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hiesige be»u monde. Wohl an die zehn Mal ist es
mir schon erzählt worden und jedes Mal mit einem
Tone der Wohlgefälligkeit und geschmeichelter Eitelkeit,
loie er gar nicht zu beschreiben ist. Vorgestern hatte
ich die Ehre, jenen Gefeierten von Angesicht zu Ange
sicht kennen zu lernen. Man saß im Freien, je nach
Familien an einzelnen Tischen, da trat er in deti Gar
ten. Die zwei jungen Leute der Stadt stiegen um
ziemlich lauten und, wie ich meine, absichtlich lauten
Begrüßungen auf ihn zu. Er empfing ihr Willkommcn
mit der Miene eines Mannes, irelcher dergleichen Ach
tungsbezeugungen längst gewohnt ist und beeonipli-
mentirte sie darauf mit den verschiedenen Tischen. Welche
plötzliche, merkwürdige Veränderung in den Gcsichtern.
AUcS wurde lebendig und erregt, die Meisten zeigten
eine affectirke Vertraulichkeit, welche doch ivieder «ine
gewisse vornehme Gleichgiltigkeit durchscheinen lassen
sollte, oder eine wahrhaft himmlische Freundlichkeit,
mir der eine recht gesuchte Miene des Stolzes wunder»
sam und ziemlich lächerlich conirastirte. Andre wurden
ganz und gar verlegen, wie Leute, die beim Unrecht,
thun ertappt werden, und ließeii die verstohlener Weise
vom Hause mitgebrachten Buiterbrode in den Sand
fallen. Das Spaßhafteste bei dem Allen ist. daß Jeder
diese Komödie wie für sich selber nur spielt, denn da
ist Keiner, der nicht des Andern gesellige, heimliche
und wirthliche Verhältnisse grade so gut, wie dieser
selbst kennte, und i» vielen, wo nicht den meisten Fällen,
gar noch besser. — Nichtsdestoweniger will Jeder den
Andern glauben mache», und zwar mir jedem neuen
Jahre von Neuem, daß grade er mit dem ganz beson
dern Vertrauen des adligen Herrn Gutsbesitzers beehrt,
daß er aus Princip und nicht etwa aus Sparsamkeit
für seine ganze zahlreiche Familie nur eine Portion
Kaffee coiisumire und daß er nirgends das Brod so gut
finde, als bei sich zu Hause, weswegen er solches „ach
der Ressource sich immer mitbringe und was dergleichen
unschuldige Täuschungen mehr sind, die keinen Andern
mehr betrügen, denn den Täuschenden selber. Wenn
ich nur wenigstens einmal ein wahrhaft fröhliches und
erheitertes Gesicht gesehen hatte. Aber das Vergnügen
ist ihnen eine Arbeit. Sie sind in ihren alte» Adam
so versessen und befangen, daß sic ihn auch keinen Au.
genblick an den Nagel hängen können und einen neuen
Menschen anziehen. Ich begreife eine solche Cristcnz
nicht. —
-
Charivari.
Schreiben des Herrn Doctors Eisele an den
Herrn Baron v. Beisele sen., Erb-' und
Gerichtsherrn auf und zu Beiselingen, worin
er seine und die Ankunft des Herrn Baron von
Beisele jun. in Rendsburg meldet und zugleich die
Ursachen «»giebt, warum sie, die beiden berühmten
Reisenden, sofort diese Stadt wiederuni verlassen
und sich nach Hamburg zurückgezogen haben.
Hoch, und Wohlgeborner Herr Baron,
Insonderheit Hochzuverehrcnder Herr!
Ew. hochfreiherrlichcn Gnaden mir gegebenen In.
-ruction zufolge ermangele ich nicht, über den ferneren
Fortgang unserer Europäischen Rundreise meinen pflicht
schuldigsten Rapport abzustatten. Was zuvörderst das
Wohlbefinden Dero Herrn Sohnes anbelangt, so erfreut
derselbe sich Gott sei Dank, seit der Bralwurst-Cur und
seit den in Braunschweig von uns gebrauchten Lust,
bädern, des besten Wohlseins. Sein Appetit ist in er.
freulichem Zunehmen und unsere Rechnungen in den
Gasthöfen steigen im Verhältniß. Auch haben wir eS
unS jetzt, nach der neulich gemachten Erfahrung, zur
Regel gemacht, bevor wir Privateinladungen annehmen,
uns nach den culinarischen Verhältnissen der invitiren.
den Herrn zu erkundigen. Denn Hunger» ist kein
Brod sparen, wie Ew. Gnaden zu sage» pflegen, wenn
Eie Sonntags aus der Kirche kommen. Ehe ich jedoch
aber in fernere RaisonnemcntS mich verliere, er
laube ich mir. zu meinem unterļhânigsten Rapport ohne
weitere Vorrede überzugehen. Nachdem wir in Ham»
bürg einer theatralischen Vorstellung Abends vorher
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beigewohnt halle», in welcher wir uiis in eigener Per.
