den Priestern entgegen, in Gunst stand, und stiftete
Schulen nach diesem Plane auf seinen Besitzthüinern.
Ein großmüthiger Besitzer von Künstlern und Gelehrten,
war er auch stets bereif, für politische Flüchtlinge,
Polen, Griechen und Italiener, zu subscribiren, Kurz,
der Herzog von Orleans that, ohne zu conspiriren. eben
so viel, das königliche Geschick seiner Familie zu fördern,
als der ältere Zweig, durch ein völlig entgegengesetztes
Benehmen dahin wirkte, das seinige zu gefährden.
Das Leben Ludwig Philipps als König ist jedoch
ein Leben endloser Mühen und Sorgen: er hat weniger
Muße und schwerere Arbeit als der geringste seiner
Unterthanen. Er begiebl sich spät zur Ruhe und steht
früh wieder aus, so daß er selten länger als vier
Stunden schläft; nach einer sorgfältigen aber raschen
Toilette gehl er dann gleich an die Arbeit. Er früh
stück! selten mit seiner Familie, weil ihm das zu viel
Zeit wegnehmen würde, sondern läßt sich seinen frugalen
Imbiß nach dem Gemache bringen, wo er sich eben
aufhält. Als er noch Herzog von Orleans war, las
er alle Briefe und Bittschriften, die an ihn gerichtet
waren, selber, und schrieb auf jeden Brief und auf jede
Petition eine Meinung oder einen Befehl zur Richtschnur
für seine Secretairs, Von dieser Gewohnheit mußte
'ex aber abstehen, als er König geworden war. Zu
Anfang seiner Regierung belief sich die Zahl von Briefen
und Gesuchen verschiedener Art, die bei den Mitgliedern
der königlichen Familie einliefen, auf nicht weniger als
tausend bis zwölf hundert täglich. Obgleich im Durch
schnitt keine fünfzig davon das geringste Interesse hatten
oder einer Antwort werth waren, hatten doch mehrere
Serreiairs vollauf zu thun, ein solches Chaos von
Correspondeuz nur zu lesen und zu classificiren. Allmählig
legte sich die Fluth der Petitionen ein wenig, doch beläuft
sich ihre Anzahl noch immer auf sechs bis acht hundert
des Tages, Von den Briefen werden dem Könige nur
die wichtigeren vorgelegt, und manche derselben beant
wortet er persönlich. Er untersucht die Rapporte,
Projekte und Ernennungen, die ihm von seine» Mini-
stern gebracht werden, und präsidirt mindestens zwei-
oder dreimal wöchentlich im Conseil. Ein großer Theil
seiner Zeit wird durch Privataudienzen in Beschlag ge
nommen, indem er häufig Besprechungen mit Archi-
lecken, und mit den Intendanten seiner Civilliste und
seiner Privatdomaiiien hat. Die Gallerien von Versailles
und die Verbesserungen zu Fontainebleau, alle nach
seinen Angaben und größtentheils unter seiner persön
lichen Aufsicht ausgeführt; Hofbälle und Diners, diplo
matische Audienzen, Correspondenzen mir fremden Höfen,
Reisen verschiedener Art, Besuche im Schlosse Eu und
in Militairlagern — alles dieses gehört mit zu den
unzähligen Ansprüchen, die an die Zeit des Königs der
Franzosen gemacht iverden. Ein hellsehender, rühriger
und ernster Mann, mit Ordnungsgeist ausgestattet, wie
dieses mit Ludwig Philipp in einem hohen Grade der
Fall ist, kann er jedoch an einem Tage von zwanzig
Stunden viel beschicken; auch bleibt dem Könige, nach
dem er alles Aufgezählte und noch manches andere von
minderer Wichtigkeit gethan hat, noch einige Zeit für
seine Familie, für eine seiner Gesundheit nothwendige
Bewegung und für das Lesen der bedeutenderen Zeitungen
und anderer Schriften, so in französischer als in eng
lischer Sprache, übrig. Jeden Morgen, vor oder nach
dem Frühstück, werden Zeitungen, Broschüren und selbst
Carricaturen auf den Tisch gelegt, und der König und
die Prinzen sind die erste», welche die gegen sie gerich
teten Artikel laut vorlesen und die Carricaturen den
Umstehenden mit den Worten zeigen: „Wie finden Sie
das?"
