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Unglücke war. Die truglose Redlichkeit des guten
Hermanns im Laufe seines ganzen Lebens hatte ihm
die Liebe seiner Mitbürger, seine Geschicklichkeit als
Wundarzt ihm den Dank und die Achtung der um-
liegendeu Gegend erworben; der einzige Fehler,
den man ihm vielleicht vorwerfen konnte, war seine
zu große, ober vielmehr zu leichtgläubige Gut-
müthigkcit. Diese nur zu oft gemißbraucht«: Eigen
schaft der besten Herzen hatte noch mehr znm Verfall
seiner Glücksumstände beigetragen, alS die über
standenen Drangsale des Krieges und die Krank
heiten und Leiden seiner Familie; und Keiner von
denen, die er durch Anleihen, dnrch Verpfändung
seines Namens gerettet hatte, war jetzt im Stande,
ihm beizustehen, als endlich das Unglück unabwend
bar über ihn hereinbrach. Die Forderungen seiner
Schulden drängten steh zu einer Summe von 8000
Rthlr. auf eine Zeit zusammen. Gleich unfähig,
diese Schuld zu bezahlen, als seine Gläubiger noch
länger zur Geduld zu bewegen, mußte sich der un
glückliche alte Mann noch vor den Angen seiner
Mitbürger mit Schmach bedeckt sehen. Seine harten
Gläubiger ließen ihn ins Gefängniß bringen. Er
ergab sich geduldig. Indeß hatte jahrelanges Haus-'
lichcö Leiden, verbunden mit den Anstrengungen
eines mühevollen Berufes, schon lange an seiner
Gesundheit genagt, seine Haare vor den Jahren
gebleicht; dieser letzte Schlag erschütterte vollends
seine wenigen Kräfte, und eine verzehrende Krank
heit, die ihn nach den ersten Tagen seiner Ein
kerkerung befiel, schien ihm mit der Hoffnung einer
baldigen ewigen Freiheit zu schmeicheln.
Seine trostlose Gattin, sie, die mit größerm
Scharfblicke als ihrMann, schon längst den Abgrund
vorhergesehen hatte, dem er vielleicht mit etwas
mehr Klugheit hätte entgehen.können, riß sich bei
der Nachricht von seiner Gefangennehmung von
ihrem Krankenlager auf, an das sie schon wochen
lang gefeffelt war. Die Angst des Schmerzes gab
lhr Kräfte, sie bot alle Mittel auf, die schreckliche
Lage ihres Gatten zu ändern, flehte den Beistand
aller ihrer Freunde an, allein die Summe war zu
groß, nur Liebe und Mitleid waren die einzigen
Gaben, die ihre sclbstvcrarmten Mitbürger ihr
bieten konnten.
Ihre Tochter Altrclie, ein Mädchen von sechzehn
Jahren, hatte bisher mit einer ihr Alter übersteigen
den Geistesstärke, durch die Arbeit ihrer Hände ihre
armen Eltern aufrecht zu erhalten gesucht; in ihrer
Seele lag von Natur ein hoher Grad von Energie,
allein ein eben so starker Antheil von Heftigkeit
und von leidenschaftlichem Gefühle, und wie dies
bei Charakteren dieser Art gewöhnlich ist, dieselbe
Kraft, die sie bisher in Thätigkeit erhalteü hatte
für den Vater, den sie unbeschreiblich liebte, wain ^
sich jetzt auf ihren Schmerz, als sie ihn dşş ^
unvermeidlich verloren sah. Aurelic war a»!'.. Um,.. 1
vergeblichen, nur noch tiefer verwundenden /Lfc ^
mühungen; sie brachte ihre Zeit bald
des geliebten Vaters zu, bald eilte sie wieder ‘VW eit .
jammernde Mutter zu trösten, deren Gestuni
von neuem zu unterliegen begann. C| e £
Eines Tages hatten sich 'die beiden LeidcUs, ^
wechselsweise in Jammer und Trostgründen " *iitg e ,
ihre Lage erschöpft, als eine gute Nachbar«'»
ihnen eintrat und ihnen mit theilnehmender M (Pbe«
keit die Nachricht brachte: Ein großer vorşş§ Viens
Doctor, der, wie man sage, aus weiten %
Ländern und gar über das Weltmeer gekow" Mvh,
sei eben in der Stadt angelangt, habe nach w'D
Manne gefragt und sei dann unverzüglich ins ^Nter,
fängniß und dann aufs Rathhaus geeilt. ,.p ^hö
glücklichste Beendigung ihrer Leiden, fugte dic Wstji
müthige Erzählerin hinzu, stehe nun gar nicht we" ftcrr
zu bezweifeln
Mit gespannter Aufmerksamkeit, mit kan"' ^
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wagtem Odemzuge hatten Mutter und Tochter I %
wunderbaren Erzählung zugehört. Aurclie J« ?>>l
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eben im Begriffe, zu ihrem Vater zu eilen, u«' .ß ' fit
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ihm am sichersten zu erfahren, ob sie einer <§
schmeichlerischen Hoffnung Raum geben dürft,Di
man eine Sänfte auf das Haus zukommen ’ g
und der franse Vater wenig Augenblicke dşş M i !?;
in den Armen der entzückten Seinigen lag. dş
Das glückliche Bewußtsein, daß er j,
war, verdrängte eine Zeitlang die Begierde,% U)
wissen, wie es geschehen sei. Aurelie eilte, j
guten Vater zu Bette zu bringen, der lauge 'j Fcu n
Rührung nicht sprechen konnte. Wunderbar U sw zu
die Wege des Herrn! fing er endlich mit geE i Kle
Händen an. — Kinder, wer hätte das gedŞ ju
So ist es wahr mit dem fremden Doctor^ bjr. Ev
die Nachbarin ein, die herzlich theilncbnieud Mit!
Scene mit angesehen hatte. . ' yjdi
Ja, aber wer diejcr Doctor ist?— rief der Mge
könnt Ihr Euch denn nicht mehr ans unsern ķ AeE
stantin bottling,, her Virtf IS {,, htC ar'.tfl.'t i.
stantin besinnen, der vor 18 Jahren in die
gmg? Er wollte sich ettvaö versnchcn, der f
Junge! er hat Wort gehalten; er ist zur jt
wesen, als ein angesehener Mann kommt er »' t p
und — großer Gott! um mich vom Elende S 1 '.^
retten. Aurelic konnte sich unmöglich auf B ■'
stantin besinnen, sic war wohl kaum der ^ J
entwachsen, als der junge Mensch das Haus ' „ £
Vaters verlassen hatte; desto freudiger eriu"^
sich die Mutter seiner, denn sie hatte ihn ""
geliebt.