son mit vielem Effecte dargestellt sahen — so groß ist
die Celebriiat, die wir mit Gottes Hülfe und durch
meine geringen Educations.Talente erreicht haben —:
'roten wir am Montag Morgen, den 24sten d. M. mit
dem erste» Bahuzuge die Reise von Altona (oder eigent
lich von Ottensen, wo wir das Grab des berühmten,
aber längst nicht mehr gelesenen Poeten Klopstock in
Augenschein nahmen) nach Rendsburg an. AuS einer
von Ew. Gnade,, gewiß gebilligt werdenden Oeconomie
nahine,i wir Karten zur drillen Classe, allwv man so
bequem incognito reiset, da die Karte» auf den Inhaber
lauten ji„t) man nicht nach Rang und Stand gefragt
wird. Uns gegenüber saß'ein ganz seingekleideter Manu,
der unS auf Befragen den Gasthof „zum schwarzen
Adler" in Rendsburg empfahl, indem er unS versicherte,
zum Oefleren daselbst logirr und eine gute und billige
Bewirkhung genossen zu habe». — Wir erfuhren später
zn unserem Leidwesen, daß der Herr ei» vagabondirender
Literat, ein Erz,chalk sei, der auf nie erscheinende Werke
Pränumeranien sammelt und in dem aufgeklärten Schles
wig!) ölst ein eine gute Beule gemacht har. — Auf dem
Bahnhöfe, der in einiger Entfernung von der Eiadt
liegt, trafen wir verschiedene Omnibuse, Kaleschen und
Droschken an und erkundigten uns,, in welchem dieser
Fuhrwerke wir mir unseren, Gepäcke „ach den, Gasthof
„ium schwarzen Adler' gelangen könnten. Plötzlich er.
scholl ein allgemeines Hohngelachter und wir vernah
men ganz dkiillich die höchst defpeciirlichc» Worte, als
„Pracher", .Pracherherberge" u. s. w. Ein ältlicher
Man» (wir hörten ihn Matthias nennen), der unsere
Verlegenheit bemerkte, nahm sich unserer an und lud
uns ein. in seine Fensterchaise zu steigen, wobei er uns
bedeutete, der von uns genannte Gasthos eristire überall
nicht mehr, er wolle unS aber »ach einem andern brin.
gen, wo wir zufrieden sei» würden. Wir nahmen
dieses Anerbieten an. bestiegen daS Fuhrwerk und er.
reichten gar bald das Ziel. Bis zur Zeit des Mittags,
esse,iS an Table d'hote hatten wir noch eine Stunde
Zeit, die loir benutzten,, um einen Theil der Stadt zu
besehen. Zuerst nahmen wir daS nahgelegene Rath.
und Schlachthaus») in Augenschein, welches uns sehr
mißfiel. Man erzählte uns, daß zum Bau eines neuen
Hauses eine SchillingSsammlung eröffnet sei und in der
Voiauösetzung Ew. Gnaden Genehmigung haben wir
einen Beitrag von 4 Schillingen schriftlich offerirt, aber
noch keine Antwort erhalten. Dann besahen wir die
Marienkirche (von Außen nämlich), das sogenannte
Hospitalgasthaus, einen Wassergraben, worin kein
Wasser, und da unser Magen eben so leer war, so
kehrten wir in unseren Gastbof zurück. Die Gäste der
Table d'hoie fanden sich nach und „ach ein und nun
erst erhielten wir Kunde von der zur allgemeinsten Be.
krübniß eingetretenen Landestrauer. Bei Tische hatten
wir zum ersten Male Gelegenheit, dänisch reden zu
hören, indem ein Theil der Gesellschaft sich in dieser
Sprache unterhielt, während die übrigen Gäste deutsch
redeten. Dero Herr Sohn legte Lust an den Tag. die
dänische Sprache zu erlerne», daher wir unS bei einem
Antiquar .Flors Grammatik' kauften, um unS durch
wechselseitige» Unterricht diese Sprache beizubringen,
welches uns bei unserem Lehr- und Lerutalent hoffentlich
gelinge» wird. Um Ew. Gnaden zu zeigen, daß wir
schon einige Fortschritte gemacht haben, zeigen wir Ihnen
an, daß eine Wurst.Pilse" und Speise überhaupt „Mat"
auf dänisch genannt werden. Zu den Zeitwörtern sind
wir noch nicht gelangt. Nach aufgehobener Tafel fuhren
wir in Besehung der Merkwürdigkeiten der Stadt fort,
als da sind: das Arsenal, der Bagno, die Garnisonkirche,
die Hauptwache, die große Pump« und die rothe Pumpe,
die Synagoge, daS Harmoniegebäude, ei» nahe daran
gelegenes, sehr stattliches Gebäude, von dem man uns
sagte, daß cS eine Mühle sei, nnd zuletzt den Raths
keller, wo wir aber keine Gesellschaft fanden, da, wie
der Wirth uns sagte, die Stammgäste erst Abends
Uhr sich einzusinden pflegen. Dies schien uns etwa-
zu spät und eine üble Gewohnheit zu sein, da wir unS
gerne schon um 10 Uhr zur Ruhe begeben. Gegen
5 Uhr Nachmittags kehrten wir iviever in unsern Gast-
hof zurück, wo wir eine zahlreiche Versanimlung von
Bürgern und Einwohnern in dicke» TabackSwolken an»
'1 Hier ist der Herr »,lļ«e ,ffe»d«r i» et»e» Irrthum te,rtffe»>
trafen. Die Unterhaltung war sehr lebhaft und »ach.
