JIl. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik, 219
Voraussetzung eines 'paralytischen Zustandes des Mastdarmes und
der Blase wurde innerlich Arnica-Infusum verordnet, und in das
Heiligenbein, Perinäum. und die. Schoossgegend Phosphorsalbe
und andere reizende Mittel eingerieben. Da diese Mittel keinen
Nutzen schafften , so wurden Simaruba, Alaun, Ratanhia und. an-
dere Adstringentia (um die erschlafften Gefässe zusammenzuzie-
hen) gegeben (vom-Klystiere und dem Katheter wollte der Kranke
nichts wissen).. Die Strangurie leitete Verf, von varicösen Aus-
dehnungen am Blasenhalse ab und gab Semen Lycopodii mit Al-
thäesaft, worauf zwar die Harnbeschwerden gemildert wurden,
auch mehr Harn abfloss‘,. aber die Entleerung per anum unver-
ändert blieb. Da aber die Strangurie in völligem Umfange wie-
derkehrte, wurde das Lycopodium gegen Oleosa mit Opium, Ipe-
cacuanha und andere innere und äussere Krampfmittel vertauscht,
Man verband damit bald flüchtig reizende, bald adstringirende
Substanzen, suchte durch Magnesia und Schwefel die Hämorrhoi-
dalstockungen zu lösen. Allein die Harnsecretion verminderte sich
bei stets trocken bleibender Haut und bei dem Genusse vieler
wässeriger Flüssigkeit dermaassen, dass aller Trieb zu harnen
aufhörte, Selbst harntreibende Mittel, welche nebenbei gebraucht
wurden, liessen die Umstände beim Alten, und es ergab sich
endlich, dass aller Harn durch den Mastdarm ausgeschieden
wurde, denn jede Ausleerung auf diesem Wege roch vollkommen
wie Harn. Nachdem Patient sechs Wochen in dieser traurigen
Lage verlebt hatte, hörte die Aussonderung aus dem Intestinum
rectum auf, und der Tod erfolgte unter allen Zufällen des ‚Typhus.
[Horn’s Archiv, 1833, Mai, Juni.) ; (V—t.)
143. Beobachtung über eine gänzlich mangelnde
Urinabsonderung; vom Geh. Med. Räthe Dr. Sacyse. - Den
1. Juni 1833 wurde S. in Doberan zu' einem jährigen Knaben
gerufen, der schon seit 5 Tagen keinen Tropfen Urin gelassen
hatte. Obgleich noch an der Brust, hatte er sich doch auch
andere Speisen gut schmecken lassen; er war gut genährt, ging
aber noch so wenig, als er sprach. Rhabarber, Digitalis und
demulcirende Mittel waren schon ohne Erfolg angewendet wor-
den, ' Der Verf. fand die Blasengegend eben so wenig geschwol-
len und schmerzhaft , als den Penis, auch war die Oeffnung des-
selben nicht geröthet. Der Stubl war regelmässig, der Schlaf
ruhig. Die Nierengegend konnte ohne allen Schmerz tief ge-
drückt werden, auch offenbartg sich dieser weder durch Auf-
Schreien, noch durch Urinzwängen, oder starkes Drücken des
ganzen Unterleibes. Fieber, Hautkrankheit oder sonst ein UVe-
bel waren nicht zugegen. Die Mutter wusste nur, dass das Kind
beim ersten, späten Zahnen auch 4 Tage Urinverhaltung gehabt,
dann beim Abhalten und bei Stuhlausleerung etwas Schleim aus-
gepresst habe und so nach und nach wieder zum gehörigen Harn-
lassen gekommen sey. Auch jetzt waren vier Zähne im Durch-
brechen und Sacase erwartete wieder einen ähnlichen günstigen