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VL Staatsarzneikunde,
Seite, wo es ein Mal schrie, sie liess ihm die nothwendige
Hülfe und Pflege nicht angedeihen, sondern deckte es dermaas-
sen mit Betten zu, dass es erstickte: Der Grund dieses To-
des lag also einzig und allein in der Mutter. Ob die-
ser. Mord ihr Vorsatz, ihr Wille war, lässt sich nach physischen
Merkmalen nicht ermitteln; allein Inculpatio war 'von höchst be-
schränkten Geistesfähigkeiten, als Erstgebärende mit dem Her-
gange der Geburt, mit der Pflege und Hülfe, die einem Neuge-
borenen nöthig sind, nicht bekannt; sie legte das Kind an ihre
Seite und deckte es zu, um das Kind, wie sich selbst, gegen
Kälte zu schützen; sie blieb nach vollbrachter Handlung ruhig
in ihrem Gemüthe, zufrieden und furchtlos, ohne dass etwas
Freches an ihr wahrgenommen wurde; sie gab keine Scham zu
erkennen, hatte guten Appetit, schlief ruhig und die gehörige
Zeitz sie erklärte ohne Zwang das Kind für das ihrige, erzählte
den Hergang der Geburt und das Verfahren mit den Neugebo-
renen; sie warf erst gegen’ den Tag hin ihr Kind in’s Wasser,
was sie wohl kaum gethan haben würde, hätte sie es Vorsätz-
lich morden wollen, u. 8. w. ‘ Diese Gründe stimmen für den
unvorsätzlichen Mord. [MHenke’s Zeitschr. f. d. Staats-
arzneikunde , 1833, Hft. 4.] (V—t) —
30. Gutachten über die Todesart des in dem B...-
schen Cloak todt gefundenen, am 253. April v. J. ob-
ducirten neugeborenen Kindes; von Dr. Grarr, ersten
Bezirksarzt und Director des Med. Colleg. zu Darmstadt. — Ge-
nannten Tags fand man bei zufälliger Aufräumung eines Abtrittes
ein todtes neugeborenes Kind daselbst. Die unversehrie, abge-
rissene Nabelschnur macht wahrscheinlich, dass das Kind bald
nach seiner Geburt in den Cloak versenkt wurde, und die we-
nig vorgeschrittene Fäulniss lässt vermuthen , dass das Kind wohl
noch nicht 8 Tage alt seyn könne. Andern Tags hatte die Fäul-
niss bedeutend überhand genommen; das Besichtigungs- und Se-
ctions-Protokoll aber ergab folgende Resultate: 1) Das Kind war
Jebensfähig und ‚vollkommen ausgetragen; denn es maass 19} Par.
Zoll, wog 6 Pfund, hatte vollkommen gebildete Nägel und Ohr-
muscheln, langes Haar, und der Kopf im Querdurchmesser
31 Zoll, im grossen Durchmesser 4}, und im langen 5 Zoll (von
den Fontanellen ist nichts erwähnt). — 2) Das Kind hat nach
geiner Geburt entweder gar nicht, oder nur sehr unvollkommen
geathmet. Als positiver Beweis für nicht Statt gehabtes Athmen
dient die Kleinheit der Lungen, die ganz in den Hintergrund der
Brusthöhle zurückgedrängt waren und den Herzbeutel kaum be-
rührten; als negativer Beweis die Unsicherheit und Unzuverläs-
sigkeit aller Ergebnisse der Lungenprobe nach eingetretener, sehr
merkbarer Fäulniss. Nämlich das Herz, wie auch die Thymus-
drüse und Luftröhre schwammen; als aber die an selbigen Thei-
len befindlichen Blasen aufgestochen wurden, sank jeder einzelne
Theil ‚sogleich unter. Die Lungen aber schwammen mit und