dem wir »ns erkundigt hatte», was denn eigentlich im
Werke scsi erfuhren wir, daß von einem Bürgerverein
die Rede sei, der, kaun, gestiftet, anck schon n ieder sich
aufzulösen drohe. Die eigentliche Versammlung war
im Saale des 'Gasthvses; wir fragten, ob es uns ge
statte! sei, der Versammlung alS Freinde beizuwohnen,
worauf man unS die ziemlich unfeine Antwort gab: „es
sind Lkiiie geiiug da. die nicht dahin gehören, gehen Sie
daher inir immerhin hinein." Als wir in den Saal
traten, redete eii, junger Mann sehr heftig, eiferie und
gestieulirte erschrecklich gegen Aristokraten, Advocate»
und Gott weiß was sonst lür — caie»; daß solches
Dero Herrn Sohn eiivas iinaiigenehni berührte, da er
standesgemäß stch zn den Aristokraten zählt, ivird Ew.
freiherrlichen Gnade» begreiflich sein. Noch eii, aiiderer
eiivaS älterer Mann unterstütz,e de» fnngen Man» i„
llinen epaltirkeii und ereentrifcheii Reden, die sehr am
uiirechiei, Orie zu sein Ichienci, liiit mich au die Ber-
samnilungeu der sogenannten Coizimunisteii eriiiiieric,
vor welchen Dero Herr Sohn und ich einen enlschiede-
nen horreur hegen. Die gemäßigte Partei sümpfte
vergebens mit den Waffe» der Vcrniinfk, der Präsident
der Versammlung, ei» ältlicher Mann mit schwarzem
Barte, der zwischen zwei Feuern zn stehen schic», suchte
vergebens die Debatte ins' parlßiueiiiarische Gleis zu
leite»; zuletzt ginge» die ModeradoS davon nud ließe»
ihn mit den Epaltados allein, jedoch auch diese konnten
sich am Ende nicht einig werden und aus dem Bürger,
verein wurde zuletzt ein Bürgervernuein; eine totale
Auflösung war das Ende vom Liede. Dero Herr Sohn
und ich zpgen im8 bei Zeile» zurück um „ich! von den
Eraltavos injurirt in werden. Ai,f unserem Zimmer
stellten wir nun Reflepionei, an, was unter obwaltenden
Umständen das Richtigere sei, hier bleiben oder ,nieder
davon reise,,. Wir entschieden „ns baldigst für das
Letztere. Erstens weil mir befürchteten, bei der gereizten
Stimmung der Einwohner in Unaiiiiehinlichkeile,, zu
gerathen, zweitens weil ,nährend der Landestrauer die
Salons der haute vol.de geschlossen sind und Dero
Herr Sohn also keine Gelegenheit haben würde, sein
VerheiraihuiigSprojecl mit einer ebenbürtigen junge»
Da,ne hiesigen Orkö in Ausführung zu bringen. Wir
glaubte,, übrigens Anfangs eine große Auswahl in •
dieser Beziehung hier zu finde», da wir aus den Pro.
nienadr» sehr viel« Damen in der Landestrauer sahe»,
und es „ns aus den lehrreichen Mi,theiln,igen Ew.
Gnade» bekannt ist, daß nach der Hofetikette nur die
ersten Classe» der Rangverordiiung die Trauer anlege,,;
gar bald aber brachten wir in Erfahrung, daß hier
die honiictte Ambition so iveil geht, daß auch die hasse
volee, die rdture wie Ew. Gnaden zn sagen pflegen,
sich in Trauer hüllt, um ja recht vornehm zlt erfcheiiieu.
Morgen früh werden wir solchergestalt diese Sladr
wiederum verlassen und „ns „ach Hamburg begebe».
Dero Sohn bittet seinen kindlichsten Respect zu ver.
melden und mit der ticssteii Devotion nnd tinlerihänig-
stem Gehorsam ersterbe ich Ew. hochsreiherrliche» Gnade»
allerunlerthänigfler
vr. Eisele.
Rendsburg, den 24stci, Januar 1848.
Beiträge zum Bau eines neuen Rathhauses
hicsclbft.
Dur» die 135ste wöchentliche Sammlung sind eiiiae-
«anaen:
in der Altüadr nnd »er dem Kronwerkenhere
von 49 Gebern 12 3 ,3
lm Neuwert und vor dem Neuenihore von '
46 Gebern 5 7
/'"d dis jetzt in 135 Sammliingen^zmamm/n
4345 nifi. 15 /3 einaeganacu.
Rendsburg, den 27. Januar 1848.
Steffens. Kasstrer.
Hierzu eine Beilage.
IßT Redst einer literarischen Beilage aus der Buchband,
lung von F. Ä. Oderreich.