Full text: Newspaper volume (1847)

dir Vornahme gerichtê- und staatsärzilicber Geschäfte be 
treffend, sowie schließlich die Vorberaihung über die Repar 
tition der Anlagekosten der Kunstsiraßeii. 
In der sieben und zwanzigsten Sitzung fungirke 
in Abwesenheil des Präsidenten der Vicepräsident, Kloster, 
viopst Gras von Revenciow. Das Protocoll der 24sten 
Sitzung wurde verlesen, rectificirr und genehmigt. 
In der acht und zwanzigsten Sitzung wurde vom 
Präsidenten als eingegangen angezeigt: sieben Exemplare 
einer Petition der Bürger und Einwohner Rendsburgs 
an die Holsteinische Ständeversammlung, das dänische.Reicks- 
bankgeld betreffend, von dem Verfasser, Advocate» Lvhse, 
der Schleswigicken Ständeversammlung mitgetheilt. Es 
erfolgte hierauf eine Discussion, betreffend die Delegirung 
der ricieri-vaflliLen Mitglieder. Der Tagesordnung gemäß 
wurde darauf zur Vorberaihung über den Commirreeberichr 
zu dem Entwurf einer Verordnung, betreffend die Aufhe 
bung des Einfuhrzolls für Kornwaaren und Rapsaat, sowie 
die Ermäßigung dieser Abgabe für Grütze und Mehl, ge 
schritten. 
—S-— 
Korrespondenz. 
Schleswig, den 18ten Januar. Da der Herr Etats- 
und Regierungsrath P. Lüdcrs. bisheriger Abgeordneter 
unserer ©taBc in dem zweiten Sexennium zum Abgeordneten 
der Stadt Husum neuerdings gewählt worden ist, so wird 
unsere Stadt sick nacd einem Manne umsehen müssen, der 
leine Stelle würdig zu vertreten im Stande ist. Unsere 
Stabt bietet eine Reihe intelligenter Planner, die zugleich 
wahlsähia sind, dar. Indeß haben auch andere Städte 
unseres Landes vorzugsweise auf sie bisher ihre Aufmerk 
samkeit gerichtet gehabt. Abgesehen davon, baß diese Män 
ner der großen Majorität angeboren, daß ihr politischer 
Charakter bekannt und bewährt ist, daß sie durch neue oder 
jüngere Männer schwerlich überstrahlt werden dürsten, so 
daß ihre Wiedererwähluiig in ihren früheren städtischen 
Wahldistricien kaum zu bezweifeln ist, so fragt cs sich allcr- 
dinaS, auf wen denn hier die Wahl vorzugsweise zu leiten 
sein wird? Die Sradr Schleswig bar mit Cappeln und 
Arnis bisher das Princip festgehalten, daß einer ihrer Ab 
geordneten dem Bürger-, einer dem gelehrten Stande an. 
gehören solle. Für das erste Sexennium wurde der Depu- 
lirie Bürger und Kaufmann Fr. Beiwald und der Ober- 
gerichlsratb Graf v. Mvltke, gewählt; für das zweite jener 
wiederum und der Regierungsrath P. Luders. Die Stell 
vertreter berücksichtigte man weniger. Nun war es wob! 
