Full text: Newspaper volume (1847)

den Priestern entgegen, in Gunst stand, und stiftete 
Schulen nach diesem Plane auf seinen Besitzthüinern. 
Ein großmüthiger Besitzer von Künstlern und Gelehrten, 
war er auch stets bereif, für politische Flüchtlinge, 
Polen, Griechen und Italiener, zu subscribiren, Kurz, 
der Herzog von Orleans that, ohne zu conspiriren. eben 
so viel, das königliche Geschick seiner Familie zu fördern, 
als der ältere Zweig, durch ein völlig entgegengesetztes 
Benehmen dahin wirkte, das seinige zu gefährden. 
Das Leben Ludwig Philipps als König ist jedoch 
ein Leben endloser Mühen und Sorgen: er hat weniger 
Muße und schwerere Arbeit als der geringste seiner 
Unterthanen. Er begiebl sich spät zur Ruhe und steht 
früh wieder aus, so daß er selten länger als vier 
Stunden schläft; nach einer sorgfältigen aber raschen 
Toilette gehl er dann gleich an die Arbeit. Er früh 
stück! selten mit seiner Familie, weil ihm das zu viel 
Zeit wegnehmen würde, sondern läßt sich seinen frugalen 
Imbiß nach dem Gemache bringen, wo er sich eben 
aufhält. Als er noch Herzog von Orleans war, las 
er alle Briefe und Bittschriften, die an ihn gerichtet 
waren, selber, und schrieb auf jeden Brief und auf jede 
Petition eine Meinung oder einen Befehl zur Richtschnur 
für seine Secretairs, Von dieser Gewohnheit mußte 
'ex aber abstehen, als er König geworden war. Zu 
Anfang seiner Regierung belief sich die Zahl von Briefen 
und Gesuchen verschiedener Art, die bei den Mitgliedern 
der königlichen Familie einliefen, auf nicht weniger als 
tausend bis zwölf hundert täglich. Obgleich im Durch 
schnitt keine fünfzig davon das geringste Interesse hatten 
oder einer Antwort werth waren, hatten doch mehrere 
Serreiairs vollauf zu thun, ein solches Chaos von 
Correspondeuz nur zu lesen und zu classificiren. Allmählig 
legte sich die Fluth der Petitionen ein wenig, doch beläuft 
sich ihre Anzahl noch immer auf sechs bis acht hundert 
des Tages, Von den Briefen werden dem Könige nur 
die wichtigeren vorgelegt, und manche derselben beant 
wortet er persönlich. Er untersucht die Rapporte, 
Projekte und Ernennungen, die ihm von seine» Mini- 
stern gebracht werden, und präsidirt mindestens zwei- 
oder dreimal wöchentlich im Conseil. Ein großer Theil 
seiner Zeit wird durch Privataudienzen in Beschlag ge 
nommen, indem er häufig Besprechungen mit Archi- 
lecken, und mit den Intendanten seiner Civilliste und 
seiner Privatdomaiiien hat. Die Gallerien von Versailles 
und die Verbesserungen zu Fontainebleau, alle nach 
seinen Angaben und größtentheils unter seiner persön 
lichen Aufsicht ausgeführt; Hofbälle und Diners, diplo 
matische Audienzen, Correspondenzen mir fremden Höfen, 
Reisen verschiedener Art, Besuche im Schlosse Eu und 
in Militairlagern — alles dieses gehört mit zu den 
unzähligen Ansprüchen, die an die Zeit des Königs der 
Franzosen gemacht iverden. Ein hellsehender, rühriger 
und ernster Mann, mit Ordnungsgeist ausgestattet, wie 
dieses mit Ludwig Philipp in einem hohen Grade der 
Fall ist, kann er jedoch an einem Tage von zwanzig 
Stunden viel beschicken; auch bleibt dem Könige, nach 
dem er alles Aufgezählte und noch manches andere von 
minderer Wichtigkeit gethan hat, noch einige Zeit für 
seine Familie, für eine seiner Gesundheit nothwendige 
Bewegung und für das Lesen der bedeutenderen Zeitungen 
und anderer Schriften, so in französischer als in eng 
lischer Sprache, übrig. Jeden Morgen, vor oder nach 
dem Frühstück, werden Zeitungen, Broschüren und selbst 
Carricaturen auf den Tisch gelegt, und der König und 
die Prinzen sind die erste», welche die gegen sie gerich 
teten Artikel laut vorlesen und die Carricaturen den 
Umstehenden mit den Worten zeigen: „Wie finden Sie 
das?" 