Der König hält sehr auf seine Kleidung, und ich
sah ihn einmal höchst verdrießlich werden, als er sich
sein Kleid an einer Thür zerrissen hatte. Die Papiere
in seinem Privatarbeitsjimmer und die Bücher in seiner
Bibliothek sind stets sehr ordentlich arrangirt, und er
sieht es ungern, wenn sie während seiner Abwesenheit
anders gelegt werden. Bei der Unterhaltung amüsirt
sich der König damit, Briefcvuverle zu machen, und
benutzt die für die größer» Depeschen oft zweifach, in
dem er sie umkehrt. Er läßt nichts umkommen, wenn
es noch de» geringsten Nutzen schaffen kann. Vom
Spiel und von der Jagd und dgl. ist er kein Freund,
Abends, in seinem häuslichen Kreise, macht er wohl
zuweilen eine Parthie Billard, aber selten eine lange
Zeit hinter einander, indem er fast keiner Stunde Herr
ist ohne durch das Eintressen wichtiger Depeschen, de»
Besuch seiner Minister oder der fremden Gesandte»
gestört zu werden.
In dem Schlafgemach von Ihren Majestäten brennt
die ganze Nacht hindurch Licht, und nebe» dem Bette
des Königs, der auf einer einfachen Pfcrdehaarmatratze
schläft, steht ein Tisch mit zwei geladenen Pistolen.
Die Königin verwendet für ihre sämmtlichen Aus-
gaben des Jahres nicht mehr als 500,000 Franken,
und davon gehen mindestens 400,000 Fr. für wohl
thätige Schenkungen jeglicher Art |afc. Zuweilen sagte
sie zu mir (Herr Appert war zehn Jahre lang ihr und '
der Schwester des Königs, Madame Adelaide, Almo
senier) „ja, geben Sie die 500 Fr,, wovon wir gesprochen
haben, nur, aber bringen Sie sie erst auf dieRechnuiig
des nächsten Monats, denn es ist Ebbe in meiner
Börse; sie ist leer," Es wäre übrigens nicht zu ver-
— 82 —
wundern gewesen, wenn sie durch all den Trug und
die Undankbarkeit, die sie erfahren mußte, ja selbst durch
den insolente» Ton einzelner Bittschriften in ihrem mild
thätigen Sinn erschüttert worden wäre. So erhielt sie
einst von einer alten bonaparristischen Dame folgende
Zuschrift: „Madame, wenn die Bourbons nicht, zum
Unglück der Nation, „ach Frankreich zurückgekehrt
wären, so würde meine geliebte Herrin und Beschützerin,
die Kaiserin Marie Louise, noch auf dem Throne sitzen,
und ich sähe mich nicht i» der beschämenden Nothwen-
digkeit. Ihnen zu sagen, daß ich ohne Brod bi», und
daß mir, weil ich meine jährliche Miethe nicht habe
bezahlen können, auch noch die elende Matratze genommen
werden wird, auf welcher ich schlafe. Ich darf Sie
nicht um Ihre Unterstützung ansprechen, denn mein
Herz hängt meiner wahrhaften Monarchin an und ich
kann Ihne» meine Dankbarkeit nicht versprechen. Sollten
Sie sich jedoch veranlaßt sehen, ein Leben zu erhalten,
das seit dem Mißgeschicke meines Vaterlandes so voller
Bitterkeit gewesen ist, so will ich ein Darlehen anneh-
men: eine Gabe würde mich erröthcn machen. Ich
bin Madame
Ihre Dienerin CH—r"
Dieser impertinenten Epistel der Bonapariistin hatte
die Königin, als sie dieselbe an mich zurückgehen ließ,
folgende Worte beigesetzi: „.„Sie muß wohl recht sehr
unglücklich fein, denn sie ist höchst ungerecht. Ein
hundert Franken sollen ihr sofort zugesandt werden, und
ich ersuche Herrn Appert, sich weiter nach den Umständen
dieser Dame zu erkundigen.""
Entrüstet über den empörenden Ton tiefer Zuschrift,
erlaubte ich mir Vorstellungen gegen die Resolution der
Königin zu machen, doch bestand I, M. darauf, und
gebot selbst, daß ihre Gabe, wenn die merkivürdige
Bittstellerin es fordern möchte, verdreifacht werden sollte.
