Full text: Newspaper volume (1837)

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Unglücke war. Die truglose Redlichkeit des guten 
Hermanns im Laufe seines ganzen Lebens hatte ihm 
die Liebe seiner Mitbürger, seine Geschicklichkeit als 
Wundarzt ihm den Dank und die Achtung der um- 
liegendeu Gegend erworben; der einzige Fehler, 
den man ihm vielleicht vorwerfen konnte, war seine 
zu große, ober vielmehr zu leichtgläubige Gut- 
müthigkcit. Diese nur zu oft gemißbraucht«: Eigen 
schaft der besten Herzen hatte noch mehr znm Verfall 
seiner Glücksumstände beigetragen, alS die über 
standenen Drangsale des Krieges und die Krank 
heiten und Leiden seiner Familie; und Keiner von 
denen, die er durch Anleihen, dnrch Verpfändung 
seines Namens gerettet hatte, war jetzt im Stande, 
ihm beizustehen, als endlich das Unglück unabwend 
bar über ihn hereinbrach. Die Forderungen seiner 
Schulden drängten steh zu einer Summe von 8000 
Rthlr. auf eine Zeit zusammen. Gleich unfähig, 
diese Schuld zu bezahlen, als seine Gläubiger noch 
länger zur Geduld zu bewegen, mußte sich der un 
glückliche alte Mann noch vor den Angen seiner 
Mitbürger mit Schmach bedeckt sehen. Seine harten 
Gläubiger ließen ihn ins Gefängniß bringen. Er 
ergab sich geduldig. Indeß hatte jahrelanges Haus-' 
lichcö Leiden, verbunden mit den Anstrengungen 
eines mühevollen Berufes, schon lange an seiner 
Gesundheit genagt, seine Haare vor den Jahren 
gebleicht; dieser letzte Schlag erschütterte vollends 
seine wenigen Kräfte, und eine verzehrende Krank 
heit, die ihn nach den ersten Tagen seiner Ein 
kerkerung befiel, schien ihm mit der Hoffnung einer 
baldigen ewigen Freiheit zu schmeicheln. 
Seine trostlose Gattin, sie, die mit größerm 
Scharfblicke als ihrMann, schon längst den Abgrund 
vorhergesehen hatte, dem er vielleicht mit etwas 
mehr Klugheit hätte entgehen.können, riß sich bei 
der Nachricht von seiner Gefangennehmung von 
ihrem Krankenlager auf, an das sie schon wochen 
lang gefeffelt war. Die Angst des Schmerzes gab 
lhr Kräfte, sie bot alle Mittel auf, die schreckliche 
Lage ihres Gatten zu ändern, flehte den Beistand 
aller ihrer Freunde an, allein die Summe war zu 
groß, nur Liebe und Mitleid waren die einzigen 
Gaben, die ihre sclbstvcrarmten Mitbürger ihr 
bieten konnten. 
Ihre Tochter Altrclie, ein Mädchen von sechzehn 
Jahren, hatte bisher mit einer ihr Alter übersteigen 
den Geistesstärke, durch die Arbeit ihrer Hände ihre 
armen Eltern aufrecht zu erhalten gesucht; in ihrer 
Seele lag von Natur ein hoher Grad von Energie, 
allein ein eben so starker Antheil von Heftigkeit 
und von leidenschaftlichem Gefühle, und wie dies 
bei Charakteren dieser Art gewöhnlich ist, dieselbe 
Kraft, die sie bisher in Thätigkeit erhalteü hatte 
für den Vater, den sie unbeschreiblich liebte, wain ^ 
sich jetzt auf ihren Schmerz, als sie ihn dşş ^ 
unvermeidlich verloren sah. Aurelic war a»!'.. Um,.. 1 
vergeblichen, nur noch tiefer verwundenden /Lfc ^ 
mühungen; sie brachte ihre Zeit bald 
des geliebten Vaters zu, bald eilte sie wieder ‘VW eit . 
jammernde Mutter zu trösten, deren Gestuni 
von neuem zu unterliegen begann. C| e £ 
Eines Tages hatten sich 'die beiden LeidcUs, ^ 
wechselsweise in Jammer und Trostgründen " *iitg e , 
ihre Lage erschöpft, als eine gute Nachbar«'» 
ihnen eintrat und ihnen mit theilnehmender M (Pbe« 
keit die Nachricht brachte: Ein großer vorşş§ Viens 
Doctor, der, wie man sage, aus weiten % 
Ländern und gar über das Weltmeer gekow" Mvh, 
sei eben in der Stadt angelangt, habe nach w'D 
Manne gefragt und sei dann unverzüglich ins ^Nter, 
fängniß und dann aufs Rathhaus geeilt. ,.p ^hö 
glücklichste Beendigung ihrer Leiden, fugte dic Wstji 
müthige Erzählerin hinzu, stehe nun gar nicht we" ftcrr 
zu bezweifeln 
Mit gespannter Aufmerksamkeit, mit kan"' ^ 
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wagtem Odemzuge hatten Mutter und Tochter I % 
wunderbaren Erzählung zugehört. Aurclie J« ?>>l 
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''Nie < 
eben im Begriffe, zu ihrem Vater zu eilen, u«' .ß ' fit 
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„ ,, , zu euett, u>» s ii,• utt 
ihm am sichersten zu erfahren, ob sie einer <§ 
schmeichlerischen Hoffnung Raum geben dürft,Di 
man eine Sänfte auf das Haus zukommen ’ g 
und der franse Vater wenig Augenblicke dşş M i !?; 
in den Armen der entzückten Seinigen lag. dş 
Das glückliche Bewußtsein, daß er j, 
war, verdrängte eine Zeitlang die Begierde,% U) 
wissen, wie es geschehen sei. Aurelie eilte, j 
guten Vater zu Bette zu bringen, der lauge 'j Fcu n 
Rührung nicht sprechen konnte. Wunderbar U sw zu 
die Wege des Herrn! fing er endlich mit geE i Kle 
Händen an. — Kinder, wer hätte das gedŞ ju 
So ist es wahr mit dem fremden Doctor^ bjr. Ev 
die Nachbarin ein, die herzlich theilncbnieud Mit! 
Scene mit angesehen hatte. . ' yjdi 
Ja, aber wer diejcr Doctor ist?— rief der Mge 
könnt Ihr Euch denn nicht mehr ans unsern ķ AeE 
stantin bottling,, her Virtf IS {,, htC ar'.tfl.'t i. 
stantin besinnen, der vor 18 Jahren in die 
gmg? Er wollte sich ettvaö versnchcn, der f 
Junge! er hat Wort gehalten; er ist zur jt 
wesen, als ein angesehener Mann kommt er »' t p 
und — großer Gott! um mich vom Elende S 1 '.^ 
retten. Aurelic konnte sich unmöglich auf B ■' 
stantin besinnen, sic war wohl kaum der ^ J 
entwachsen, als der junge Mensch das Haus ' „ £ 
Vaters verlassen hatte; desto freudiger eriu"^ 
sich die Mutter seiner, denn sie hatte ihn "" 
geliebt.
	        
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