entschieden, daß, sobald Herr Ober- und LandaericblSabvvcat 
Beseier anderswo wieder erwählt worden sei, io auch der 
Eratsratb Esmarch und Dr. Gülich, man diesem Systeme 
treu bleiben werde, so daß dann der Regierungsrath Lüdere 
als- Abgeordneter der wiffenschaftlich gebildeten Intelligenz 
erwählt werden würde, indem als Repräsentant der bürger 
lich gebildeten Intelligenz als Wahlcandidaten die Herren, 
Fabricank Firjahn, Buchhändler Brühn, Lombardverwaltcr 
Gude, »eben dem Herrn Kausmann Berwald und andern 
Männer» genannt wurden. Als Stellvertreter des Abge 
ordneten aus dem gelehrten Stande wurden in Vorschlag 
gebracht, Herr Ober- und Landgerjchlsadvvcat P. Hlanscn» 
Herr Advocat Matthiesen, Graf v. Moltke, Se. Durch!, der 
Prinz Friedrich von Noer, indem man annahm, daß der 
Regierungsrath Engel dem Vernehmen nach in Tönning 
und Garbing gewählt werden würde. Dur» die Wahl des 
iliegierungsraths P. Luders sind diese Verbällniffe offenbar 
ganz verrückt worden, sowie auch dadurch das alte Mitglied 
des Bürgerstandes und der Majorität, Herr Kausmann 
Berwald sowohl in dem Wahlcollegium als in dem Museum 
erklärt haben soll, baß er auf keinen Fall die Wahl anneh 
men wolle. Zunächst steht nun zu bedauern, daß der Fabri 
kant Firjabn, ein junger, unternehmender und gesinnungs- 
tüchtiger, der freien Ansicht in gewerblicher, staatlicher und 
kirchlicher Hinsicht zugewandter Mann ebenfalls entichicdeir 
erklärt hat'.' eine Wahl ablehnen zu muffen. Wir glauben, 
haß zu große Bescheidenheit, den Platz nicht würdig 
genug auszusüllen, ein Hauptmotiv ist. Wir möchten 
ihn aber nochmals darauf auimerksam machen, daß es des 
starken BürgerarmS und der Mannesgcsinnung für die fol 
genden Tage bedarf, die über unser Vaterland kommen 
werden, indem ein hinreichend großer Kreis von Männern 
in dem Ständesaal wieder erscheinen werde, die der Rechte 
des Landes kundig genug sind, daß cs bei der ho»nst»iigen 
Frage über die Gewerbeordnung, die mit kreisenden Schmer 
zen wie jetzt in Hannover, so auch in unserm Lande hier, 
hervortreten wird, allerdings von Wichtigkeit sein würde, 
daß wenigstens ein Fabrikant in dem Ştândesaal Platz 
nehmen mochte. Freilich kann einer aus einem Stande in 
einer Fachwiffenschast großen Einfluß ausüben, allein diese 
Same liegt bereits in bedeutenden Vorarbeiten in Holstein 
und Schleswig vor und Jeder, der die Ehre hat, alS Ver 
treter des Landes zu erscheinen, wird seinen Blick auch 
über dix Gränzen Schleswig-Holsteins werfen und die 
mächtige Umgestaltung des Gewerbewesens in Verbindung 
mit der industriellen und commerciellen Entwicklung an sich 
vorübergehe» lassen. Wäre Herr Firjahn für die Annahme 
der Wahl zu gewsnnen, so würde» wir ihm unbedingt die 
Stimme ertheilen. Dadurch, daß Herr Regierungsrath 
Lüders in Husum zum Abgeordneten, Herr Senator Redder 
dorr zum Stellvertreter ernannt worden ist, wird die Sckles- 
wigsche Kammer der schàtzenSweribe» merkantilischen Kennt 
nisse des Herni Rehder beraubt. Die Schleswigsche 
Ständeversammlung wird sich j„ dieser Rücksicht absolut 
in den Händen deö Herrn Agenten Jensen und des Herrn, 
Jvchimsen finden, da der Kanzeleirath Schmidt schwerlich 
erscheinen wird, waS dem Principe nach ziemlich gleich sein 
würde. Das wäre ein großer Nachtheil. Dadurch daß 
Luders und nicht Redder für Husum gewählt worden ist, 
können die Husumer Pamculariragen viel objectiver von 
ihrem Abgeordneten ventilirt w.rden. Herr Rehder als 
Senator und Kausmann in Husum sowohl, als wegen seiner 
sonstigen dortigen Verhältnisse, hatte vielleicht diese und 
jene Rücksichten nehmen müssen, was Regierungsrath P. 
Lüders nicht zu thun nöthig hak, obwohl er «ls früherer 
Bürgermeister dieser Stadt, Husum durch und durch kennt. 
