Full text: (8. Band = 1834, No 9-No 16)

VL. Poychiaetrie,, 
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einen, der ihn misshandele, er bildet sich ein, falsch geschwo- 
ren zu haben und ist darüber verzweifelnd, ex fixirt sich bei 
ihm ein heiterer Wahn (Melancholia moria),. er glaubt, er ‘sey 
Inspector geworden, ‚er denkt ans Heirathen u, dgl. m. Diesen 
krankhaften Gemüthszustand nennt Berichterstatter vollkom- 
mene Melancholie oder vielmehr ‚melancholische Verrückt- 
heit, d. h. Melancholie mit fixen Ideen. — In den vielen Wi- 
dersprüchen und Albernheiten, welche in seinen Antworten lie- 
gen, und in seinen oft wiederholten Phrasen liegt der Beweis, 
dass B. keines zusammenhängenden Gedankens mehr fähig ist: 
es mangelt ihm an Gedächtniss , Aufmerksamkeit und Besonnen- 
heit; er lässt Eindrücke fallen, die er auffassen sollte, nirgends 
kann er fest fussen; überall blickt Verrücktheit hervor. Allein 
Seine Vorstellung, welche er von seiner‘ verbrecherischen That 
Selbst ‘hat, scheint hauptsächlich. aus Folgendem hervorzugehen. 
Also Dowoggeund m anlnaw Thab gil-kt == MAL uiA um an DE“ 
weist, dass er nicht durch Bestechung ‚dazu bewogen worden. 
Es findet sich wirklich kein. anderer Beweggrund, denn der, für 
welchen‘ B. sein gefährliches Unternehmen wagte, war bettelarm. 
B. beging also aus Mitleid ein Verbrechen, oder, mit andern 
Wörten, er folgte blindlings seinem Naturtriebe, er handelte wie 
ein Automat, wie ein Nachtwandler, vielleicht mit Ueberlegung 
und Verstand, aber ohne Bewusstseyn, ohne Willensfreiheit, 
ohne Vernunft. Lässt sich auch annehmen, dass ein Vernünfti- 
ger aus Mitleid ein Verbrechen begelıt, so ist doch nicht zu be- 
greifen, wie B. für einen Menschen mitleidig. fühlen konnte, 
dem er selbst nachsagt, dass er sich umhertreibe, bettele, sein 
Vermögen durchgebracht habe u. 8. w.; €s ist nicht zu begrei- 
fen, wie er für solchen Taugenichts falsche Urkunden ausstellen 
und sein Notariatssiegel darunter setzen konnte, weil er meinte: 
„je grösser das Petschaft, desto wichtiger das Papier;“ es wäre 
diese That auf keine Weise zu erklären, wenn der Thäter sich 
ihrer bewusst gewesen wäre. B. war sich ‚seines Verbrechens 
nicht: bewusst ‘und hat auch jetzt von dessen Inhalte und Um- 
Tahge‘ noch keine Vorstellung; er fühlt keine Reue, er klagt 
bloss; durch seine‘ Gutheit dahingekommen zu S€yD, dass ihm 
das‘ Siegel abgenommen wurde; er weint, weil ‚er sich ferner 
sein Brot damit hätte: verdienen können, aber von der That, als 
Delict, spricht‘ er nicht und glaubt gie hinlänglich gerechtfertigt. 
Es jet also nicht zu seinem Bewusstseyn gekommen, dass das 
Verbrechen der Fälschung in der Fälschung selbst liegt, dass es 
auch ohne bösliche Absicht ein Verbrechen ist, falsche Atteste 
Aüuszustellen,: sich falscher Namen zu bedienen und das Notariats- 
siegel zu missbrauchen: er hat also ohne Bewusstseyn gehandelt. 
— War sich‘ B. seines Verbrechens nicht bewusst, so kann es 
ihm: auch nicht zugerechnet werden; denn Zurechnung wird be- 
dingt durch Freiheit, diese aber in Bezug auf Zurechnungstä- 
higkeit besteht (nach Mırrernaier) 1) in Freiheit des Urtheils,
	        
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