B92 11° Pathologie, Therapie und medicinische Klinik,
zu frühern oder andern noch gegenwärtigen Uebeln ‚genau fest-
zustellen, und selbst die diagnostische Bestimmung der vorher-
gegangenen Leiden, — So wie die specielle Diagnostik sowohl
die vorhandenen Uebel bestimmt, als auch sich ähnliche von ein-
ander sondert, eben so‘ bringt Verf. folgende Kinzelnheiten un-
ter diese beiden Abtheilungen: 1) Krkenntniss zusammen-
gesetzter Krankheitszustände. In solchen Fällen fehlen
die eigenthümlichen, die wesentlichen Symptome jedes Krank-
heitszustandes. ‘ Es können auch ‚in zwei oder mehrern neben
einander stehenden Krankheiten die‘ Zustände sich gegenseitig
beschränken. Die Serumergiessung im Brustsacke hemmt z. B.
die volle Entwickelung derselben Seite , wie der tuberculöse Zu-
stand einer serösen Haut die Ergiessung auf derselben. In die-
sen Fällen sind die Symptome nur deshalb wenig entwickelt,
weil auch die Krankheitszustände es sind. Dahingegen sind die
Symptome gar häufig olıne Beschränkung der Zustände verdun-
kelt, und es ist leicht, dass über die stärker hervorstechenden
Symptome einer Krankheit die minder ‘hervorstechenden unbe-
merkt bleiben. Das sind. Zustände von ‘Krankheitszusammense-
tzungen. Zu diesen gehört aber nicht bloss das Zusammenseyn
von Krankheiten; sondern wenn ein entzündeter Theil ‚durch
Reize von aussen an seiner Genesung gehindert , wird, so ist
das Complication von Entzündung und Reizung oder Entzündung
mit Plethora oder abnormer Congestion zusammengesetzt, und
die Krankheit des Greises muss als Complication der Kranklıeit
mit dem Greisenalter betrachtet werden. In so weitem Sinne
nimmt Verf, den Ausdruck auch {in folgenden Complicatio-
nen von psychischen und körperlichen Krankheits-
zuständen. Bei psychischen Krankheiten verbergen sich die kör-
perlichen ausserordentlich häußg. Ein mit Irreseyn verbundener
Krankheitszustand kann einen andern, bloss somatisch sich äus-
sernden beschränken. Die Manie, welche die Lungensucht hemmt,
spricht dafür, Bei gesunkener Reizbarkeit des Nervensystems
werden sonst schmerzhafte Krankheiten weniger empfunden; Blöd-
sinnige sollen zu Fieber und Entzündungen weniger geneigt seyn
und nervöse Krankheitszustände bei Taubstummen weniger vorkom-
meo. Bei der Stumpfheit des Gefühls und bei der Trägheit der
Vorstellungen des Blödsinnigen verdunkelt sich die Diagnose der
selbst schmerzhaften Krankheiten. In gleichem Grade wirkt zu
rasche Folge der Vorstellungen der Diagnose vorhandener Kör-
perübel entgegen, Der Tobsüchtige klagt nicht über äussere
Verletzungen und penetrante Kälte; er schreit trotz seiner tu-
herculös zerstörten Lunge; er verschlingt, trotz dem entzündli-
chen Zustande seiner Verdauungswege, Speisen mit grosser Gier,
und ein Druck auf den Unterleib lässt ihn gleichgültig. Eine
gleiche Unempfindlichkeit, wie auch noch eine psychische Ano-
ınalie anderer Art, wodurch die Diagnose vorhandener Uebel er-
schwert wird, findet sich auch bei denjenigen Irren, deren Vor-