Herr Senator Rheder gehdrr der Majorität an, er gehörte 
zu der Zahl der Wenigen, die sich für Dr. Gülich'e Pro- 
position erklärten, die, wenn die Form auch verkehrt, den 
innersten Kern der Landesgegenwart erfaßte. Eben deshalb 
mutz man die Wähler der Stadt Schleswig auf den Herrn 
Senator Rehder aufmerksam machen, damit dessen merkanZ 
tilische Kenntnisse nicht verloren gehen, damit den Flens 
burg-Dänische» Handeisintereffen, die doch zugleich sub,ec- 
tive, particulare Interessen ihrer Vertheidiger sind, eine 
allgemeine, commercielle Betrachtung ebenbürtig zur Seite 
und, wo es nöthig ist, entschieden entgegentritt. Aus diesen 
Ursachen wurde die Stadt Schleswig richtig handeln, wenn 
sie Herr» Senator Rheder erwählte. Ob, wenn die desig 
— 21 - 
nuten intelligenten Männer Beselcr in Tondern, Clausen 
in Hadersleben, Dr. Gülich in Apenrade, Esmarch in Son- 
dcrburg, Bremer i» Eckernförde, Lüders in Husum, Engel 
in Tönning-Garding, Fries in Friedrichstadt, sowie Rdnnen- 
kamp, Dr. Möller und Gerichtshaltcr Hansen in den länd 
lichen Wahldistricte» wieder erwählt werden, Schleswig 
dann auch noch einen aus diesem Kreise in die Kammer 
sendet, ist ziemlich gleichgültig, wenn es nicht noch ein emi 
nentes Talent besitzt. Hier kommen denn die Genannten, 
denen sich jetzt auch noch der ObergerichtSratb de Fontena», 
der Kammerheir von Ahleielbt anschließen dürften, in Be 
tracht. Allgemeine politische Bildung besitzt der frühere 
Abgeordnete, der Graf von Moltke vor Allen unstreitig am 
meisten, den entschiedensten Willen Se. Durcbl. der Prinz 
Friedrich. 
Die 
Discussion über die Judeiremancipa 
tion im Altonaer Bürgerverein. 
(Beschluß.) 
Ich verkenne Ihre gewiffcrmaatzcir schwierige Stellung 
nicht, es ist die Stellung deS Adels gegen den Bürger ge- 
wiffermaaßen die Stellung des Despoten gegen das Volk. 
Es ist nicht so leicht. Vorrechte aufzugeben. Aber wer liberal 
sein will, muß auch consequent liberal sei»; er muß nicht 
allein liberal sein im Erlange», er muß auch liberal sein 
im Gewähren. Wenn Sie noch nicht die Hobe der poli 
tischen Anschauung erlangt haben, zu der andere Völker 
erst nach blutigen inner» Fehden gelangt sind, man kann 
sich darob kaum wundern; wenn Sie die Freiheit noch nickt 
mir alle» ihren nothwendigen Consequenzen begreifen kön 
nen, man kann es Ihnen kaum verargen; aber Sie müssen 
nur nickt mit Hand und Faust sich dieser Consequenzen 
erwehren. Wenn Ihr durch die Nackt der Vorurtbeile 
getrübtes Auge das volle helle Lickt der Freiheit nock nickt 
ertragen kann, man kann Ihnen kaum einen Vorwurf daraus 
macken, aber Sie müssen nur nickt mit Gewalt Ihr Auge 
dem mächtig eindringenden Lickte verschließen. 
Der Druck schändet aber auch nickt den Unterdrückten, 
wenn er ihn nur nickt rubig erträgt, wenn er nur mutbig 
dagegen ankämpft, und das thu» wir redlick, der Druck 
schändet den Unterdrücker. Ick schäme mick nicht des Drucks, 
den ick erleide, ick schäme mich nickt dessen, da« ick nickt 
gleiche bürgerliche Berechtigung mit Ihnen theile, aber ich 
schäme mich meiner christlichen Mitbürger und Landsleute 
wegen, unter denen ick meine meisten und belren und liebsten 
Freunde zähle. Wälzen Sie endlich von sich ab den Alp 
jahrhundertealter Vorurtbeile, reinigen Sie sick von der 
Schande des Jahrhunderte lang begangenen Unrechts, von 
der Sckmack des Jahrhunderte lang geübten Drucks. 
Es ist ein hohes Gefühl in Deutschland wach geworden,' 
an allen Ecken und Enden, in allen Gauen des Vaterlan 
des, cS ist das Vorgefühl, daß Deutschland den Rang unter 
den Völkern einnehmen werde, der ihm seiner Größe, sei 
ner Bildung und seiner Intelligenz nach gebührt, und diese 
Ahnung wird eine Wahrheit werden. Wenn erst nicht ein 
Stückchen Freiheit mehr für Den und ein Stückchen Frei 
heit weniger für Jenen, wenn erst die ganze Freiheit für 
Alle errungen lein wird, wenn Deutsckland erst alle seine 
Söhne unter Ern Banner vereinigt haben wirb, gleichviel 
auf welcher Sckolle sie geboren sind, gleichviel, welcher Race 
sie angehören und zu welcher Religion sie fick bekennen, 
wenn sie alle unter Einer Fahne vereinigt für des Vater 
landes Wohl schaffen und wirken nach innen, und zur Ver- 
lheidigung des Vaterlandes eine starke Phalanx dastehen 
nach außen, dann wird Deutschlands Einigkeit und Einheit 
eine Wahrheit werden, dann wird Deutschlands Kraft auf 
ewig befestigt sein, dann wird Deutschland das Gewickt 
in die politische Waagschale legen, das ihm von Gott und 
Rechts wegen zukommt, dann wird die deutsche Nation 
sich mit Recht und in Wahrheit eine große nennen können. 