Ich fuchte diese also auf, und als ich an eine wurm-
stige Thür, im fünften Stock eines Hauses in der Straße
St, Andre- des Arts angepocht hatte, wurde mir von
einer Dame in einem schwarzen Kleide (eS war ihr
einziges) geöffnet. ■
„£) Herr, sind Sie vielleicht ein Polizeicommissair,
abgesandt, um mich wegen eines unverschämten Schreibens
an die Königin zu verhaften?" sagte sie in höchster
Aufregung, „Aber Sie müssen mir verzeihen: ich bin
so unglücklich, daß ich zuweilen wirre werde. Es thut
mir leid, so, wie ich es gethan habe, an eine Fürstin
geschrieben zu haben, die alle Arme gut und barmherziq
nennen." "
— Beruhigen Sie sich, Madame, erwiederte ich,
und „holte ihre Bittschrift aus meiner Tasche, Da, lesen
Sie die Verfügung von Ihrer Majestät, darnach werden
sie besser beurtheilen können, als nach allem, was
ich Ihne» sagen könnte.
Als Madame C,— die rührenden Worte der Kö.
nigin gelesen hatte, brach sie in Thränen auê, drückte
das Papier an ihre Lippen, und rief laut: „Ha, mein
H"r, geben Sie mir nichts, aber lassen Sie mir diese
heilige Reliquie: ich will sie auf mein Herz legen und
dann gern Hungers sterben!"
Da Madame C,— sich der Großmuth der Königin
in allen Stücken werth bewies, so ließ ich ihr die 300
Mauken, doch hakte ich die größte Mühe, sie zu der
Herausgabe ihrer Petition zu bewegen, die ich noch jetzt
mit Achtung und Verehrung bewahre. DieS ist übrigens
nur ein Zug aus zehn tausenden der Königin der
Franzosen.
Deutschlands Schöne.
Ich liebe deine Höhen,
Mein aute« Vaterland;
Die stanen Eichenwälder,
Und deine» Wogen,krand.
In deinen schönen Tbälein
Blüht mir da? schvnsteLddk;
Drum Deut,chiand, flieh ,ch
»immer
Aus deinem MuuerschddS.
Wie strahlt dieGottessonne
So mild auf dich herab;
Die Gaden nicvt veriengend.
Die Berg und Thai dir gab;
Jedoch der Kälte wehrend,
Zn kîr das Leben starrt!
'Wie dvw rvr vielen Ländern
Dir mancher Vorzug waid!
Aue deine» Bergen dringet
Kein wilder Lavaürom;
Da weiden ihre Heerden
Die Hjrien, gut und irvmni;
Da schwingt si» in die Li,sie
Dee Winzers Indeliied,
Wender im Geist' dte Fässer
Voll Saft der Trauben siebt.
Du nährest deine Kinder
Mit Korn und cd'lein Last.'
sie gar daid erdulden
In kühner Manneekraft.
Und, was mich daß erfreuet:
Frei wird dein Bürger lein
Durch alle, alle Zeiten,
D'tum will iw dir mich
weih'«!
Und schielen tausend Blicke
Hin nach Ameiika:
Sic finden schwer das ittöne,
Wie in dir, jemals da.
Von Wanderwuth ergriffen
Flieht man daS Vaterland,
Und sinder doch da drüben
Ost nichts als — Siein und,Sand.
J. H. Ketelseii
——««sGVGrs»——
bracht, ehe man den eigentlichen Sinn der Abelsschen
Katastrophe allgemeiner kannte, und bei dieser Gelegen
heit^ die spanische Tänzerin ziemlich derb aus ihren
anstößigen Lebenswandel hingewiesen. Jetzt hat Lola
Monte; in einem Schreiben „an den Herausgeber der
ThinieS" selbst ihre Vertheidigung übernommen. DaS
Schreiben (The Times vom 18. März) lautet fol
gendermaßen.
„An den Herausgeber der Times."
„Mein Herr, da mir ein Exemplar Ihres BlalkeS
- von, 2. d, zugeschickt worden ist, so werben Sie hoffent
lich aus Gerechtigkeitsgefühl gegen mich, die folgende
kurze, Darstellung von dem wirkliche» Zustande der
Dinge hieseibst aufnehmen, welche zugleich die zahlreichen
Artikel, die kürzlich in den französischen Blättern er
schiene» sind, widerlegen mag. Ich verließ Paris im
vorige» Juni auf einer Kunstreise (a professional trip),
und beschloß u. a. auch München zu besuche», wo ich
zum ersten Male die Ehre halte vor Sr Maj. zu er
scheinen und von ihni Zeichen des Beifalls zu erhalten,
welche — wie Sie wissen — für eine Künstlerin an
einem fremde» Hofe nichts sehr Ungewöhnliches sind.
Ich war »och keine Woche hier, als ich entdeckte, daß
in der Stadt ein Cvmplott bestehe, um mich hinaus
zuschaffen, und daß die Partei, die Jesuilenparlei sei.
