Full text: (8. Band = 1834, No 9-No 16)

V. Staatsarzneikunde. 
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überzeugt, dass Implorant im vollen: Besitze seiner Geisteskräfte 
ist und also nicht an Seelenstörung leidet, — Nachdem der 
Magistrat über sein Verfahren entschuldigend. berichtet und sich 
dabei auf das Gutachten des Amtsphysikus Dr. ve R. berufen 
hatte, forderte das Dicasterium bei den sich widersprechenden Be- 
weisen das Gutachten zweier anderer ‚Aerzte, welche in dieser 
Klagesache noch ‚nicht zu Rathe gezogen worden, Dazu wurden 
die DD, Drooe und Vrzın eidlich verpflichtet. Die Untersu- 
chung wurde mit grosser Sorgfalt unternommen and gründlich 
durchgeführt. Sie bezog sich eben sowohl auf den physischen, 
als auch auf den psychischen Zustand. Das Resultat des erstern 
Theiles dieser Untersuchung‘ war,‘ dass Implorant ein vollkom- 
men gesunder, wohlgebildeter und für gein Alter kräftiger Mann 
ist, dessen Physisches zu irgend einem Verdachte nicht die ge- 
tingste Veranlassung darbietet. Zur Jrforschung seines Psychischen 
richteten die beiden Aerzte ihr Augenmerk auf seine Blicke, Ge- 
herden und Stellungen, ohne. dass sie jemals einen Widerspruch 
des Aeusseren gegen das Innere nach Zeit, Ort und Verhältnis- 
sen wahrgenommen hätten. Eben so wenig fanden sie in seinen 
Worten und Tönen etwas Widersprechendes. In Bezug auf die 
Seelenthätigkeiten des Imploranten schloss man aus den Gesprä- 
chen mit ihm, ‘dass sein Verstand oder geine Vorsteilungskraft 
gesund ist. Dabei zeigte er ein treues Gedächtniss. In religiö- 
sen Dingen äusserte er einen orthodoxen Sinn. In Betreff sei- 
nes Gemüths oder des Vermögens seiner Gefühle verrieth er 
ein tiefes Ergriffenseyn über das Schicksal seiner Frau. Nicht 
minder verrieih ‚er grosse Liebe zu seinen Kindern, - In Bezug 
auf seinen. Willen oder das Vermögen der Handlungen wurde 
niemals eine falsche, zweckwidrige, ungereimte, übermässig g6- 
steigerte Richtung, oder gar eine Willenlosigkeit wahrgenommen. 
Er war stets nüchtern und weder sein Physisches noch Psychi- 
sches trug ein Zeichen von Trunksucht an sich. Von Tempe- 
rament schien er cholerisch. — Nach dieser Untersuchung spra- 
chen sich die beiden Aerzte bestimmt so aus:  Implorat leidet 
zur Zeit nicht an irgend einer Seelenstörung, nicht an Verstan- 
desschwäche, da seine Fassungs-. und Urtheilskraft die eines ge- 
sunden einfachen Menschen sind, der sich über den Kreis des 
Sewöhnlichen Lebens selten erhebt; sein Gedächtniss ist treu. 
Implorat ist nach seinem gegenwärtigen Seelenzustande vollkom- 
Men fähig, die eigene Verwaltung seines Hauswesens sofort wie- 
der zu übernehmen und die Pflichten, die ihm als Familienvater 
und Bürger obliegen, zu erfüllen. Endlich giebt es keinen Grund, 
anzunehmen, dass Implorat früher geelenkrank gewesen. Die von 
dem Magistrate zu Q. beigebrachten Facta, welche Implorant 
Meistens in Abrede "stellt, lassen sich hinreichend als Ausbrüche 
Eines -Affectes erklären, und mehrere Aeusserungen scheinen g®- 
flissentlich gemacht. zu seyn, um seinen Unwillen gegen den Ma- 
Sistrat auf eine nachdrückliche Art zu erkennen zu geben, —
	        
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