Um nun zu diesem endlichen Ziele ein, wenn auch nur 
kleines, Eckerflein beizutragen, bitte ick Sic, den Antrag 
des Herrn Dr. Sckubarlh zu unterstützen und ihm beizu. 
treten." 
Darauf nahm Hr. Advocat Carstens das Wort und 
zeigte der Versammlung an, dag er so eben von dem, z. 
Z. in Hamburg anwesenden ObergericktSadvocaic» Herr» 
Beseier, dem Präsidenten der Sckleswigschen Ständever- 
sammlung, komme, der ihn beauftragt habe, sein Bedauern 
auSzusprecken, daß er die Einladung des Bürgervereins 
ablehnen müsse, und dabei seine besten Wünsche für baS 
Fort- und Voranickreiten Altvna'S, als der größte» Stabt 
im Lande, auszudrücken. Herr Carstens selbst fügte, nach 
dem er sich dieses Auftrages entledigt, noch hinzu: wenn 
Altona nur fortführe, mit der Bewegung gleichen Schritt 
zu halten, so hoffe er, baß es demselben auch gelingen 
werde, nach und nach sich an die Spitze stellen zu können, 
um so mehr freue eS ihn, eine Discussion vorzufinden, die 
einen unzweideutigen Beweis für den Fortschritt der poli 
tischen Bildung in Altona ablege. Was nun die Aeuße 
rungen seines Freundes Magnusson beträfe, so hätte ihn 
dieser entweder wirklich mißverstanden oder mißverstehen 
wollen. Cr habe nur die Gründe angeben wollen, die Lock 
zu seiner Ansicht bestimmten, er selbst aber sei durchaus lür 
bürgerliche Gleichstellung der Juden. Er fordere daher den 
Proponenten auf, die Form näher anzugeben, wie er seinen 
Antrag steilen wolle. , .., 
Herr Apotheker Geske erklärte sick nun gleichfalls fur 
die Emancipation, er habe nur kurz vorher in einem Blatte 
gelesen gehabt, daß man in Mecklenburg beabsichtige, eine 
ausschließliche jüdische Schule zu errichten, und er habe 
nur dieses nach seiner Ansicht unpassende Vorhaben rügen 
wollen; er sei übrigens kein Mecklenburger, wie Dr. Mag- 
nuffvn geglaubt habe. — Darauf bemerkte Hr. Dr. Alexan 
der, daß in Mecklenburg bedeutende Fortschritte gemacht 
seien, es sei dorr ein Jude Kircken-Jurat, und ließ sick in 
eine genauere und weitläufige Discussion über mecklenbur 
gische jüdische Schulen ein, welche Herr Dr. Magnusson 
etwa durch folgende Worte abschnitt: „Hr. Dr. Alexander 
möge mir verzeihen, daß i» ihn unterbreche, eben diese 
Discussion scheint mir völlig irrelevant; ich muß wieder 
holen, die Zustände unter den Juden mögen sein, welche 
sie wollen, sie müßten dennoch emancipiri werden. „Ick 
würde mit derselben Wärme, mit demselben Eiker für Ka 
tholiken sprechen, wenn sie noch nickt bürgerlich gleichgestellt 
wären, ick würde eben so für Heiden sprechen, wenn wir 
welche unter uns hätten. Ich nehme die Freiheit für Alle 
ohne Ausnahme in Ansptuck." — Nun sprach Herr Ad 
vocat Warburg etwa folgende Worte: „Meine Herren! 
In den bisherigen Vortragen finde ick hauptsächlich eine 
Aufforderung an die Freunde der Emancipation und eine 
Motivirung des gestellten Antrags. Ich möchte mir nun 
erlauben, eine Bitte an die Gegner der Proposition zu 
richten: — denn dass auch deren Anzahl keine geringe ist, 
davon bin ich fest überzeugt. Es weichen die Vorurrheile 
nur zu langsam aus den Gemüthern und nur schwer trennt 
der Mensch st» von alten Gewohnheiten. — Die Gegner 
können ihre» Widerstand aber auf zweierlei Weise äußern: 
sie können zunächst eine» passiven Widerstand leisten, indem 
sie sich unthätig verhalten und die Petition nicht unter 
schreiben; ich jedoch möchte ausdrücklich um den activen 
Widerstand bitten und sie aufsordern, ehrlich und offen die 
Gründe zu bezeichne», von denen sie sick bestimmen lassen, 
damit uns Geiegenbeic gegeben werde, diese Gründe naher 
zu beieuckten. 