Sie wissen natürlich, daß Baiern seit lange ihr Boll.
werk und München ihr Hauptquartier gewesen ist. Na
türlich genug, da ich von Jugend auf angewiesen und
dazu erzogen worden bin, diese Partei zu verabscheue»,
lick glaube, Sie werken sagen: mit Recht) reizte mich
das nicht wenig. Da sie wenig Hoffnung jähen, daß
ich sic verlassen würde, zogen sie andere Seiten auf und
versuchten, was Bestechung über mich vermöchte, und
boten mir wirklich 50,000 Gulden jährlich, wenn ich
verspreche» wollte, Baiern ans immer zu verlassen. Dies,
wie Sie denken könne», öffnete mir die Augen, und da
ich ihr Anerbieten entrüstet zurückwies, so haben sie
seitdcni jeden Stein umgewendei, um mich loS zu wer
den, und haben nie auch nur einen Augenblick aufge
hört mich zu verfolgen AIS ein Beispiel kann ich an
führen, daß in der letzten Woche ein jesuitischer Pro
fessor der Philosophie an der hiesigen Universität, NamenS
Lassault, feines Amtes entsetzt wurde, worauf die Par.
lei einen Pöbelhanfe» bezahlte und miethete, um mich
zu insultiren, in meinem Hause die Fenster einzuwerfen
und auch das Schloß anzugreifen; aber Dank der bes-
seren Gesinnung der andeni Partei und der Treue der
Soldaten Sr, Maj und seiner Behörde, ist auch dieS
Complott gescheitert.
„Die letzte Veränderung im Ministerium, deren Sie
Erwähnung thun, war eine freiwillige Handlung Sr.
Majestät, und Sie machen mir ein zu großes Compli
ment, wenn Sie voraussetzen, daß ich bei solch einer
Maßregel bclheiligt war. Aber „ach Allem, waS ich
von Sr, Maj, gesehen und gehört habe, sollte ich den-
ken, daß er sehr gute Gründe hatte, um den Schritt
zu thun, den er gethan hat.
„Während meines Aufenthaltes Hieselbst, kann ich
mit Bestiinnitheii versichern, mich in keiner Weise in
irgend welche Angelegenheiten, die mich nicht selbst an»
gingen, gemischt zu haben, und da ich die Absicht habe,
es auch während meines künftigen Verweiiens hier so
zu halten, so ist es besonders unangenehm für mich, so
viele scandalöse und ungcgründete Angaben z» hören,
»-eiche mit jedem Tage verbreitet werden, und ich ver«
lraue, daß Sie, anS Gerechtigkeitsgefühl gegen mich und
meine künftigen Lebensaussichten, nicht aiistchen werden,
diese» Brief in ihr weit verbreitetes Journal aufzu
nehmen und meine» Freunden und dem Publikum zu
zeige», wie grausam und ungerecht ich von der Jesuiten.
Partei in München behandelt bin.
„Da ich weiß, daß JhrejSpalten immer zum Schutz
eines jeden ungerecht Angeklagte» geöffnet sind, um so
mehr, wenn dieser Angeklagte ein »»beschütztes (unpro
tected): Frauenzimmer ist, so verlasse ich mich in Be
treff der Aufnahme dieses Briefes auf Sie und habe
die Ehre mich zli unterzeichnen als
Ihre ergebene Dienerin
München, 11. März. Lola M onkez."
L l'i ff f II b li p c r-
Die Frau als Unterpfand. I» Bengale» ist cS
Sitte, daß ein Mann, wenn er eine Schuld nicht be
zahlen kann, den, Gläubiger als Pfand seine Frau gibt.
— Gewissenhaft wird das Pfand wieder eingelöst, so-
bald es nur irgend möglich ist; indeß giebt es auch
Fälle, wo solches erst nach Jahren ist. Wäre diese
Verpfändung in kultivirten Staaten Gebrauch, so würde
der Gläubiger eine sehr mißliche Sicherheit haben, und
Mancher seine Ehehälsw lediglich deshalb verpfänden,
um sie nie wieder einzulösen, „nd ihrer aus gute Art
los zu werden.
Gin Brief von Lola Wtontez.
Die „Times" hatte vor einiger Zeit einen leitenden
Artikel über die bekannten Vorgänge in München ge-
Hiczu eine Beilage.
13=* Nebst einer literarischen Beilage aus der Bucl band-
lung vvn F. A. Ob er reich.