Der König hält sehr auf seine Kleidung, und ich 
sah ihn einmal höchst verdrießlich werden, als er sich 
sein Kleid an einer Thür zerrissen hatte. Die Papiere 
in seinem Privatarbeitsjimmer und die Bücher in seiner 
Bibliothek sind stets sehr ordentlich arrangirt, und er 
sieht es ungern, wenn sie während seiner Abwesenheit 
anders gelegt werden. Bei der Unterhaltung amüsirt 
sich der König damit, Briefcvuverle zu machen, und 
benutzt die für die größer» Depeschen oft zweifach, in 
dem er sie umkehrt. Er läßt nichts umkommen, wenn 
es noch de» geringsten Nutzen schaffen kann. Vom 
Spiel und von der Jagd und dgl. ist er kein Freund, 
Abends, in seinem häuslichen Kreise, macht er wohl 
zuweilen eine Parthie Billard, aber selten eine lange 
Zeit hinter einander, indem er fast keiner Stunde Herr 
ist ohne durch das Eintressen wichtiger Depeschen, de» 
Besuch seiner Minister oder der fremden Gesandte» 
gestört zu werden. 
In dem Schlafgemach von Ihren Majestäten brennt 
die ganze Nacht hindurch Licht, und nebe» dem Bette 
des Königs, der auf einer einfachen Pfcrdehaarmatratze 
schläft, steht ein Tisch mit zwei geladenen Pistolen. 
Die Königin verwendet für ihre sämmtlichen Aus- 
gaben des Jahres nicht mehr als 500,000 Franken, 
und davon gehen mindestens 400,000 Fr. für wohl 
thätige Schenkungen jeglicher Art |afc. Zuweilen sagte 
sie zu mir (Herr Appert war zehn Jahre lang ihr und ' 
der Schwester des Königs, Madame Adelaide, Almo 
senier) „ja, geben Sie die 500 Fr,, wovon wir gesprochen 
haben, nur, aber bringen Sie sie erst auf dieRechnuiig 
des nächsten Monats, denn es ist Ebbe in meiner 
Börse; sie ist leer," Es wäre übrigens nicht zu ver- 
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wundern gewesen, wenn sie durch all den Trug und 
die Undankbarkeit, die sie erfahren mußte, ja selbst durch 
den insolente» Ton einzelner Bittschriften in ihrem mild 
thätigen Sinn erschüttert worden wäre. So erhielt sie 
einst von einer alten bonaparristischen Dame folgende 
Zuschrift: „Madame, wenn die Bourbons nicht, zum 
Unglück der Nation, „ach Frankreich zurückgekehrt 
wären, so würde meine geliebte Herrin und Beschützerin, 
die Kaiserin Marie Louise, noch auf dem Throne sitzen, 
und ich sähe mich nicht i» der beschämenden Nothwen- 
digkeit. Ihnen zu sagen, daß ich ohne Brod bi», und 
daß mir, weil ich meine jährliche Miethe nicht habe 
bezahlen können, auch noch die elende Matratze genommen 
werden wird, auf welcher ich schlafe. Ich darf Sie 
nicht um Ihre Unterstützung ansprechen, denn mein 
Herz hängt meiner wahrhaften Monarchin an und ich 
kann Ihne» meine Dankbarkeit nicht versprechen. Sollten 
Sie sich jedoch veranlaßt sehen, ein Leben zu erhalten, 
das seit dem Mißgeschicke meines Vaterlandes so voller 
Bitterkeit gewesen ist, so will ich ein Darlehen anneh- 
men: eine Gabe würde mich erröthcn machen. Ich 
bin Madame 
Ihre Dienerin CH—r" 
Dieser impertinenten Epistel der Bonapariistin hatte 
die Königin, als sie dieselbe an mich zurückgehen ließ, 
folgende Worte beigesetzi: „.„Sie muß wohl recht sehr 
unglücklich fein, denn sie ist höchst ungerecht. Ein 
hundert Franken sollen ihr sofort zugesandt werden, und 
ich ersuche Herrn Appert, sich weiter nach den Umständen 
dieser Dame zu erkundigen."" 
Entrüstet über den empörenden Ton tiefer Zuschrift, 
erlaubte ich mir Vorstellungen gegen die Resolution der 
Königin zu machen, doch bestand I, M. darauf, und 
gebot selbst, daß ihre Gabe, wenn die merkivürdige 
Bittstellerin es fordern möchte, verdreifacht werden sollte. 