Mau hat gewöhnlich zwei Gründe genannt, die die 
Emancipation bisher verhinderten: Vvrnrtheil und Eigen 
nutz. Meiner Meinung nach existirt nur ein Grund, das 
Voruriheii allein. Scheinbar wirkt freilich der Eigennutz 
mächtig genug, und bas ließe sick gar leicht nachweisen. 
Wollte man nämlich etwa den Kausmann fragen, ob cS 
ihm recht sei, wenn die Juden Ackerbau treiben dürfen? 
so würde er dagegen nichts zu erinnern finden, obgleich 
auch er ionst leicht bereit ist, den Juden Abneigung gegen 
alle anstrengende Arbeit vorzuwersen; eben sowenig möchte 
er eS mißbilligen, wenn die Juden gelehrte Carrieren einschla 
gen dürsen. Der Landmann ieinerseiis hülle nichts dawider, 
baß die Juden überall Handel treiben und Laben eröffnen 
dürsen. Im Gegentbeil, es wäre ihm ganz willkommen. 
Man traut den Juden merkantiiifcheö Talent zu — nicht 
unnatürlich, eben da die Gesetzgebung sie Jahrhunderte 
hindurch zwang, nur dem Handel obzuliegen; in Wirklichkeit 
übrigens sind sie den christlichen Kaufleuten in keiner Hin 
sicht mehr überlegen; — und glaubt durch die Cvncurrenz 
nur selbst zu gewinnen.- Aber der Kaufmann sürchret die 
Concurrenz des jüdlicken Kaufmanns und der Landmann 
will ihm die Betreibung des Ackerbaues nicht gestatten. 
Hat dock ein bedeutender Gutsbesitzer in der Sckieswigschen 
Ständcverfummlung sich darüber fetor entschieden geäußert. 
Allein ich glaube dock nickt an den Eigennutz, denn jeder 
Vernünftige weiß, daß der Kampf um die Existenz noth 
wendig ist und von der Vorsehung angeordnet, damit die 
geistigen Kräfte des Menschen fick ausbilden und entwickeln. 
Und ick mag so schlecht von den Menschen nickt denken, 
daß sie aus reinem Eigennutz jede Concurrenz verhindern 
möchten, sie müßten ja sonst gegen die Christen eben io 
verfabrcii. — Ist daher ihr Bestreben nur gegen die Juden 
als Juden acrichtet, so kann auch lediglich Vorurchei! sie 
leiten. — Es ist daher der Kampf hauptsächlich gegen das 
Vorurtheil zu richten und eigentlich eine Emancipation 
von diesem Vorurtheil zu erstreiten. Das ist denn auch 
von den Christen selbst und allen Freunden der Emancipation 
langst anerkannt, und namentlich in einer Petition aus den 
Rbeinlanben an die Preußischen Stände offen ausgesprochen: 
baß man nickt säumen möge, daS Chrisieiithum selbst von 
diesem Makel zu befreien und einen Zustand zu enden, der 
dem Geist deS Christenthums io sehr widerstreite. — Allein 
nickt i° leicht ist dieser. Sieg zu erringen. Ha: doch die 
freisinnigste der deutschenVolkskammern, die badisckeStände- 
Versammlung, viele Jahre gebraucht, ehe sie zu diesem Ziele 
gelangen konnte. — Die wahre Freistnnigkeic. wie diesen 
Abend hier schon geäußert worden, verlangt die bürgerliche 
Gleichstellung der Juden. Dabei möchte ich an die Worte 
eines großen Staaislehrers, toeß verstorbenen Zachariae in 
Heidelberg, erinnern: den wabren Probirstein, ob Jemand 
liberal sei oder nicht, gebe sein Benebmen gegen Tiefer- 
stehende und Mindcrberechtigtc an die Hand. Wer nur den 
Muth hat für sich Rechte zu erstreiten, nur den Besitz sei 
ner Güter zu vermehren, und die Rechte seiner Milbrüder 
nicht anerkennen will, ja diese unterdrückt, ist nicht liberal, 
ja er ist niebt einmal gerecht. So zeigt eS sich denn, daß 
wir für die Emancipation nicht der Freisinnigkeit bedürfen, 
reine Gerechtigkeit ist es, die wir verlange» und die die 
Emancipation gebietet. — Um aber zu dieser Ueberzeugung 
zu kommen, muß das Vorurrbeil besiegt werden, und das 
wird nickt überall das Werk eines Augenblicks sein. Man 
muß de» Kamps gegen die mir der Muttermilch eiiigesogene 
Abneigung beginnen, eine Gàbrung muß eintreten, ein gei 
stiger Proceß durchgeführt werden. Dann aber wird man 
zu der richtigen Einsicht gelangen, man wird die Gerech. 
