eier zu zer 
reiße», der so leicht den höchste» Blicken bie 
niedere» Regionen verhüllt. — In enger Ver 
bindung mit deU wohlwollende» Proviiizialbehörde bil 
dete sich nun in Breslau ein Bereit, edler Menschen 
freunde, und ans Siaaksmitkeln sowohl, wie aus frei 
willigen Beiträgen fließen den bekheiligten Kreisen reiche 
Spende» zu. Aber jetzt erst geigt sich, nicht die Größe 
des Bedürfnisses allein, sondern auch der Unterschied 
zwischen geben und geben, und wie viel leichker es 
ist, eine Ariiiee von huiiderttansend Mann mit Beihülse 
einer thätigen Jiikcndaniurbehörde, sei es im Frieden 
in de» schöneingerichlele» Caserne,, und Lazareihe», oder 
im Kriege in de» geordnete» Caiitoiiiieilienls und wohl- 
versorglcn Aiiibülaiiceii reichlich zu verpflege», als eine 
solche, den Keim des Todes in sich tragende, in zer 
streuten Hütten lebende Bevölkerung, auch nur mit dem 
Nothdürftigstc» zu versorgen. — Die Behörden 
vertheilen jetzt nach bestem Wissen und Gewissen durch 
ihre Organe, Cümmisstoiie» u. s. w. auf den Grund 
der Berichte, »ach caiculalorische» Principien, sei» ka- 
bellarisch und mit allen Belege» versehen, die reichen 
Gaben. Die Kranken werden von ivackeren Aerzten 
fleißig besucht und eine Masse schwarzer Wariiungs- 
tslfcln schrecken (leider nur zu sehr) von dem Betrete» 
iiisicirler Wohnungen zurück; aber der Typhus schreitet 
deinohnerachket mit Riesenschritte» vorwärts, stumpfe 
Todesverachtung, Auflösung aller Familienbande sind 
in seinem Gefolge; alles Menschliche erstirbt allmählich 
im Menschen und das resignirle Volk sieht nur noch 
ini Tode Erlösung. Am entsetzlichsten aber sind die 
arme» Waisen daran, ivelche, mehr als sechs lau send 
an der Zahl, krank, nackt, vielfach ohne Obdach, hun 
gernd lind wiiniiicnid umherziehen. Damit man mich
	        
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