Ich fuchte diese also auf, und als ich an eine wurm- 
stige Thür, im fünften Stock eines Hauses in der Straße 
St, Andre- des Arts angepocht hatte, wurde mir von 
einer Dame in einem schwarzen Kleide (eS war ihr 
einziges) geöffnet. ■ 
„£) Herr, sind Sie vielleicht ein Polizeicommissair, 
abgesandt, um mich wegen eines unverschämten Schreibens 
an die Königin zu verhaften?" sagte sie in höchster 
Aufregung, „Aber Sie müssen mir verzeihen: ich bin 
so unglücklich, daß ich zuweilen wirre werde. Es thut 
mir leid, so, wie ich es gethan habe, an eine Fürstin 
geschrieben zu haben, die alle Arme gut und barmherziq 
nennen." " 
— Beruhigen Sie sich, Madame, erwiederte ich, 
und „holte ihre Bittschrift aus meiner Tasche, Da, lesen 
Sie die Verfügung von Ihrer Majestät, darnach werden 
sie besser beurtheilen können, als nach allem, was 
ich Ihne» sagen könnte. 
Als Madame C,— die rührenden Worte der Kö. 
nigin gelesen hatte, brach sie in Thränen auê, drückte 
das Papier an ihre Lippen, und rief laut: „Ha, mein 
H"r, geben Sie mir nichts, aber lassen Sie mir diese 
heilige Reliquie: ich will sie auf mein Herz legen und 
dann gern Hungers sterben!" 
Da Madame C,— sich der Großmuth der Königin 
in allen Stücken werth bewies, so ließ ich ihr die 300 
Mauken, doch hakte ich die größte Mühe, sie zu der 
Herausgabe ihrer Petition zu bewegen, die ich noch jetzt 
mit Achtung und Verehrung bewahre. DieS ist übrigens 
nur ein Zug aus zehn tausenden der Königin der 
Franzosen. 
Deutschlands Schöne. 
Ich liebe deine Höhen, 
Mein aute« Vaterland; 
Die stanen Eichenwälder, 
Und deine» Wogen,krand. 
In deinen schönen Tbälein 
Blüht mir da? schvnsteLddk; 
Drum Deut,chiand, flieh ,ch 
»immer 
Aus deinem MuuerschddS. 
Wie strahlt dieGottessonne 
So mild auf dich herab; 
Die Gaden nicvt veriengend. 
Die Berg und Thai dir gab; 
Jedoch der Kälte wehrend, 
Zn kîr das Leben starrt! 
'Wie dvw rvr vielen Ländern 
Dir mancher Vorzug waid! 
Aue deine» Bergen dringet 
Kein wilder Lavaürom; 
Da weiden ihre Heerden 
Die Hjrien, gut und irvmni; 
Da schwingt si» in die Li,sie 
Dee Winzers Indeliied, 
Wender im Geist' dte Fässer 
Voll Saft der Trauben siebt. 
Du nährest deine Kinder 
Mit Korn und cd'lein Last.' 
sie gar daid erdulden 
In kühner Manneekraft. 
Und, was mich daß erfreuet: 
Frei wird dein Bürger lein 
Durch alle, alle Zeiten, 
D'tum will iw dir mich 
weih'«! 
Und schielen tausend Blicke 
Hin nach Ameiika: 
Sic finden schwer das ittöne, 
Wie in dir, jemals da. 
Von Wanderwuth ergriffen 
Flieht man daS Vaterland, 
Und sinder doch da drüben 
Ost nichts als — Siein und,Sand. 
J. H. Ketelseii 
——««sGVGrs»—— 
bracht, ehe man den eigentlichen Sinn der Abelsschen 
Katastrophe allgemeiner kannte, und bei dieser Gelegen 
heit^ die spanische Tänzerin ziemlich derb aus ihren 
anstößigen Lebenswandel hingewiesen. Jetzt hat Lola 
Monte; in einem Schreiben „an den Herausgeber der 
ThinieS" selbst ihre Vertheidigung übernommen. DaS 
Schreiben (The Times vom 18. März) lautet fol 
gendermaßen. 
„An den Herausgeber der Times." 
„Mein Herr, da mir ein Exemplar Ihres BlalkeS 
- von, 2. d, zugeschickt worden ist, so werben Sie hoffent 
lich aus Gerechtigkeitsgefühl gegen mich, die folgende 
kurze, Darstellung von dem wirkliche» Zustande der 
Dinge hieseibst aufnehmen, welche zugleich die zahlreichen 
Artikel, die kürzlich in den französischen Blättern er 
schiene» sind, widerlegen mag. Ich verließ Paris im 
vorige» Juni auf einer Kunstreise (a professional trip), 
und beschloß u. a. auch München zu besuche», wo ich 
zum ersten Male die Ehre halte vor Sr Maj. zu er 
scheinen und von ihni Zeichen des Beifalls zu erhalten, 
welche — wie Sie wissen — für eine Künstlerin an 
einem fremde» Hofe nichts sehr Ungewöhnliches sind. 