rigkeit unserer Forderung anerkennen und sie erfüllen." — 
Darauf nahm wieder Hr. Advocat CarstenS das Wort 
und sprach ungeiähr folgendermaßen: „Herr Advocat War 
burg hat bewiesen, daß die Gegner der Emancipation an 
einem eigennützigen Vorurtheil oder an einem vorurtheils- 
vollen Eigennutz leiden, er har aber zugleich bewiesen, daß 
man fast befürchten muß, wirklich von den Juden überflü 
gelt zu werden, denn heute Abend sind die Juden im Reden 
wieder eniickieden im Vortheil. Ich muß aber nochmals 
de» verehtlicken Proponenten bitten, anzugeben, welche 
Fassung er seinem Antrag geben wolle. Will er nur eine 
rein philosophische Discussion, eine Principien-Frage auf- 
siellcn, oder will er praktischen Erfolg? Stellt er seinen 
Antrag auf völlige Gleichstellung, so läßt sich schwerlich ein 
Erfolg erwarten; in der Stände-Versammlung sind zu 
gewichtige Stimmen dagegen. Der Graf Revenrlow-Preetz 
ist zu allchristlich gesinnt, als daß er >e dafür stimmen 
würde; die Regierung selbst wird nickt einmal dafür sein, 
und eS wird einen harten Kampf geben. Um einen prak 
tischen Erlolg zu erlangen, müßte der Antrag auf solche 
Rechte gestellt werben, deren Gcwäbrnng man hoffen kann." 
— Dagegen erwiderte Herr Dr. Magnusson Folgendes: 
„Was der Herr Adv. C. von unserm Vortheil im Reden 
.sagt, kann ick nicht als ein Compliment annehmen. Wenn 
wir mehr reden als Sie, so ist das nothwendig, da wir 
unsere Sache vertheidigen, und so warme Vertheidiger 
unter Ihnen sich wohl schwerlich finden würden. Nichts 
ist aber leichter als die Wahrbeit und bas Recht zu ver 
theidigen, die Gedanken kommen von selbst, die Rede fließt 
von selbst, und daher ist der Vortheil, wenn wir wirklich 
im Vortheil sind. ein sehr naiüriicher. Gegen den Vör- 
schlag deS Hrn. C. aber muß ick mich durchaus verwahren. 
Herr C. verfällt wieder in den alten Fehler der Deutschen, 
die die Freiheit nur' stückweise erlangen wollen. Ich will 
die ganze Freiheit, ober lieber gar keine. Der Kampf ist 
übcrbaupt ein erwünichler, aus dem Kampfe der verschie 
denen Ansichten wird erst die Wabrheic ans Licht treten. 
Es muß der guten Sache gar nicht io leicht gemacht wer 
den, zu siegen; die Wabrheir wird sich aber endlich Bahn 
brechen, die Freiheit wird den Sieg Erringen, und ich will 
ciiiweder die ganze Freiheit mit Ihnen erringen, oder 
mit dem jetzige» Zustand mich „och begnügen. Ich für 
meinen Tbetl proicstirc daher gegen den Vorschlag." — 
Herr Dr. Schubart sagte, er habe daS Wort nehmen 
wollen, aber nach den Worten feines College» sei es über 
flüssig, da er dcffe» Anstckt vollkvnimen tbeile.- 
Jetzt sprach wieder Herr Advocat Warburg: „Die 
Fassung des Antrags anlangend, darf derselbe nur, wie der 
veiebriicbe Proponent beabsichtigt, auf völlige Gleichstellung 
laute». Es handelt fick um eine Principieii-Frage und da 
muß man seine Gefinnung offen auesprechen, sich nicht »sn
	        
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