Full text: Newspaper volume (1834)

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Hatte sie meine Gedanken errathen? war ihr 
Auge meinem begeisterten Bücke begegnet? Ick) 
konnte es nicht glauben, denn noch war kein Ge 
ständnis über meine Lippen gekommen. Da bot 
das Schicksal mir endlich die Gelegenheit, mein Ge 
heimnist zn entdecken. Es war am Frohnleichnams- 
fest. Meiner Gewohnheit nach trat ich mir ihr zu 
gleich in die Kirche. Die Luft war heiß und schwül, 
der Himmel mit schweren grauen Wolken bedeckt, aus 
denen zuweilen die Sonne glühend brach und durch 
die gemalten Scheiben ein ungewisses Licht unter die 
dunkeln Bogen warf. Der Dust der Blnniengewinde 
um die hohen Säulen, der durchdringende Dunst 
des Weihrauches, die Töne der Orgel, die feierlichen 
Gesänge der Priester, alles dieses regte mich so ge, 
waltsam auf, dast mein Herz kaum das Nebermaaß 
seiner Liebe zu tragen vermochte. Das Gloria in 
excelsis Deo war vorüber, als ferner Donner zu 
rollen anfing, der Himmel sich verfinsterte und Blitze 
ihre gelblichen Flammen auf die Farbenpracht der 
Fenster warfen. Die heiligen Gesänge tönten fort, 
aber leiser, trauriger; Furcht uialte sich auf allen 
Gesichtern, und der Gedanke an Gott war verschwun 
den, wahrend das bange Ohr nur dem Donner 
horchte. Meine Augen ruhten auf Isabella, und 
ich empfand eine seltsame Freude, sie gleich den An 
dern erblassen zn sehen; brachte dieses gemeinsame 
Gefühl der Angst sie mir näher, schien es die Un 
gleichheit zwischen ihr und mir zn ebenen? — ich 
weiß es nicht. Ihr Kopf war gegen mich gewendet; 
da blendete ein Blitz mein Gesicht für einige Se 
cunden und als ich die Augen wieder öffnete, war 
Isabella's Blick noch nach mir gerichtet. Die Menge 
erhob sich zumEvangelinm,aber in demselben Augen 
blick schlug ein Blitzstrahl auf das Dach, zertrüm 
merte es und fuhr mit so gräßlichem Krachen durch 
das Schiff der Kirche, als flöge eine Pnlvermine in 
die Luft. Geschrei und Wehklagen tönten von allen 
Seiten, und so betäubend war der allgemeine 
Schrecken, daß Niemand daran dachte, sich aus 
dem Schwefeldunst zu retten. Die Leute lagen 
meistens auf den Banken halb besinnungslos; nur 
Isabella stand aufrecht mit gefalteten Händen, die 
großen Augen offen; ohne selbst zn wissen was ich 
that, faßte ich sie in meine Arme und trug sie, die 
durch den Dampf fast erstickt und ohnmächtig an 
meiner Brust ruhte, durch das Seitengewölbe der 
Kirche hinaus auf die Straße, wo reine Luft ihr 
bald die Besinnung wiedergab. Aengstlich blickte 
sie um sich, und ohne auf den zu achten, der sie 
eben gerettet, rief sie: „meine Mutter, meine Mut 
ier!" Statt der Antwort stürzte ich zurück gegen 
die Kirche; allein es war unmöglich hineinzubringen, 
denn wie ein Strom wälzte sich die Menge herauS; 
junge Leute trugen Greife auf ihren Schultern, Ma>> 
ner ihre Frauen in den Armen, Müller ihre Kind^' 
Endlich wurde der Eingang freier, ich trat in d 
Kirche. Welch' ein Anblick, großer Gott! DawL» 
Steinhaufen und Asche! Die Kerzen ausgelöst' 
und darinnen Niemand, Niemand! Wohl Hörtel" 
hier und da ein leises Wimmern und Stöhnen,,!^, 
näherte mich den Unglücklichen, Alles wurdeID 1 ' 
sie waren todt. 
Eilig kehrte ich dahin zurück, wo ich mein tö <l \ 
res Kleinod gelassen, und fand zu meinem Erst^ 
neu die gauze Familie versammelt, die mich erwart 
hatte, um mir zn danken. Ich mußte mit ihw 
in den Wagen steigen, ich wurde mit Höflichkeit-, 
und Freundschaflsversicherungen überhäuft. 
Isabella schwieg, und ich richtete kein Wort an !' ļ 
denn jeder Blick schien mir zn sagen: schwesS' 
Das Hans des Grafen stand mir von nun an osfift 
und die Gelegenheit fehlte mir nicht, Isabellen d 
Geheimniß, das meine Brust verschloß, zu entdecke ' 
denn man schien zwar meinen niedern Nana ü 
gessen zu wollen, glaubte aber in 
schaft zu sehen, daß ich es nie wagen werde, 
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Wünsche zn dem Mädchen zu erheben. Ganz f ßl 
war diese Berechnung nicht; das Bewußtsein Dļ' 
res ungleichen Ranges steigerte täglich meine *v 1{ 
furchtsvvlle Zurückhaltung, und es vergingen ^ 
Wochen, bis ich eines Tages von meiner Liebe sPG^ 
und fast gegen meinen Willen auch Isabella's u . (1 
stäubniß erhielt. Und doch, welches Glück lag 
dieser Zusicherung! Welche Seligkeit fortan in 
serem Beisammensein, im kleinsten Work, in je . 
Blick! nur ein Gefühl durchströmte unsere 
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und dies Gefühl war unaussprechliche Wonne. 4' 
war zu leidenschaftlich, um lange meine Enķ,,> 
düngen verbergen zu können; sie wurden erraw A 
Der^Graf behandelte mich Anfangs mit Kalke, 11 
verbot mir bald sein Haus. Doch es war z» frV 
Isabella und ich verstanden uns mit einem (( 
und als ich die Schwelle des Schlosses nicht 
betreten durfte, trafen wir uns in einer klet» , ļt 
entlegenen Meierei, wohin sie mit einer Frett»'^ 
kam, und wo wir manchen glücklichen Abend ü ; 1{ 
lebten. Die Freundin reiste ab, und nun kc»> '. 
ich die Geliebte nur selten und auf Augenblicke 
Wir trauerten Beide, daß wir uns nicht mehr ", 
sonst auf Stunden angehörte», und meine W 
entlockten ihr endlich das Versprechen, am 2lv^ 
«IS Knabe verkleidet in den nahen Wald zu komn>s ^ 
Es war ein schöner Septeiuberabend; der V (l 
mel war mit leichten, goldgesäunuen Wölkchen jļ A 
fact, die Luft lau und stille, und nur zuweilen ļ'* ( { 
ein linder Abendwind durch die Zweige und belî^ 
spielend die schon herbstlich bunten Diätlek» ^ 
spielend die schon herbstlich bnncen Blätter.
	        
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