Ich war »och keine Woche hier, als ich entdeckte, daß 
in der Stadt ein Cvmplott bestehe, um mich hinaus 
zuschaffen, und daß die Partei, die Jesuilenparlei sei. 
Sie wissen natürlich, daß Baiern seit lange ihr Boll. 
werk und München ihr Hauptquartier gewesen ist. Na 
türlich genug, da ich von Jugend auf angewiesen und 
dazu erzogen worden bin, diese Partei zu verabscheue», 
lick glaube, Sie werken sagen: mit Recht) reizte mich 
das nicht wenig. Da sie wenig Hoffnung jähen, daß 
ich sic verlassen würde, zogen sie andere Seiten auf und 
versuchten, was Bestechung über mich vermöchte, und 
boten mir wirklich 50,000 Gulden jährlich, wenn ich 
verspreche» wollte, Baiern ans immer zu verlassen. Dies, 
wie Sie denken könne», öffnete mir die Augen, und da 
ich ihr Anerbieten entrüstet zurückwies, so haben sie 
seitdcni jeden Stein umgewendei, um mich loS zu wer 
den, und haben nie auch nur einen Augenblick aufge 
hört mich zu verfolgen AIS ein Beispiel kann ich an 
führen, daß in der letzten Woche ein jesuitischer Pro 
fessor der Philosophie an der hiesigen Universität, NamenS 
Lassault, feines Amtes entsetzt wurde, worauf die Par. 
lei einen Pöbelhanfe» bezahlte und miethete, um mich 
zu insultiren, in meinem Hause die Fenster einzuwerfen 
und auch das Schloß anzugreifen; aber Dank der bes- 
seren Gesinnung der andeni Partei und der Treue der 
Soldaten Sr, Maj und seiner Behörde, ist auch dieS 
Complott gescheitert. 
„Die letzte Veränderung im Ministerium, deren Sie 
Erwähnung thun, war eine freiwillige Handlung Sr. 
Majestät, und Sie machen mir ein zu großes Compli 
ment, wenn Sie voraussetzen, daß ich bei solch einer 
Maßregel bclheiligt war. Aber „ach Allem, waS ich 
von Sr, Maj, gesehen und gehört habe, sollte ich den- 
ken, daß er sehr gute Gründe hatte, um den Schritt 
zu thun, den er gethan hat. 
„Während meines Aufenthaltes Hieselbst, kann ich 
mit Bestiinnitheii versichern, mich in keiner Weise in 
irgend welche Angelegenheiten, die mich nicht selbst an» 
gingen, gemischt zu haben, und da ich die Absicht habe, 
es auch während meines künftigen Verweiiens hier so 
zu halten, so ist es besonders unangenehm für mich, so 
viele scandalöse und ungcgründete Angaben z» hören, 
»-eiche mit jedem Tage verbreitet werden, und ich ver« 
lraue, daß Sie, anS Gerechtigkeitsgefühl gegen mich und 
meine künftigen Lebensaussichten, nicht aiistchen werden, 
diese» Brief in ihr weit verbreitetes Journal aufzu 
nehmen und meine» Freunden und dem Publikum zu 
zeige», wie grausam und ungerecht ich von der Jesuiten. 
Partei in München behandelt bin. 
„Da ich weiß, daß JhrejSpalten immer zum Schutz 
eines jeden ungerecht Angeklagte» geöffnet sind, um so 
mehr, wenn dieser Angeklagte ein »»beschütztes (unpro 
tected): Frauenzimmer ist, so verlasse ich mich in Be 
treff der Aufnahme dieses Briefes auf Sie und habe 
die Ehre mich zli unterzeichnen als 
Ihre ergebene Dienerin 
München, 11. März. Lola M onkez." 
L l'i ff f II b li p c r- 
Die Frau als Unterpfand. I» Bengale» ist cS 
Sitte, daß ein Mann, wenn er eine Schuld nicht be 
zahlen kann, den, Gläubiger als Pfand seine Frau gibt. 
— Gewissenhaft wird das Pfand wieder eingelöst, so- 
bald es nur irgend möglich ist; indeß giebt es auch 
Fälle, wo solches erst nach Jahren ist. Wäre diese 
Verpfändung in kultivirten Staaten Gebrauch, so würde 
der Gläubiger eine sehr mißliche Sicherheit haben, und 
Mancher seine Ehehälsw lediglich deshalb verpfänden, 
um sie nie wieder einzulösen, „nd ihrer aus gute Art 
los zu werden. 
Gin Brief von Lola Wtontez. 
Die „Times" hatte vor einiger Zeit einen leitenden 
Artikel über die bekannten Vorgänge in München ge- 
Hiczu eine Beilage. 
13=* Nebst einer literarischen Beilage aus der Bucl band- 
lung vvn F. A. Ob er reich.
	        
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